Big Data
16.07.2018
Data Scientists
1. Teil: „Big-Data-Spezialisten dringend gesucht“

Big-Data-Spezialisten dringend gesucht

Data ScientistData ScientistData Scientist
metamorworks / shutterstock.com
Um aus Datenbergen Kapital zu schlagen, sind Datenwissenschaftler unerlässlich. Big-Data-Initiativen erbrachten bisher im Schnitt eine Umsatzsteigerung von 13 Prozent.
Die Informationen, die in ihren Datenbergen stecken, geben Firmen vor allem Aufschluss über ihre Kunden - ihr Verhalten, ihre Vorlieben und Routinen. Analysiert man die Kundendaten, eröffnet sich ein riesiges ökonomisches Potenzial. Big Data Analytics hat sich deshalb zu einer Schlüsseltechnologie für fast jedes Unternehmen entwickelt.
  • Quelle: Bundesagentur für Arbeit
Der Großteil der Firmenlenker ist sich des enormen Einflusses bewusst, den Datenanalysen auf die eigene wirtschaftliche Performance haben. Laut der BARC-Studie "Big Data Use Cases" führt Daten-Analytics bei 69 Prozent der Befragten zu besseren strategischen Entscheidungen. Mehr als die Hälfte gab an, operative Prozesse besser steuern zu können.
Im Schnitt erbrachten die Big-Data-Initiativen eine Umsatzsteigerung von 13 Prozent und eine Kostenersparnis von 16 Prozent. "An Big Data führt kein Weg mehr vorbei", sagt BARC-Geschäftsführer Carsten Bange. "Unsere Studie zeigt deutlich, dass Big-Data-Analysen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und konkret messbaren Nutzen mit sich bringen."
So akzeptiert der Wert der Datenanalyse inzwischen ist - ein zentrales Problem bleibt ungelöst: Wer soll aus den Daten das unternehmerische Gold herausfiltern. Bislang steht kaum ausgebildetes Fachpersonal zur Verfügung, das die Daten analysiert und in Business-Nutzen umwandelt. Es fehlen schlicht die Mitarbeiter mit dem notwendigen Spezial-Know-how, um das Big-Data-Potenzial optimal auszuschöpfen. Und zwar branchenübergreifend: Banken und Beratungsfirmen suchen genauso auf große Datenmengen spezialisierte Analysten wie Autohersteller, Versicherungen und Verwaltungsbehörden.
Dabei gibt es diese Experten längst - zumindest als Konzept. Unter dem Oberbegriff Data Scientist - eingedeutscht Datenwissenschaftler - hat sich in der IT-Welt schon seit mehreren Jahren ein Berufsbild etabliert, das verschiedene Rollendefinitionen und -bezeichnungen aus dem Big-Data-Umfeld zusammenfasst.
Tabelle:

2. Teil: „Was tun Data Scientists?“

Was tun Data Scientists?

