Business-IT
20.03.2019
Transparenz als Herausforderung
1. Teil: „Wenn der CEO zum Influencer werden muss“

Wenn der CEO zum Influencer werden muss

Businessman mit Cape und Stadt im HintergrundBusinessman mit Cape und Stadt im HintergrundBusinessman mit Cape und Stadt im Hintergrund
jamesteohart / shutterstock.com
Jede Führungskraft lässt sich heute öffentlich bewerten. Reputationsmanagement wird Pflicht. CEOs müssen die Werte ihres Unternehmens als eigene Überzeugung vorleben.
Dieser Beitrag wurde erstellt von Sereina Schmidt, Beraterin für C-Level-Entscheider im Bereich Reputationsmanagement.
  • Sereina Schmidt: Beraterin für C-Level-Entscheider im Bereich Reputationsmanagement
    Quelle:
    Sereina Schmidt
Alles, was intern besprochen wird, kann an die breite Öffentlichkeit gelangen. Welche Vor- und Nachteile die digitale Transparenz für den Ruf von Führungskräften und Unternehmen haben kann, verdeutlicht folgendes Beispiel: Ein großes Unternehmen in der Schweiz muss sparen und zentralisiert verschiedene Abteilungen. Die Mitarbeiter, in diesem Fall Journalisten, wollen dies nicht so einfach hinnehmen und eröffnen einen öffentlichen Twitter-Kanal, über den sie interne Informationen veröffentlichen, angereichert mit ihren Kommentaren. Dieses Ausmaß an Transparenz ist absolut neu und Unternehmen sowie deren Führungskräfte müssen erst lernen, damit umzugehen.
Wir sind zu einer „Mitsprachegesellschaft“ geworden. Eine immer stärkere Sozialisierung im Netz führt dazu, dass Menschen, die sich sonst nicht treffen, über soziale Netzwerke miteinander kommunizieren. Bin ich also mit einem Unternehmen, einem Produkt, einer Dienstleistung oder auch nur der Aussage eines Top-Managers nicht einverstanden, kann ich das in den sozialen Netzwerken mit Tausend anderen Menschen „diskutieren“. Dabei gilt: Je angeschlagener der Ruf bereits ist, desto schneller und umso mehr Menschen werden sich finden, um verbal auf das Unternehmen oder dessen CEO „einzuprügeln“.

Am Leitbild gemessen

Die Pflege des eigenen Rufs innerhalb der Belegschaft beginnt ganz am Anfang. Beim Einstellungsgespräch wird der neuen Mitarbeiterin feierlich der Ordner mit dem Leitbild, dem Nachhaltigkeitsbericht und weiteres, hoch spannendes Lesematerial übergeben. Was heute oft noch nicht stark genug berücksichtigt wird, ist die Tatsache, dass sich, wenn etwas in diesem Leitbild oder dem Nachhaltigkeitsbericht im Alltag nicht gelebt wird, dieser Fakt sich schnell auf Social Media und den Bewertungsportalen wiederfindet. Vor allem, wenn besagte Mitarbeiterin entlassen werden musste. Spezielle Plattformen wie Kununu.com ermöglichen es ehemaligen Mitarbeitern sogar, Unternehmen detailliert zu bewerten.
Eine weitere Tatsache, die sich in den letzten Jahren geändert hat, ist die starke Personalisierung. Heute möchte man wissen, wer hinter einem Unternehmen steht. Man will mit Menschen und nicht neutral mit „dem Unternehmen“ kommunizieren. Auf diese Weise wird alles transparenter und persönlicher. Ist ein Kunde heute nicht zufrieden, kann er dies detailliert auf Google ausführen. Sucht jemand also nach einem Unternehmen, wird er nicht nur dessen Website finden, sondern eben auch Kommentare von (hoffentlich) zufriedenen Kunden.
Diese Umstände bereiten vielen Unternehmen große Schwierigkeiten, da sie ihre Kommunikation, intern und extern, komplett umstellen müssten. Dazu gibt es keine Alternative. Kein Unternehmen kann es sich heute noch leisten, erstens Reputationsmanagement nicht in die Unternehmensstrategie zu integrieren, und zweitens, die Reputation des eigenen CEOs nicht gezielt zu managen.
Reputationspflege ist Arbeit und hat mit dem eigenen Verhalten und der eigenen Kommunikation zu tun. Selbstverständlich kann die Kommunikationsabteilung dabei ziel­gerichtet unterstützen, doch die Hauptdynamik geht vom CEO und den Führungskräften aus. Zudem muss ein CEO immer wieder die Sicht von Kunden und Mitarbeitern einnehmen und sich fragen, welche Erwartungen sie an ihn haben. Auch mit diesen Anforderungen muss man als Führungskraft umgehen.
Dabei stellt sich die Frage, ob der Geschäftsführer nur für das Unternehmen seinen Ruf im Auge behalten muss. Nein, sicher nicht. Er macht es auch für sich selbst. Schließlich nimmt er seinen Ruf mit - in andere Unternehmen ebenso wie in sein Privatleben. Beide Bereiche, privat wie auch geschäftlich, lassen sich heute nicht mehr trennen. Schon gar nicht, wenn es um den Ruf und die Reputation einer Person geht. Übrigens: Eine schlechte Wahrnehmung des CEOs ist für diesen gefähr­licher als eine schlechte Performance. Gemäß einer Studie von Roland Berger von 2015 war in 71 Prozent der Fälle eine schlechte Wirkung der ursächliche Grund für die Demission eines CEOs und nicht seine Leistung.
2. Teil: „Werte = Überzeugungen“

