Drohnen
24.08.2018
Flugtaxi und Schwerlasttransporter
1. Teil: „Drohnen erobern neue Geschäftsfelder“

Drohnen erobern neue Geschäftsfelder

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Brovkin / Shutterstock.com
Unternehmen können in vielen Szenarien von unbemannten Flugsystemen profitieren. com! professional zeigt die spannendsten Einsatzgebiete und wagt einen Ausblick für die Zukunft.
"Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München … mit zehn Minuten, ohne dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen … dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen … am Hauptbahnhof in München starten Sie Ihren Flug …!"
  • Quelle:Tractica
Mit dieser denkwürdigen Rede warb einst Ministerpräsident Edmund Stoiber für die Münchener Transrapid-Trasse. Das Schwebebahnprojekt ist längst tot und begraben, Stoibers Vision, in zehn Minuten von der Münchener Innenstadt zum Flughafen zu gelangen, könnte jedoch bald Wirklichkeit werden. Flugtaxis sollen es möglich machen. Ungeachtet spöttischer Kommentare hat die CSU im Münchener Stadtrat soeben gefordert, beim Umbau des Hauptbahnhofs doch gleich entsprechende Landeplätze vorzusehen – und die Bahn „kann sich das vorstellen“.
Glaubt man der Studie „The Future of Vertical Mobility“ von Porsche Consulting befördern Flugtaxis bereits 2025 Passagiere in und zwischen Städten. Geschätztes Marktvolumen bis zum Jahr 2035: 32 Milliarden Dollar.
Tatsächlich steht die Personenbeförderung mit Drohnen – unbemannten, autonomen oder ferngesteuerten – kurz vor der Einführung. In Dubai haben mehrere Technologiepartner Testflüge durchgeführt, darunter das deutsche Start-up Volocopter. Dessen mit 18 elek­trisch betriebenen Rotoren bestückter Volocopter 2x absolvierte im September 2017 den ersten vollautonomen Flug über der Innenstadt von Dubai – wenn auch noch ohne Passagiere.
Für den Taxieinsatz in Dubai im Gespräch ist auch das ebenfalls mit Elektromotoren ausgestattete Fluggerät EHang 184 des chinesischen Herstellers EHang. Es verfügt über vier Doppelrotoren und soll in der Spitze 130 Stundenkilometer erreichen. Laut der für die Zulassung zuständigen Behörde RTA (Roads and Transport Authority) soll der Regelbetrieb von Flugtaxis in Dubai schon 2020 starten.

Flugtaxis für Großstädte

Nach Ansicht von Volocopter könnten Lufttaxi-Systeme in Metropolen in zehn Jahren bis zu 100.000 Passagiere pro Stunde transportieren. „Unsere Ambitionen beschränken sich nicht darauf, nur das Fluggerät zu entwickeln“, sagt Florian Reuter, Geschäftsführer der Volocopter GmbH. „Wir arbeiten am ganzen Ökosystem, denn wir wollen urbane Lufttaxidienste auf der ganzen Welt etablieren.“ Zu diesem Konzept gehören sogenannte Volo-Hubs, eine Art Mini-Terminal, und Volo-Ports, die im Wesentlichen den heutigen Heliports entsprechen. Und Volocopter-Mitgründer Alex Zosel verspricht: „Wenn das System voll in Betrieb ist, wird ein Flug (…) nicht viel teurer sein als eine Taxifahrt.“ Porsche Consulting rechnet für München mit 100 Euro pro Flug. Derzeit kostet eine Taxifahrt aus der Münchener City rund 70 Euro.
Wie Volocopter stammt auch der Lilium Jet aus Deutschland. Er sieht eher aus wie ein Kleinflugzeug und ist genau genommen auch keine Drohne, da er nicht autonom oder ferngesteuert fliegt, sondern von einem Piloten bedient wird. Wie Volocopter 2x und EHang 184 kann er aber senkrecht starten und landen, gehört also in die VTOL-Klasse (Vertical Take-off and Landing). Möglich machen dies zwölf Flügelklappen mit je drei Düsentriebwerken. Im Flug sollen sie den Jet auf 300 km/h Reisegeschwindigkeit bringen und auch die anvisierte Reichweite von 300 Kilometern ist für ein Elektroflugzeug beachtlich. Noch ist Lilium allerdings nur ein Prototyp.
Der Luftverkehr mit Passagierdrohnen hat längst auch das Interesse der etablierten Industrie geweckt. Ford forscht an Drohnen, Daimler ist als Investor bei Volocopter eingestiegen, Audi und Airbus unterstützen das EU-Projekt „Urban Air Mobility“ in Ingolstadt, in dem der Einsatz von Flugtaxis getestet werden soll. Der Flugzeugbauer ließ im Januar dieses Jahres zum ersten Mal seine autonom fliegende Perso­nendrohne Vahana steigen. Konkurrent Boeing hat sich mit der Übernahme von Aurora Flight Sciences Drohnen-Know-how eingekauft. Die Firma hatte zusammen mit Taxi-Schreck Uber vergangenes Jahr ein Flugtaxisystem vorgestellt.
2. Teil: „Paketboten und Schwerlastesel“

