Fintech
26.02.2020
Finanzen
1. Teil: „Banken im Kampf mit der Digitalisierung“

Banken im Kampf mit der Digitalisierung

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Traditionelle Banken brauchen Innovationen, um sich im schwierigen Markt durchsetzen zu können. Avaloq liefert sie als Produkt oder Service.
Der Finanzplatz Schweiz hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Das Anlegen von Kundengeldern ist heute stark reguliert, mehrere Dienstleister sind vom Markt verschwunden und das Tiefzinsumfeld birgt weitere Herausforderungen.
Mittendrin wirtschaftet Avaloq erfolgreich als Software-Anbieter und Dienstleister. Die Firma hilft bei der Prozess­optimierung und der Kostensenkung, sagt Jürg Hunziker, seit Anfang 2018 Group-CEO von Avaloq.
com! professional: Wie sehen Sie derzeit die Situation auf dem Finanzplatz Schweiz?
Jürg Hunziker: Die Finanzindustrie ist nach wie vor unter gewaltigem Druck. Viele Banken experimentieren mit digitalen Technologien, manche setzen sich durch, andere sind noch im Pilotstadium. Hinzu kommt der Kosten- und Margendruck, das Eindringen neuer Player in die Finanzwelt und eine neue Vielfalt an Kundenbedürfnissen, die immer heterogener werden, aber möglichst alle abgedeckt werden müssen. Mit Software allein lösen Sie diese vielen Herausforderungen nicht, doch Software bleibt ein zentrales Element unseres Angebots. Denn eine schlanke Systemlandschaft ist für die Finanzinstitute essenziell, um sich anderen Themen zuwenden zu können.
Zudem bieten wir Banken umfassende Gesamtlösungen. Wir spüren eine große Nachfrage nach Prozessauslagerungen, damit die Bank Kopf und Hände - etwa aus dem Backoffice - freibekommt für Innovation in anderen Bereichen. Unser Vorteil ist, dass wir aus dem Betrieb unserer Software viele Ideen gewinnen, wie wir diese weiterentwickeln können.
com! professional: Welchen Beitrag leistet Avaloq zur Innovation im Schweizer Banking?
Hunziker: Avaloq hat den Anspruch, die Finanzindustrie mitzuprägen. Entscheidend dafür ist die Innovationskraft, über die wir einerseits selbst verfügen, die wir andererseits aber auch in unserem Ökosystem ermöglichen. Unsere Mission ist es, dass Finanzdienstleister reibungslos ihre Alltagsgeschäfte abwickeln und sich voll auf uns und die Plattformen, die wir ihnen bieten, verlassen können.
com! professional: Welche Rolle spielt die Plattform Avaloq.one dabei?
Hunziker: Mit der Lancierung von Avaloq.one gehen wir noch einen Schritt weiter und vernetzen die verschiedenen Player im Finanzsektor noch enger. Avaloq.one ist eine Plattform, die den Austausch zwischen Fintech-Firmen und Finanzin­stituten einfacher, kollaborativer und reibungs­loser macht. Sie beschleunigt die Implementierung für alle Beteiligten durch standardisierte offene Programmierschnittstellen (APIs). Fintechs profitieren in mehrfacher Hinsicht: So bietet Avaloq.one Self-Onboarding und Self-Integration sowie definierte Journeys und Sandbox-Funk­tionen. Darüber hinaus brauchen die Fintechs ihre Lösung nur einmalig in die Avaloq Banking Suite zu integrieren, um mit den Kunden von Avaloq zusammenarbeiten zu können.
Dank unserer Präsenz an den wichtigsten Finanzplätzen haben wir Einblick in die Fintech-Szene weltweit. Wir können aus dieser Perspektive und Erfahrung Fintech-Lösungen und deren Potenzial validieren und kennen die Unternehmen dahinter. Damit können wir Lösungen integrieren, denen unsere Kunden vertrauen können und die sie wirklich voranbringen.
2. Teil: „Innovation als Prozess“