Werte = Überzeugungen

Dafür stehen wir, dafür setzen wir uns ein. Kunden und ins­besondere Mitarbeiter wollen heute wissen, wofür ein CEO steht. Sie wollen wissen, was ihn antreibt, wie er tickt und auf welches Ziel er hinarbeitet. Dies anhand eines gängigen Werteleitbilds zu kommunizieren, ist in den seltensten Fällen erfolgversprechend. Authentizität und Integrität sind gefragt und müssen auch so vorgelebt und kommuniziert werden, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes ankommen.
Beim Reputationsmanagement geht es um das Erleb­barmachen unserer persönlichen Überzeugungen, Einstel­lungen und Werte. Je klarer sich unser Umfeld an uns orien­tieren kann, desto glaubwürdiger, zuverlässiger und ver­trauenswürdiger sind wir, was wiederum unseren Ruf stärkt. Fakt ist: Ohne klare, kommunizierte und erlebbar gemachte Werte keine stabile, positive Reputation. Und hier schlagen Emotionen die reine Fakten-Kommunikation. Ein CEO ist ein Mensch und keine neutrale Maschine.

Aufbau dauert länger als Abbau

Während das Image eine Momentaufnahme ist, die Menschen von einem Unternehmen haben (das Bild, das man sich macht) und durch aktive Kommunikation auch kurzfristig aufgebaut werden kann, ist Reputation der Ruf, den der CEO und dessen Unternehmen beim Umfeld generell haben. Das heißt, es ist die Gesamtheit von Eindrücken und Bildern, von Erfahrungen und Beziehungen. Deshalb ist es auch einer der größten Fehler zu glauben, dass kurzfristige Aktionen die Reputation eines CEOs wieder „aufbügeln“ können. Natürlich hat alles eine Wirkung, doch die Menschen vergessen meist sehr schnell.
Umgekehrt gilt: Ist eine Meinung erst einmal gefasst, dauert es länger, bis Menschen diese wieder revidieren. Beobachten lässt sich dieser Effekt etwa im Vorfeld von Wahlen. Viele politische Akteure setzen dann auf genau solch kurzfristige Maßnahmen. Ist die Person erst einmal gewählt, wird die Kommunikations- und Reputationsarbeit meist sehr schnell wieder eingestellt. Ein Fehler, der sich bereits bei der nächsten Wahl sehr oft rächt.

Von der Ego-Show zur Strategie

CEO-Reputation ist keine Ego-Show, sondern ein strategischer Faktor, der geplant sein muss. Dabei sollten logischerweise zuerst die Persönlichkeit der Führungskraft und die „Persönlichkeit“ des Unternehmens analysiert werden, um daraus eine Kommunikationsstrategie zu erstellen. Dabei ist zu beachten, dass absolute Authentizität maßgebend ist. Wer versucht, eine Show zu inszenieren, und dabei mehr auf Wunschvorstellung als auf Authentizität setzt, wird schnell merken, dass die Community dies meist früher als später durchschaut und natürlich entsprechend öffentlich darlegt.
Zugegeben, CEO-Reputation kostet Zeit und Geld. Was aber, wenn der CEO und/oder das ganze Unternehmen plötzlich Inhalt eines Shitstorms auf Facebook werden? Oder auch ein paar Nummern kleiner: Was, wenn jemand nach dem Namen des CEOs sucht und in Google zwei sehr negative Kommentare über das Unternehmen liest? Jeder potenzielle neue Kunde wird sich, nachdem er diese beiden negativen Kommentare gelesen hat, sehr gut überlegen, ob er die Person oder das Unternehmen wirklich noch kontaktieren soll. Ganz nebenbei, in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels aber ein entscheidender und wichtiger Aspekt: Der gute Ruf des CEOs wirkt sich auch auf die Rekrutierung von Fachkräften aus. Eine gute Reputation ist also Gold - pardon Geld - wert.
Viele Firmen denken, sie seien zu klein für das Thema Reputation. Dabei können gerade KMUs von der positiven Reputa­tion eines CEOs enorm profitieren. Ein einzelner Tweet kann heute die Reputation eines CEOs und damit des gesamten Unternehmens schädigen. Daher ist es eine strategisch überlebenswichtige Entscheidung, in die Reputation des eigenen CEOs und somit des Unternehmens zu investieren.
3. Teil: „Die eigene Geschichte erzählen“

