Blockchain
11.03.2020
Einsatzszenarien
1. Teil: „Die besten Use Cases für die Blockchain“

Die besten Use Cases für die Blockchain

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Sashkin / shutterstock.com
Noch ist die Blockchain mehr Vision als Realität. Bis zum gewinnbringenden Einsatz sind noch einige Hürden zu überwinden. Doch nützliche An­wendungen gibt es durchaus schon.
  • Blockchain: Neben Effizienzsteigerung erhoffen sich Unternehmen vor allem einen Zugewinn an Sicherheit.
    Quelle:
    Bitkom Research 2018 (n = 73 Unternehmen ab 50 Mitarbeitern, die Blockchain nutzen, dies planen oder diskutieren)
Die Blockchain gilt als Hoffnungsträger für sichere, direkte Transaktionen im Internet. Insbesondere Banken und Handel beschäftigen sich intensiv mit der Technologie. Den größten Hype erreichte die Blockchain-Technologie 2017, als der Kurs der Kryptowährung Bitcoin bis Mitte Dezember auf 20.000 Dollar schoss. Doch die Goldgräberstimmung hielt nicht lange. Binnen Tagen halbierte sich der Wert nahezu. Derzeit bewegt sich der Bitcoin-Kurs um die 8000 Dollar herum. Die Euphorie um die Kryptowährung und auch um die zugrunde liegende Blockchain-Technologie ist also merklich abgekühlt.
„Der Hype ist glücklicherweise vorbei“, findet Robert Bosch, Partner bei der Management- und Technologieberatung Bea­ringPoint und Blockchain-Experte. „Manche Erwartungen an die Blockchain waren überzogen. Sie galt ja anfangs als Wunderwaffe für alles, die wie von selbst wirkt, fast schon als Selbstzweck. Jetzt wird objektiver und zielgerichteter darüber diskutiert, in welchen Bereichen die Blockchain-Technologie echte Vorteile bietet. Es gibt viele Prototypen von Anwendungen, aber noch sehr wenige reale Anwendungsfälle, die voll umgesetzt sind. Wir befinden uns immer noch in der Lernphase. Großes Potenzial ist aber bereits ersichtlich.“ Das gilt laut Robert Bosch vor allem für den Einsatz bei Finanzprodukten wie Schuldscheindarlehen oder im internationalen Handel und der Logistik.

Szenarien für die Praxis

Auch Patrick Hansen, Bereichsleiter Blockchain beim Digitalverband Bitkom, beobachtet unterdessen einen professionelleren Umgang mit der Blockchain-Technologie: „Das Thema entwickelt sich von Hype-Geschichten rund um Initial Coin Offerings (ICOs) zwecks Crowdfunding hin zu professionellen Diskussionen, was man mit der Blockchain machen kann. Firmen beschäftigen sich mit sinnvollen Use Cases, Industrie und Start-ups treiben Projekte in engerer Zusammenarbeit voran. Diese befinden sich allerdings meist noch im Pilotstadium.“
Das bestätigen die Ergebnisse einer Bitkom-Studie vom April 2019. Vor einem Jahr sah sich die deutsche Wirtschaft bei der Blockchain im Rückstand. So hielt jedes zehnte Unternehmen die deutschen Firmen im internationalen Vergleich bei der Blockchain für abgeschlagen, rund jedes zweite (46 Prozent) stufte sie unter den Nachzüglern ein. 40 Prozent ordnen Deutschland im Mittelfeld ein - aber niemand in der Spitzengruppe oder gar weltweit führend. „Noch fehlt ein breites Angebot wirklich alltagstauglicher Lösungen. Allerdings haben sich die politischen Rahmenbedingungen mittlerweile geändert. Kryptowährungen werden jetzt reguliert und sind ins klassische Finanzmarktrecht integriert. Und die Regierung hat eine Blockchain-Strategie“, sieht Patrick Hansen Grund für verhaltenen Optimismus.
Etwas skeptischer ist Ralf Engelschall, Leiter Applied Technology Research beim IT-Dienstleister msg systems mit Sitz in Ismaning bei München. Er beurteilt die Blockchain als überschätzte Technologie, für die es nur wenige sinnvolle Use Cases gebe: „Die Technologie hat nach vielen Jahren noch viele grundlegende Probleme; wir befinden uns gemäß des Hype Cycles von Gartner gerade im Tal der Ernüchterung. Die Blockchain ist eine sehr spezielle Lösung für ein sehr spezielles Problem, das weniger Firmen haben als aktuell angenommen“, so Engelschall. „Oft gibt es für diese Szenarien einfachere IT-Lösungen, die sich schneller und günstiger realisieren lassen als eine Blockchain-Lösung. Am Ende bleiben nur wenige Anwendungsgebiete übrig, in denen die Blockchain wirklich sinnvoll ist.“ Konkret nennt er vier solcher Use Cases: Kryptowährungen, öffentliche Register, revisionssichere Transaktionen und Digital Twins zur Absicherung von Manipulationen.
Doch bevor wir uns mit diesen Szenarien näher beschäftigen, noch ein kurzer Blick auf die Funktionsweise der Blockchain.
2. Teil: „Das Prinzip Blockchain“