Die zentrale Aufgabe eines Datenwissenschaftlers ist, sich durch Unmengen von Daten zu wühlen, um geschäftsrelevante statistische Erkenntnisse zu gewinnen. Er legt fest, welche Analyseformen sich am besten eignen und welche Rohdaten dafür erforderlich sind. Mit mathematisch-statistischen Analysemethoden entwickelt er Modelle zur Informationsextraktion und zur Prognose für Big-Data-Anwendungen. Im Idealfall fließen die Ergebnisse unmittelbar in einen handfesten Business-Plan ein.
  • Vom Studienfach bis zu den Soft Skills: Das Berufsprofil Data Scientist auf der Metasuchmaschine Joblift veranschaulicht die hohen Ansprüche an diese Spezialisten.
    Quelle:
    Joblift
Die Tätigkeit erfordert profunde fachliche Kenntnisse aus den Bereichen Statistik, Mathematik und Wahrscheinlichkeitsrechnung sowie in Programmierung und Datenbank-Anwendungen. Hinzu kommen Methoden des Machine Learnings, der Künstlichen Intelligenz und der Prognostik. Als Datengrundlage dienen dem Data Scientist sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten. Die Datenanalyse führt er entweder selbst durch oder er unterstützt IT-Spezialisten bei der Analyse beziehungsweise leitet sie an.
Die Auswertung von Daten ist aber nur ein Teil des Tätigkeitsfelds eines Data Scientists. Er muss auch betriebswirtschaftliche Zusammenhänge verstehen, braucht Branchenkenntnisse, psychologisches Wissen und Verhandlungsgeschick. Und er sollte in der Lage sein, die gewonnenen Erkenntnisse anschaulich zu präsentieren. Dritte sollten seine Ergebnisse ohne spezifische Fachkenntnisse verstehen können. Weil er als Mediator zwischen Fachabteilungen und Management auftritt, sind für den Erfolg seiner Arbeit auch gute kommunikative Fähigkeiten wichtig.
Susanne Wolf, Chief Human Resources Officer bei der Alexander Thamm GmbH, einem der ersten deutschen Data-Beratungsunternehmen, fasst die Rolle des Data Scientists in der Unicum-Jobbörse so zusammen: "Ein Data Scientist muss analytisches Verständnis haben, mit den gängigsten Programmiersprachen umgehen können, Kommunikationsskills mitbringen, smart und selbstbewusst auftreten und sehr gezielt Fragen stellen können." Und weiter: Data Scientists arbeiten oft in interdisziplinären Teams, verbringen viel Zeit in Meetings, müssen ihre Ergebnisse optisch hübsch aufbereiten und überzeugend präsentieren. Das harte Number Crunching macht nur einen Teil der Arbeit aus.

Riesiger Bedarf

Das anspruchsvolle Allround-Profil aus mathematisch-analytischen, betriebswirtschaftlichen, kommunikativen und kreativen Fähigkeiten verleiht dem Datenwissenschaftler einen fast gottähnlichen Status. "Es ist zu früh, die Datenwissenschaftler als die neuen Herren des Universums zu beschreiben. Aber sie befinden sich auf dem Weg dorthin", sagt Alexey Loganchuk, Gründer der in New York beheimateten Personalberatung Upgrade Capital.
Loganchuk ist mit seiner Einschätzung nicht allein. In seiner Rangliste der "besten Jobs in Amerika" setzte das US-Bewertungsportal Glassdoor den Data Scientist Anfang 2018 auf Platz eins - zum dritten Mal in Folge. Das Karrierenetzwerk LinkedIn berechnete für die Zeit seit 2012 ein Job-Wachstum von 650 Prozent für Data Scientists. Und das renommierte Management-Magazin "Harvard Business Review" kürte die Tätigkeit des Data Scientists gar zum "sexiest Job of the 21st Century".
Kein Wunder, dass der Bedarf an den neuen Lieblingen der IT-Szene sehr hoch ist. Für die USA gab es laut den Unternehmensberatern von McKinsey im Jahr 2017 150.000 offene Stellen für Datenspezialisten. In Deutschland ist die Nachfrage ähnlich stark. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft schätzt den Bedarf an Fachkräften mit Data-Skills aktuell auf bis zu 95.000 Stellen.
In den Stellenausschreibungen der Bundesagentur für Arbeit - nicht gerade die typische Anlaufstelle für die Vermittlung hochqualifizierten IT-Personals - wurden im letzten Jahr 402 Vakanzen für Datenanalysten gemeldet, unter anderem von Krankenhäusern, Versicherungsunternehmen, Logistikern und Regierungsbehörden. Allein bei der Deutschen Bahn waren im Januar 2018 nicht weniger als 30 Stellenausschreibungen gleichzeitig online - nur für Data Scientists.
3. Teil: „Was verdienen Big-Data-Experten?“

Was verdienen Big-Data-Experten?

