E-Commerce
02.10.2018
PIM-Systeme
1. Teil: „Gute Produktdaten sind für Shops ein Muss“

Gute Produktdaten sind für Shops ein Muss

Product Information ManagementProduct Information ManagementProduct Information Management
kentoh / shutterstock.com
Product Information Management bringt Ordnung in die Datenflut. Die meisten Shop-Lösungen verfügen bereits über ein integriertes PIM-System. Steigt jedoch die Komplexität der Daten, stoßen diese Lösungen oft an ihre Grenzen.
Um sich für einen bestimmten Artikel entscheiden zu können, braucht der Kunde möglichst genaue Informationen zu dem Produkt: Wie groß ist ein Schuh in Größe 40 tatsächlich? Ist er wasserdicht oder nur wasserabweisend? Welche Materialien sind verarbeitet? In welchen Farbkombinationen ist er erhältlich?
Was bei Schuhen noch halbwegs überschaubar erscheint, ist bei Lebensmitteln schon deutlich aufwendiger. Da stellen sich dann etwa auch Fragen wie die, ob Zusatzstoffe oder Spuren von Allergenen enthalten sind, wie lange das Produkt haltbar ist oder worauf bei der Zubereitung zu achten ist.
Um ein Vielfaches komplexer wird der Umgang mit Produktinformationen, wenn zusätzlich technische Daten verarbeitet werden oder die Daten in verschiedenen Sprachen beziehungsweise für verschiedene Plattformen wie Amazon, Ebay oder Otto verfügbar sein müssen. Auch ein sehr breites Sortiment von Produkten mit völlig verschiedenen Artikelmerkmalen oder eine Vielzahl unterschiedlicher Datenquellen stellen Shop-Betreiber bei der Verwaltung ihrer Produktinformationen vor große Herausforderungen.
Zoro.de: Bietet rund 500.000 Artikel an und hat dazu viele
Zusatzinfos parat.
Neues Product-Information-Management-System bei Zoro Tools
Der Werkzeugfachhändler Zoro Tools mit Sitz in Düsseldorf hat sich für das PIM-System „Informatica MDM – Product 360“ entschieden.
Knapp 500.000 Artikel umfasst das Sortiment von Zoro Tools, einem Online-Fachhändler für Handwerker-, Betriebs- und Industriebedarf. Und das Angebot ist vielfältig: Es reicht von Werkzeug über Schrauben und Befestigungstechnik bis hin zu Maschinen, Werkstatteinrichtungen, Arbeitsschutzkleidung, Garten- und Bürobedarf.
Mit dieser Datenmasse war das alte, eigenentwickelte PIM-System schlicht überfordert. Die Artikeldaten neuer Lieferanten anzulegen, aufzubereiten und in die jeweiligen Kanäle auszuspielen dauerte teils mehrere Monate. Zudem erschwerte die unterschiedliche Datenqualität – die Informationen stammen aus Excel-Listen, ERP-Systemen oder PDF-Dokumenten – die Weiterverarbeitung. „Mit der alten Lösung war es unmöglich, professionell aufbereitete Lieferantendaten und zum Teil völlig unstrukturierte Informationen der kleinen Zulieferer zu konsolidieren“, erinnert sich Dimitri Unruh, Director IT bei Zoro.de. Daher hatte der Händler große Probleme beim Zusammenstellen von Stammdaten.
Ein weiteres Problem war die Dokumentation der Datenherkunft: Endet eine Lieferantenbeziehung, dürfen dessen Daten oft nicht weiter verwendet werden. Zoro Tools konnte allerdings nicht nachvollziehen, woher die Daten stammen, und lief dadurch ständig Gefahr, Inhalte ohne Genehmigung zu verwenden.
Das neue PIM-System löste diese Probleme: Zum einen ermöglicht es die reibungslose Integration von Daten aus unterschiedlichsten Quellen, zum anderen lassen sich Massendaten automatisch erzeugen, verarbeiten, aufbereiten und auch auf ihre Qualität hin überprüfen. Fehlt bei einem Datensatz etwa
ein Produktbild, stoppt das PIM-System die Verarbeitung und benachrichtigt den zuständigen Mitarbeiter. Auch wenn vordefinierte Qualitätsvorgaben nicht eingehalten sind, schlägt das System Alarm. Zudem erfolgt ein automatischer Abgleich auf Dubletten oder Veränderungen im Datensatz. „Das Tool weist uns zum Beispiel darauf hin, wenn es abweichende Preise feststellt“, so Unruh.
Auch bei der Einbindung eines neuen Lieferanten braucht es einen zuverlässigen Datenabgleich: „Wir müssen wissen, ob und wie viele der potenziell neuen Artikel wir bereits im Sortiment haben, erklärt Unruh. „Jetzt können wir Dubletten einfach erkennen und die neuen Produktinformationen schnell in andere Systeme ausspielen. Was früher Wochen gedauert hat, geschieht heute innerhalb von Stunden.“
Für die Lösung von Informatica sprach laut Unruh, dass sie gut zum Geschäftsmodell von Zoro Tools passt und dass sie in kurzer Zeit eingeführt werden konnte. Drei Wochen nach dem einzigen  Vorbereitungs-Workshop stellte der Dienstleistungspartner Arvato Systems eine Testversion vor. Nach sechs Wochen ging die erste Version live, die im Anschluss agil weiterentwickelt wurde. „Bereits diese erste Version war deutlich besser als unsere vorherige Lösung“, so Unruh.
Zu den größten Herausforderungen gehörte die Integration von Schnittstellen zum ERP-, Warenwirtschafts- und Shop-System sowie die Datenmigration. „Die Bestandsdaten ohne Fehler in die PIM-Lösung zu übertragen war wegen der verschiedenen Schnittstellen nicht ganz leicht“, erinnert sich der IT-Spezialist. Zudem mussten die Mitarbeiter geschult werden. Doch der Aufwand hat sich gelohnt: „Das neue PIM-System verschafft uns eine vollumfassende und transparente Sicht auf jegliche Lieferanten- und Artikelinformationen, die wir datengetrieben pflegen können“, lautet sein Fazit.
2. Teil: „Shop-Systeme mit PIM“

