Business-IT
21.09.2017
Junge Unternehmen
1. Teil: „Deutsche Start-ups gewinnen an Bedeutung“

Deutsche Start-ups gewinnen an Bedeutung

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Jirsak / shutterstock.com
Deutschland hat eine florierende Start-up-Szene – oder etwa doch nicht? com! professional stellt im Folgenden einige junge Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen vor.
Inzwischen ist es Mode geworden, Deutschland eine prosperierende Start-up-Szene zuzuschreiben. Besonders am Standort Berlin sei eine Kultur von neuen Unternehmen entstanden, die international und besonders mit dem Silicon Valley mithalten könne. Doch ist das wirklich so? Oder ist das nur Selbstbespiegelung ohne reale Basis?
Um diese Frage zu beantworten, haben wir uns in der Start-up-Szene umgesehen. com! professional  stellt interessante junge Unternehmen unterschiedlichster Branchen vor und berichten über deren Erfahrungen als Gründer, über ihre Business-Ideen und wie sie das Problem Nummer eins eines jeden Start-ups, die Finanzierung, gelöst haben.

Relayr

Wirtschaftspresse und sonstige Medien lieben es, sich mit dem Thema deutsche Start-ups als Zeichen einer boomenden Wirtschaft zu beschäftigen. Immer neue Beispiele werden umfassend dargestellt. Eines von ihnen ist die 2013 in Berlin-Kreuzberg gegründete Firma Relayr, die sich im Sektor Internet of Things (IoT) spezialisiert hat. Sie entwickelt Sensorboxen für Straßenlampen, Bahnhofsuhren, Ladenregale oder Aufzüge, mit denen Genauigkeit, Materialverschleiß oder Energieverbrauch überprüft werden können. Investoren haben bislang 34 Millionen Dollar in das Unternehmen gesteckt, für dieses Jahr wird ein Umsatz von 20 bis 30 Millionen Dollar erwartet.
Die mehr als 150 Mitarbeiter kommen aus den unterschiedlichsten Ländern und nur zu einem geringen Teil aus Deutschland.
Schillernd wirkt auch die Persönlichkeit eines der Gründer und jetzigen CEOs: Josef Brunner hat die Schule geschmissen, sich das Computern selbst beigebracht und gilt laut „Spiegel“ als „Selfmadetypus, der hierzulande eher selten ist“. Eine seiner ersten Firmen, das Energiemanagement-Unternehmen JouleX, hat Cisco für 107 Millionen Dollar übernommen.
Relayr will durch IoT-Analytics die Idee der Predictive Maintenance (vorausschauende Wartung) verwirklichen: Relayr-Analysen sind auf die industrielle Verwendung abgestimmt. Künstliche Intelligenz (KI) wird eingesetzt, um dort handlungsorientierte Erkenntnisse zu liefern, wo traditionelle Anomalie-Erkennungssoftware zu kurz greift. Herkömm­liche, regelbasierte Anomalie-Erkennung produziere eine Masse Warn- und Falschmeldungen, sodass sie bei der Anwendung in Indus­trie-4.0-Szenarien mit hohen Datendurchsätzen ineffizient werde, heißt es bei dem Start-up.
IoT ist zwar sehr in Mode, insgesamt steht die Technologie aber erst am Anfang. Besonders Sicherheitsprobleme in den vielen vernetzten Basisstationen eines IoT-Netzes oder einer IoT-Cloud stellen nicht nur potenzielle Bedrohungsszenarien dar. Relayr hat dies erkannt und inzwischen eine Sicherheitsfirma übernommen.
2. Teil: „CrowdTV“