In großen Unternehmen werden vor allem freiberuf­liche Big-Data-Experten stark nachgefragt. Laut dem Freelancer-Index des Digitalverbands Bitkom rechnen vier von zehn deutschen Großunternehmen mit einem weiter steigenden Bedarf. Von den Unternehmen mit mindes­tens 2.000 Mitarbeitern erwarten sogar
45 Prozent eine steigende Nachfrage.
  • Ungleichgewicht: Von den 36.957 Jobanzeigen für Big-Data-Spezialisten auf Joblift.de stammten in den vergangenen 24 Monaten über die Hälfte von großen Unternehmen.
    Quelle:
    Joblift
Der Mangel an Datenspezialisten macht sich auch beim Gehalt bemerkbar. Laut einer Untersuchung des US-amerikanischen Beraters Winter Wyman zu rund 620 IT-Positionen beziehen Big-Data-Engineers bis zu 15.000 Dollar Jahresgehalt mehr als User-Interface- Spezialisten und bis zu 27.000 Dollar mehr als Software-Engineers.
In Deutschland klafft die Lücke nicht ganz so stark auseinander. Frank Pörschmann, Vorstand der Berufsvereinigung der deutschen Datenwissenschaftler, kalkuliert, dass Big-Data-Spezialisten hierzulande mit bis zu 20 Prozent mehr Gehalt rechnen können als vergleichbare andere IT-Berufe. Allerdings würden Großkonzerne wegen starrer Gehaltsschemata für die Datenexperten nicht wesentlich mehr zahlen als für andere IT-Entwickler.
Für den freiberuflichen Big-Data-Arbeitsmarkt liefert das Freelancer-Vermittlungs-Portal Gulp aktuelle Gehaltsangaben. Danach können freiberufliche Big-Data-Spezialisten in Deutschland mit einem Stundenlohn von 90 Euro rechnen. So viel verlangen IT-Freelancer laut Gulp aktuell für eine Arbeitsstunde, wenn sie sich auf Big Data spezialisiert haben. Werden alle Stundensätze der IT-Freien zusammengezählt, ergibt sich mit 83 Euro ein um sieben Euro niedrigerer Wert.

Königsweg: Hochschulstudium

Ein zentraler Grund für die fehlenden Experten sind die mangelnden Ausbildungsmöglichkeiten. Ein offizielles Studium Data Scientist gab es bis vor Kurzem noch kaum. Die Rolle nahmen in der Regel Quereinsteiger aus Fächern wie BWL, Informatik oder Mathematik ein. Viele Datenanalysten, die sich heute als Data Scientists bezeichnen, haben sich das nötige Wissen im Lauf der Jahre durch Erfahrung und Eigen­initiative angeeignet. Doch diese Zeiten dürften vorbei sein.
Inzwischen bieten immer mehr Hochschulen und Universitäten Data-Science-Studiengänge an. Es scheint, als fielen endlich die Forderungen der Wirtschaft nach Studiengängen mit einer spezifischen Ausrichtung auf Big Data auf frucht­baren Boden. In den USA hat der ehemalige US-Präsident
Barack Obama bereits 2013 Data Science zur obersten Priorität im Bildungssektor erklärt. Er sicherte Universitäten aus diesem Grund auch 37,8 Millionen Dollar zu, um die Ausbildung voranzutreiben. Mit Erfolg: An Universitäten wie Stanford und der UC Berkley zählt Data Science zu den beliebtesten Fächern unter den Bewerbern.
Auch bei uns sind die Bildungsverantwortlichen aufgewacht. Bereits über 20 Universitäten und Hochschulen in Deutschland und Österreich haben Data-Science-Studiengänge im Programm. Vorreiter war die Technische Universität Dortmund, an der die Fakultäten Informatik, Statistik und Mathematik bereits seit 2002 gemeinsam den Studiengang Datenwissenschaft betreiben. Andere Hochschulen haben nachgezogen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Master-Studiengängen, man kann Data Science aber auch als Bachelor abschließen. Die Tabelle „Studiengänge für Data Science“ auf Seite 84 gibt einen Überblick über die wichtigsten Studienmöglichkeiten in Deutschland und Österreich.
Einige Hochschulen stellen neben einem Standardstudium spezialisierte Weiterbildungsangebote sowie berufsbegleitende Studiengänge bereit - so die Hochschule Albstadt-Sigmaringen. Auch die Hochschule der Medien Stuttgart ermöglicht Berufstätigen einen Master-Studiengang in Data Science and Business Analytics – neben ihrer beruflichen Tätigkeit.
4. Teil: „Fort- und Weiterbildung“

