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15.06.2020
Stabil und sicher
1. Teil: „Corona-Warn-App steht in den Startlöchern“

Corona-Warn-App steht in den Startlöchern

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Firn / shutterstock.com
Die offizielle Corona-Warn-App ist endlich fertig und soll ab heute bereitstehen. Der TÜV hat die Anwendung vorab überprüft und für "stabil und sicher" befunden. Kanzleramtschef Braun räumt indessen anfängliche Versäumnisse bei der Entwicklung der Anwendung ein.
Die offizielle Corona-Warn-App des Bundes wird heute vorgestellt und zur Benutzung freigeschaltet. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Sonntag in Berlin. Letzte Tests seien gut verlaufen, hieß es. Zum Herunterladen dürfte die App nach dpa-Informationen bereits am Montagabend in den Stores von Google und Apple bereitstehen.
Mit der App sollen die Corona-Infektionsketten besser erkannt werden. Sie soll dafür sorgen, dass bei einer Lockerung für das öffentliche Leben die Ausbreitung des Coronavirus nicht wieder stark ansteigt.
Mit dem heutigen Vorstellungstermin bestätigt sich eine entsprechende RTL/n-tv-Meldung vom Freitag. Die Entscheidung fiel dann am Sonntag. Nach weiteren dpa-Informationen soll die App am Dienstagvormittag von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Innenminister Horst Seehofer (CSU), Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Vertretern der an der Entwicklung beteiligten Unternehmen - Telekom-Vorstandschef Timotheus Höttges und SAP-Chief Technology Officer (CTO) Jürgen Müller - präsentiert werden.
Besitzer eines geeigneten Smartphones können freiwillig entscheiden, ob sie die Warn-App installieren wollen oder nicht. Die App kann auch nachträglich wieder deaktiviert oder deinstalliert werden.
Die App misst über den Kurzstreckenfunk Bluetooth, ob sich Anwender über einen Zeitraum von 15 Minuten oder länger näher als ungefähr zwei Meter gekommen sind. Dabei werden stoßweise alle zweieinhalb bis fünf Minuten anonymisierte Identifikationsnummern übertragen. Der Ort der Begegnung wird dabei nicht erfasst. Wird ein Nutzer positiv auf Covid-19 getestet und diese Information in der App geteilt, werden die anderen Anwender informiert, dass sie sich in der Vergangenheit in der Nähe einer infizierten Person aufgehalten haben.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte in der "Saarbrücker Zeitung" (Montag): "Es ist klar, dass die App nicht dazu führen darf, dass der einzelne leichtsinniger im Umgang mit Kontakten ist." Zugleich betonte er: "Wenn wir eine zweite Welle verhindern wollen, müssen wir alle Instrumente nutzen." Der Leiter des Instituts für Virologie der Universität Marburg, Stephan Becker, sagte der dpa: "Der Erfolg dieser Tracing App hängt davon ab, wie viele Menschen sie herunterladen. Sie ist möglicherweise neben Schutzmasken und Abstandhalten ein weiterer Faktor, um aus diesem Lockdown zu kommen."
Der Start der App war ursprünglich schon für Ende April geplant. Zu diesem Zeitpunkt entschied dann die Bundesregierung, nicht mehr das Projektteam, sondern die Unternehmen SAP und T-Systems mit der Umsetzung zu beauftragen.

Kanzleramtschef räumt Versäumnisse bei App-Entwicklung ein

Kanzleramtschef Braun räumte Versäumnisse bei der Entwicklung der App ein. "Aus heutiger Sicht hätten wir die Entscheidung, die Unternehmen mit der technischen Umsetzung der Corona-App zu betrauen, zehn Tage früher treffen sollen", sagte der CDU-Politiker der "Welt am Sonntag". Braun sprach auch von Differenzen im ursprünglichen Projektteam, die einen schnellen Erfolg verhindert hätten.
Bei der App wurde ein mehrstufiges Datenschutzkonzept umgesetzt. Der Bundesdatenschutzbeauftragte, Ulrich Kelber, lobte die App. "Was vorliegt, macht insgesamt einen soliden Eindruck", sagte er der "Saarbrücker Zeitung". "Mir ist besonders wichtig, dass die relevanten Dokumente zum Datenschutz, insbesondere die Datenschutzfolgeabschätzung, zum Start der App fertig sind." Sie sollten ab dem ersten Tag öffentlich sein, um in der Bevölkerung Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen, so Kelber.
2. Teil: „Überprüfung durch IT-Dienstleister TÜV Informationstechnik“

Überprüfung durch IT-Dienstleister TÜV Informationstechnik

Nach Einschätzung des IT-Dienstleisters TÜV Informationstechnik läuft die Anwendung außerdem stabil und sicher, ohne die Anwender auszuspionieren. Das habe eine Prüfung der App ergeben, die man im Auftrag des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) unternommen habe, sagte TÜV-IT-Chef Dirk Kretzschmar am Samstag der Deutschen Presse-Agentur.
Bei der Überprüfung der App habe man auch kontrolliert, ob Unbefugte Daten abgreifen könnten. "Das ist nicht der Fall. Die Anwender müssen keine Angst vor Überwachung haben." Die Entwickler von SAP und T-Systems hätten auch sichergestellt, dass niemand über die App Zugriff auf andere Daten bekomme.
Frühe Versionen der App seien noch instabil gewesen, sagte Kretzschmar. "Die Tester hatten zum Schluss aber ein sehr positives Bild, weil inzwischen alles sehr stabil läuft. Sie waren auch ziemlich begeistert davon, wie schnell und in welcher Qualität die Entwickler auf noch entdeckte Schwachstellen reagiert haben."
Bei dem Prüfprozess habe man sich auch intensiv mit der Frage beschäftigt, wie in der App die Eingabe einer Infektion abgesichert werden solle. Diese erfolgt über einen QR-Code aus dem Testlabor oder mithilfe einer TAN, die der Betroffene von einer Telefon-Hotline erhält. Hier sei es zum Beispiel darum gegangen, ein sicheres Verfahren anzuwenden, bei dem die TAN nicht leicht erraten oder die Status-Eingabe durch einen "Brute-Force-Anfgriff" durch massenhafte Eingaben erzwungen werden kann.

Schnelle Reaktion bei erforderlichen Anpassungen der App

Der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung betonte weiter, nach der Veröffentlichung beginne die nächste Phase der notwendigen Arbeiten. "Ich bin zuversichtlich, dass die beteiligten Unternehmen offene Punkte und eventuell auftretende Erkenntnisse schnellstmöglich angehen." Nur dann würden sich genügend Bürger beteiligen.

Die Entwickler der Corona-Warn-App sind nach ausführlichen Tests zuversichtlich, dass die geplante Entfernungsmessung per Bluetooth-Funk auch im Alltag funktionieren wird. "Inzwischen sind wir überzeugt, dass wir eine gute Lösung haben, mit der man starten kann - auch wenn wir wissen, dass sie nicht perfekt ist", sagte SAP-Manager Müller der Deutschen Presse-Agentur.

Das Fraunhofer Institut IIS in Erlangen spielte bei Tests der deutschen konkrete Szenarien durch: Sitzen in einem Restaurant, Schlangestehen, Aufenthalt in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei wurde gemessen, wie präzise die Smartphones die Entfernung erkannten. "Beim realen Einsatz werden wir noch mehr lernen", sagte Müller.

Grüne und Linke hatten eine eigene gesetzliche Grundlage für die App gefordert, um Diskriminierungen bei Alltagsgeschäften für Menschen zu verhindern, die die App nicht einsetzen wollen.

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