Business-IT
16.03.2020
Interim-Management
1. Teil: „Warum es sinnvoll ist, Experten zeitlich begrenzt zu engagieren “

Warum es sinnvoll ist, Experten zeitlich begrenzt zu engagieren

Interim-MangementInterim-MangementInterim-Mangement
Witthaya lOvE / shutterstock.com
Nicht nur für Industrie-Giganten, auch für KMUs sind Interim-Manager in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Sei es für ein Digitalisierungsprojekt oder Umstrukturierungsprojekte, Manager auf Zeit bieten Unternehmen neue Möglichkeiten. 
Will ein Unternehmen eine neue Struktur einführen, ein bestimmtes Digitalisierungsprojekt an den Start bringen oder eine neue Technik austesten, bietet es sich an, einen Experten zeitlich begrenzt und für genau diese Aufgabe einzustellen. com! professional erklärt, was sich hinter der Idee Interim-Management verbirgt.

  • Martin Franssen: Gründer der Interim Excellence GmbH
    Quelle:
    Interim Excellence GmbH
Martin Franssen ist Gründer der Interim Excellence GmbH, einem Unternehmen für Interim-Management Vermittlung. Mit ihm hat com! professional ausführlich über das Thema Interim-Management gesprochen und auch die Relevanz für KMUs thematisiert. 

com! professional:
Herr Franssen, wozu braucht man Interim-Manager und was ist Interim-Management überhaupt?
Martin Franssen: Die klassische Situation, in der Unternehmen Interim-Manager einsetzen, ist, wenn kurzfristig eine Führungskraft beziehungsweise ein Spezialist durch Krankheit, die abrupte Trennung oder sonstige Gründe ausfällt und diese Vakanz sehr schnell, häufig innerhalb weniger Tage besetzt werden muss. Typische Beispiele sind, dass ein Werksleiter ad interim oder der kaufmännische Leiter eines Unternehmens ad interim mandatiert wird; also die klassische Vakanzüberbrückung.
Außerdem mandatieren Unternehmen sehr häufig Interim-Manager, um Expertisen und Erfahrungen einzukaufen, die nur für ein bestimmtes Projekt oder für die Beantwortung einer spezifischen Fragestellung erforderlich sind.
Ein weiterer Grund sind kapazitive, personelle Engpässe, die es erforderlich machen, einen Interim-Manager zu mandatieren. Beispielsweise hat ein Unternehmen einen Wettbewerber akquiriert und hat keine ausreichenden, personellen Ressourcen, um das aufgekaufte Unternehmen zu integrieren (Post Merger Integration). Oder ein Automotive-Unternehmen baut eine Produktionsstätte in Ungarn auf und es fehlt kapazitiv an einem Projektleiter für ein solch anspruchsvolles Projekt.
com! professional: Wie können Interim-Manager Unternehmen bei der digitalen Transformation helfen? Welche Rollen können sie insbesondere für die Digitalisierung von KMUs spielen?

Franssen: Das Thema "digitale Transformation" spielt bei den meisten KMUs eine bedeutende Rolle.   
Hierbei werden Interim-Manager eingesetzt, um spezifisches Know-how aus vergleichbaren Projekten einzubringen, die erstmalig zu besetzende Rolle des Digital Officers - interimistisch - zu  füllen oder als Agile-Experte bei den Digitalisierungs-Initiativen zu agieren. Des Weiteren übernehmen sie die Programm- oder die Projektsteuerung und stehen als Sparringspartner für die Unternehmensführung zur Verfügung. Häufig agieren Interim-Manager auch als „ehrliche Makler“ zwischen Unternehmensberatungen, die bei Digitalisierungsprojekten eingebunden werden, und der Unternehmensleitung.  
2. Teil: „Digitalisierung keine Raketenwissenschaft“