Das Prinzip Blockchain

  • Quelle:
    Bitkom Research
Im Prinzip kann man sich die Blockchain wie ein Kassenbuch vorstellen, in dem Transaktionen eingetragen werden, und das nicht zentral auf einem einzigen Server gespeichert, sondern verschlüsselt als dezentrale Datenbank auf viele Rechner in einem Netzwerk redundant verteilt ist. Auf allen diesen Nodes befindet sich eine identische Kopie aller Transaktionen. Die Transaktionen werden in Blöcken zusammengefasst, die eine Kette bilden (Blockchain = Blockkette). Ist ein Block vollständig, wird der nächste erzeugt.
Jede neue Transaktion wird vermerkt und dann von den Rechnern authentifiziert, auf denen die Kassenbücher gespeichert sind. Erst dann ist die Transaktion gültig. Dieses Proof-of-Work-Verfahren ist natürlich sehr rechenintensiv; doch dafür sind die Blockchain-Einträge nahezu fälschungssicher. Das Kassenbuch ist strikt additiv - nichts lässt sich rückwirkend verändern oder entfernen. Das Register wächst, während fortwährend neue Datensätze hinzugefügt werden.
Die Informationen sind unveränderlich und für jeden Berechtigten sichtbar gespeichert. Jeder Teilnehmer hat die gleichen Zugriffsrechte und Möglichkeiten. Keine Person, Firma oder Behörde hat Macht über die Blockchain. Da die Daten in der Blockchain unveränderbar sind, lässt sich stets nachvollziehen, wann, warum und wie ein neuer Posten in dem Kassenbuch notiert wurde. Das heißt: Digitale Besitzrechte sind zweifelsfrei festzustellen, Original und Kopie eines Datensatzes lassen sich klar voneinander unterscheiden.

Regulierte Währung

Die bekannteste Anwendung der Blockchain-Technologie sind Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether. Daneben werden zunehmend digitale Wertpapiere zur Unternehmensfinanzierung genutzt. Blockchains ermöglichen dort insbesondere den Handel mit digitalen Vermögenswerten. Inzwischen herrscht dazu in Deutschland eine größere Rechtssicherheit. Seit 1. Januar 2020 ist das „Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie“ in Kraft.
Neben Maßnahmen gegen Geldwäsche reguliert die Bundesregierung darin auch digitale Anlageprodukte, sogenannte Kryptowerte. Das bedeutet: Jedes Unternehmen, das Dienstleistungen rund um Bitcoins oder andere Kryptowährungen anbietet, braucht eine behördliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Damit wird die Verwaltung von Kryptowerten für Dritte als neue erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung Teil des Kreditwesengesetzes.
Für die Geschäftsführer solcher Firmen gilt beispielsweise, dass sie neben einer Berufsausbildung oder einem Studium im juristischen oder wirtschaftlichen Umfeld auch praktische Führungserfahrungen in Bankgeschäften mitbringen müssen. Bei Start­-ups in der Krypto­branche ist das oft nicht der Fall. Sie müssen also prüfen, ob sie ihr Geschäftsmodell ohne BaFin-Erlaubnis fortsetzen dürfen.
Doch trotz der verbesserten Rechtssicherheit bleiben bei den Blockchains für Bitcoin & Co. einige Fragezeichen. Die hohen Wertschwankungen machen die Digitalwährungen nicht unbedingt zu einem seriösen Zahlungsmittel, zudem gibt es technische Probleme beim Bitcoin-Mining in puncto Skalierbarkeit und Geschwindigkeit.
„Die Blockchain für die Bitcoin wird immer größer. Das resultiert in einem Skalierungsproblem, weil jeder Teilnehmer eigentlich die kompletten Daten auf seinem Rechner speichern müsste. Hinzu kommt der immens hohe Energiebedarf beim Bitcoin-Mining durch das Proof-of-work-Konsensverfahren. Das ist in der heutigen Zeit des Klimawandels nicht akzeptabel“, gibt Ralf Engelschall zu bedenken.
Hier gibt es also noch Handlungsbedarf, zumal davon auszugehen ist, dass der digitale Zahlungsverkehr und die Akzeptanz von Kryptowährungen weiter zunehmen werden. So evaluiert die Euro Banking Association (EBA) gerade die Möglichkeit eines digitalen Euro auf Blockchain-Basis. Auch die chinesische Zentralbank arbeitet an einem Digital-Yuan.
3. Teil: „Transparente Lieferkette“