Innovation als Prozess

com! professional: Welche Fintechs finden Sie interessant?
Hunziker: Edgelab hat eine komplett cloudbasierte Risk En­gine entwickelt, die „Enterprise-ready“ ist. Sie kann alle Fragen eines Vermögensverwalters zu Investment-Risiken beantworten. Ein weiteres Fintech ist Metaco, das eine Lösung für das Problem aller Kryptoinvestoren entwickelt hat: Wie kann ich meine Zugangsdaten sicher lagern? Metaco bietet hier eine Plattform auf Schweizer Standard.
com! professional: Wie funktioniert Innovation bei Avaloq selbst? Wie ist der Weg von der Idee zum Produkt?
Hunziker: Avaloq verfügt über einen strukturierten Innova­tionsprozess und über ein „Innovation Board“ mit Beteiligung der Konzernleitung, des Gründers Francisco Fernandez und Avaloq Ventures. Zudem erhalten wir laufend Input von Fintechs, aber auch von innen, etwa um auch bestehende Produkte innovativ weiterzugestalten. Aktuell befassen wir uns mit folgenden Themen: Blockchain, Künstliche Intelligenz, Digital Advisory, Reduzieren der TCO der Systemlandschaft und robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA). Diese Themen in ihrer Gesamtheit machen das Deep-Tech-Paket der Finanzindustrie aus. Wir haben klare Roadmaps für jeden Bereich, die wir mit Nachdruck verfolgen. Wir innovieren aber nicht nur auf Produktebene, sondern beschäftigen uns mit Bedürfnissen, Themen, Technologien und Prozessen. Der Weg von der Idee zum Produkt ist nicht eingleisig. Heute leben wir in Zeiten laufender Optimierung. Jedes neue Feature, das aus einem Kundenbedürfnis heraus entsteht, ist schon Innovation.
com! professional: Wie sieht die Roadmap zur Blockchain aus?
Hunziker: Bei der Blockchain befassen wir uns mit Themen wie Trading von Kryptowährungen, der Tokenisierung nicht bankfähiger Assets, Side Chains, um Transaktionen zu poolen, und Know-Your-Customer-Funktionalität auf Grundlage der Distributed-Ledger-Technologie.
com! professional: Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie beim Einsatz der Blockchain im Banking?
Hunziker: Die Blockchain ist im Banking angekommen, muss aber noch reifen. Ihre Anwendungsmöglichkeiten sind auch über die Kryptowährungen hinaus immens. Wir haben uns mit unserer Beteiligung an Metaco Fachwissen eines Branchenführers erschlossen. Die Zusammen­arbeit trägt bereits erste Früchte: Gemeinsam sind wir im Dezember 2018 eine Partnerschaft mit der Gazprombank Switzerland eingegangen mit dem Ziel, eine integrierte Lösung für Kryptovermögenswerte zu entwickeln.
Darüber hinaus wird die Blockchain verstärkt Einzug halten. Das hat zur Folge, dass künftig jegliche Assets „bankable“ sein werden. Mit der erwähnten Tokenisierung einhergehend kann künftig in alles, von der Immobilie bis zur Kunst, investiert werden. Neu dabei ist, dass man so nicht mehr nur das komplette Asset, sondern auch nur Anteile davon erwerben kann. Dies wird eine Explosion von Ver­mögenswerten zur Folge haben, die Institutionen verwalten müssen, damit sie weiterhin relevant bleiben.
3. Teil: „Digitalisierung wird alle Banken erreichen