CrowdTV

CrowdTV bezeichnet sich als „innovative mobile Plattform, die es Social Influencern ermöglicht, ihre Social-Media-Kanäle in einer Fan-App zu bündeln und mit exklusivem Content zu ergänzen“.
  • Persönliche Kontakte zählen: Deutsche Start-ups setzen bei der Besetzung von Stellen auf Mund-zu-Mund-Propaganda
    Quelle:
    Bitkom, n=143
Das Start-up wurde 2014 von Hannes Mehring und An­dreas Kühn gegründet, beides Absolventen der Technischen Universität Ilmenau. Beide Gründer können auf langjährige Erfahrungen als App- und Webentwickler zurückgreifen. Ihr erstes gegründetes Unternehmen war die Social-Media-Agentur Frischr.
CrowdTV hat Finanzierungen im Umfang einer „knapp siebenstelligen Summe“ bekommen. Geld kam von bm-t Beteiligungsmanagement Thüringen, STIFT, Brandenburg Ventures und verschiedenen Business-Angels. Die Geldgeber, so das Unternehmen, seien „rein finanzgetrieben“ gewesen und es erfolgten „wenig bis gar keine Eingriffe in das operative Geschäft“.
Das eingegangene Kapital wird unter anderem für 17 Mitarbeiter verwendet, von denen vier Werkstudenten sind, also kein volles Gehalt bekommen. Etwa die Hälfte des Personals ist in der Entwicklungsabteilung damit beschäftigt, die Community-Plattform „für die Fans von Social Influencern“ über Webplattformen und Whitelabel-Apps auszubauen.
CrowdTV nimmt für sich in Anspruch, „(Micro-)Influencern dabei zu helfen, ein nachhaltiges Geschäft aufzubauen“. Man richtet sich an die Welt des Marketings und der Werbung, in der es auf Kontakte und Einfluss ankommt. Laut Mehring und Kühn spielen hier „Social Influencer eine immer bedeutendere Rolle“. Häufig seien „gerade die kleineren Influencer mit spitzer Zielgruppe die interessanteren Entscheidergruppen“. Die Umsetzung hat aber ihre Probleme: „Es ist schwierig zu sagen, wie aktiv ein Influencer wirklich ist und wie exakt die Zielgruppe, die Fans, eigentlich ticken.“
Einen ähnlichen Ansatz vertritt übrigens auch die Social-Media-Agentur 1-2-social, die seit Kurzem die Betreuung der Communitys rund um den Fernsehsender Sky übernommen hat. Mit über 4,9 Millionen Kunden ist Sky in Deutschland und Österreich Marktführer im Bereich Pay-TV sowie bei Live-Sport, Spielfilm, Serie, Kinderprogramm und Dokumentation. Dabei steht „der Dialog mit den Kunden ganz oben auf der Agenda“. 1-2-social hilft Sky, „den steigenden Beitragszahlen in den sozialen Medien gerecht zu werden und den Usern dort auch weiterhin einen optimalen Kundenservice zu bieten“, vermeldet die Agentur. Und Sky lässt sich das einiges kosten.
CrowdTV-Gründer Hannes Mehring ist der Ansicht, dass es in Deutschland inzwischen einfacher geworden ist, an Gründungsgelder zu gelangen, allerdings müsse man standortunabhängig sein. Was Mehring kritisiert, ist, dass es in Deutschland immer noch schwierig sei, an Funding-Gelder der Serie A zu kommen. „Hier existiert eine Lücke. Es gibt zu wenig vermögende Menschen, die bereit sind, 500.000 bis eine Million Euro in Start-ups zu investieren.“
Das Silicon Valley sei auf jeden Fall ein Vorbild, dort stimmten „das Mindset, die Infrastruktur, das Ökosystem“. Kühn führt aus: „Allerdings hat das Silicon Valley auch seine Schattenseiten – zum Beispiel überhöhte Preise für Mieten oder Beschäftigte.“ Doch was im Silicon Valley in einer Periode von über 50 Jahren entstanden sei, könne man in Deutschland nicht in fünf Jahren kopieren.
3. Teil: „Zinsbaustein“

