Digitalisierung
19.02.2019
Start-up
1. Teil: „Eventspine kämpft mit Software gegen die Wasserknappheit“

Eventspine kämpft mit Software gegen die Wasserknappheit

Junge am WasserhahnJunge am WasserhahnJunge am Wasserhahn
Yogendra Singh / Pexels
Der Unternehmer Reza Shahabi will mit seinem Start-up Eventspine die Probleme unserer Zeit bekämpfen. Am meisten beschäftigt ihn und sein Team im Moment das Thema Wasser.
Die Erdoberfläche besteht zu ungefähr zwei Dritteln aus Wasser. Das klingt erst mal nach viel. Und doch ist nur ein verschwindend kleiner Anteil der weltweiten Wasservorräte als Trinkwasser verfügbar. Laut An­gaben der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) bleibt heute 844 Millionen Menschen der Zugang zu einer elementaren Trinkwasserversorgung verwehrt. Und die Situation wird in Zukunft nicht besser: Der Klima­wandel, die wachsende Weltbevölkerung, neue Konsumgewohnheiten und steigende Produktionsraten setzen die weltweiten Wasserreserven zunehmend unter Druck. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass bis 2025 1,8 Milliarden Menschen unter Wasserknappheit leiden werden.

Kampfansage gegen Wasserknappheit

  • Reza Shahabi will mit Eventspine allen Menschen Zugang zu qualitativ hochwertigem Trinkwasser ermöglichen
    Quelle:
    Eventspine
Das sechste der 17 Ziele für Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung, die das Kernstück der Agenda 2030 der UNO bilden, widmet sich dem Thema Wasser. Dieses umfasst nebst Zugang zu Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hy­giene weitere Unterziele zum Schutz und zur Wiederherstellung wasserverbundener Ökosysteme. Für die DEZA ist der Wasserbereich einer der Schwerpunkte im Jahr 2019, wie deren Direktor Manuel Sager Anfang Februar an der Jahres­medienkonferenz festhielt. Dafür stellt die Direktion auf politischer Ebene Kontakte her und fördert den Austausch von Fachwissen. Auch mit dem Privatsektor suche die DEZA nach Lösungen, erklärte Sager – sie unterstützt beispielsweise das Schweizer Projekt Cewas, das Start-ups im Wasser- und Abwasserbereich fördert.
Ein noch ganz junges Start-up, das dabei helfen will, die prekärer werdende Wassersituation auf dem Planeten zu verbessern, heißt Eventspine. Erst im Dezember 2018 rief Reza Shahabi die Firma ins Leben. Obwohl er sich gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden noch anderen Themen widmet, beschäftigt der Bereich Wasser das Eventspine-Team aktuell am meisten. "Es ist eine extrem spannende Thematik, die viele Leute berührt, uns als kleines Start-up aber auch sehr heraus­fordert", sagt Shahabi. Er mag Herausforderungen, wie der gebürtige Iraner erklärt, weshalb er mit seiner Firma ein großes Ziel verfolgt: "Wir wollen allen Menschen auf der Welt Zugang zu Trinkwasser ermöglichen". Viele Ideen stehen beim Start-up hierfür im Raum, auf drei Cases will sich Shahabi vorerst fokussieren.

Prävention, Sicherheit, Intelligenz

Mit einer Präventions-App will der Unternehmer beim Verhalten der Menschen ansetzen. Sie soll aufzeigen, wie viel Trinkwasser in ein Produkt oder Lebensmittel investiert wurde – von der Forschung und Entwicklung über die Logistik bis hin zum Konsum. Das lasse sich aufgrund der Inhaltsstoffe in einem sogenannten "Water-Footprint" abbilden, sagt Shahabi. So will er eine nachhaltige Veränderung im Konsumverhalten bewirken oder zumindest dafür sorgen, dass bewusster konsumiert wird.
Verbesserungspotenzial, das Eventspine ausschöpfen könnte, sieht er auch bei der Sicherheit von Zugängen zur Wasserinfrastruktur. Deshalb will der Gründer mittels Sensoren sowie einer "einfachen, schnell umsetzbaren und smarten Lösung" Gul­ly­de­ckel besser absichern. Diese müssten dann beispielsweise bei Staatsbesuchen oder wichtigen Anlässen nicht extra zugeschweißt werden.
Komplexer ist dagegen die dritte Idee im Wasser­bereich. Eventspine will eine Software-Lösung anbieten, welche die gesamte Wasserversorgung einer Stadt digital und zentral abbilden kann. "Viele Städte verlassen sich hier noch auf das Wissen ihrer Mitarbeiter, statt auf eine digitale Lösung zu setzen", begründet Shahabi diesen Ansatz. Die Software soll mit historischen Daten der entsprechenden Stadt gefüttert werden, zu welcher Uhrzeit welche Wohngegend wie viel Wasser verbraucht. So will er seinen Kunden schließlich eine intelligentere Wasser­verteilung und Planung für die Zukunft ermöglichen. "Denn wir sind davon überzeugt, dass man dadurch auch künftig noch mit der gleichen Menge an Wasser auskommt, wie heute verbraucht wird – selbst bei einem Bevölkerungszuwachs." Die Visualisierung soll schließlich in ein Cockpit integriert werden, das Shahabi "Cyber Center of Urban Affairs" nennt. Hier denkt der Gründer allerdings bereits weiter als nur bis zum Wasser: "Am Ende zielen wir darauf ab, die sensible Infrastruktur einer Stadt in allen Belangen auf einen Bildschirm zu bringen, um Planspiele anzustellen und sich auf Ereignisse geplanter sowie ungeplanter Natur vorzubereiten."
2. Teil: „Work in Progress “