Paketboten und Schwerlastesel

  • Bringdienst: Die autonome Drohne von EmQopter soll bei Autozulieferer Jopp das Kantinenessen von der Zentrale ins Zweigwerk bringen.
    Quelle:
    EmQopter
Nicht nur Menschen, auch Lasten sollen von unbemannten Flugsystemen transportiert werden. Bereits seit 2013 forscht DHL an Drohnen als Paketboten. Der Logistiker will damit vor allem die Zustellung in schwer zu erreichenden Gebieten, etwa auf Inseln oder im Gebirge, effizienter, schneller und günstiger machen. In drei Feldversuchen kamen unterschiedliche Drohnenversionen zum Einsatz. Der Paketkopter 1.0, ein Quadrokopter, wurde noch manuell gesteuert und absolvierte gerade einmal eine Flugroute von einem Kilometer. Die weitgehend baugleiche Version 2.0 agierte bereits autonom und schaffte es, zwölf Kilometer weit über das offene Meer bis zur Insel Juist zu fliegen. Der Paketkopter 3.0 ist als Kippflügler dagegen völlig anders kon­struiert. Er kann vollautomatisch Pakete laden und in einer Packstation hinterlegen. Bei Testflügen zwischen Reit im Winkl und der Winkl­moosalm transportierte er Nutzlasten von bis zu zwei Kilogramm über mehr als acht Kilometer und 500 Meter Höhendifferenz. Derzeit ist allerdings unklar, wie es mit dem Drohneneinsatz bei DHL weitergeht. „Obwohl unsere Erfahrungen und die Rückmeldungen bisher durchweg positiv waren, sind wir nach wie vor in der Testphase“, erklärt Stefan Heß, Pressesprecher Deutsche Post DHL Group. „Aktuell ist kein Einsatz im Regelbetrieb geplant.“
Deutlich weiter ist da die Kooperation von EmQopter und Jopp. Der Würzburger Drohnenhersteller hat für den Automobilzulieferer eine autonome Lieferdrohne entwickelt. Der Oktokopter mit redundant ausgelegten Motoren ist noch ein Prototyp und kann bis zu zwei Kilogramm aufnehmen. In einem ersten Schritt soll er zwischen der Jopp-Zentrale in Bad Neustadt an der Saale und einem einige hundert Meter entfernten Zweigwerk pendeln und Kantinenessen, Hauspost, Klein- und Ersatzteile sowie Werkzeug transportieren. Die Flugzeit hin und zurück dauert fünf bis sechs Minuten. „Wir rechnen innerhalb der nächsten vier Wochen mit dem Beginn des Regelbetriebs“, erklärte Marvin Bihl, Kunden- und Produktbetreuung bei der EmQopter GmbH, Ende Juni 2018 gegenüber com! professional.