Zinsbaustein

Noch sehr jung ist das Unternehmen Zinsbaustein, das 2016 ohne Stealth-Phase an den Start ging, das heißt, Unternehmen und Produkte waren der Öffentlichkeit von Anfang an bekannt. Die Gründer Frank Noé und Volker Wohlfarth verfügen beide über Erfahrung im Immobilienbereich. Ihre Plattform basiert auf der Programmiersprache Ruby on Rails und anderen modernen Webtechnologien, wobei die Module und Features ständig überprüft und angepasst werden.
Zinsbaustein versteht sich als digitale Plattform für Immobilieninvestments an der Schnittstelle zwischen Proptech (Property Technology) und Fintech. Gegenwärtig gibt es die Produkte Crowdinvesting in Immobilien und Projektfinanzierung durch sogenannte Mezzanine-Darlehen. Bei dem Start-up sind inklusive Geschäftsführern zehn Vollzeitmitarbeiter und zwei Praktikanten beschäftigt, wobei es mehrere offene Stellen in den Bereichen IT, Analytics, Vertrieb und Kundenmanagement gibt.
Die Gründer beschreiben, welche Probleme sie konkret lösen wollen: „In Zeiten von Inflation, niedrigen Zinsen und schwer vorhersagbaren Marktentwicklungen suchen immer mehr Anleger nach alternativen Geldanlagen. Bisher waren die wirklich attraktiven Immobilieninvestments aber vor allem Family-Offices und großen Investoren vorbehalten. Die größte Rendite lässt sich in der Regel mit Investitionen in die Projektentwicklung erzielen, das heißt in der Phase, in der Immobilien konzipiert und gebaut werden. Für Kleinanleger war diese Investitionsform aber komplett unzugänglich. Man braucht Kontakte zu Bauträgern, sechs- bis siebenstellige Summen und auch viel Immobilienwissen, um nicht blauäugig in ein Projekt mit großen Risiken zu investieren. Das wollten wir ändern. Wir haben dafür ein Modell aus den USA nach Deutschland übertragen, das dort schon seit Längerem sehr erfolgreich umgesetzt wird. Als Crowdinvesting-Plattform vermitteln wir zwischen Anlegern und Bauträgern – wir kontaktieren etablierte Baufirmen, wählen passende Projekte aus und sammeln viele einzelne Investments, sodass jeder Anleger schon mit 500 Euro einsteigen kann. So machen wir den exklusiven und intransparenten Markt für Immobilien­investments für Privatinvestoren zugänglich.“
Auf der anderen Seite hätten Bauträger aktuell erhöhten Kapitalbedarf, da der Immobilienmarkt boome und Konkurrenz um Grundstücke und Dienstleister herrsche: „Wir geben ihnen schnell und unkompliziert Zugriff auf zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten, mit denen sie ihren Handlungsspielraum erhöhen können.“
Bislang haben die etwa 1.400 aktiven Investoren acht Projekte gefördert, wobei ein Funding-Volumen von 8,95 Millionen Euro umgesetzt wurde. In Zukunft will man mehr Geldgeber im oberen Bereich anziehen, auch institutionelle Anleger.
Noé sieht die aktuelle Situation für deutsche Start-ups optimistisch: „Die Lage in Deutschland wird immer besser – nicht zuletzt aufgrund der steigenden Aufmerksamkeit für Start-ups selbst und der Communitys, die sich gebildet haben. Das sind die wirklich wichtigen Faktoren. Die Politik und Verbände können Start-ups zwar unterstützen oder behindern, aber sie können nicht den Erfolg eines Ökosystems erzwingen. Es ist wichtig, dass wir eine Regulatorik haben, die schnelles Wachstum nicht behindert und Chancengleichheit zum Beispiel zu amerikanischen Unternehmen nicht komplett aushebelt.“
4. Teil: „Quobyte“

