Business-IT
15.01.2020
Rund um die Uhr
1. Teil: „Waren fürs Handwerk - auch nach Ladenschluss“

Waren fürs Handwerk - auch nach Ladenschluss

Eingang des Würth-ShopsEingang des Würth-ShopsEingang des Würth-Shops
Würth-Gruppe
Würth setzt auf flexibles Fulfillment und ein Netz von automatisierten 24-Stunden-Shops. Ohne Verkaufspersonal können Handwerker zu hier zu jeder beliebigen Uhrzeit Material einkaufen.
  • Automatische Erkennung: Ein Tunnel-Scanner registriert den Einkauf und löst den Bezahlprozess aus.
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Das große Mantra des Online-Handels lautet „den Kunden in den Mittelpunkt stellen“. Das ist allerdings immer leichter gesagt als getan. Der Online-Shop von Würth, einem Großhändler für Montage- und Befestigungsmaterial, macht vor, wie es geht. Neben dem Online-Shop und der dazugehörigen mobilen App ­betreibt Würth in Deutschland im Moment etwas mehr als 500 Ladengeschäfte sowie eine Reihe von 24-Stunden-Shops, die ­außerhalb der regulären Öffnungs­zeiten ohne Personal auskommen. In Kombi­nation bieten sie Handwerkern flexible Einkaufsmöglichkeiten.
Der B2B-Shop, der auf der Software von Intershop basiert, hat viele Features, um gewerblichen Kunden den Alltag zu ­erleichtern. Dazu gehören zum Beispiel ein individuell anpassbares Kunden-Dashboard mit den jeweiligen Preisen, eine ­Benutzerverwaltung mit Rechte- und Rollenkonzept, Genehmigungs-Workflows sowie Budget- und Kostenstellenverwaltung.
Die Kunden von Würth, in erster Linie Handwerker, sind oft auf verschiedenen Baustellen unterwegs und stehen meist unter Zeitdruck. Dementsprechend bietet der Shop mehrere Lieferoptionen an, zum Beispiel Click & Collect, einen Drei-Stunden-Lieferservice oder die Lieferung auf die Baustelle. Dieser Service steigert die Produktivität der Kunden, ist Moritz Schwarz, Bereichsleiter E-Business International bei Würth, überzeugt, denn „der Handwerker muss sich nicht selbst ins ­Auto setzen und die Baustelle verlassen.“
Offensichtlich lohnt sich der kundenzentrierte Ansatz, denn im Bereich E-Business, zu dem auch der Webshop gehört, wuchsen die Umsätze 2018 um 24,6 Prozent. Insgesamt legte die Würth-Gruppe im Geschäftsjahr 2018 um 7,1 Prozent auf 13,6 Milliarden Euro zu.
Für Schwarz ist der tägliche persönliche Kontakt mit den Kunden „das wichtigste Asset“ und ausschlaggebend für den ­Erfolg: „Automechaniker oder Baulöwen sagen einem sehr klar ins Gesicht, was sie brauchen - oder auch, wenn etwas nicht funktioniert.“
Im Handwerk herrscht Fachkräftemangel und eine hohe Auslastung. Damit ­seine Kunden im täglichen Geschäft Zeit sparen, will Würth seine Lösungen für automatisierte Prozesse weiter ausbauen. Ein Weg dazu ist die Verknüpfung der Warenwirtschaft. Würth nutzt ein Warenwirtschaftssystem von SAP, das durch zahlreiche Eigenentwicklungen ergänzt wurde und Omnichannel-fähig ist. 20.000 Kunden haben allein in Deutschland ihre ­eigene Warenwirtschaft bereits direkt an dieses System angebunden, wie Schwarz erklärt. Ein Vorteil: Die Kunden können ihre Rechnungen der letzten zehn Jahre bei Würth einsehen - unabhängig davon, ob die Waren online oder in einer stationären Filiale gekauft wurden. So können sie ­ihrer gesetzlichen Aufbewahrungspflicht nachkommen, ohne dass sie die Rechnungen in ihrem Büro ausdrucken und abheften müssen.
Weltweit hat Würth mehr als 3,6 Millionen aktive Kunden, so Schwarz: „Die große Reichweite und die Markenbekanntheit erlauben es uns, Dinge sehr schnell auszuprobieren. Ein neues Tool oder einen neuen Konfigurator können wir schnell an 10.000 Usern testen.“ Neben dem guten Draht zum Kunden zählt für Schwarz auch Schnelligkeit zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren. „Wir merken innerhalb einer Woche, ob ein Tool oder eine neue Lösung etwas taugt“, freut sich der Bereichsleiter, der Würth als „sehr KPI-getrieben“ charakterisiert. Schwarz weiter: „Wir sehen uns täglich die Verkaufszahlen vom Vortag an.“ Funktioniert etwas nicht, wird eine Entscheidung auch sehr zeitnah revidiert.
Würth investiert in den Ausbau ­digitaler Lösungen. „Allein in Deutschland haben wir in den vergangenen 24 Monaten über 60 neue Mitarbeiter im Digital­bereich eingestellt“, erklärt der E-Business-Verantwortliche. Für 2019 waren ­Investitionen ins E-Business in zweistelliger Millionensumme veranschlagt.
2. Teil: „24-Stunden-Shops “

