09.06.2020
Neuausrichtung
1. Teil: „Globaler „Internet-Computer“ auf Blockchain“
Globaler „Internet-Computer“ auf Blockchain
CNStock / shutterstock.com
Eine dezentrale Web-Plattform soll neuartige Applikationen ermöglichen. Unter anderem bietet die Technologie für Anwendungsunternehmen die Möglichkeit, weniger von den großen Cloud-Anbietern abhängig zu sein.
Immer wenn zu Jahresbeginn das Weltwirtschaftsforum in Davos steigt, richten sich alle Blicke auf den kleinen Ort in Graubünden in der Schweiz. Das Who’s who der Staats- und Konzernchefs verkündet dort seine Sicht auf die Zukunft. Im Schatten der Großen, abseits des Medienrummels, präsentieren sich aber auch die Kleinen. Menschen mit Ideen, die - aus ihrer Sicht - ebenfalls das Potenzial haben, die Welt zu verändern. Wie das Team von Dfinity. Das Tech-Start-up arbeitet an nichts Geringerem als zu verändern, wie wir Software und Infrastruktur bauen und pflegen.
Nach rund einem halben Jahrzehnt Entwicklung zeigte Dfinity Anfang des Jahres in Davos seinen „Internet-Computer“ in Aktion. Stanley Jones, Engineering Manager bei Dfinity, führte vor, wie eine Software auf dem System bereitgestellt wird. Hierfür nutzte er Dfinitys neu lancierten Web-Dienst LinkedUp, eine quelloffene Alternative zu dem zu Microsoft gehörenden Social Network LinkedIn.
Paradigmenwechsel
Laut Jones haben diese Anwendung gerade einmal zwei Ingenieure in rund drei Wochen erstellt. Geschrieben wurde die Applikation in der von Dfinity im vergangenen Jahr veröffentlichten Programmiersprache Motoko. Diese entstand unter der Leitung von Andreas Rossberg, Miterfinder der Software-Technik WebAssembly. Jones musste jetzt letztlich nur noch den Code der Anwendung kurz kompilieren und fertig: Die Software lief. Die Technologieplattform von Dfinity hatte eine sogenannte Web-3.0-Software in lediglich 18 Millisekunden zum Leben erweckt.
Was der Ingenieur Jones in Davos vorführte, war aus verschiedenen Gründen ein Kunststück der besonderen Sorte. Der Prototyp einer hochverfügbaren Cloud-Anwendung meldete sich auf der Infrastruktur von Dfinity zu Diensten - ohne eine Datenbank, frei von Browser-Erweiterungen und REST-APIs, ohne Web-Server, Lastverteiler, Firewalls oder Content Delivery Network. Alles erstellt mit Dfinitys SDK Canister und unterstützt vom bekannten Code-Format WebAssembly, das Applikationen in Browsern ausführt.
Jones konnte sich einen Seitenhieb auf die Komplexität gewöhnlicher Software-Bereitstellung auf einer Cloud-Plattform der „alten Schule“ in seiner Präsentation nicht verkneifen. Dann aber fügte er ernsthaft hinzu: „Das hier ist ein Paradigmenwechsel.“
Damit moderne Unternehmen effizient funktionieren können, sind sie auf Software-Anwendungen angewiesen. Allerdings sei der aktuelle Technologieunterbau, der Stack, „broken“, erklärt Dominic Williams, der britischstämmige Gründer und Geschäftsführer von Dfinity in Zürich. Das hätten unter anderem „die zahlreichen Hacks und Sicherheitslücken, Systemausfälle sowie die hohen Kosten bei der Software-Entwicklung nachdrücklich bewiesen“. Hinzu komme, dass die zunehmend monopolistische Natur der Internetdienstleister zwar nicht so offensichtlich, deswegen aber nicht weniger bedrohlich sei. Anwenderunternehmen befänden sich gewissermaßen in der Geiselhaft ihrer Cloud-Anbieter. „Wer auf Big Tech baut, baut auf Sand“, bringt es Williams auf den Punkt. Dafür arbeiten sie bei Dfinity an einer Lösung.
2. Teil: „Neue Generation von Software“
Neue Generation von Software
Cloud-Plattform zu verwandeln. Das soll Anwenderunternehmen verschiedene Vorteile bieten. Ein Versprechen ist etwa die geringere Abhängigkeit von den großen Cloud-Anbietern, da auch diese sich an den neuen Standard halten und somit nach Regeln agieren müssten, nach denen ihre wirtschaftliche Dominanz eine geringere Rolle als heute spielen würde. Damit das gelingt, müssten sich künftig nicht nur viele verschiedene Akteure an den neuen Standard halten.