Quobyte

  • Anteil ausländischer Mitarbeiter: 56 Prozent der Start-ups beschäftigen Mitarbeiter aus dem europäischen und/ oder nicht europäischen Ausland.
    Quelle:
    Bitkom, n=143
Quobyte wurde 2013 in Berlin von Felix Hupfeld und Björn Kolbeck gegründet. Beide haben einen akademischen Hintergrund und früher am Zuse Institut Berlin (ZIB) gearbeitet, wo sie an der Entwicklung eines verteilten Speichersystems auf Dateibasis beteiligt waren, dem Parallel File System XtreemFS. Zudem waren beide bei Google beschäftigt, wo sie mehr die geschäftliche Seite kennen lernten. Sie beschlossen, XtreemFS neu zu schreiben und mit Enterprise-Features anzureichern. Das Data Center File System, ein softwarebasiertes Speichersystem, ist das zentrale Produkt von Quobyte. Es läuft auf Standard-Server-Hardware und ist leicht bis auf mehrere Tausend Knoten skalierbar.
Wie Kolbeck betont, erhöht sich mit der Größe eines verteilten File- oder Speichersystems seine Fehlertoleranz. Dieses Prinzip hätten sich die großen Rechenzentren von Goo­gle, Facebook und anderen Anbietern zu eigen gemacht: Nur so würden einzelne Ausfälle von Servern keine wesentliche Rolle spielen. Kolbeck, der inzwischen Quobyte im Silicon Valley repräsentiert, sagt auch: „Die Cloud ist nicht billiger, sondern nur anders organisiert.“
Quobyte spricht von Google als dem großen Vorbild in Sachen Technologie. Ein Hyperscaler wie der von Goo­gle funktioniert tatsächlich: Es gibt nur ein System für alle Workloads und es kann zu sehr großen Clustern skalieren. Diese Cluster sind sehr kostengünstig, da sie aus Standard-Hardware bestehen und man nicht von einem Hersteller abhängig wird, von dem man immer mehr Systeme kaufen müsste. Die Betriebsabläufe sind hoch automatisiert und erfordern trotz ihrer Vielzahl weniger Administratoren als klassische Rechenzentren. Mainframes von IBM, so Kolbeck, wären für einen Systemansatz mit großen Clustern und Skalierbarkeit auch geeignet, seien aber viel zu teuer. Wichtig sei auch, dass „Performance allein keine Spezial-Hardware braucht“.
Für den Aufbau der kalifornischen Sektion hat Quobyte für drei Monate Unterstützung durch das German Accelerator Program und von privaten Mentoren bekommen. Eine Startfinanzierung bekam das Start-up in Deutschland von Target Partners (München) und vom High Tech Gründerfonds (HTG).
Zu Berlin bemerkt Kolbeck: „Berlin ist auch deshalb gut für die dortige Start-up-Szene, weil die drei Universitäten der Stadt für einen kontinuierlichen Zufluss an gut ausgebildeten Informatikern sorgen. Außerdem gibt es genügend Leute in der Stadt, die die Probleme von Start-ups kennen.“
5. Teil: „Ins Silicon Valley “

Ins Silicon Valley

Andere Start-ups, die es bis nach Übersee geschafft haben, sind Crate.io aus Österreich und Datameer. Crate.io wurde 2013 von Bernd Dorn, Christian Lutz und Jodok Batlogg gegründet und hat seinen Hauptsitz inzwischen in San Francisco. Ziel des Start-ups ist es, mit einer Open-Source-SQL-Datenbank IoT-Daten zu analysieren. Man konnte etwa 7 Millionen Dollar an Funding-Geldern eintreiben.
Datameer, 2009 in Dresden gegründet und in mehreren Finanzierungsrunden mit 77 Millionen Dollar ausgestattet, ist angetreten, um Big-Data-Analysen einfach zu machen. Dazu entwickelte man eine cloud- und Hadoop-basierte Lösung, mit der es ohne Technologiekenntnisse möglich sein soll, Analysen von Daten durchzuführen. Nachdem man anfangs einige große Kunden gewinnen und den Umzug der Geschäftsführung nach San Francisco stemmen konnte, ist das Wachstum etwas ins Stocken geraten. Im Sommer 2017 führte Datameer Smart AI (Smart Artificial Intelligence) ein, um sein Vorhaben, „die Datenanalyse zu demokratisieren“, weiterzuführen.
Noch nicht im Silicon Valley ist das in Berlin und Norwegen ansässige Start-up Swarm 64, das ebenfalls um die Vereinfachung von Datenanalysen bemüht ist. In diesem Fall wird Hardware-Beschleunigung eingesetzt. Die Performance von In-Me­mory-Datenbanken wird durch den Einsatz von SSDs um den Faktor zehn erhöht, heißt es bei dem Unternehmen.