Work in Progress

Noch sind die Services, die das Start-up anbieten will, nicht marktreif. Die Präventions-App befinde sich etwa in der Design-Phase, erklärt CEO Shahabi. Die Nachfrage nach Lösungen im Wasserbereich, die ist aber definitiv vorhanden, wie er versichert. Der Hitzesommer 2018 habe die ganze Welt erleben lassen, was uns in Zukunft einmal blühen könnte. "Die Kunden wollen deshalb von mir gleich wissen, was die Lösung kann und wann sie diese haben können." Grundsätzlich will er mit seinen Produkten aber nichts überstürzen. "Wenn ich zu einer Stadt gehe und sage, dass ich ihre sensibelste Infrastruktur digitalisieren will, dann muss ich die Sicherheit der Lösung garantieren können. ""Fail fast, learn fast", das funktioniert in diesem Bereich nicht." Dennoch geben sich die wenigsten Kunden ewig mit Konzepten zufrieden, sondern wollen irgendwann die fertige Lösung sehen. Deshalb verspricht Shahabi: "Unser Produkt wird der Nutzer garantiert in den nächsten 24 Monaten zu sehen bekommen."

Partnernetzwerk als Stütze

Um dieses Ziel zu erreichen, stehen dem Gründer – nebst dem Management von Eventspine – noch vier Angestellte zur Seite. Durch die Unterstützung eines Konsortiums verschiedener Partner im Consulting, in der Entwicklung und im Marketing kämen noch zahlreiche weitere hinzu. Im Bereich der Software-Entwicklung kann er etwa auf die Hilfe der Solothurner Software-Schmiede Intersys zählen. Bei dieser war der Gründer und jetzige CEO von Eventspine zuvor als Head of Innovation und Head of Business Development tätig. In kleinen Labors wurde dort bereits an Innovationen herumgetüftelt, viele Geschäftsideen von Eventspine haben dort auch ihren Ursprung. "Wir waren jedoch der Meinung, dass wir, um diese weiterzuverfolgen, innerhalb einer gestandenen Firma wie Intersys nicht agil genug agieren können", erklärt der Gründer. Eventspine will diese nun unabhängig von den Strukturen bei Intersys weiterverfolgen, der Intersys-Geschäftsleiter Adrian Hutzli ist mit einem Aktienpaket am Start-up beteiligt.
Laut Shahabi bieten ihm die Partner auch Zugang zu einem weltweiten Provider-Netz, um Daten zu übertragen, sowie einem Geflecht aus Rechenzentren, um Daten zu speichern. Punkto Data Center decke Eventspine bereits 199 Länder ab, damit Kunden einst auswählen könnten, wo ihre Daten gespeichert werden sollen. Die Kooperationen würden Eventspine zudem Zugang zu jenen Märkten ermög­lichen, die mit akuten Wasserproblemen kämpfen – zum Beispiel West- und Zentralafrika oder Asien. Dem Start-up dabei helfen, auf dem globalen Parkett Kontakte mit wichtigen Ansprechpartnern herzustellen, soll der Verwaltungsratspräsident Sam Asseer. Mit dem Chairman der niederländischen LCI Technology Group habe Eventspine eine Person mit internationalem Bekanntheitsgrad und «exzellenten Verbindungen» im Rücken, erklärt Shahabi.

Große Pläne

Der Start-up-Gründer will bei all seinen Software-Lösungen laut eigener Aussage darauf achten, dass der Kern gut durchdacht ist. Sprich, das Grundgerüst soll später mit kleinen Modifikationen als Grundlage für verschiedene weitere Cases dienen können. "Wir bei Eventspine verstehen uns als agile Firma, die – bildlich gesprochen – gleichzeitig verschiedene Speedboote zu Wasser lässt. Denn realistisch gesehen wird wohl nicht jedes sein Ziel erreichen. Deshalb müssen wir unser Risiko diversifizieren." Eines davon werde bestimmt ankommen, meint Shahabi. So schmiedet sein Team bereits fleißig Pläne jenseits des Wassers, beispielsweise für die Medienbranche und das Gesundheitswesen. Weiter fortgeschritten ist beim Start-up die Arbeit an einer Digitalisierungslösung für Nichtregierungsorganisationen. In "bescheidenem Rahmen" generiere diese bereits Umsatz. Denn eine "große Schweizer NGO" habe sie ein­gekauft, wie Shahabi erklärt. Schon bald soll diese bei der Organisation eingeführt werden.

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