Die Technik von Dfinity verschmelzt die Compute-Kapazitäten unabhängiger Rechenzentren zu einer globalen Anwendungsplattform. Das Zürcher Start-up taufte sie auf den Namen „The Internet Computer“. Dahinter steht ein neuartiges Internetprotokoll, welches das aktuelle TCP/IP ergänzt. Dfinity schickt sich quasi an, das Internet in eine globale Für sein Konzept benötigt Dfinity eine Vielzahl an unabhängigen, weltweit verteilten Rechenzentren, die als Nodes dienen. Diese stellen dem System ihre Kapazitäten zur Verfügung. Als Belohnung will Dfinity eigene Tokens, sogenannte dfinities, herausgeben, was zu den technischen Hürden der jungen Technologie wohl zusätzlich einige juristische Hürden mit sich bringen dürfte. Denn die Börsenaufsichten weltweit werden beim Thema Token aufmerksam.
Der Bezug zu den Tokens kommt nicht von ungefähr. Denn unter der Haube des Internet-Computers arbeitet die Dfinity-Blockchain. Diese führt Buch über die Ressourcen in den verteilten Data-Centern, die Laufzeitanforderungen der Applikationen und andere Aspekte der Plattform. Für die Bestätigung einer Transaktion nach einem Konsensalgorithmus benötigt das bekannte Bitcoin bis zu einer Stunde und die modernere Ethereum-Technik rund sechs Minuten. Bei Dfinity will man mit dem eigenen Konsensalgorithmus nur noch fünf Sekunden benötigen. Das wäre etwa 72-mal schneller als bei Ethereum.
„Ich nenne es die Konsensus-Ebene des Dfinity-Stacks“, erklärt Mahnush Movahhedi, Senior Research Engineer bei Dfinity. Auf diesem Level setzen die Anwendungen auf. Auf dem Technologieunterbau von Dfinity sollen Anbieter genauso wie Anwenderunternehmen ihre Websites, Geschäftsanwendungen, Internetdienste oder andere IT-Systeme auf Enterprise-Niveau direkt aufsetzen können - wie auf einem virtuellen verteilten, selbstheilenden Supercomputer.
Begeisterung und Skepsis
Nicht alle teilen die optimistische Sicht auf die Dinge. Zum einen ist da die Herausforderung, den Konsensalgorithmus derart drastisch zu beschleunigen, wie es für den reibungslosen Betrieb des Internet-Computers erforderlich wäre. Wenn die Ingenieure die angestrebten Geschwindigkeitswerte beim Konsensalgorithmus tatsächlich erreichen würden, wäre Dfinity in der Tat extrem schnell, bescheinigte Nils Urbach, Professor für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management an der Universität Bayreuth sowie Mitgründer und Co-Leiter des Fraunhofer Blockchain-Labors gegenüber dem Wirtschaftsmedium „Forbes“. Aber noch sei der Internet-Computer mehr ein Versprechen als eine fertige Lösung.
Und nicht nur das: Joseph Lubin, Mitgründer des heute im schweizerischen Zug beheimateten Blockchain-Spezialisten Ethereum und Gründer des Software-Anbieters ConsenSys in New York, stellt manche Ideen von Dfinity infrage. Sollte ein Drittel der Knoten des Dfinity-Netzwerks zeitweise für die übrigen Knoten nicht mehr erreichbar sein, könnte das gesamte Dfinity-Netzwerk zum Stillstand kommen, argumentierte Lubin im Mai vergangenen Jahres. Dies schließe den Internet-Computer für „viele unterschiedliche Klassen von Anwendungen“ aus. Lubin räumt allerdings schmunzelnd ein, er könne aufgrund seiner Ethereum-Befangenheit nicht die nötige Objektivität aufbringen. Dfinity als einen würdigen Ersatz von Amazon Web Services könne er sich dennoch sehr gut vorstellen. „Die Ingenieure von Dfinity werden es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit durchaus sehr gut hinkriegen“, so Lubin.
3. Teil: „Quelloffen und „unzerstörbar““
Quelloffen und „unzerstörbar“
Einig ist sich Lubin mit Dfinity-Chef Williams, wenn es um die Abhängigkeit von den großen Plattformen geht. Das Problem werde durch die Konflikte zwischen den Big Playern des Internets und den kleineren Unternehmen, die von ihnen abhängig sind, im Lauf der Zeit weiter verschärft.
Das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Nachteile proprietärer Social-Media-Dienste hat in den letzten Jahren zugenommen. Auslöser dafür war nicht zuletzt die Weitergabe von Nutzerdaten durch Facebook an Cambridge Analytica. Die Verbraucher mögen sich über den Verlust an Kontrolle über ihre Daten und über deren Missbrauch ärgern, doch für Anwenderunternehmen, die sich auf „Big Tech“-Companys verlassen, seien die Risiken sogar existenzbedrohend, zeigt sich Williams überzeugt.