Shop-Systeme mit PIM

Um dieser Datenflut Herr zu werden, sind Product-Information-Management-Systeme, kurz PIM-Systeme, hilfreich. Über eine solche Datenbanklösung lassen sich Produktinformationen zusammenführen, standardisieren, bearbeiten und verwalten. Die meisten Shop-Lösungen verfügen bereits über ein integriertes PIM-System, über das sich Standarddaten wie Artikelnummer, Größe, Farbe, Gewicht, Preis sowie etliche Zusatzinformationen pflegen lassen. „Für einfache Use-Cases reichen die grundlegenden Funktionen dieser inte­grierten PIM-Systeme in vielen Fällen aus“, erklärt Johannes Terhürne, Director Strategy bei der Agentur Best IT.
Wenn aber die Komplexität der Daten wächst - etwa durch Internationalisierung, die Anbindung des Shops an Marktplätze oder aufgrund besonderer Anforderungen an die Produktinformationen wie Größentabellen oder Inhaltsstoffe -, stoßen diese integrierten PIM-Lösungen oft an ihre Grenzen. Denn: „Ein Shop-System ist für den Verkauf von Artikeln optimiert und demnach ein Kompromiss aus Shop-Frontend, Order-Management und PIM“, so Terhürne. Über ein reines PIM-System hingegen können Daten zentralisiert und normiert erfasst und bearbeitet werden - auch über Abteilungsgrenzen hinweg. Damit steigen Geschwindigkeit und Effizienz der Datenverarbeitung.
Doch woran erkennen Shop-Betreiber, dass ihr in die Shop-Software integriertes PIM-System nicht mehr ausreicht? Ein wesentlicher Indikator ist nach Ansicht von Jörg Krähschütz, Unit-Direktor Transaktion bei der Agentur Nexum, die Datenqualität. „Unsaubere Daten schlagen sich schnell in steigenden Retourenquoten und niedrigen Konversionsraten nieder, denn die Qualität der Daten ist die Basis für eine erfolgreiche Produktkommunikation“, so Krähschütz.
Ein weiteres Indiz sind zeitaufwendige und langsame Prozesse, bei denen Daten oft händisch aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragen und mühsam standardisiert werden müssen. „Mit einem PIM-System können Shop-Betreiber diesen internen Ressourcenaufwand erheblich reduzieren“, betont Krähschütz. Seiner Einschätzung nach ist dies für Händler mit breiten Produktpaletten, mit erklärungsbedürftigen oder mit besonders schnelldrehenden Produkten wichtig.
Checkliste: Wahl eines PIM
1. Definieren Sie, welche Anforderungen sich aus Ihrer Unternehmens- und Marketingstrategie für das PIM-System ergeben. Holen Sie alle Beteiligten mit ins Boot.
2. Definieren Sie einige Anwendungsfälle und lassen Sie sich einen Testlauf dazu mit Ihren eigenen Produkt­daten vorführen.
3. Achten Sie mehr auf den Nutzen als auf Features. Nicht alles, was möglich ist, ist für Ihr Unternehmen tatsächlich nötig.