Ganz andere Lasten hat das norwegische Unternehmen GRIFF Aviation im Visier. Der Quadrokopter GRIFF 350 kann bis zu 200 Kilogramm schwere Lasten anheben und bis zu 150 Kilogramm Ladung transportieren. Die Flugzeit beträgt maximal 20 Minuten. Die doppelt ausgelegte Batterie ist laut Hersteller in einer Stunde aufgeladen. Über ein optionales Battery Pack lässt sich die Flugzeit verdoppeln. Die GRIFF-Drohne Roughneck soll sogar bis zu 500 Kilogramm heben können, der Drohnenhersteller arbeitet außerdem an einem Flugsystem mit einer Tragfähigkeit von bis zu einer Tonne.
Eine Schwerlastdrohne will auch das litauische Unternehmen Aerones auf den Markt bringen. Sie soll mit 28 Motoren und 16 Batterien ausgestattet sein und bis zu 200 Kilogramm tragen können. Boeing arbeitet ebenfalls an solchen Brummern: Der 340 Kilogramm schwere, rund viereinhalb Meter lange CAV-Prototyp (Cargo Air Vehicle) absolvierte im Januar erste Testflüge. Er soll 220 Kilogramm transportieren können.
Drohnen-Typen
Nach Bauart unterscheidet man zwei Typen von Drohnen:
Multikopter: Diese sind meist mit drei bis acht Rotoren ausge­stattet. Unterschieden werden nach der Zahl der Triebwerke:
Trikopter – drei Rotoren, meist in Y-Form angeordnet
Quadrokopter – vier Rotoren, in + - oder X-Form angeordnet
Hexakopter – dank sechs Rotoren auch bei Ausfall eines Antriebs noch sicher zu landen
Oktokopter – vier doppelt ausgelegte Rotoren bieten hohe Ausfallsicherheit
Kippflügler (Tilted-Wing Drone): Sie haben Tragflächen wie ein Flugzeug, können diese allerdings zum Starten und Landen senkrecht stellen und so auf der Stelle abheben beziehungs­weise landen. Darüber hinaus werden auch Helikopter, Zeppe­line oder Flugzeuge als Drohnen bezeichnet, wenn sie unbemannt fern­gesteuert oder autonom fliegen.
Nach Größe und Gewicht unterscheidet man drei Typen:
Nano-Drohnen: Sie wiegen weniger als 100 Gramm, haben bis zu einem Kilometer Reichweite und bleiben maximal 20 Minuten in der Luft. Mit ihren geringen Abmessungen und ihrer Wendigkeit eignen sie sich gut für den Einsatz in Gebäuden.
Mikro-Drohnen: Die Micro Air Vehicles (MAV) wiegen meist unter fünf Kilogramm, haben eine Reichweite von bis zu zehn Kilometern, fliegen bis zu 250 Meter hoch und sind bis zu einer Stunde unterwegs. In diese Klasse fallen die allermeisten Drohnen für kommerzielle Zwecke wie Vermessung, Wartung und Inspektion.
Mini-Drohnen: Mini Unmanned Air Vehicles (MUAV) sind zwischen fünf und 150 Kilogramm schwer. Ihre Reichweite beträgt bis zu zehn Kilometer, die Flughöhe bis zu 300 Meter und die Betriebsdauer bis zu zwei Stunden.
3. Teil: „Drohnenalltag in Unternehmen“