Fazit

Die Lage in der deutschen Start-up-Szene ist durchaus gemischt. Es fehlt häufig an Kapital, auffällig ist ferner, dass im Unterschied zu den USA und zu Frankreich viele neue Unternehmen nicht so sehr auf IT fokussiert sind, sondern auf Bereiche, in denen man Marktlücken vermutet – Finanzierungsmethoden, Marketing oder E-Commerce. Und trotz vieler Lippenbekenntnisse aus Politikermund mangelt es an einem umfassenden Förderprogramm auf Bundesebene. Der Trend oder zumindest der Wunsch nach einer Flucht ins gelobte Land des Silicon Valley in den fernen USA ist in der Szene nicht zu übersehen.
Nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung Ernst & Young schlägt sich die Entwicklung an den Börsen positiv auf die Finanzierung von Start-ups nieder. Im ersten Halbjahr sammelten sie in 264 Finanzierungsrunden 2,16 Milliarden Euro ein, während es im gleichen Vorjahreszeitraum nur 972 Millionen Euro waren. Laut Ernst & Young profitierten davon vor allem Internethändler sowie die Bereiche Finanztechnologie und Gesundheit.
Deutsche Start-ups in Zahlen
Wer sich mehr mit der deutschen Start-up-Szene beschäftigen will, findet im „Bitkom Start-up Report 2016“ und im „Start-up-Barometer Deutschland“ von Ernst & Young jede Menge Zahlen und Fakten. Die wichtigsten sind:
  • Lediglich vier von zehn Gründern bevorzugen Deutschland als Standort. Zwar gaben 47 Prozent der Start-ups an, dass sich ihre Situation in den vergangenen zwei Jahren verbessert hätte. Aber nur 44 Prozent der Gründer würden wieder in Deutschland gründen, wenn sie die Wahl hätten. Fast jeder Dritte (32 Prozent) würde sich stattdessen lieber für die USA entscheiden.
  • Die Start-ups gaben an, in den kommenden zwei Jahren durchschnittlich 2,4 Millionen Euro Kapital zu brauchen. Nur jeder dritte Gründer (34 Prozent) hatte zum Zeitpunkt der Befragung bereits ausreichend finanzielle Mittel dafür zur Verfügung. Gleichzeitig stellt die Finanzierung das größte Problem für Start-ups dar. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Gründer gab an, es seien die schwierigen Finanzierungsbedingungen, die ihr Start-up am stärksten einschränken.
  • Berlin ist Deutschlands Start-up-Hauptstadt, was die Finanzierung angeht. Im ersten Halbjahr 2017 flossen knapp 1,5 Milliarden Euro nach Berlin, während Bayern mit 213 Millionen und Hamburg mit 178 Millionen Euro die Plätze zwei und drei belegten.
  • Im Durchschnitt beschäftigen Start-ups 15 Mitarbeiter. Mehr als jedes zweite Start-up hat im Jahr vor der Befragung neue Stellen geschaffen (58 Prozent). 72 Prozent der Start-up-Gründer planten 2016 Neueinstellungen und gerade einmal 1 Prozent wollte Stellen abbauen.
  • Bei den Mitarbeitern sind Start-ups in Deutschland international orientiert. Fast sechs von zehn beschäftigen ausländische Mitarbeiter (56 Prozent). Je größer das Unternehmen, desto höher ist dieser Anteil. Im Schnitt arbeiten in Start-ups Menschen aus fünf Nationen zusammen.
6. Teil: „Networking ist für uns das A und O“

