Business-IT
25.11.2021
Standpunkt

Deutschland muss besser werden im E-Government

Shutterstock / ConnectVector, Kheng Guan Toh
Alle Parteien, die in Berlin die neue Regierung bilden, versprechen mehr Digitalisierung. Anfangen könnten und sollten sie bei der öffentlichen Verwaltung.
Die digitale Transformation ist vor allem eine Aufgabe der Wirtschaft. Aber die Wirtschaft muss dabei vom Staat unterstützt werden. Sie braucht einerseits die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen und andererseits eine digital fitte, unternehmensfreundliche Verwaltung.  
Die gesetzliche Regulierung übernimmt zunehmend die EU – etwa mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act, die insbesondere die Chancen von KMUs und die Vertrauenswürdigkeit der europäischen Digitalwirtschaft stärken sollen. Auch wichtige nicht regulatorische Initiativen zur Förderung der Vernetzung der Wirtschaft kommen aus der EU – beispielsweise durch GAIA-X. Die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung müssen aber die Nationalstaaten nach wie vor selbst auf die Reihe bekommen.
Das Mindeste dabei ist, dass die vielerlei Informationspflichten von Unternehmen das Once-Only-Prinzip der Tallinn-Deklaration der EU aus dem Jahr 2017 nicht verletzen – Information darf nicht zwei Mal verlangt werden – und darüber hinaus weitgehend automatisiert erfüllt werden können. Des Weiteren sollten staatliche Verfahren von den Behörden zügig durchgeführt werden, die Zahl der Fehlentscheide sollte minimiert werden und Jungunternehmen sollten bestmöglich beraten werden, wie sie einfach mit Behörden zurechtkommen können. Das alles ist so selbstverständlich, dass man es sich kaum zu schreiben traut. Nur ist es in Deutschland selten der Fall.
Das erstaunt. Viele Vordenker des E-Government kamen aus Deutschland, es gibt gute deutsche E-Government-Forschung und die deutsche Hochschulausbildung für Verwaltungsmitarbeitende ist in mancherlei Hinsicht vorbildlich. Trotzdem hat Deutschland bei der digitalen Transformation des Staats großen Nachholbedarf. Irgendetwas läuft hier schief im deutschen Staat.
Schaut man genau hin, fühlt man sich bei vielen staatlichen Institutionen an Menschen erinnert, die zwar Talent und sogar Fleiß besitzen, trotzdem aber weder beruflich noch privat zurande kommen, weil sie das Dringliche immer hintanstellen. Diese Menschen können im Büro oft Stunden damit verbringen, darüber zu diskutieren, was andere falsch machen, lösen ihre eigenen Probleme aber nicht. Oder sie arbeiten mit Hingabe an Details, die niemanden interessieren.
Ähnlich handelt oft die Verwaltung. Sie treibt Open Government Data vorwärts, beschafft aber intern PCs statt Laptops und verbietet den Gebrauch eigener Geräte. Ergebnis: Homeoffice und Field-Work finden ohne digitale Unterstützung statt. Oder sie führt Bürgerbeteiligungs-Workshops durch, schafft es aber nicht, den bürokratischen Aufwand für die einfachsten Dinge zu reduzieren.  Dazu kommt, dass zu oft das Gesetz über die Absichten des Gesetzgebers gestellt wird. Lieber tut man das Falsche, weil es formal korrekt ist, als dass man den mit Gesetzen verbundenen Interpretationsspielraum nutzt, um das Richtige zu tun.
Das Ergebnis dieser Verhaltensweisen ist, dass die relative Ineffizienz der Verwaltung zunimmt. Das bedeutet, der Unterschied zwischen dem, wie eine digital transformierte Verwaltung funktionieren könnte, und dem, wie sie tatsächlich funktioniert – diese Diskrepanz wird immer größer. Das schafft nicht nur Korruptionsrisiken, sondern ist ein schwerer Hemmschuh für die digitale Transformation des Landes.

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