Drohnenalltag in Unternehmen

  • Inspektion aus der Luft: Drohnen (wie hier von DJI) lassen sich auch für die Wartung von Windkraftanlagen einsetzen.
    Quelle:
    DJI
Auch wenn Personenbeförderung und Schwerlasttransport zu den spannendsten Szenarien der Drohnennutzung gehören, so sind sie doch noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung. In anderen Bereichen gehören Drohnen jedoch längst zum professionellen Alltag. „Überall, wo die Vogelperspektive in Kombination mit der Datenerfassung über Kameras und andere Sensoren Vorteile bringt, ist der Einsatz von Drohnen sinnvoll“, erklärt Benjamin Federmann, CEO und Mitgründer des Start-ups doks. innovation, das sich auf Drohnen- und Sensortechnologie für Logistik, Fertigungs- und Automobilindustrie spezialisiert hat.
Vermessungsingenieure etwa nutzen unbemannte Fluggeräte im Straßenbau, bei der Planung von Wohn- und Gewerbegebieten, dem Erfassen von Gebäuden, Landschaftselementen und Verkehrswegen und bei der Exploration von Abbaugebieten. „Drohnen sind ein häufig eingesetztes Mittel, um den Vermessungsaufwand am Boden zu reduzieren“, weiß Benjamin Federmann. Zum Einsatz kommt meist das Photogrammetrie-Verfahren: Aus den Aufnahmen einer Drohne wird eine Punktwolke der fotografierten Strukturen und Objekte erstellt, die eine 3D-Darstellung des Geländes in einer CAD- oder Planungssoftware ermöglicht.
Kosten- und Zeitersparnis können beachtlich sein: Die in Kanada und den USA tätige PCL Construction konnte durch unbemannte Fluggeräte Erdarbeiten viermal schneller durchführen und die Vermessungszeit bei Großbaustellen von fünf auf eineinhalb Tage reduzieren. Choate Construction, ein Bauunternehmen aus dem Südosten der USA, sparte bei der Baufortschrittsüberwachung auf einer Baustelle mit über 50.000 Quadratmetern durch den Drohneneinsatz rund 85 Prozent der Kosten ein. Der Teal Group zufolge, einem auf Luft- und Raumfahrt spezialisierten Marktforschungsunternehmen, setzen die zehn weltweit größten Bauunternehmen bereits unbemannte Flugsysteme ein oder experimentieren damit.
Auch Baumaschinenlieferanten kooperieren mit Drohnenherstellern. So hat DJI, der mit rund 500 Millionen Dollar Umsatz größte Hersteller ziviler Drohnen, mit der Skycatch Explore1 eigens für den Baumaschinenproduzenten Komatsu ein Modell entwickelt, das Baustellen autonom abfliegen kann und keine Referenzpunkte am Boden benötigt. Zusammen mit der Basisstation Edge1 RTK des Datenspezialisten Skycatch lassen sich sofort Standortkarten und -modelle erstellen. Komatsu nutzt die Daten für seinen „Smart Con­struction“-Service, mit dessen Hilfe autonome Baumaschinenroboter selbstständig Erdarbeiten ausführen.

Wartung aus der Luft

Auch in der Inspektion und Wartung von Industrieanlagen, Ölplattformen oder Verkehrswegen haben sich Drohnen bewährt. „Drohnen können visuelle Inspektionen von Maschinen, Anlagen und Installationen ohne Gefährdung von Menschen durchführen und aktiv zur Schadensprävention beitragen“, erläutert Alexander Skorna, Business Development Manager des Versicherungsmaklers Funk Gruppe, der unter anderem Kunden zu Fragen der Drohnenversicherung berät.
Neben Bild- und Videoaufnahmen kommen vermehrt Wärmebildkameras zur Anwendung. Mit ihrer Hilfe lassen sich Kälte- oder Wärmebrücken erkennen, Stromwege identifizieren oder defekte Weichenheizungen entdecken. Die Deutsche Bahn etwa setzt Multikopter bereits seit 2015 für die Strecken- und Gebäudeinspektion ein. Allein bei der Überprüfung von Bahnhofsgebäuden sollen Drohnen Einsparungen von 40 Millionen Euro im Jahr bringen.
Siemens Gamesa wiederum lässt Geräte des britischen Drohnenspezialisten Cyberhawk seine Windkraftanlagen inspizieren. Der Hersteller, der 2017 aus der Fusion des spanischen Windenergieanlagenanbieters Gamesa mit der Windkraftsparte von Siemens entstand, konnte so Ausfallzeiten deutlich reduzieren und das Unfallrisiko für die Mitarbeiter senken, die nicht mehr so oft auf die hohen Masten klettern müssen.