Transparente Lieferkette

  • Solino-Projekt: Eine Blockchain speichert Informationen zu allen Gliedern der Lieferkette des fair gehandelten Kaffees aus Äthiopien.
    Quelle:
    com! professional / Screenshot
Viel Potenzial wird der Blockchain auch für die Supply Chain zugesprochen. „In der Lieferkette lassen sich Materialien nur schwer rückverfolgen. Die Blockchain bietet hier als dezen­trales, verteiltes Netzwerk eine sehr gute Lösung und beschleunigt die Prozesse erheblich“, erklärt Robert Bosch von BearingPoint. Doch längst nicht immer sei die Blockchain die beste Technologie. „Lieferketten lassen sich durchaus auch zentral effizient abbilden. Die Schlüsselfrage lautet: Wann ist zentral besser als dezentral? Firmen müssen hier immer den konkreten Anwendungsfall betrachten.“
Ein wichtiges Einsatzgebiet der Blockchain sind Track-&-Trace-Anwendungen in der Lieferkette zum Nachverfolgen von Produkten. Hier werden die einzelnen Stationen der Supply Chain in Blöcken zusammengefasst. Ein Beispiel ist das Solino-Projekt, eine Initiative für fair gehandelten Kaffee in Äthiopien. Hier wäre ein Block etwa der Zeitpunkt der Ernte der Kaffeebohnen, ein zweiter das Rösten der Bohnen in Addis Abeba und ein dritter die Verschiffung über Dschibuti nach Hamburg. Die Informationen sind unveränderlich und für jeden Berechtigten sichtbar gespeichert. Alles ist transparent, Manipulationen im Prinzip unmöglich. Die Blockchain liefert damit glaubhafte Informationen zur Herkunft und Verarbeitung des Kaffees. Der Kunde kann diese Informationen über die einzelnen Schritte und die involvierten Mitarbeiter aus Äthiopien über einen QR-Code auf der Packung des Solino-Kaffees abrufen. So entsteht Transparenz und Vertrauen.
Solino nutzt die Informationen aus der Blockchain auch dazu, die Lieferkette besser zu kontrollieren und immer dafür zu sorgen, dass alle Materialien wie Verpackungen und Etiketten rechtzeitig in Äthiopien verfügbar sind.
Ein weiteres Beispiel im Lebensmittelhandel ist ein Projekt, das IBM gemeinsam mit Walmart zur Verfolgung von Schweinefleischlieferungen in China umsetzte. Produktinformationen wie Herkunftsbetrieb, Chargennummer, Verarbeitungsdaten oder auch die Einhaltung der Kühlkette werden digital in der Blockchain gespeichert und lassen sich zuverlässig rückverfolgen. Informationen zu den einzelnen Gliedern der Lieferkette sind binnen Sekunden verfügbar, auch die Quelle von möglicherweise verunreinigten Produkten lässt sich damit rasch klären. Verspätungen im Materialfluss, das Verschwinden von Gütern und das Ausbleiben von Zahlungen können nachverfolgt werden.

Digital Twins

Die Blockchain lässt sich auch zum Schutz vor Manipulationen bei Gebrauchtfahrzeugen einsetzen, ein gravierendes Problem im Kfz-Markt. Schätzungen zufolge sind 30 Prozent aller in der EU zugelassenen Fahrzeuge mit manipulierten Tachoständen unterwegs. Hier könnte ein digitaler Zwilling auf Blockchain-Basis ins Spiel kommen. Ein Digital Twin bildet einen Gegenstand aus der realen Welt digital ab, fungiert also quasi als sein virtueller Stellvertreter.
„Beim Kauf eines Gebrauchtwagens bestimmen der Kilometerstand auf dem Tacho und die erfolgten Reparaturen oder regelmäßigen Wartungen den Kaufpreis. Über die Blockchain lassen sich Manipulationen verhindern“, erklärt Ralf Engelschall von msg systems. „Jede Reparatur, jeder Eigentümerwechsel ist in den einzelnen Blöcken unveränderbar abgelegt. Auch die Zahl der gefahrenen Kilometer lässt sich bei einem Verkauf des Autos nicht mehr unmerklich zurücksetzen.“ Denn das Auto würde regelmäßig den Tachostand an eine Datenbank melden und darin Informationen zu Reparaturen oder Inspektionen ablegen. Die aktuellen Hash-Werte der Daten werden in einer öffentlichen Blockchain gespiegelt und sind nicht mehr manipulierbar. Änderungen der Fahrzeugdaten werden in der öffentlichen Blockchain sofort sichtbar.
4. Teil: „Transaktionen und Verträge“