Denn die Schwergewichte können die Regeln für den Zugang zu unternehmenskritischen Ressourcen und Infrastrukturen - sprich zu den APIs - jederzeit nach eigenem Gutdünken verwalten. Williams führt das Beispiel des Spieleentwicklers Zynga ins Feld, der sich auf Facebooks APIs verlassen hatte und 80 Prozent des Umsatzes über das Social Network erwirtschaftete. Als Facebook dann die „Spielregeln“ unerwartet geändert hatte, erlitt Zynga einen massiven wirtschaftlichen Rückschlag. Zwar wird Zynga heute wieder als Anlagetipp gehandelt, damals jedoch brach sein Aktienkurs um rund 40 Prozent ein. „Wir bauen die Infrastruktur für ein offenes LinkedIn, ein offenes Ebay, ein offenes AirBnB - der gleiche Service, aber offen“, so Dominic Williams. LinkedIn etwa habe nach der Übernahme durch Microsoft unzähligen Software-Schmieden die Nutzung seiner APIs verweigert und die betroffenen Entwickler hängen gelassen, erinnert der Software-Spezialist. Das werde mit Dfinity niemals passieren, verspricht Williams.
Starke Forschung
Dfinity hat ein starkes Forschungsteam in Zürich, zusätzlich zu je einem in Palo Alto und San Francisco in Kalifornien, in Deutschland und in Tokio. Zürich sei ein großartiger Standort für bestimmte Computing-Bereiche und für Kryptografie, kommentiert Williams. Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Dfinity in Zürich haben zuvor bereits bei etablierten IT-Schwergewichten wie IBM und Google ein bleibendes Erbe ihrer Innovationskraft hinterlassen.
Andreas Rossberg beispielsweise, Alumnus eines Post-Doc-Programms des Max Planck Institute for Software Systems, zeichnete zuvor bei Google Deutschland verantwortlich für die Entwicklung von V8, einer quelloffenen High-Performance-JavaScript- und WebAssembly-Engine, verfasst in C++. Die Engine wird im Browser Chrome und in Node.js eingesetzt. In seiner Rolle als Senior Staff Researcher & Engineer bei Dfinity habe Rossberg ein „Entwicklerteam von Superstars der Weltklasse“ aufgebaut, berichtet Jelena Djuric, ehemalige Community Managerin bei Dfinity in Palo Alto.
Für Dfinity ist das Blockchain-Öko-System im Crypto Valley rund um Zug ein idealer Nährboden. „Ohne das Privileg, mit Talenten aus der Schweizer Crypto-Valley-Community zu arbeiten, wäre die Erschaffung des Internet-Computers von Dfinity keinesfalls möglich gewesen“, ergänzt Dfinitys Senior Research Engineer Movahhedi. „Das Crypto Valley ist eine wirklich einzigartige Umgebung für technische Innovationen.“
Auch die Nähe von EPF Lausanne und ETH Zürich spielten für Dfinity bei der Wahl des Standorts eine wichtige Rolle. Das Zürcher Forschungslabor von Dfinity leitet Jan Camenisch, mehrfach preisgekrönter Computerwissenschaftler. Camenisch ist für seine wissenschaftlichen Publikationen zu Kryptografie und Datenschutz sowie für mehrere Patente bekannt. Außerdem ist er Fellow des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE), einem weltweiten Berufsverband von Ingenieuren hauptsächlich aus der Elektro- und Informationstechnik. Der Verband definiert beispielsweise Parameter für Schnittstellen wie den USB-Anschluss.
Dfinity hat die Latte sehr hoch gelegt. Den Internet-Stack komplett neu zu erfinden, ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Die Rückendeckung durch Investoren wie die Venture-Capital-Firma Andreessen Horowitz, Polychain Capital und SV Angel verspricht jedenfalls ein gewisses Durchhaltevermögen. Noch vor Vorstellung finaler Produkte wurde der Marktwert von Dfinity auf etwa 2 Milliarden Dollar taxiert.
Die Plattform von Dfinity soll langfristig die IT-Kosten der Unternehmen senken. Denn IT-Systeme und ihre Wartung verschlingen aus Sicht des Start-ups viel zu viel Geld. Für die Big-Tech-Konzerne gebe es „absurde“ Anreize, IT-Systeme „überzukomplizieren“, um die betroffenen Nutzer in diesen komplexen Systemen zu halten.
Sein Internet-Computer könne eine Alternative zum 3,8 Billionen Dollar teuren Legacy-IT-Stack sein, warb sein Gründer gegenüber dem Medium „TechChrunch“ für seine Technologie-Vision und fügte an, das werde die nächste Generation an Entwicklern fördern, die neue manipulationssichere Software auf Enterprise-Niveau und offene Web-Services entwickeln wollen. Wenn es nach Dominic Williams geht, könnte Dfinity Anwenderunternehmen im KMU-Segment kaum schnell
genug mit einer quelloffenen Alternative zu althergebrachten Modellen der Software-Entwicklung und -Bereitstellung befreien. Die ersten großen Dfinity-Anwendungen „made in Switzerland“ avisiert das Unternehmen für die kommenden zwei Jahre.
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