Säen, düngen, spritzen

Auch in der Landwirtschaft spielen Drohnen zunehmend eine Rolle. Laut Teal Group könnte sie nach dem Baugewerbe in den kommenden zehn Jahren der zweitwichtigste Markt für kommerzielle Drohnen werden. Unbemannte Flugsysteme werden etwa eingesetzt, um Unkraut zu entdecken und zu bekämpfen, das Wachstum von Getreide zu überwachen, zu säen oder Pflanzen gezielt zu düngen.
Auch Versicherungen werden künftig wohl Drohnen losschicken, etwa um Risiken für eine Gebäudeversicherung aus der Luft zu evaluieren oder nach einem Schadensereignis den Schadensumfang abzuschätzen. Und natürlich sind auch Regierungen und Sicherheitsbehörden an den Fluggeräten interessiert. Aus der Luft koordinieren sie den Einsatz von Rettungskräften, jagen Kriminelle oder suchen nach Vermissten. Laut DJI konnten 2017 mindestens 65 Personen mit Drohnenhilfe gerettet werden.
Ein weiteres Einsatzgebiet für Drohnen sind die Medien „Die Film- und Fernsehindustrie ist ein ganz wichtiger Bereich“, unterstreicht Martin Brandenburg, Managing Director bei DJI EMEA. So wurden bei der Amazon-Prime-Serie „You are wanted“ viele Szenen mit Drohnen aus der Luft aufge­nommen.
Und auch Wissenschaft und Forschung sowie Natur- und Umweltschutz profitieren von den Fluggeräten. So lassen sich Biotope und Wildtierherden oder Nester bedrohter Vogel­arten kartieren oder Rehkitze aus der Luft finden, um sie vor einem Ende im Mähdrescher zu bewahren.
4. Teil: „Drohnen verwalten Lager“

Drohnen verwalten Lager

  • inventAIRy von doks. innovation: Mit dieser Drohne lässt sich ein Lagerbestand aus der Luft erfassen und verwalten.
    Quelle:
    doks. innovation
Nicht nur am Himmel und auf dem freien Feld, selbst in geschlossenen Räumen könnten Drohnen künftig ein alltäglicher Anblick werden. Mit inventAIRy hat beispielsweise doks. innovation eine Lösung für die Verwaltung und Inventarisierung von Lagerbeständen vorgestellt. Die Sensorik der autonomen Drohne erfasst Labels von Paketen und Paletten, die Software überprüft die Verpackungsqualität und hilft Schäden festzustellen. Ihre Daten lassen sich direkt in ERP-Systeme einspeisen.
Eine ähnliche Lösung entwickelt die französische Harris Group mit Eyesee. Die kleine quadratische Drohne liest mit einem handelsüblichen Barcode-Scanner Etiketten auf Waren und Paletten ab. Befinden sich mehrere Labels auf einem Produkt, identifiziert die Drohne das für die Lagerverwaltung entscheidende. Über eine App werden die Daten an Warenwirtschafts- oder ERP-Systeme übergeben. Laut Hersteller reduzieren sich so Personaleinsatz und Zeitaufwand für die Lagerverwaltung um rund 80 Prozent.

