E-Commerce
02.09.2019
Digitalstrategie
1. Teil: „Wie ein CDO Online- und Offline-Bereiche zusammenführt“

Wie ein CDO Online- und Offline-Bereiche zusammenführt

Online- und Offline-StrategieOnline- und Offline-StrategieOnline- und Offline-Strategie
docstockmedia / Shutterstock.com
Reto Senti führt beim Schweizer Fashion-Haus PKZ die Online- und Offline-Welt zusammen. Im Interview spricht er über sein erstes Jahr als CDO und über die Digitalstrategie des Mittelständlers.
Mobile Shopping, Plattformen wie Zalando und anspruchsvolle Kunden, die sich über Instagram Inspiration holen. Hinzu kommt der wirtschaftliche Druck. Egal ob in der Fast Fashion oder im Hochpreissegment. Wer Mode verkaufen will, muss sich etwas einfallen lassen und Erlebnisse schaffen. Dies gilt für den stationären wie für den Online-Handel. Der Schweizer Fashion-Anbieter PKZ hat daher Anfang letzten Jahres die Funktion eines Chief Digital Officers eingeführt und mit Reto Senti besetzt. Trotz aller Digitalisierung ist für den PKZ-CDO klar, dass wir auch noch in zehn Jahren Hosen, Hemden und Blusen in Läden einkaufen werden. Wenn auch in anderer Form, wie Senti im Gespräch über die Digitalstrategie seines Unternehmens erklärt.
  • Reto Senti, CDO bei PKZ
    Quelle:
    PKZ
com! professional:
Chief Digital Officer sind eher selten anzutreffen. Weshalb benötigt PKZ einen CDO?
Reto Senti: Wir arbeiten an immer mehr Themen, bei denen das Online-Business Verbindungen zu anderen Bereichen aufgebaut hat. Sei es zur Logistik, zum Einkauf oder zu den Ladengeschäften vor Ort. Vorher gab es zwar bereits einen Leiter für den E-Shop. Allerdings war dieser nicht auf der Stufe der Unternehmensleitung angesiedelt, was es schwierig machte, gewisse Projekte, die auch in andere Bereiche eingreifen, umfassend betrachten, planen und umsetzen zu können. Deshalb haben wir in der Geschäftsleitung entschieden, einen Chief Digital Officer zu etablieren, um auch digitale Projekte unternehmensübergreifend vorantreiben zu können.
com! professional: Ihr Team besteht aus rund zwanzig Mitarbeitern. Kommen die eher aus der IT oder dem Business?
Senti: Sie bringen Erfahrungen aus verschiedenen Fach­gebieten und Hintergründen mit. Einige betreuen die Technik des Online-Shops. Andere erzeugen Content für den Online-Auftritt und sorgen für das entsprechende Marketing. Im Team sind Fotografen, Stylisten, Texter, E-Marketing-Experten und Social-Media-Betreuer. Die technischen Themen setzen wir aber mehrheitlich mit externen IT-Partnern um.
com! professional: Was heißt das für Ihre IT-Abteilung?
Senti: Auf organisatorischer Ebene ist die IT unserem CFO unterstellt. Natürlich haben wir viele Schnittstellen und arbeiten eng zusammen. Wir tauschen uns etwa wöchentlich aus und besprechen laufende und anstehende Themen sowie Projekte. Es ist aber grundsätzlich so, dass bestimmte IT-Projekte, wie die Entwicklung unseres E-Shops, in Zusammenarbeit mit externen Partnern ent­wickelt und weitergetrieben werden – während unsere Unternehmens-IT schlank aufgestellt ist und maßgeblich Support-Aufgaben fokussiert.
com! professional: Welche Vorteile ergeben sich durch das Modell für die Digitalstrategie Ihres Unternehmens?
Senti: Wir haben teilweise sehr spezifische Anforderungen und arbeiten an speziellen Projekten. Auch haben wir als KMU nicht die Größe und den Bedarf, Geschäftsanwendungen jährlich zu ändern und weiterzuentwickeln. Deshalb ist es für uns sinnvoll, diese mit externen Experten aufzugleisen und abzuschließen, anstatt einen gewaltigen IT-Apparat aufzubauen, den wir über das Jahr betrachtet nicht vollumfänglich auslasten könnten. Zudem bietet uns die jetzige Konstellation eine gewisse Flexibilität, falls etwa mehrere Projekte zusammenkommen. Wir können dann parallel mehr Aufgaben umsetzen, als wenn wir uns ausschließlich auf die internen Ressourcen stützen würden, die irgendwann auch komplett ausgelastet wären, was zu einem Projektstau führen könnte.
com! professional: Sie sind seit etwas mehr als einem Jahr PKZ-CDO. Können Sie eine erste Bilanz ziehen?
Senti: Wir haben bereits einiges umgesetzt und in die Wege geleitet, was zuvor nie so angedacht war oder hätte angepackt werden können, ohne die Organisation von PKZ zu verändern. Den E-Shop zu leiten ist das eine, aber unternehmensübergreifend die Digitalstrategie anzugehen, ist etwas anderes.
com! professional: Mit welchen Projekten haben Sie sich in Ihrem ersten Jahr beschäftigt?
Senti: Letztes Jahr hatten wir den Relaunch unseres Shop-Systems. Wir migrierten von Hybris auf die Open-Source-Shop-Lösung nopCommerce. Ein Projekt, das bereits vor meinem Stellenantritt angestoßen wurde. Die Realisierung beschäftigte uns aufgrund des Umfangs natürlich intensiv, inklusive der Nachjustierungen, die solche Unterfangen mit sich bringen. Entsprechend gibt es noch Aufgaben auf der Agenda, die wir dieses Jahr umsetzen. Hier sind noch einige Dinge, die wir optimieren wollen, etwa um die Funktionalität und die User Experience weiter zu steigern.
com! professional: Was steht dieses Jahr sonst noch an?
Senti: Die Erweiterung unseres neuen Campaigning-Managements. Wir arbeiten mit dem Kampagnen-Management-Tool Selligent, das wir derzeit nur für den Versand unserer Newsletter verwenden. Künftig wollen wir es für weitere Bereiche einsetzen. Dafür wollen wir unsere gesamten CRM-Daten in die Applikation integrieren, um personalisierte Kampagnen durchführen zu können – sodass wir etwa Offline-Kampagnen zusätzlich online weiterziehen können.
2. Teil: „Pläne für Online- und Offline-Geschäft“