Fort- und Weiterbildung

Ein Studium ist aber nicht der einzige Weg für eine Karriere im Big-Data-Umfeld. Mittlerweile hat sich ein breiter Markt für Aus- und Weiterbildungen etabliert, mit denen IT- und andere Fachkräfte ihre Fähigkeiten gezielt ausbauen können. Getragen werden diese Fortbildungsmöglichkeiten von öffentlichen und privaten Forschungsinstituten, Technologie- und Software-Herstellern, Berufsverbänden und anderen Einrichtungen.
  • Quelle: LinkedIn
Im Hochschulbereich bietet etwa die Technische Hochschule Brandenburg gemeinsam mit der Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e. V. einen Zertifikatskurs "Data Science" an. Auch die Bitkom Akademie und das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme halten ein umfassendes Seminarprogramm für Data Scientists bereit. Das Paket richtet sich schwerpunktmäßig an Praktiker und besteht aus zahlreichen Modulen, die abhängig vom Tätigkeitsschwerpunkt - Projektleiter, Entwickler, Analytiker, Sales-Manager - kombiniert werden können. In der Regel enden solche Schulungsprogramme mit einer Zertifizierung.
Daneben gibt es viele Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten von IT-Unternehmen wie IBM, Oracle, HP oder EMC. Die EMC Academic Alliance beispielsweise bietet ein Curriculum "Data Science and Big Data Analytics" an. Auch bei Online-Plattformen wie Coursera, Udacity oder edX findet man Kurse, in denen sich Data-Science-Grundlagen erlernen lassen. Wer über die entsprechenden Voraussetzungen verfügt, kann sich auch im Rahmen eines Trainee-Programms Schlüsselqualifikationen aneignen.
Diese alternativen Fort- und Ausbildungsmöglichkeiten sind vor allem für Unternehmen interessant, die ihre Mitarbeiter mit Data-Science-Know-how ausstatten möchten. Für bereits in den Unternehmen tätige Ingenieure, Wirtschaftswissenschaftler, Statistiker, Mathematiker oder ähnliche Fach­experten ist das eine gute Chance. Sie haben auch den Vorteil, dass sie fest in der Praxis verankert sind und bereits entsprechendes Wissen mitbringen.

Einen Data Scientist finden

Weil der Arbeitsmarkt den wachsenden Bedarf an Data-Science-Experten aktuell nur schwer decken kann, kommen mittelständische Unternehmen kaum daran vorbei, ihre eigenen Mitarbeiter entsprechend zu qualifizieren. Gut die Hälfte will laut Sopra Steria Consulting internes Wissen durch geeignete Fortbildungsmaßnahmen für vorhandene Mitarbeiter aufbauen. Die erwähnten Weiterbildungsangebote sind eine Möglichkeit, Mitarbeitern das notwendige Know-how zu vermitteln.
Wer hingegen Big-Data-Experten auf dem freien Arbeitsmarkt akquirieren will oder muss, sollte sich einiges einfallen lassen.
Stellenausschreibungen sollten die Sprache der Datenexperten sprechen und präzise in den fachlichen Anforderungen sein. Nicht selten lesen Experten schon aus den Stellenprofilen, dass der potenzielle Arbeitgeber selbst wenig Kompetenz besitzt - da möchte dann auch kein Data Scientist arbeiten. Außerdem können spezialisierte und innovative Dienstleister dabei helfen, geeignete Datenexperten zu finden. Und schließlich kann auch eine gute Vernetzung in der Big-Data-Szene wichtig sein, um in Kontakt mit Experten zu kommen - oder umgekehrt als Experte umworben zu werden.
Eine möglicherweise noch erfolgreichere Methode der Expertenfindung sind Data Challenges. Bei diesen „Wettkämpfen“ stellen Unternehmen jungen Datentalenten über eine Cloud-Plattform wie Topcoder oder Kaggle konkret zu lösende Aufgaben. Entwickler, die sich für einen Auftrag interessieren, reichen eine Lösung ein und konkurrieren dabei mit den anderen Teilnehmern. Diese Art der Expertenrekrutierung hat für Unternehmen den Vorteil, dass sie so Dutzende oder Hunderte von Datenwissenschaftlern und Entwicklern finden können, die in den nachgefragten Bereichen ausgebildet wurden und die notwendigen Fähigkeiten mitbringen.
5. Teil: „Der automatische Data Scientist“