Intelligente Auswertung

Noch werden die von Drohnen erfassten Informationen vorwiegend manuell ausgewertet. Das soll sich in naher Zukunft ändern. „Wir erwarten eine voranschreitende Automatisierung und intelligentere Analyse der Drohnen-Luftdaten“, sagt Martin Brandenburg von DJI EMEA. In einer strategischen Partnerschaft mit Microsoft will der Hersteller Drohnen und KI zusammenbringen. Ein SDK für Windows ermöglicht es Programmierern, Flugsteuerung und Datenübertragungsfunktionen der DJI-Drohnen für Industrie-Anwendungen anzupassen. Auch Komponenten von Dritt­anbietern wie Multispektralkameras, Sprühvorrichtungen oder Greifarme werden sich per Software integrieren und steuern lassen.
Luftbilder und Videodaten sollen sich über die Microsoft-Cloud Azure mit Hilfe von maschinellem Lernen schneller und besser analysieren lassen. „Die Algorithmen können hier sehr schnell für komplexe Inspektionsaufgaben erlernt werden“, sagt Brandenburg. „Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage für solche Lösungen stark zunehmen wird.“
Auch doks. innovation setzt bereits auf KI. Für Freiflächen wie Leergutstellplätze oder Baumateriallager hat das Start-up die Lösung summAIRy entwickelt. „Hier kommen Verfahren wie maschinelles Lernen zur intelligenten Erkennung von Objekten zum Einsatz, weil wir ohne identifizierende Labels wie Barcodes oder RFID-Tags auskommen müssen“, so CEO Federmann.
Grafikkartenhersteller Nvidia bietet für solche Zwecke die Module Jetson TX1 und TX2 samt Entwickler-Kits an. Mit den nur kreditkartengroßen Boards können Unternehmen KI und Deep Learning in Drohnen integrieren. TX1 verfügt über einen Maxwell-Grafikprozessor mit je 256 CUDA-Kernen (Compute Unified Device Architecture), einer Vierkern-ARM-CPU, 4 GByte Arbeits- und 16 GByte Datenspeicher. TX2 bietet eine GPU der Pascal-Generation mit ebenfalls 256 CUDA-Kernen, einem zusätzlichen Dualcore-Prozessor der Denver-Architektur sowie doppelt so viel Arbeits- und Datenspeicher.
5. Teil: „Wenn Drohnen abstürzen“

Wenn Drohnen abstürzen

Die Faszination für die vielen Einsatzszenarien darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verwendung von Drohnen auch Probleme mit sich bringt. Störungen von Menschen und Tieren durch Lärm und Flugbewegungen, Verletzung der Privatsphäre, Spionage und andere kriminelle Aktivitäten sind einige der negativen Aspekte des Drohnen-Booms. Und zählte die Deutsche Flugsicherung (DFS) 2015 noch 14 Konflikte mit dem regulären Flugverkehr, so waren es 2017 schon 88.
  • EHang 184: Die Passagierdrohne absolvierte bereits mehrere bemannte Testflüge.
    Quelle:
    EHang
Neben Aufklärung und verschärften Kontrollen sind diverse Sicherheitsmechanismen im Gespräch, die Unfälle mit abstürzenden Drohnen verhindern oder abmildern sollen. So hat Amazon ein Patent zur geplanten Zerstörung außer Kontrolle geratener Drohnen angemeldet. Ein Fragmentation Con­troller entscheidet im Fehlerfall, welche Teile einer modularen Drohne abgeworfen werden sollen, um den Flug zu stabilisieren oder den Aufprallschaden zu minimieren. Mehrere Hersteller, so etwa das italienische Start-up ParaZero und DJI, haben zudem Prototypen angekündigt, bei denen sich automatisch Fallschirme öffnen sollen, wenn eine Drohne ins Trudeln gerät. Anders als bei der Fragmentierung könnte die Drohne sanft zu Boden gleiten und würde nicht zerstört.
Im kommerziellen Bereich genügt es aber nicht, Abstürze abzumildern. Bei wertvoller Fracht und insbesondere bei der Personenbeförderung muss die Sicherheit so hoch sein wie in der bemannten Luftfahrt. Hersteller versuchen dies auf zwei Wegen zu erreichen. Zum einen sind Hightech-Drohnen mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet, zum anderen sind wesentliche Systeme wie Rotoren, Triebwerke oder Batterien redundant ausgelegt. So fliegt das Fluggerät auch beim Ausfall eines Systems stabil weiter oder kann kontrolliert landen.