Pläne für Online- und Offline-Geschäft

com! professional: Als CDO sind Sie Vermittler zwischen Business und IT, zwischen analoger und digitaler Welt. Was planen Sie im Online- und Offline-Geschäft?
Senti: Wir glauben ans Shopping-Erlebnis in der Stadt. Aber das müssen wir natürlich weiterentwickeln: Das Erlebnis vor Ort, der Servicegrad mit einer hohen Beratungskompetenz sowie der Auftritt am Point of Sale (PoS) müssen laufend verbessert werden und auf einem hohen Niveau sein. Nur auf diese Weise schaffen wir es, attraktiv genug für unsere Kundschaft zu bleiben. Wer bei uns einkauft, muss sich aber überall zurechtfinden, egal ob offline im Store oder online in unserem E-Shop. Deshalb arbeiten wir intensiv an der Weiterentwicklung und Umsetzung unserer Omnichannel-Strategie.
com! professional: Was beinhaltet diese Strategie?
Senti: Wir verfolgen verschiedene Stoßrichtungen. Zum einen sollen sich Kunden durch die PKZ-Welt bewegen können, ohne auf einem Kanal einen Vor- oder Nachteil zu erleben. Wer bei uns einkauft, soll überall den gleichen Service erleben, die gleichen Preise vorfinden oder auch Gutscheine online wie offline einlösen können. Käufer sollen ihre Ware online bestellen, offline abholen und auch zurück­geben können. Auf Verkaufsseite geht es darum, den Online-Shop am PoS einzusetzen. Eines unserer Top-Projekte für dieses Jahr ist die Lancierung eines Sale-Pads, mit dem unser Verkaufspersonal das Online-Angebot für die Be­ratung und den Verkauf im Store einsetzen kann.
com! professional: Was ist der Mehrwert des Sale-Pads?
Senti: Der E-Shop soll den Verkäuferinnen und Verkäufern in den Filialen als Werkzeug dienen. Als Technik kommt ein Tablet zum Einsatz, über das unsere Mitarbeiter im Ladengeschäft auf den Online-Shop und zusätzlich auf die gesamten Filialbestände zugreifen können. Der Online-Kanal soll künftig nicht als Feind angesehen werden, der einem den Umsatz nimmt, sondern als Partner, der einen unterstützt, in der Filiale einen zusätzlichen Verkauf zu tätigen, den man früher vielleicht nicht hätte abschließen können.
com! professional: Wo stehen Sie mit dem Sale-Pad?
Senti: Noch in der Umsetzung. Ziel ist, jetzt im Sommer mit einer Pilotphase in ausgewählten Stores zu starten. Der gesamte Rollout ist für den Herbst geplant. Damit einher geht ein Schulungsprogramm für die Filialen. Denn die Einführung des Systems wird auch zu Veränderungen führen. Die Akzeptanz für das Online-Geschäft ist zwar bei den Mit­arbeitern in den physischen Geschäften seit dem Start des
E-Shops gestiegen, aber noch nicht ganz so hoch, wie ich mir das wünsche. Wenn man neue Anwendungen in die Filialen bringt, sind Schulungen und die Begleitung während der Einführung wichtig, damit das Verkaufspersonal auch gleich merkt, dass ihm das Sale-Pad einen Zusatznutzen bringt.
com! professional: Wie ändert sich die Rolle des Verkaufspersonals durch die neuen digitalen Lösungen?
Senti: Im Gegensatz zu vor zehn oder gar zwanzig Jahren sind im Verkauf heute andere Fähigkeiten gefragt. Daran muss man arbeiten. Das geht auch nicht von heute auf morgen. Das ist eine Veränderung, die Zeit benötigt.
com! professional: Achten Sie beim Rekrutierungsprozess für den Verkauf auf digitale Skills?
Senti: Nicht unbedingt, denn unsere Anwendungen sollten so einfach sein, dass man sie sofort einsetzen kann und auch Mitarbeiter, die keine Digital Natives sind, umgehend damit klarkommen. Wenn 80 Prozent unserer Mitarbeiter in den Stores die Systeme nicht ohne Schwierigkeiten verstehen können, dann ist die Lösung, die wir ihnen bieten, zu kompliziert. Aber auf Stufe der Filialleitung achten wir auf eine gewisse Affinität für digitale Lösungen.