Der automatische Data Scientist

  • Quelle: Winter Wyman
Vielleicht löst sich das Knappheitsproblem aber genau durch jene Methoden, die Datenwissenschaftler in neuerer Zeit immer häufiger nutzen: Automatisierung und Künstliche Intelligenz. Gartner schätzt, dass bis 2020 mehr als 40 Prozent der Data-Science-Tätigkeiten automatisiert sein werden. Der von Gartner so betitelte „Citizen Data Scientist“ - im Prinzip ein Laie, der nicht primär im Bereich von Statistik oder Analytics angesiedelt ist - könnte dann die Lücke zwischen den Mainstream-Selfservice-Analytics der Business-Anwender und den Advanced-Analytics-Techniken der Data Scientists schließen. Die Schmalspur-Datenanalysten könnten Analysen durchführen, die noch vor wenigen Jahren viel Expertise verlangt hätten - nun jedoch ohne detaillierte Fachkenntnisse. "Den meisten Organisationen stehen nicht genug Data Scientists dauerhaft zur Verfügung", sagt Joao Tapadinhas, Research Director von Gartner. „Stattdessen sind viele fähige Analysten vorhanden, die zu Citizen Data Scientists werden können. Ausgestattet mit den richtigen Tools können sie komplizierte diagnostische Analysen durchführen und Modelle auf Basis von Predictive oder Prescriptive Analytics erstellen.“
Frank Pörschmann sieht die Citizen Data Scientists nicht ganz so optimistisch. "Datenanalyse mit automatisierten Tools durch - mehr oder weniger - Laien funktioniert nur bis zu einem gewissen Grad", sagt Pörschmann. "Beim Feature Engineering beispielsweise ist das möglich. Hier kann ich den Datensatz in die Maschine reinschmeißen und ich erhalte auf Knopfdruck automatisch Vorschläge. Die Daten müssen allerdings schon vorab bereinigt sein - und die Ergebnisse sind nur Vorschläge. Das spart sicher Zeit. Sie können aber nicht die ganze Arbeit eines Datenwissenschaftlers automatisieren. Die Aussage von Gartner darf auch nicht falsch verstanden werden. Automatisierung macht die Arbeit von Data-Analysten effizienter und Teams produktiver. Sie löst jedoch nicht den weiter wachsenden Bedarf an Daten-Profis."
Tabelle:

6. Teil: „Im Gespräch mit Frank Pörschmann, Vorstand Digital Analytics Association Germany e.V.“

Im Gespräch mit Frank Pörschmann, Vorstand Digital Analytics Association Germany e.V.