Transaktionen und Verträge

  • Innovativ: Die Landesbank Baden-Württemberg entwickelt gemeinsam mit Kunden die Blockchain für Finanztransaktionen weiter.
    Quelle:
    com! professional / Screenshot
Über die Blockchain können Unternehmen Regeln und Transaktionen revisionssicher ausführen und speichern. „In der dezentralen Datenbank lassen sich Verträge abschließen, digital signieren und archivieren. Sie ähneln einem PDF, das nicht kopierbar ist und sich nicht verändern lässt. Wir erhalten damit einen einzigen Punkt der Wahrheit“, so Robert Bosch. Auch Banken werden in diesem Szenario - etwa in Lieferketten - Teil des Blockchain-Netzwerks, da die Bezahlung der gelieferten Teile oder deren Finanzierung dort abgewickelt wird.
Banken können mit Hilfe der Blockchain zum Beispiel den Auslandszahlungsverkehr beim Import/Export weiter digitalisieren und beschleunigen. So führte die ReiseBank, eine Tochter der DZ Bank und damit der Genossenschaftlichen FinanzGruppe, in einem Pilotprojekt eine transatlantische Zahlung zwischen dem kanadischen Calgary und Frankfurt mittels Ripple-Blockchain-Technologie innerhalb von acht Sekunden durch. Mit herkömmlichen Mitteln dauert dieser Vorgang vier Tage.
Auch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) entwickelt gemeinsam mit ihren Kunden die Blockchain-Technologie weiter, um sie bei Finanztransaktionen produktiv einzusetzen. So hat die LBBW mit dem Autobauer Daimler und Telefónica Deutschland in zwei Pilotprojekten jeweils ein Schuldscheindarlehen über die Blockchain abgewickelt. Von der Platzierung des Darlehens über die Zuteilung und den Vertragsabschluss bis hin zu den Zins- und Rückzahlungen wurden alle Vorgänge auf einer Blockchain digital abgebildet. Damit ließen sich viele bislang manuellen Prozesse automatisieren. Zum Beispiel gehen im Schuldscheingeschäft derzeit noch Unterschriften und Dokumente per Fax hin und her. Hier schaffen in der Blockchain hinterlegte Smart Contracts Abhilfe.
Da allerdings noch rechtliche Fragen offen sind, müssen derzeit noch alle Vorgänge parallel auf dem traditionellen Weg ausgeführt werden.

Digitale Wertpapiere

Ohne analogen, papierhaften Parallelprozess dagegen erfolgte via Blockchain eine rechtswirksame digitale Wertpapiertransaktion der LBBW mit MEAG, dem Vermögensmanager von Munich Re und ERGO. Bei dem Wertpapier handelt es sich um ein sogenanntes Asset-Backed Commercial Paper (ABCP), um eine mit Handelsforderungen mittelständischer Unternehmen und Leasingforderungen unterlegte kurzfristige Schuldverschreibung der Emissionsgesellschaft „Weinberg Capital DAC“, deren Plattform die LBBW betreibt.
Auf der neuen „Weinberg DLT Plattform“ können angeschlossene Investoren über eine einfach zu nutzende Bedienoberfläche Commercial Paper direkt beim Emittenten zeichnen. Die Zuordnung des Wertpapiers zum Käufer wird als Token auf der Blockchain abgelegt und bei Zahlung sofort Zug um Zug zwischen den Parteien ausgetauscht („Delivery versus Payment“). Die Ausführung erfolgt automatisiert über Smart Contracts. Der Transaktionsprozess verkürzt sich hierdurch von zwei Tagen auf unter eine Stunde.
Vorteile des Blockchain-Einsatzes
Für den durchschlagenden Erfolg der Blockchain sind noch einige Herausforderungen zu meistern. Das Lösen der offenen Fragen lohnt sich aber, da Firmen von den Eigenschaften der Blockchain-Technologie erheblich profitieren können. Deloitte nennt folgende Vorteile:
  • Die Blockchain ist unveränderlich. Mit einem Zeitstempel werden alle aufeinander folgenden Vorgänge eindeutig und nachprüfbar dokumentiert.
  • Die Daten der Blockchain sind bei allen Nodes identisch. Das sorgt für eine Integrität der gespeicherten Daten und macht Hackerangriffe auf das gesamte Netzwerk äußerst schwierig oder nahezu unmöglich.
  • Transfers finden - statt bisher in Stunden oder Tagen - nahezu in Echtzeit statt. Es gibt keine Möglichkeiten, Besitz zurückzuhalten oder ein zweites Mal zu verkaufen.
  • Jeder Wert lässt sich zweifelsfrei einem Teilnehmer zuordnen. Unklarheiten über Ansprüche an Werten sind ausgeschlossen.
  • Durch Kryptografie gewährleistet die Technologie je nach Bedarf Nachprüfbarkeit und Transparenz oder auch Vertraulichkeit und Anonymität.
  • Sämtliche Transaktionen zwischen den Teilnehmern erfolgen ohne vermittelnde Zwischeninstanzen wie Banken, Notare oder Staaten. Dieser Verzicht auf vertrauensbildende Intermediäre und das daraus resultierende Automatisieren von Geschäftsprozessen führt zu Zeit- und Kostenersparnissen.
5. Teil: „Zeugnisse in der Blockchain“