Vorschriften bremsen aus

Die steigende Zahl von Unfällen, Beinah-Kollisionen und Behinderungen an Flughäfen resultierte in teils recht drastischen Einschränkungen durch Gesetzgeber und Behörden. „Die Regulierungsbemühungen auf nationaler und europäischer Ebene haben dazu geführt, dass Drohnendienstleister eine Weile lang fast gar nicht mehr arbeiten konnten“, klagt Benjamin Federmann von doks. innovation. Mittlerweile zeichnet sich jedoch eine Regelung auf europäischer Ebene ab, mit der alle Beteiligten leben können.
Im Juni 2018 hat das EU-Parlament eine Vereinbarung verabschiedet, die EU-weit für einheitliche Sicherheitsstandards und Vorschriften sorgen soll. Sie ist allerdings sehr allgemein gehalten. Spannend wird es für die Drohnennutzer wohl erst, wenn die EU-Kommission detailliertere Regeln entwickelt hat, in denen zum Beispiel Entfernungs- und Flughöhenbeschränkungen sowie Vorgaben zur Zertifizierung von Drohnen festgelegt werden. „Für das weitere Wachstum und eine größere Verbreitung speziell der kommerziellen Nutzung ist ein europaweit homogener recht­licher Rahmen für die Benutzung von Drohnen sinnvoll“, so Martin Brandenburg von DJI.
Derzeit gilt in Deutschland auch für Drohnen das Luftverkehrsgesetz (LuftVG). Seit April ist zudem die „Verordnung zur Regelung des Betriebs von unbemannten Fluggeräten“ in Kraft. Sie modifiziert die Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) und sieht unter anderem eine Kennzeichnungspflicht für alle Drohnen über 250 Gramm Startgewicht sowie einen Kenntnisnachweis für den Betrieb von unbemannten Flugsystemen vor, sofern diese mehr als zwei Kilogramm wiegen. Ab fünf Kilogramm Startgewicht ist der Betrieb erlaubnispflichtig.
Darüber hinaus dürfen Drohnen weder Krankenhäuser, Menschenansammlungen, staatliche Einrichtungen wie Justizvollzugsanstalten, Einsatzorte von Polizei und Rettungskräften noch Industrieanlagen, Naturschutzgebiete und Verkehrswege überfliegen. Auch Wohngrundstücke sind tabu, sofern die Drohne schwerer als 250 Gramm ist oder Ton-, Foto- beziehungsweise Filmaufnahmen anfertigen kann.
Die Bestimmungen zur Kennzeichnungspflicht und zum Kenntnisnachweis sind seit Oktober 2017 wirksam.
Die Drohnenverordnung bringt zwar eine gewisse Rechtssicherheit und scheinbare Erleichterungen, die umfangreiche Liste der Überflugverbote erschwert jedoch die Umsetzung. „Die derzeitigen Regelungen sind alles andere als nutzerfreundlich“, moniert Jan-Eric Putze, Geschäftsführer der
R. Eisenschmidt GmbH, eines Tochterunternehmens der DFS Deutsche Flugsicherung, die unter anderem Schulungen und Prüfungen für den Drohnenführerschein anbietet. Zwar sind für fast alle Verbote Ausnahmegenehmigungen möglich, allerdings nur mit erheblichem bürokratischen Aufwand.
Vor jedem Aufstieg ist nämlich das Risiko zu klassifizieren, das eine Drohne bei einem Absturz (Ground Risk Class, GRC) beziehungsweise einem Zusammenstoß in der Luft (Aerial Risk Class, ARC) darstellen würde. Übersteigt dieses Risiko einen bestimmten Wert, hat der Anwender ein Specific Operation Risk Assessment (SORA) zu erstellen. „Jedes Flugverfahren muss neu beschrieben und neu bewertet werden“, berichtet Putze. „Dieser Aufwand ist für Unternehmen kaum zu leisten.“ Er hofft, dass künftig Regelungen aus der bemannten Luftfahrt übernommen werden, in der eine generelle Betreiberlizenz (Air Operator Certificate, AOC) beantragt werden kann. „Das AOC regelt, was ein Betreiber darf und was nicht“, erklärt Putze, „Damit würden die Anträge für jede Einzelmaßnahme entfallen.“
6. Teil: „Hohe Haftungsrisiken“