Digitalisierung wird alle Banken erreichen

com! professional: Wie kann Künstliche Intelligenz im Banking helfen?
Hunziker: Dank KI werden Personalisierung einerseits und Effizienz andererseits im Banking weiter zunehmen können. Selbstlernende Algorithmen können als intelligente Agenten Support- und Administrationsprozesse übernehmen, das Bankenpersonal entlasten und damit Kosten sparen helfen. Die Auswertung von Daten und die Simulation von Anlagen- oder sonstigen Finanzentscheidungen kann durch KI datenbasiert und damit genauer und schneller erfolgen. Die Angebote können besser auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten werden, wodurch die Zufriedenheit des Bankkunden steigt und damit die Bindung an seinen Finanzpartner.
com! professional: Kaufen Sie Lösungen für Analytics, Blockchain, KI und so weiter ein oder entwickeln Sie selbst?
Hunziker: Wir prüfen immer beides. Ein dritter Weg ist für uns auch, Know-how und Lösungen aus unserem Ökosystem verfügbar zu machen. Wo wir mit externem Fachwissen rasch in eine Domäne vorstoßen können, wie bei Blockchain und Metaco, investieren wir und sind Akquisitionen gegenüber nicht abgeneigt. Doch es ist uns auch ein Anliegen, unsere Innovationsfähigkeit hochzuhalten.
com! professional: Wie entscheiden Ihre Kunden? Werden Technologien vermehrt als Service bezogen?
Hunziker: Unser Credo ist: Die Kunden sollen den Service kaufen und nicht das ganze System dahinter. Der technologische Fortschritt läuft so schnell, dass eine einzelne Bank nicht mehr hinterherkommt. Wir hingegen können skalieren und so wird es für alle Beteiligten günstiger und ist noch dazu innovativer. Mit unserer Plattform, die auf Industriestandards basiert und eine effiziente Verarbeitung er­möglicht, können sich unsere Kunden flexibel und schnell bewegen, um neue Services hinzuzufügen und neue Geschäftsmöglichkeiten zu nutzen.
Die Nachfrage gibt uns recht: 80 Prozent der Neukunden, die an uns herantreten, sind an Business Process as a Service (BPaaS) oder SaaS interessiert. Das bedeutet, wir haben zum richtigen Zeitpunkt auf die Servicestrategie gesetzt und in der Schweiz, der EU und Asien früh die nötige Reife erreicht. Wir haben in unseren Servicezentren die Voraussetzungen geschaffen, um weiter zu skalieren, zum Beispiel auf technischer Ebene.
com! professional: Wie gehen Sie an Kundenanfragen zu innovativen Projekten heran?
Hunziker: Unser Grundsatz ist Offenheit. Wir digitalisieren nicht um der Digitalisierung willen, sondern weil sich mit einer neuen digitalen Lösung ein Kundenbedürfnis komforta­bler, schneller und/oder kostengünstiger abdecken lässt. Im Fokus steht dabei die Erfahrung, die der Endkunde unseres Kunden mit der Lösung machen soll. Diese Customer Ex­perience ist im Idealfall wettbewerbsdifferenzierend. Daher schauen wir auch mit jedem Kunden indivi­duelle Wege an, diese Customer Experience im Einklang mit der jeweiligen Unternehmensstrategie zu verbessern.
com! professional: Könnten Sie bemerkenswerte Kundenprojekte bitte kurz skizzieren?
Hunziker: Eine großartige Referenz für die Skalierbarkeit unserer Lösung ist das gemeinsame Projekt mit der Raiffeisen Schweiz, wo wir die rund 250 unabhängigen Banken auf eine Plattform migriert haben. Ein ganz aktuelles Beispiel: Wir haben die Banque Morval in nur neun Monaten auf unsere BPaaS-Lösung migriert, die wir für die Intesa Sanpaolo Private Bank (Suisse) betreiben. Die Schweizer Privatbanktochter der Intesa-Sanpaolo-Gruppe und Banque Morval waren zuvor fusioniert.
com! professional: Laut Marktbeobachtern sind die Schweizer Institute wirtschaftlich stark unter Druck. Welche Auswirkungen hat dies auf das Geschäft von Avaloq?
Hunziker: Es gibt Banken, die handeln antizyklisch und die investieren auch und gerade in härteren Zeiten, um sich fit für den Wettbewerb in der Zukunft zu machen.
Kosten senken ist das eine, sich für neue Geschäftsmodelle und Services zu öffnen, in denen man morgen das Geld verdienen wird, das andere. Fakt ist, dass auch an den Schweizer Privatbanken die Digitalisierung nicht vorübergehen wird. Die Kunden sind noch anspruchsvoller und demnach müssen auch die Lösungen eine andere Qualität haben. Wir sehen generell Wachstumsmöglichkeiten im Wealth-Management-Segment, denn hier können sich Banken gut differenzieren und sind weniger anfällig für Disruption als Retailbanken.
4. Teil: „Wachstumspotenziale in allen Banking-Bereichen“