Zeugnisse in der Blockchain

Ein weiteres Blockchain-Szenario lautet: Damit lassen sich Handelsregister und Grundbücher digitalisieren und fälschungssicher speichern. Dasselbe gilt für das Verifizieren von Zeugnissen, wie das frisch gegründete Bavarian Center for BlockChain, kurz [bc]², und die IHK für München und Oberbayern demonstrieren wollen. Das [bc]2 ist im bayerischen Digitalministerium angesiedelt und soll die praktische Anwendung der Blockchain-Technologie vor allem in der öffentlichen Verwaltung aktiv begleiten, Wissen bündeln, Projekte anstoßen und Akteure der Blockchain-Szene vernetzen. „Wir wollen mit [bc]² selbst Erfahrungen mit der Technologie sammeln, statt immer nur zu theoretisieren. Vor allem auch, um zusätzlich zu unserer Zeugnisvalidierungs-Blockchain schnell weitere sinnvolle Anwendungsfälle zu identifizieren und umzusetzen“, erklärt Judith Gerlach, bayerische Staatsministerin für Digitales.
Der erste konkrete Anwendungsfall unter Beteiligung des [bc]² sind fälschungssichere Zeugnisse in der Blockchain. Die Echtheit von Zeugnissen lässt sich laut Judith Gerlach dank Blockchain mit wenigen Klicks überprüfen. Es entstehe eine Art digitales Gütesiegel - Blockchain „made in Bavaria“ statt Beglaubigung. Das Projekt soll schon in diesem Sommer seinen Betrieb aufnehmen, so Gerlach weiter.
Das Digitalministerium werde dabei als Knotenpunkt fungieren, ebenso wie die IHK für München und Oberbayern. „Damit sind wir wirklich ein Teil dieser Blockchain. Dank des Proof-of-Authority-Verfahrens, das wir einsetzen, erreichen wir beim Betrieb auch einen möglichst geringen Energieverbrauch. Wichtig ist zudem, dass das Projekt skalierbar ist. Nach und nach werden weitere Partner dazukommen“, ist sich die Digitalministerin sicher. Neben Zeugnissen sollen sich künftig auch andere Dokumente prüfen lassen, um die Hürden für digitale Bewerbungsprozesse zu senken.  
„Ich bin davon überzeugt, dass die Blockchain ein echter Game-Changer sein kann. Immer dann, wenn unterschiedliche Akteure, die sich nicht zwangsläufig kennen oder sich nicht unbedingt vertrauen, eine Transaktion durchführen, kann die Blockchain eine erhebliche Effizienzsteigerung bewirken“, erklärt Judith Gerlach. In der Verwaltung komme es sehr häufig vor, dass bestimmte Abläufe beglaubigt werden müssen oder dass bei ein und derselben Lebenslage verschiedene Behörden beteiligt sind. Das wären Anwendungsfälle, in denen die Blockchain Verfahren beschleunigen und vereinfachen könne.