Frank Pörschmann, Ex-Chef der CEBIT, ist heute Vorstandsmitglied der Digital Analytics Association Germany e. V., der Berufsver­einigung der deutschen Datenanalysten und Datenwissenschaftler. Im Interview mit com! professional beleuchtet er den Markt für Datenanalysten und gibt Tipps, wie Unternehmen gute Datenwissenschaftler finden.
com! professional: Wie würden Sie die Fähigkeiten eines guten Data Scientists beschreiben?
Frank Pörschmann: Ein Datenwissenschaftler braucht ein breites Spektrum an Fähig­keiten. Dazu gehören
  • Frank Pörschmann: Vorstand Digital Analytics Association Germany e.V.
    Quelle:
    Frank Pörschmann
mathematisch-statistische Fähigkeiten und Erfahrung im Programmieren sowie den entsprechenden Software-Tools. Sie brauchen aber auch Kenntnisse im Projektmanagement – unter anderem nach agilen Methoden –, Kenntnisse aus dem jeweiligen Fachgebiet, für das sie analysieren – sei es Kaufverhalten im E-Commerce oder Finanzlogik im Rechnungswesen –, Datenqualitätsmanagement und zunehmend auch Wissen in Datenrecht und Datenethik.
com! professional: Braucht ein Big-Data-Experte ein Studium?
Pörschmann: Die wesentlichen Ausbildungsangebote in Deutschland finden sich heutzutage auf universitärer Ebene. Das sind bei uns sehr oft Zertifikatsstudiengänge oder Zusatzstudiengänge im Zuge der Informatikausbildung. Das bedeutet, ich belege ein paar Module, die mich dann zum Data Scientist oder Data Analyst qualifizieren. Hier ist aber Vorsicht angebracht. Diese Angebote unterscheiden sich im internationalen Vergleich signifikant.
Ich würde mir wünschen, wir hätten in Deutschland ähnliche Möglichkeiten wie zum Beispiel in den USA. Dort ist die Ausbildung hochgradig interdisziplinär und umfasst neben Kernfächern der Mathematik, Statistik, Informatik und Künstlichen Intelligenz auch Wirtschaft, Psychologie, Soziologie, Recht und sogar Design.
com! professional: Es gibt doch aber auch außeruniversitäre Ausbildungsmöglichkeiten?
Pörschmann: Ja. Die Ausbildung muss nicht immer auf universitärer Ebene erfolgen. Gebraucht werden auch Fachkräfte, die für die Aufbereitung der Daten sorgen, Qualitäts­management betreiben oder wissen, welche Daten wie beschafft werden können. Dafür wird nicht unbedingt immer der Super-Mathe­matiker benötigt, oft genügt auch eine Berufsausbildung.
Aber egal ob Big Data oder Künstliche Intelligenz: Sie brauchen einen ordentlichen Unterbau. Nur einen Online-Kurs zum Thema Machine Learning zu besuchen macht noch keinen Machine-Learning-Experten. Er weiß vielleicht, worum es geht, kann das Wissen aber nicht anwenden.
com! professional: Auch einige IT-Konzerne und -Dienstleister bieten Big-Data-Weiterbildung an. Was halten Sie davon?
Pörschmann: Viele IT Anbieter und Unternehmensberatungen haben solche Ausbildungen im Programm. Selbst bei Industrieverbänden finden sich mittlerweile Big-Data-Fortbildungen. Grundsätzlich ist auch jedes Engagement zu begrüßen, das die Kompetenz in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu dem Thema fördert. Bei fachlich-methodischen Fortbildungen sollten Sie allerdings bedenken: Wenn Sie Fortbildungen bei Technologie-Unternehmen besuchen, lernen Sie überwiegend, deren Systeme zu nutzen. Werkzeuge anderer Anbieter stehen hier nicht im Mittelpunkt.
com! professional: Also eine sehr einseitige Ausbildung?
Pörschmann: Je nach Anbieter, ja. Auf jeden Fall sollte man sich vorher informieren, in welchem Ökosystem man aufwächst und was man für sich und seine Zukunft wirklich will. Eine einseitige Ausbildung auf Anbieter-Tools ergibt nur Sinn, wenn man sich zukünftig auch nur in diesem Umfeld bewegen möchte. Doch in einer hoch integrierten, cloudbasierten Welt ist das selten ratsam.
com! professional: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage am Arbeitsmarkt für Big-Data-Experten ein?
Pörschmann: Unternehmen tun sich unterschiedlich schwer damit, Big-Data-Experten zu finden. Interessant dabei: Groß oder klein ist hier kein Kriterium. Es gibt große Unternehmen mit gutem Renommee, die aber nur schwer Fachexperten finden. Und es gibt kleine, unbekannte Unternehmen, denen die Fachkräfte zulaufen.