24-Stunden-Shops

  • QR-Code: Mit einer App identifiziert sich der Einkäufer im 24-Stunden-Shop von Würth.
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Nicht nur ins digitale Geschäft investiert Würth, sondern auch in stationäre Filialen. Im April 2018 hat das Unternehmen in Vöhringen südlich von Ulm den ersten 24-Stunden-Shop nach dem Vorbild von Amazon Go, dem Supermarkt ohne Kassen, eröffnet. Handwerker können sich dort rund um die Uhr mit den gängigsten Verbrauchsmaterialien eindecken.
„Das Kundenverhalten hat sich verändert“, berichtet Matthias Glaser, Leiter Niederlassungsexpansion bei Würth. Die Kunden würden immer mobiler und so komme es durchaus vor, dass Betriebe mit Stammsitz in Dresden etwa Projekte in München übernähmen. „Diese Kunden sind von früh bis spät unterwegs. Wenn auf der Baustelle die Türbänder ausgehen, müssen sie ihren Bedarf sofort decken können“, so Glaser. Mit den 24-Stunden-Shops wollte Würth die Öffnungszeiten der Ladengeschäfte verlängern und auch am Samstag eine Einkaufsmöglichkeit bieten - ohne in zusätzliches Personal investieren zu müssen.
Die Vöhringer Filiale ist von Montag bis Freitag ab 7 Uhr geöffnet, dann ist auch Verkaufspersonal vor Ort. Ladenschluss ist um 17 Uhr, am Freitag bereits um 16 Uhr. Lediglich am Sonntag bleibt der Laden geschlossen. Etwa 10 Prozent der Kunden suchen die Würth24-Läden ­außerhalb der regulären Öffnungszeiten auf. Die meisten von ihnen kommen zwischen 16.30 und 22 Uhr, aber „es hat auch schon einmal ein Kunde nachts um halb drei Uhr Dübel gekauft“, erzählt Glaser.
Außerhalb der regulären Öffnungszeiten sowie am Samstag erfolgt der Zugang in das Geschäft über einen QR-Code, der mit Hilfe der mobilen App auf dem Smartphone generiert wird.
Der Kaufprozess in den 24-Stunden-Shops von Würth ähnelt dem Einkauf in einem normalen Supermarkt: Hat der Handwerker alles, was er braucht, legt er seinen Einkauf auf ein Förderband. An dessen Ende befindet sich ein Tunnel-Scanner, der alle Produkte automatisch erfasst und regis­triert. Am Förderband gibt sich der ­Kunde noch einmal mittels Smartphone zu ­erkennen, damit ihm die gekauften Produkte zugeordnet werden können. Ein Monitor zeigt an, welche ­Artikel eingescannt wurden. Zum Schluss wird der zugehörige Lieferschein aus­gedruckt, danach öffnen sich die Türen wieder. Die Rechnung für die Artikel geht später per Post an den Betrieb. Alle Artikel sind mit einer Warensicherung versehen, die erst durch den Scan-Tunnel deaktiviert wird. Nimmt ein Einkäufer ein Produkt mit, ohne es vorher ­gescannt zu haben, wird Alarm ausgelöst.
Würth will sein Netz an 24-Stunden-Shops zügig ausweiten. Die 24-Stunden-Shops generieren zusätzlichen Umsatz und „werden einer unserer Wachstumstreiber sein“, ist sich Glaser sicher. Dass die erste Filiale mit 24-Stunden-Betrieb nicht in einer Metropole, sondern stattdessen in der Kleinstadt Vöhringen eröffnet wurde, war kein Zufall. „Offen gesagt wollten wir den 24-Stunden-Shop in Ruhe auspro­bieren“, erzählt Matthias Glaser. Für Vöhringen sprach die Nähe zur Konzernzentrale in Künzelsau - und die relativ abgeschiedene Lage.
3. Teil: „Komfortable Technik“