4. Achten Sie darauf, dass Datenhaltung und -pflege me­dienneutral und so granular wie möglich erfolgen. Das sichert Flexibilität für verschiedene Anwendungsfälle.
5. Auch Open-Source-Lösungen sind geeignet, Ihre An­forderungen zu erfüllen. Eine genaue Prüfung lohnt sich.
6. Unterschätzen Sie den Aufwand einer PIM-Integration nicht. Denken Sie in Teilprojekten und prüfen Sie, ob ein iteratives Vorgehen sinnvoll ist.
7. Überlegen Sie, ob Ihr ERP-System auch weiterhin das führende System sein muss oder ob das PIM-System nicht Prozesse wie die Datenanreicherung übernehmen kann.
3. Teil: „Auswahlkriterien für ein PIM“

Auswahlkriterien für ein PIM

Auf dem Markt ist eine breite Palette an PIM-Systemen verfügbar. Um die zum Unternehmen passende Lösung zu finden, empfiehlt Johannes Terhürne von Best IT, die digitale Roadmap im Blick zu behalten. In dieser digitalen Roadmap sollte ein Online-Händler definieren, wo sein Unternehmen in drei Jahren strategisch stehen soll. Dabei ist insbesondere zu beachten, welche Plattformen aktuell bespielt werden und welche absehbar dazukommen sollen, um weiter zu wachsen.
„Die Auswahl der Arbeitsmittel wie etwa eines PIM-Systems folgt dieser strategischen Definition“, so Terhürne. Ein weiterer Faktor ist eine Festlegung des grundlegenden Datenmodells und der Struktur der Rohdaten. Diese ergibt sich unter anderem aus den Datenquellen: Stammt der Großteil der Daten aus dem eigenen ERP-System, sind sie bereits standardisiert. Greift der Händler hingegen auf die Daten vieler verschiedener Lieferanten zurück, muss er unterschiedlichste Datenformate standardisieren und bereinigen.
Wichtig ist hierbei auch, wie viele Artikelmerkmale hinterlegt und verarbeitet werden müssen, und wie unterschiedlich diese Merkmale für einzelne Produktgruppen sind. Hilfreich ist dabei, einige unterschiedlich geartete Anwendungsfälle zu definieren und diese mit den eigenen Daten in einem Testlauf mit den Lösungen der engeren Auswahl durchzuspielen. Denn entscheidend sind im Zweifel nicht ausgefallene Features, sondern die solide Erfüllung der tatsächlichen Anforderungen des eigenen Unternehmens.
Ein anderes Kriterium bei der Auswahl ist die Art der benötigten und verfügbaren Produktinformationen sowie die Vielzahl der Kanäle, für die sie genutzt werden sollen.
Wer seine Produktbeschreibungen zum Beispiel mit vielen Fotos, Videos oder mit Zusatztexten wie Anwendungstipps oder Hintergrundwissen ergänzt, braucht ein Product-Infomation-Management-System, das auch solche Daten verarbeiten kann.
Solche Funktionen werden als Digital Asset Management (DAM) oder bei Videos auch als Multimedia Asset Management (MAM) bezeichnet.
Tabelle:

4. Teil: „Videos brauchen Ergänzungen“

Videos brauchen Ergänzungen

Die meisten PIM-Systeme decken solche DAM-Grundfunktionen ab - so wie Shop-Systeme eben auch Grundfunktionen eines PIM-Systems mitbringen. Für spezielle Anforderungen kann aber auch hier der Einsatz eines reinen Digital-Asset-Management- oder Multimedia-Asset-Management-Systems sinnvoll sein. Einige PIM-System-Anbieter wie etwa Apollon stellen entsprechende Zusatzmodule bereit, die über eine eigene Lizenz genutzt werden können. Daneben gibt es auch Anbieter reiner DAM- und MAM-Systeme, zum Beispiel die DAM Group oder Canto.
Solche Lösungen können ein PIM-System jedoch nicht ersetzen: „Eine DAM- oder MAM-Lösung kann ein PIM-System in der Regel nur ergänzen, indem es dem Kunden weiterführende Zusatzinformationen per Bild oder Video zur Verfügung stellt und so oftmals den entscheidenden Kauf­impuls liefert. Die wichtigsten Basisproduktdaten müssen jedoch aus dem PIM-System kommen“, betont Jörg Krähschütz von Nexum.
Daneben ist es wichtig, sämtliche Kanäle und Abteilungen zu berücksichtigen, die auf Daten aus dem PIM-System zurückgreifen sollen. Denn ein großer Vorteil der standardisierten, zentral verwalteten Produktinformationen liegt darin, dass die Daten - beispielsweise aktuelle Preise, hochwertige Produktfotos, Erklärvideos oder auch magazinartige Lese­texte - schnell auch für Werbemaßnahmen und Social-Media-Aktionen, für gedruckte Flyer oder auch Rabattcoupons nutzbar sind.
Vor allem Omnichannel-Händler können sich hier die Stärken einer PIM-Lösung zunutze machen. Einige Anbieter haben solche Omnichannel-Funktionen besonders im Fokus, etwa Informatica und Tradebyte. Die meisten PIM-Lösungen sind modifizierbare Standardlösungen, das heißt, sie lassen sich in der Regel schnell implementieren und über Schnittstellen an bestehende Systeme anbinden. Die Oberfläche sowie Art, Anzahl und Struktur der zu verwaltenden Produktinformationen lassen sich individuell anpassen. Allerdings ist hierfür ein gewisser Aufwand einzuplanen.
Alle Lösungen stehen als Software as a Service über die Cloud zur Verfügung, die meisten auch als On-Premise-Lösung. Als Kosten fallen meist Lizenzgebühren an, die von der Anzahl der Produkte und der Nutzer abhängen. Wartung und Pflege werden meist extra berechnet, sind teilweise aber verpflichtend. Entscheidend ist für Johannes Terhürne von Best IT, dass die Auswahl eines Systems nicht in eine „technologische Sackgasse“ führt, sondern flexibel der Commerce-Strategie folgen kann. Jörg Krähschütz von Nexum glaubt, dass viele das Thema PIM unterschätzen oder zu spät anpacken, da sie Angst vor der Komplexität haben. „Aber auch kleine Schritte bringen schnell messbare Erfolge. Statt mit der stetig steigenden Datenflut unterzugehen, sollten Shop-Betreiber lieber frühzeitig auf ein schlankes, flexibles PIM setzten“, so Krähschütz.
Tabelle:


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