Fazit & Ausblick

Trotz dieser sinnvollen Einsatzszenarien sind beim Thema Blockchain noch einige Herausforderungen zu meistern, neben Technikproblemen und mangelnder Skalierbarkeit fehlen bislang vor allem allgemein akzeptierte Standards. Bitkom-Bereichsleiter Patrick Hansen geht aber davon aus, dass sich in den nächsten Jahren Standards für verschiedene Einsatzgebiete der Blockchain herauskristallisieren: „Das Problem ist: Die Technologien sind untereinander nicht kompatibel. Wir benötigen Protokolle, mit denen sich Daten zwischen den verschiedenen Blockchains einfach transferieren lassen. Diese Interoperabilität fehlt im Moment noch, dürfte aber in den nächsten Jahren kommen.“
Unsicherheiten sieht er auch noch beim Thema Datenschutz und Haftung. Ebenso fehle es vielen Firmen an Expertise und Personal für die Blockchain. Hier soll der stetig wachsende Blockchain-Arbeitskreis beim Bitkom unterstützen. Dazu Patrick Hansen: „Der Arbeitskreis bildet eine Plattform für Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, um die Blockchain in Deutschland voranzutreiben. Wir bringen Start-ups aus der Krypto-Blockchain-Szene mit der Industrie zusammen, diskutieren technische und politisch-regulatorische Fragen und besprechen sinnvolle Use Cases. Wir haben hier die Chance, das Thema Blockchain zu prägen und auch international ein Vorreiter zu sein.“
Der Blockchain-Faktor
Der Blockchain-Faktor
Buch-Tipp
Wer einen fundierten, facettenreichen Einblick in Potenzial und Praxis der Blockchain-Technologie erhalten will, bekommt das auf kompakte Weise im Kompendium „Der Blockchain-Faktor“. Die Herausgeber - die Professoren Philipp Sandner, Isabell Welpe und Andranik Tumasjan - wollen aufzeigen, „wie die Blockchain unsere Gesellschaft verändern wird“. Zu diesem Zweck lassen sie unter anderem Finanzexperten von Deutscher Börse, Deutscher Bahn, Handelsblatt, Fürstentum Liechtenstein und Stadt Zürich den Status quo betrachten und erläutern, welche wegweisenden Veränderungen die Blockchain-Technologie ermöglicht und warum sie die Macht hat, Banken überflüssig zu machen. 24,95 Euro.
6. Teil: „Im Gespräch mit Dr. Dirk Siegel, Partner bei Deloitte“