Hohe Haftungsrisiken

  • Skycatch Explore1: Die DJI-Drohne kann Baustellen selbstständig abfliegen und braucht dafür keine Referenzpunkte am Boden.
    Quelle:
    Skycatch
Wer Drohnen gewerblich einsetzt, der sollte sich auch über die Haftungsrisiken im Klaren sein. „Ähnlich wie im Straßenverkehr haften Drohnenpiloten verschuldensunabhängig aus der Betriebsgefahr der Drohne selbst“, erklärt Alexander Skorna von der Funk Gruppe. Die Schadenssummen können erheblich sein. „Ein Absturz eines voll besetzten Flugzeugs oder eine Massenkarambolage auf der Autobahn infolge eines Zusammenpralls mit einer Drohne stellen hier extreme Szenarien dar“, sagt
Skorna.
Eine Drohnen-Haftpflicht sei daher vorgeschrieben: „In Deutschland und in vielen anderen Ländern ist der Einsatz von Drohnen gesetzlich an eine gültige Haftpflichtversicherung gebunden.“ Die Versicherungssummen bewegen sich meist im Bereich von einer bis zehn Millionen Euro. „Sie sind also nicht vergleichbar mit den sonst üblichen Limits der Luftfahrthaftpflicht“, betont der Versicherungsexperte. In Einzelfällen könne das Haftpflicht­risiko auch in eine bestehende Betriebs- oder Produkthaftpflicht-Police des Industriebetriebs eingeschlossen werden, so Skorna weiter. „Die Regel ist allerdings eine separate Luftfahrtversicherung für Drohnen.“
Als Ergänzung können Anwender auch noch eine Kasko-Versicherung für ihre Drohne abschließen, die den Eigenschaden abdeckt. Neben Abstürzen durch technische oder Pilotenfehler sind bei einigen Angeboten auch Transportschäden oder Diebstahlrisiken abgedeckt. „Bei einer vorhandenen Elektronikversicherung können kleinere Flugdrohnen auch dort mitversichert werden“, sagt Skorna.

Fazit & Ausblick

Die zivile kommerzielle Nutzung von Drohnen erobert immer mehr Marktanteile. Vorbei sind die Zeiten, in denen die unbemannten Fluggeräte als Spielzeug betrachtet wurden. Selbst futuristische Szenarien wie die Personenbeförderung per Drohne, sind heute denkbar, in weniger spektakulären Bereichen, etwa in der Vermessung und Inspektion, ist ihr Einsatz ohnehin längst Realität.
Der dauerhafte kommerzielle Erfolg steht und fällt allerdings mit den gesetzlichen Vorgaben. Die derzeit gültigen Regelungen sind uneinheitlich und verursachen bei Anwendern einen enormen bürokratischen Aufwand. Sie behindern daher die Weiterentwicklung kommerzieller Drohnensysteme und gefährden deren wirtschaftlichen Erfolg. Mit den Bemühungen auf europäischer Ebene zeichnet sich hier jedoch Besserung ab.

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