Um das zu verstehen. muss man die Motivation von Big-Data-Experten verstehen. Oft steht im Mittelpunkt, welchen Beitrag sie in einem Unternehmen leisten, welche – möglichst komplexen – Probleme sie mit ihren Fähigkeiten lösen können und auch wie gut die Unternehmen an ihre eigenen Daten kommen. Ohne Daten keine Analyse. Immer noch verbringen Datenanalysten etwa 80 Prozent ihrer Zeit damit, Daten zu beschaffen. Das ist oft frustrierend, wenn man angetreten ist, die Welt zu verbessern.
Im Vorteil sind hier Unternehmen, die aus Expertensicht eine professionelle Umgebung, eine hervorragende Dateninfrastruktur, gute Werkzeuge und Freiraum zur persönlichen Weiterentwicklung bieten. Kleiner Hinweis: Datenanalysten erkennen schon beim
Lesen eines Stellenprofils, wie reif ein Unternehmen ist, wenn es seinen Skill-Bedarf artikuliert. Nicht selten fallen große Marken bei den Profis schon dabei durch.
com! professional: Und die Lage auf Anbieterseite? Angeblich verdienen Datenwissenschaftler ja überdurchschnittlich mehr als normale IT-Experten.
Pörschmann: Das Thema Gehalt bei Datenanalysten ist voller Mythen. Der Markt für Big-Data-Experten ist exzellent, aber sie müssen auch was können. Und das müssen sie vor (!) der Einstellung beweisen. Fakt ist: Erfahrene Fachkräfte sind rar und können überdurchschnittliche Einkommen erzielen. Aber auch nur in Grenzen. Die gelegentlich kolportierten 1 Million Euro Jahresgehalt für
Datenhelden sind Unsinn. Was gelegentlich passiert, ist die Abwerbung ganzer Teams. Dann können solche Beträge schon eine Rolle spielen. Aber eben nur in der Summe für ein ganzes Team.
Studien zeigen, mit belastbaren Fähigkeiten kann ein Daten­experte ein bis zu 20 Prozent höheres Gehalt erzielen als in den durchschnittlichen IT-Berufen. Das ist realistisch. Konzerne machen jedoch keine Ausnahme von ihrer klassischen Gehalts­matrix, die fixe Einkommensbänder je nach Erfahrung, Karrierestufe und Rolle vorgibt. Außertarifliche Gehälter sind die Ausnahme und eher bei erfahrenen Big-Data-Führungsfunktionen vorzufinden.  
com! professional: Was würden Sie einem Unternehmen raten, das konkret Big-Data-Experten sucht?
Pörschmann: Mir fallen spontan drei Ratschläge ein: Erstens sollte die Stellenausschreibung klar die Sprache der Datenexperten sprechen. Das heißt, sie sollte definieren, welche methodische und technische Expertise gesucht ist und welche Herausforderungen gelöst werden sollen.
Zweitens: Die Suche sollte über spezialisierte Dienstleister er­folgen. Der alteingesessene Universal-Headhunter ist wenig erfolgversprechend. Die Spezialdienstleister müssen nachweislich Erfahrungen in den Datendisziplinen zeigen, einen etablierten Zugang zu den Data-Communities haben, in denen sich diese Menschen aufhalten, sowie die notwendige Kompetenz, die Qualität der Kandidaten zu prüfen. Machen wir uns nichts vor: Die Gruppe der Trittbrettfahrer ist nicht gerade klein.
Und drittens, vielleicht das Erfolgversprechendste: Unternehmen sollten im eigenen Umfeld nach Entwickungsmöglichkeiten suchen. Das Thema ist so spannend, dass sich viele Mitarbeiter dafür inte­ressieren. Hier sollten die Verantwortlichen nachhaken: Welche Mitarbeiter haben das Potenzial dazu und wie bekomme ich diese Mitarbeiter über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren so weit. Das ist im Ergebnis günstiger und schneller als lange nach externen Experten zu suchen – und diese dann einarbeiten zu müssen.
com! professional: Und wie findet man die Spitzenkönner unter den Big-Data-Experten?
Pörschmann: Dafür gibt es kein Patentrezept, aber ich kann Ihnen zwei Tipps aus der Praxis geben: Veranstalten Sie Data Challenges. Der Kandidat bekommt eine Aufgabe und der potenzielle Arbeit­geber sieht unmittelbar, wie er diese Aufgabe löst, methodisch und technisch. Damit kann man ohne großen Aufwand den Reifegrad der Kandidaten vergleichen und den oder die Besten auswählen. Gleichzeitig kann man auch eine angemessene fachliche und gehaltliche Einstufung finden.
Und das Zweite: Gewinnen Sie die Kandidaten, die gut vernetzt sind, in der Szene aktiv sind und ein hohes Renommee genießen. Gute Experten ziehen automatisch andere gute Leute nach. Dazu aber wiederum braucht man die Fähigkeit, Netzwerke analysieren zu können. Hier schließt sich der Kreis.

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