Networking ist für uns das A und O

Die internationale Technologie-Investmentbank GP Bullhound berät sowohl Unternehmen als auch Gründer und Investoren. Mit Julian Riedlbauer, Partner bei GP Bullhound, spricht com! professional über die Finanzierungsmöglichkeiten von Start-ups.
  • Julian Riedbauer, Partner bei GP Bullhound
com! professional:
Nach welchen Kriterien vergibt GP Bullhound Funding-Gelder?
Julian Riedlbauer: Wir sind eine internationale Technologie-Investmentbank, die Unternehmen, Gründer und Investoren in den Bereichen Mergers und Acquisitions (M&A) und Wachstumsfinanzierungen berät. Insgesamt haben wir seit unserer Gründung 1999 mehr als 240 erfolgreiche M&A- und Private-Placement-Transaktionen mit führenden Industrieunternehmen wie Delivery Hero, InnoGames, Signavio und Spotify abgeschlossen.
com! professional: Wie genau schauen Sie sich Kandidaten an?
Riedlbauer: Wir fokussieren uns auf wenige gute Finanzierungsprojekte, die wir mit einem hohen Arbeitseinsatz zum Erfolg bringen. Dadurch sind wir sehr selektiv, welche Projekte wir annehmen. Wir analysieren etwa das Angebot, die Produkte, Zahlenmaterial und müssen jedes mögliche Projekt unserem internen internationalen Auswahlkomitee für neue Projekte detailliert vorstellen, es mit dem Komitee besprechen und von diesem freigeben lassen.
com! professional: Spielen für Sie auch Events wie Startup Grind eine Rolle?
Riedlbauer: Networking ist für uns das A und O. Wir sind sehr viel auf verschiedenen Events unterwegs und veranstalten selbst auch mehrere Events im Jahr.
com! professional: Wie intensiv und auf welche Weise sind Sie mit den Firmen verbunden, die Sie finanzieren?
Riedlbauer: Wir stehen in regelmäßigem Kontakt mit den Investoren und den Unternehmen und Start-ups, da wir zwischen beiden Parteien als Berater fungieren. Wir arbeiten sehr intensiv für das jeweilige Unternehmen, erstellen ein umfassendes Unterlagen-Set, begleiten das Unternehmen bei jedem Gespräch mit Investoren und verhandeln die Deals im Detail.
com! professional: Es wird ja gern behauptet, Venture-Capitalists und andere Investoren machten nur mit wenigen Firmen Gewinne. Wie ist das bei Ihnen?
Riedlbauer: Gewinne machen wir durch den Abschluss von Deals zwischen Investoren und Firmen. Wir erhalten dann einen kleinen einstelligen Prozentsatz als Erfolgshonorar.
com! professional: Gibt es wirklich eine Szene für technologische Start-ups in Deutschland oder ist das eher ein Berliner Lokalkolorit?
Riedlbauer: Es stimmt, dass gerade in Berlin eine Vielzahl an Technologie-Start-ups gegründet wird und vertreten ist. Ein großer Unterschied zwischen Deutschland und anderen europäischen Ländern ist allerdings, dass die deutsche Szene eher dezentral organisiert ist – mit diversen Start-up-Hubs und Digital-standorten wie Hamburg, Frankfurt, Köln, Karlsruhe oder München, die quer über Deutschland verteilt sind.
com! professional: Warum funktioniert Ihrer Meinung nach die Verflechtung von Start-ups, Venture-Capital und Universitäten in den USA? Was klappt wirklich, was ist nur Marketing?
Riedlbauer: In den USA hat die Vernetzung von Start-ups, Venture-Capital und Universitäten historische Wurzeln und ist als solche eingespielt. Deutschland hat hier noch Nachholbedarf: Es gibt zwar mehr und mehr Gründerinitiativen an deutschen Hochschulen und auch auf Unternehmertum spezialisierte Studiengänge, aber die Vernetzung funktioniert hierzulande noch nicht so, wie sie müsste. Es gibt erste Erfolge wie Signavio oder Blue Yonder, aber wir brauchen mehr Vorbilder.
com! professional: Auf welche technischen Computing-Felder sollten sich Start-ups in Deutschland konzentrieren?
Riedlbauer: Bereiche, die Unternehmen teilweise schon für sich nutzen und auf die auch Start-ups aufspringen sollten, sind Virtual Reality (VR), Artificial Intelligence (AI) sowie Machine Learning.
VR und AR entwickeln sich derzeit zu den einflussreichsten Medienplattformen, da zunehmend mehr Inhalte entstehen. Machine Learning ist ein weiteres, für Start-ups spannendes Feld. Deshalb sollten sich deutsche Start-ups auf jeden Fall genauer mit diesen Themen beschäftigen. Außerdem ist der Bereich Software as a Service noch immer nicht ausgereizt.

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