Im Gespräch mit Dr. Dirk Siegel, Partner bei Deloitte

  • Dr. Dirk Siegel: Partner bei Deloitte
    Quelle:
    Deloitte
Dirk Siegel ist Partner bei Deloitte und Leiter des Deloitte Blockchain Institute. Im Interview mit com! professional beschreibt er eine Reihe sinnvoller Einsatzszenarien für die Blockchain und erläutert, was für eine Rolle geschlossene Ökosysteme dabei spielen können.
com! professional: Herr Siegel, was macht das Deloitte Blockchain Institute?
Dirk Siegel: Im Blockchain Institute bringen wir unsere Kunden seit nunmehr vier Jahren mit Experten zum Thema Blockchain zusammen und unterstützen bei aktuellen Fragestellungen rund um die Blockchain-Technologie. Das Portfolio reicht von strategischer Beratung, dem Beschreiben von passenden Use Cases bis hin zur Umsetzung konkreter Projekte.
Wir erarbeiten Blockchain-bezogene Lösungen für alle Branchen, und zwar vor allem in den Bereichen digitale Identität, transaktionale Prozesse, Supply Chain/Logistik und Internet of Things (IoT). Und wir kooperieren dabei mit Start-ups, die sich auf Blockchain-Use-Cases spezialisiert haben.
Bei Deloitte sind wir mit Beratern, Risikoanalysten, Wirtschaftsprüfern, Juristen und Steuerexperten sehr breit aufgestellt. Wir bündeln all diese Fähigkeiten und decken mit dieser umfassenden Sicht die technischen, fachlichen und rechtlichen Fragestellungen der Blockchain vollständig ab.
com! professional: Mit der Gründung des Blockchain Institute waren sie ja sehr früh dran. Seit der Goldgräberstimmung im Jahr 2017, als der Wert der digitalen Währung Bitcoin auf annähernd 20.000 Dollar stieg, hat sich die Euphorie um die Kryptowährung und auch um die zugrunde liegende Blockchain- oder Distributed-Ledger-Technologie stark gelegt. Wo sehen Sie die Entwicklung der Blockchain aktuell? Wird die Technologie überschätzt?
Siegel: Es gab damals tatsächlich einen großen Hype, den wir so nicht nachvollziehen konnten. Dieser Hype ist aber jetzt vorbei. Und das ist gut so. Wir dürfen grundsätzlich Bitcoin und Blockchain nicht gleichsetzen. Der Bitcoin-Kurs ist kein Indikator für den Nutzen, den Blockchain-Technologie insgesamt stiften kann. Die Technologie kann viel mehr, als Plattform für Kryptowährungen zu sein.
Im Moment trennt sich die Spreu vom Weizen. Es geht um solide, nüchterne Projekte und nicht mehr darum, schnelles Geld zu machen, wie es beispielsweise 2017 bei einigen Crowdfunding-Initiativen - Stichwort ICOs - der Fall war.
com! professional: Könnten Sie ein Beispiel für ein derartiges solides Projekt nennen?
Siegel: Ein Beispiel ist die B3i-Initiative (Blockchain Insurance Industry Initiative), mit der Erst- und Rückversicherer den Nutzen der Distribu­ted-Ledger-Technologie für die Versicherungswirtschaft aufzeigen. B3i wurde im Oktober 2016 als Konsortium gegründet und ist seit 2018 als B3i Services AG in Zürich tätig. Beteiligt - und zwar als Nutzer und Eigentümer - sind 18 namhafte globale Erst- und Rückversicherer sowie Versicherungs-Broker.
Wir haben B3i von der Erstberatung bis zur Umsetzung unterstützt. Die Initiative zeigt, wie sich mit Hilfe der Blockchain Transaktionen und Datenaustausch zwischen Erst- und Rückversicherern effizienter gestalten lassen. Ein Beispiel ist die mittlerweile umgesetzte Lösung für eine bestimmte Art von Rückversicherungsverträgen, über die beteiligte Versicherer einfach und sicher Bedingungen aushandeln, Tarife vereinbaren und Verträge abschließen und abwickeln können.
com! professional: Für welche Anwendungsszenarien ist die Blockchain wirklich sinnvoll?
Siegel: Das Beispiel B3i steht für einen sehr sinnvollen allgemeinen Use Case, nämlich die Übertragung von Rechten und Werten innerhalb eines geschlossenen Ökosystems. In diesem Fall handelt es sich um eine Gruppe von Versicherungen. Mit Hilfe der Blockchain werden Transaktionswege automatisiert, digitalisiert und somit effizienter gestaltet. Vorher liefen die Transaktionen über E-Mail, Fax oder per Brief. Die Blockchain ist eine sichere Technologie, da nicht manipulierbar. Alle Transaktionen werden verschlüsselt und unveränderlich gespeichert; die Inhalte sind nur für die jeweils beteiligten Parteien sichtbar. Jeder Teilnehmer am Ökosystem ist gleichberechtigt.
Um ein Bild zu gebrauchen: Aufgrund der genannten Eigenschaften werden Blockchain-Plattformen für die Prozesse zwischen den Unternehmen das werden, was ERP-Systeme wie SAP seit den 1990er-Jahren für die Prozesse innerhalb der Unternehmen sind.
com! professional: Transaktionen innerhalb eines geschlossenen Ökosystems würden auch auf Lieferketten zutreffen.
Siegel: Ja. Die Blockchain liefert hier Klarheit und Transparenz. Mit ihr lassen sich Lieferketten inklusive Herkunftsbeziehungen lückenlos nachweisen. Geht das Produkt von einem Lieferanten zum nächsten über, wird das unveränderlich - als Transaktion in der Blockchain - dokumentiert.