Digitalisierung keine Raketenwissenschaft

com! professional: Der Fachkräftemangel bremst bekanntlich die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft. Gibt es denn auch so etwas wie einen Manager-Mangel? Und wie können Interim-Manager und Ihre Plattform zur Lösung dieses Problems beitragen?
Franssen: Natürlich gibt es für ganz, spezifische Frage- und Themenstellungen zu einer bestimmten Zeit einen Mangel an Experten, die genau diese Erfahrung und Expertise mitbringen. Als die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) umgesetzt wurde, gab es beispielsweise bei vielen Unternehmen einen enormen Bedarf an entsprechenden Experten. Verlagshäuser stehen zurzeit vor der Herausforderung komplexe Data-Warehouse-Anwendungen zu entwickeln. Hintergrund ist die Tatsache, dass die meisten Publikationen elektronisch gelesen werden. Es reicht daher nicht mehr aus, Zahlen über die verkauften Auflagen zu haben, sondern beispielweise Informationen darüber, wie häufig ein einzelnes Kapitel elektronisch gelesen wurde. Auch hierfür sind oftmals Interim-Manager gefragt.
com! professional: Wandelt sich die Rolle von Interim-Managern durch die zunehmende Digitalisierung? Sind andere Kenntnisse und Erfahrungen gefragt als früher? 
Franssen: Da Themen der Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette relevant sind, muss ein Interim-Manager natürlich auch das Know-how mitbringen, um relevante Prozesse und Strukturen im Hinblick auf die digitale Transformation anzupassen und neu auszurichten. Wobei hier auch zu konstatieren ist, dass das Thema „digitale Transformation“ teilweise abstrakt überbewertet und als Rocket Science dargestellt wird. Im Kern geht es um die Optimierung beziehungsweise Neugestaltung von Produkten und Services sowie die intelligente Aufbereitung von Daten und Informationen. 
com! professional: Zu welchen Themen der digitalen Transformation werden Interim-Manager besonders häufig auf Ihrer Plattform gesucht? Gibt es zum Beispiel viele Chief Digital Officer (CDO)?
Franssen: Es besteht ein großer Bedarf an Experten zur Prozess-Optimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Ein zweites Themenfeld ist das Kundenverhalten besser zu verstehen, zu antizipieren und digitale Vertriebswege zu erschließen (Stichwort: Customer Journey, Affiliate Programme, marketingtechnische Nutzung von beispielsweise Instagram als Werbe- und Vermarktungskanal). Der dritte Themenschwerpunkt fokussiert sich darauf, Produkte und Maschinen intelligenter zu gestalten, um zum Beispiel Ausfall- und Umrüstzeiten zu minimieren oder Systemlösungen anzubieten.
Häufig ist ein Projekt, das die digitale Transformation zum Thema hat, der Nukleus, um über eine aufbau- und ablauforganisatorische Etablierung einer Chief-Digital-Officer-Organisation nachzudenken beziehungsweise diese zu implementieren.    
 
com! professional: Können Sie Beispiele nennen, bei denen Interim-Manager, die über ihre Plattform vermittelt wurden, erfolgreich Unternehmen in die Digitalisierung geführt haben?
 
Franssen: Ein aktuelles Beispiel ist ein Projekt bei einer Bank, die die gesamten Einkaufsprozesse digitalisiert (Procure-to-Pay-Prozesse einführt) und hierfür einen Interim-Manager aus unserem Pool mandatiert hat. Ein anderes Projekt ist die Konzeption und Einführung einer umfassenden Data-Warehouse-Lösung für einen Fachverlag, bei dem auf externe und interne Daten zugegriffen wird.
3. Teil: „Das Geschäftsmodell eines Interim-Manager-Provider

Das Geschäftsmodell eines Interim-Manager-Provider

com! professional: Welche technischen Lösungen nutzen Sie selbst für Ihre Plattform? Verwenden Sie auch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz?
Franssen: Wir kombinieren mehrere Technologien. Hierbei handelt es sich um Eigenentwicklungen, darunter sind ein CMS, eine Suchmaschine sowie ein Universum an eigenentwickelten Core-Services. Hierbei ist Salesforce tief mit unserem System integriert. Künstliche Intelligenz verwenden wir für die Simulation und automatisierte Initiierung von Prozessen. 
com! professional: Unternehmen und Interim-Manager präsentieren sich mit sensiblen Informationen auf ihrer Plattform. Wie gewährleisten Sie Datenschutz und Datensicherheit?
In dem wir alle Vorschriften,  die in der DSGVO festgelegt sind, einhalten. Zudem tauschen wir uns regelmäßig mit einer Kanzlei aus, die auf diesem Gebiet führend in Deutschland ist, aus.   
com! professional: Wie funktioniert Ihr Geschäftsmodell? Und was macht Interim-X? Wozu brauchen Unternehmen, die einen Interim-Manager benötigen, ihre Plattform? Wo liegen die Vorteile für Unternehmen?
Franssen: interim-x.com ist ein digitaler Marktplatz, auf dem die Nachfrage und das Angebot an Interim-Management- sowie operative Beratungsleistungen zusammengeführt werden. Interim-Manager oder operative Berater, die über unseren Service Projekte akquirieren möchten, müssen sich zunächst bei uns akkreditieren, das heißt den Nachweis erbringen, dass sie in der Vergangenheit erfolgreich als Interim-Manager tätig sowie auch in der Festanstellung erfolgreiche Manager waren. Hierzu holen wir mindestens drei Referenzen von ehemaligen Mandanten beziehungsweise Arbeitgebern ein. Unternehmen können auch anonymisiert und diskret selbst ein Projekt einstellen beziehungsweise uns beauftragen. Damit erreichen sie bei jeder Projektveröffentlichung etwa 10.000 Interim-Manager.  In mehr als 90 Prozent der Fälle können wir Unternehmen innerhalb von 24 bis 48 Stunden zwei bis vier passgenaue Kandidaten vorstellen. Hierbei beläuft sich unsere Besetzungsquote auf 70 bis 80 Prozent. Unternehmen honorieren uns rein erfolgsabhängig, das heißt nur dann, wenn sie einen unserer vorgestellten Manager mandatieren.
com! professional: Sie versprechen „schneller, günstiger und passgenauer“ zu sein als andere Formen der Vermittlung von Interim-Managern? Wie erreichen Sie das?
 