Komfortable Technik

  • Wie gewohnt: Am Ende bekommt der Einkäufer seinen Lieferschein auf Papier.
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Die Technik in den Shops stammt von der Wanzl Metallwarenfabrik im bayerischen Leipheim, deren bekanntestes Produkt der Supermarkt-Einkaufswagen sein dürfte. Wanzl entwickelte für Würth das gesamte Shop-Konzept, vom Einlass über die Benutzerführung durch die Infoscreens, die Kassenbänder mit Tunnel-Scanner bis hin zum Lieferscheindruck. Auch die 24-Stunden-Shops greifen auf das Warenwirtschaftssystem von SAP zu. So bekommen auch die Kunden, die bei Würth24 einkaufen, ihre individuellen Preise an­gezeigt.
Für Glaser war es wichtig, dass die Technik in den 24-Stunden-Shops für den Kunden einfach zu bedienen ist und „Spaß macht“. Daher kamen die in Baumärkten üblichen Selbstscanner-Systeme nicht ­infrage. Man entschied sich stattdessen für die komfortablen Tunnel-Scanner in Kombination mit Förderbändern, die der ­Kunde bereits aus dem Supermarkt kennt. Der Zugang zum 24-Stunden-Shop und die Erfassung der Einkäufe erfolgen per App, denn das ist weit weniger aufwendig als eine Kundenkarte, die für jeden Kunden eigens erstellt werden müsste.
Ein Smartphone hat jeder Handwerker dabei und die App kann ohne Limitierung auf allen gängigen Betriebssystemen installiert werden. Die Implementierung der Soft- und Hardware verlief „überraschend reibungslos“. An einen Zwischenfall kann sich Glaser aber doch erinnern: „Einmal scannte ein Kunde eine Flasche Apfelschorle, die wir gratis bereitstellten. Damit hat er das ­ganze System gecrasht.“
Die Würth-Gruppe
Die Adolf Würth GmbH & Co. KG hat sich auf Montage- und Befestigungsmaterial spezialisiert. Ihre Zielgruppe sind Geschäftskunden aus dem Handwerk, der Baubranche und der Industrie. 1945 startete Adolf Würth im baden-württembergischen Künzels­au seinen Schraubengroßhandel mit zwei Mitarbeitern. 1954 übernahm Sohn Reinhold das Geschäft und baute das Familienunternehmen nach und nach zu einem Weltkonzern aus. 20 Prozent des Umsatzes entfallen auf den Bereich E-Business. Dazu gehören der Online-Shop, die mobile App, E-Procurement-Lösungen und elek­tronische Lagermanagement-Systeme.
In Zahlen stellt sich die Würth-Gruppe heute weltweit so dar:
  • Gesellschaften: über 400
  • Länder: über 80
  • Mitarbeiter: 77.000
  • Umsatz 2018: 13,6 Milliarden Euro

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