Die eigene Geschichte erzählen

Gerade in kleineren und mittelgroßen Unternehmen sind oft Inhaber anzutreffen, die früher einmal sehr gute Facharbeiter waren. Dies ist natürlich begrüßenswert, denn wenn man alles „von der Pike auf“ gelernt hat, kann man oft auf seine Erfahrungen zurückgreifen. Eine kleine Nebenwirkung hat das Ganze allerdings: Facharbeiter wollen durch ihre gute Arbeit oder das gute Produkt überzeugen. Sie stellen sich meist nicht ins Scheinwerferlicht und erzählen auch keine Geschichten, wie dieses Produkt oder jene Dienstleistung entstanden ist.
Doch genau diese Geschichten wollen Kunden hören. Und wenn ein Unternehmen diese Geschichte nicht erzählt, erzählen andere sie (ob sie stimmt oder nicht). CEO-Reputa­tion ist also immer auch ein gewisser Schutz vor Krisen. Doch es ist wie so oft im Leben: Bevor es nicht wirklich wehtut, geht man selten zum Arzt. Und manchmal hilft dann nur noch Schadensbegrenzung. Für den Fall der Fälle investieren wir in anderen Bereichen alle in Versicherungen. Warum also nicht hier? Dabei ist der positive Reputationsaufbau nicht nur im Krisenfall sehr hilfreich, sondern auch, wenn keine Krise absehbar ist.

Reputation nutzen

Manche Unternehmer leben immer noch mit der Haltung, dass, wenn sie selbst nicht in sozialen Netzwerken aktiv sind, schon nichts passieren kann. Weit gefehlt! Die Gefahr lauert ganz unabhängig davon, ob man selbst Social-Media-Kanäle betreibt oder nicht. Ein weiterer Nachteil: Wenn wir selbst nicht lesen können, was andere über uns schreiben, können wir auch nicht darauf reagieren. Der größte Fehler, den CEOs bei der Reputation machen können, ist deshalb, das Ganze sich selbst zu überlassen. Denn der Ruf bildet sich aus der Gesamtheit von Eindrücken, Erfahrungen und Beziehungen, die andere mit einer Person und/oder dem Unternehmen haben. Genau das ist das Reputationskapital. Nur durch Interaktionen - im Idealfall eben das eigene aktive Handeln - bildet sich die Reputation.
Fakt ist: Wenn Sie Ihren Ruf nicht aktiv beeinflussen, dann werden es andere tun. Fakt ist auch: Sie können ein gutes Image kurzfristig mit einer Werbekampagne einkaufen, Ihren Ruf nicht: Sie haben nur diesen einen!
Wofür stehen Sie?
Reputation ist eine Aufgabe, die nie erledigt ist. Deshalb folgen an dieser Stelle auch keine Instant-Tipps zum direkten Umsetzen, sondern zehn Impulse, die alle CEOs und Führungs­kräfte zum Nach­denken über die eigene Reputation anregen sollen:
  • Beurteilen Sie Ihren Status quo: Wie gut ist Ihr Name denn bereits - hoffentlich positiv - verankert? Und wann haben Sie sich das letzte Mal selber gegoogelt? Das hat nichts mit einem über­steigertem Ego zu tun, sondern vielmehr mit einer praxis­gerechten Reputationsarbeit. Denn Sie sollten hinhören, wenn man über Sie redet. Live, aber genauso auch im Internet.
  • Machen Sie sich Gedanken, wie und wer Sie wirklich sind. Welche Werte sind für Sie wesentlich und was ist Ihnen generell wichtig in der Zusammenarbeit mit an­de­ren Menschen? Da­raus können Sie für sich als Geschäftsführer eine klare Positionierung entwickeln (lassen).
  • Analysieren Sie das Wertesystem Ihres Unternehmens. Trägt es Ihre persön­lichen Werte? Sind Ihre „Spielregeln“ hier aktiv? Wie wurden diese Werte im Unter­nehmen implementiert? Hat sich daraus bereits eine Unternehmenskultur ent­wickelt?
  • Wie wirken Sie in der direkten Kommuni­kation? Von wem erhalten Sie echtes, professionelles Feedback beispielsweise zu einem Vortrag von Ihnen? Wie bewusst sind Sie sich Ihrer Körpersprache und nonverbalen Kommunikation? Wie inspi­rierend sind Sie? Mitarbeiter lassen sich nicht mehr durch ein Jahresziel „doppel­ter Umsatz“ motivieren, sondern nur noch mit „echten“ Zielen inspirieren.
  • Wie transparent kommunizieren Sie? Legen Sie grundsätzlich alle Fakten, Tat­sachen und Meinungen auf den Tisch?
  • Wie fit sind Sie in der Online-Kommu­nikation und wie gut kennen Sie sich in Social Media und im Online-Marketing aus?
  • Nehmen Sie öffentlich zu Themen Stellung, die Ihren Expertenstatus und Ihre Expertise untermauern?
  • Wie aktiv ist Ihr Netzwerk und wo können Sie dieses sinnvoll und effektiv aus­bauen?
  • Verfügen Sie über ein aktives Repu­ta­tionsmanagement und ein ent­spre­chendes Monitoring?
  • Authentizität: Wie bewusst sind Sie Vor­bild und leben Werte und Regeln vor?

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