Franssen:
Wir können besonders schnell sein, da wir ein Projekt über unsere Website in den Markt pushen, alle bei uns akkreditierten und registrierten Interim-Manager, die für das Projekt Relevanz haben, erhalten von uns eine "Projektnotifikation", in der das Projekt beschrieben wird und sie sich über einen Link bewerben können. Bewirbt sich ein Interim-Manager, muss er nur noch relevante Fragen bezüglich des spezifischen Projektes (inwieweit erfüllt er die spezifischen Anforderungen unseres Mandanten?) beantworten, seinen gewünschten Tagessatz sowie seine Verfügbarkeit angeben. Wir nehmen eine Vorselektion vor und lassen dem betreffenden Unternehmen ein Exposé über die ein bis vier am besten geeigneten Kandidaten zukommen.
Der Service für eine einmalige Kandidatensuche kostet bei uns 1.000 Euro. Das Unternehmen verhandelt dann den Tagessatz mit dem Bewerber bilateral und kontrahiert auch direkt mit diesem. Mit unserem Modell haben wir im Vergleich zu anderen Anbietern den "Middle Man" eliminiert, was ein Aspekt unseres disruptiven Geschäftsmodells ist.
Unternehmen können uns auch direkt, ohne die Plattform zu nutzen, beauftragen einen Interim-Manager für sie zu finden. In diesem Fall arbeiten wir rein erfolgsabhängig, das heißt wir erhalten nur ein Honorar, wenn auch ein von uns vorgeschlagener Manager mandatiert wird. In diesem Fall berechnen wir dem Unternehmen pro Monat des Einsatzes zwei Tagessätze, die zwischen dem Unternehmen und dem Manager vereinbart wurden. 
Im Rahmen der Bewerbung auf ein relevantes Projekt, wird der Interim-Manager gebeten, spezifische Fragen, die die relevanten Anforderungen an das Projekt reflektieren, zu beantworten. Diese Antworten sowie sein persönliches Exposé stellen eine wichtige Grundlage für unsere Vorselektion dar. 
com! professional: Welche Qualifikationen bieten die von Ihnen vermittelten Mitarbeiter typischerweise?
Franssen: Im Kern geht es darum, dass der Bewerber nachweislich und erfolgreich Veränderungen in Unternehmen konzeptioniert und umgesetzt hat. Hierzu gehören Aufbau- wie auch Abbauszenarien in Verbindung mit sehr viel Führungs- beziehungsweise Projekterfahrung; idealerweise in einem internationalen Kontext.
4. Teil: „Interim-Management als Markt“

Interim-Management als Markt

com! professional: Ist der Bedarf an Interim-Managern neu oder gewachsen?
Franssen: Der Bedarf an interimistischen Leistungen steigt über die Jahre in einem kontinuierlichen und beeindruckenden Tempo. Um die Jahrtausendwende betrug das Umsatzvolumen für interimistische Leistungen etwa 90 Millionen Euro pro Jahr. Heute schätzen Marktteilnehmer das Volumen auf über 2 Milliarden Euro pro Jahr. Der demographische Wandel, die zunehmende Flexibilisierung und Globalisierung sind hierfür die Hauptgründe. 
com! professional: Wie rekrutieren Sie Leute? Was hat ein Interim-Manager von ihrer Plattform?
Franssen: Wir setzen alle relevanten SEO- und SEA-Instrumente ein, um möglichst hohe Aufmerksamkeit bei unseren Zielgruppen - Interim-Managern und Unternehmen - zu erlangen. Die Community der Interim-Manager in Deutschland ist überschaubar (schätzungsweise 15.000 - 20.000 Personen). Offene Stellen sprechen sich sehr schnell herum. Darüber hinaus nutzen wir relevante Social-Media-Kanäle, um Reichweite zu gewinnen.
com! professional: Wie lange bleiben die Vermittelten im Schnitt im Job?
Franssen: Ein interimistisches Mandat kann im Extremfall nur wenige Tage in Anspruch nehmen, wenn ein Unternehmen beispielsweise einen Experten für das Thema Lithium-Batterien benötigt, um mit diesem neue Produktideen zu erörtern. Auf der anderen Seite gibt es Mandate, die sich über zwei bis drei Jahre erstrecken, beispielsweise, wenn ein Unternehmen restrukturiert wird. Im Durchschnitt erstrecken sich die Mandate über einen Zeitraum von fünf bis sieben Monate.    
com! professional: Ist die Weiterbeschäftigung Ziel Ihrer Vermittlung?
Franssen: Das Ziel eines interimistischen Einsatzes ist es, ein unternehmerisches Problem zu lösen und im Anschluss das Unternehmen wieder zu verlassen. Hin und wieder kommt es jedoch auch vor, dass der Interim Manager längerfristig verpflichtet wird beziehungsweise eine Festanstellung angeboten bekommt.

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