com! professional: Zum Thema Einkaufserlebnis – was für Trends sehen Sie hier?
Senti: Es reicht nicht mehr, einfach Kleider in ein Geschäft zu hängen und auf Kundschaft zu warten. Mode muss ein Erlebnis sein! Wir spüren, dass es die Kunden schätzen, wenn wir Events veranstalten wie zum Saisonstart. Zusätzlich bieten wir Styling-Workshops auch in kleineren Gruppen und weitere Mode-Events auch lokal mit anderen Fachgeschäften, die keine Mode anbieten, aber uns gut ergänzen. Das Einkaufserlebnis entwickelt sich und es kann auch sein, dass es in fünf oder zehn Jahren Ladenkonzepte mit ausgeprägtem Showroom-Charakter gibt, bei denen die Ware von einem zentralen Lager direkt nach Hause geliefert wird. Auch das sind Entwicklungen, die uns beschäftigen.
com! professional: Was bedeutet das für die digitale Welt? Wie ver­ändert sich in diesem Bereich die Kundenansprache?
Senti: Hier sehen wir die Möglichkeit, Kunden personalisiert anzusprechen, anstatt allen das Gleiche anzubieten. Wir wollen Kunden auch online inspirieren und ihnen ein Erlebnis bieten, wenn sie in die Fashion-Welt von PKZ eintauchen. Hier reicht es ebenfalls nicht mehr, einfach ein Produkt anzuzeigen. Letzten Herbst haben wir deshalb ein Pilotprojekt durchgeführt, bei dem wir eine Styling-Beratung über eine Hotline anboten. Dort konnte man mit Modeberaterinnen und Stylisten sprechen, die einem online halfen, passende Produkte zu bestellen. Das kam zum Teil gut an. Allerdings haben wir auch gelernt, dass Online-Kunden die Distanz respektive die Anonymität im Web einzukaufen, schätzen und nicht unbedingt online beraten werden möchten.
com! professional: Als CDO müssen Sie für die Geschäfts­strategie auch technische Entwicklungen laufend evaluieren. Welche digitalen Trends haben Sie auf dem Radar?
Senti: Ich sehe überall Potenzial, wo es dem Kunden einen Nutzen bringt, aber auch viele digitale oder technische Innovationen, die spannend und eine tolle Spielerei sind, aber nicht viel Mehrwert bringen. Wir sind daran interessiert, Kundinnen und Kunden die richtigen Produkte zu empfehlen und zu zeigen. Style-Tipps bieten wir ohnehin schon, etwa durch hauseigene Mode-Shootings. Themen, die wir in unserer Pipeline haben, betreffen die Produktwahl und ergänzende Empfehlungen – stets mit der Prämisse, einen Zusatznutzen zu bieten und nicht nur eine technische Spielerei zu sein.
com! professional: Was könnten Sie sich in Zukunft vorstellen?
Senti: Es gibt etwa die Möglichkeit, dass man ein Foto von sich oder auch ein auf Instagram entdecktes Outfit in eine Software lädt und dann über eine visuelle Suche Produkte angezeigt bekommt, die dem Outfit am nächsten kommen. Wenn ein Kunde sagt, dieser Look würde mir gefallen, kann man über eine visuelle Suche die passenden Produkte anzeigen, die wir verfügbar haben. Hier sehe ich großes Potenzial. Mit Machine Learning kann man aus Empfehlungssystemen sehr viel herausholen. Solche Themen wollen wir in der zweiten Jahreshälfte angehen. Das sind Entwicklungen, die extrem spannend sein können, auch für unseren stationären Handel.
com! professional: Der CDO soll die digitale Transformation begleiten. Wann wird Ihre Mission abgeschlossen sein?
Senti: Da sehe ich so schnell kein Ende, denn die digitale Transformation hat erst angefangen. Unternehmen, die sich heute nicht mit den digitalen Entwicklungen beschäftigen oder diese gar als Gefahr sehen und ihre Chancen nicht nutzen, werden vor Problemen stehen. Denn die paar Themen, die wir heute haben, sind noch nichts im Vergleich zu jenen, mit denen wir uns in zwanzig Jahren auseinandersetzen werden. Der Handel wird folglich die digitale Transformation in absehbarer Zeit nicht abschließen können. Der Wandel wird ständig weitergehen.

mehr zum Thema