Ich sehe bei diesen „Track & Trace“-Use-Cases auch eine große Relevanz für Nachhaltigkeit und Compliance: Bei Compliance geht es ja darum, dass man sich an vom Gesetzgeber oder vom Unternehmen selbst vorgegebene Regeln hält. Das kann zum Beispiel bedeuten, nur Güter bestimmter Herkunft zu verwenden. Ob ein Produkt entlang der Lieferkette aber tatsächlich ohne Raubbau oder Kinderarbeit gewonnen beziehungsweise hergestellt wurde, lässt sich bislang nicht immer mit Sicherheit sagen. Ein Track & Trace auf Basis von Blockchain-Technologie würde hier Abhilfe schaffen.
Blockchain-basierte Lösungen können auch im Bereich Trade Finance hilfreich sein: Transaktionen über die Blockchain lösen hier ältere, wenig effiziente, teils noch auf Papier und Fax basierende Prozesse ab.
com! professional: Welche weiteren sinnvollen Einsatzszenarien für die Blockchain sehen Sie?
Siegel: Sehr wichtig ist die Blockchain natürlich als Basis für digitale Währungen und die Übertragung von Werten. Das funktioniert gut, siehe Bitcoin, Ethereum und andere Cryptocurrencies; dieser Mechanismus kann, wenn der regulatorische Rahmen dafür stimmt, auf eine Vielzahl anderer Werte/Assets ausgeweitet werden, etwa auf Wertpapiere oder nicht finanzielle Assets.
Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf Daten des Meldewesens. Dass bestimmte Daten an Aufsichtsbehörden gemeldet werden müssen, betrifft fast alle Branchen. Diese Daten können revisionssicher in der Blockchain gespeichert werden - jeder Datenverarbeitungsschritt wird dokumentiert und kann nachgewiesen werden. Das erschwert Datenmanipulationen wie sie etwa im Vorfeld der Finanzkrise stattgefunden haben.
Sehr interessant ist auch das Thema Identitätsmanagement. Personen können ihre Identitäten in ihren Rollen als Mitarbeiter oder Kunde eindeutig nachweisen, indem sie Dokumente wie Geburtsurkunden, Zeugnisse, Führerschein oder auch Bordkarten durch Blockchain-Technologie gesichert abspeichern. Über einen Private Key haben sie alleinigen Zugang zu diesen Daten und können sie gezielt teilen, das heißt, sie geben nur die in der spezifischen Situation minimal benötigten Informationen weiter.
com! professional: Wo liegen die Herausforderungen und Risiken der Blockchain?
Siegel: Bei den Prozessen, über die wir reden, geht es ans Eingemachte: Identität, die Übertragung von Werten und Rechten und so weiter. Daher stehen Vertrauen, Sicherheit und Verlässlichkeit im Zentrum aller Überlegungen. Die Messlatte liegt hoch. Noch gibt es keine Blockchain-Technologie, die quasi allgemein akzeptiert und genutzt wird. Das aber wird sich ändern, wenn eine Blockchain-Technologie über einen längeren Zeitraum nachweislich sicher funktioniert und zusätzlich in einen akzeptierten rechtlichen und regulatorischen Rahmen eingebunden ist - auch international.
com! professional: Sie haben das Thema Standards angesprochen. Es ist ja immer wieder die Rede vom Problem der 1.000 Blockchains …
Siegel: Die Blockchain-Technologie hat sich tatsächlich stark ausdifferenziert, es gibt in der Tat Hunderte Varianten. Doch es bilden sich erste Standards aus, die sich sehr gut für Ökosysteme wie das erwähnte B3i eignen, darunter R3 Corda oder Hyperledger der Linux Foundation. Ökosysteme nutzen, im Gegensatz zur Bitcoin-Blockchain, geschlossene Blockchains, denen nicht jeder beitreten kann. Stattdessen entscheiden die Teilnehmer über neue Mitglieder und geben diesen kontrolliert Zugang zum Netzwerk ihrer Blockchain. Bei B3i beispielsweise sind nur ausgewählte Teilnehmer des Versicherungsmarkts dabei; sie betreiben die dezentralen Knoten der Blockchain.
Ein Vorteil geschlossener Blockchain-Netzwerke liegt darin, dass es viele Sicherheitsprobleme nicht gibt, die bei offenen Blockchains die aufwendigen Konsensverfahren (wie das energieverzehrende Mining bei Bitcoin) erfordern. Sie sind daher schneller und haben keinen höheren Energieverbrauch als konventionelle IT.
Für die weitere Entwicklung sind Standards für die Kommunikation zwischen den geschlossenen Blockchains wichtig, damit sich die entstehenden Ökosysteme miteinander verbinden können.
com! professional: Wie profitieren Unternehmen von der Blockchain?
Siegel: Im täglichen Business bietet die Technologie außergewöhnliche Möglichkeiten, um Geschäftsprozesse zu vereinfachen und zu automatisieren, insbesondere transaktionale Prozesse, die die Grenzen von Unternehmen/Unternehmenseinheiten überschreiten und daher heute ineffizient sind. In geschlossenen Ökosystemen erfolgen die Transaktionen zwischen den Teilnehmern ohne vermittelnde Zwischeninstanzen, das heißt Peer-to-Peer. Das spart Zeit und Kosten.
Es lohnt sich also für Unternehmen, in diese Technologie zu investieren, Fähigkeiten aufzubauen und Prototypen zu entwickeln. Sie dürfen aber nicht mehr von der Technologie her denken, sondern vom Use Case und vom Ökosystem her. Ein konkreter Business-Case muss vorhanden sein. Die Zeiten des reinen Experimentierens sind vorbei.

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