Wachstumspotenziale in allen Banking-Bereichen

com! professional: Welches Wachstumspotenzial bieten Kernbankenlösungen in der Schweiz und im Ausland?
Hunziker: Wir sehen Wachstumspotenzial in allen Bereichen, in denen wir aufgestellt sind. Der Transformationsdruck auf die Finanzindustrie wird eher größer als kleiner. Neue Segmente - wie eben beispielsweise die Vermögensverwalter - folgen den Banken und setzen vermehrt inte­grierte Software für ihre Prozesse ein.
Durch neue Funktionen, neue Schnittstellen und neue Angebote entwickelt sich unsere Software im Einklang mit den Bedürfnissen unserer Kunden und mit den Bedürfnissen von deren Kunden weiter. Das ist in der Schweiz so und an allen Finanzplätzen der Welt, denn wir bewegen uns hier in einem globalen intensiven Wettbewerbsumfeld. Dieses wird durch neue Player, durch Blockchain und Krypto sowie branchenfremde Herausforderer immer stärker unter Druck gesetzt. Und wir helfen den Finanzinstituten in der Abwehrschlacht aufseiten der Ertragsgenerierung dank innovativer Angebote wie auch aufseiten der Profitabilität dank Effizienz und Kosteneinsparung.
com! professional: Welche Lücken weist das Portfolio von Avaloq auf? Und wie wollen Sie diese Lücken schließen?
Hunziker: Wir haben ein sehr breites Produktportfolio und gerade auch bei der Anzahl der unterstützten Finanz­produkte sind wir führend. Natürlich decken wir nicht alle Schritte jeder einzelnen „Persona“, die unsere Lösungen nutzt, in der gleichen Tiefe ab. Wir sind jedoch stetig daran, unser Portfolio auszubauen. Ich möchte Ihnen auch ein konkretes Beispiel nennen. Wir erweitern derzeit unsere Produkte und Services um weitere intelligente Funktionalitäten, beruhend auf Data Insights. Wir sehen hier ein enormes Potenzial und investieren signifikant in diesen Bereich.
Des Weiteren haben wir unsere Lösung erst jüngst durch die Integration der Ethereum-Blockchain in unser Kernsystem komplettiert. Diese haben wir seit Kurzem im produk­tiven Einsatz bei einem Finanzdienstleister. Somit haben unsere Kunden in Zukunft die Möglichkeit, den Handel mit Ethereum-Token anzubieten.
com! professional: Sie haben nun mit „Hotcopy“ so etwas wie eine Blaupause für Banken und Finanzdienstleister angekündigt. Was verbirgt sich hinter diesem Ansatz?
Hunziker: Unter Hotcopy verstehen wir, dass wir ein Level der Standardisierung erreichen, mit dem bestehende SaaS- oder BPaaS-Lösungen in kürzester Zeit auf eine neue Bank, einen neuen Geschäftsbereich oder eine Niederlassung in einem anderen Land übertragen werden können. Damit verkürzen wir die Time-to-Market, reduzieren die Kosten und unser Kunde ist schnell live, ohne sich lange mit sich selbst beschäftigen zu müssen.
Letztlich profitieren davon dann auch die Endkonsumenten, die schneller mit neuen Produkten und Services bedient werden können. Das steigert wiederum die Ertragskraft unseres Kunden.
com! professional: Danke für das Stichwort. Gibt es weitere Innova­tionsprojekte, an denen Sie derzeit arbeiten?
Hunziker: Wie bereits angedeutet, ist aktuell eines un­serer wichtigsten Projekte der Aufbau einer Data-Insights-Plattform. Mit ihr wollen wir unseren Kunden Data-Analytics- und Machine-Learning-Dienstleistungen anbieten. Damit können sie ihre Geschäftsdaten künftig noch viel ziel­gerichteter einsetzen und ihre Produkte und Services noch personalisierter anbieten.
Zudem verfolgen wir Projekte, mit denen wir unseren Kunden einen kostengünstigen Einstieg und eine Erweiterung ihrer Vermögensverwaltungsbereiche ermöglichen, sozu­sagen die Demokratisierung dieses Geschäftsfelds. Das Ziel ist, dass bisher exklusive Bankdienstleistungen vermehrt auch neuen Kundensegmenten angeboten werden sollen. Dafür entwickeln wir neue Beratungs- und Mandatsverwaltungslösungen, die durch maschinelle Unterstützung eine einfache und effiziente Abdeckung von Kundenbedürfnissen erlauben. Gleichzeitig entlasten sie den Kunden­berater und die Qualität der Beratung wird gesteigert.
Geplant ist außerdem, diese neue Benutzererfahrung nicht nur im klassischen Büroszenario anzubieten, sondern auch für den mobilen Einsatz auf dem Smartphone oder Tablet. So wollen wir den potenziellen Kunden die größtmög­liche Flexibilität in der Wahl ihres operativen Servicemodells ermög­lichen.
Zur Firma
Avaloq ist Hersteller von Kernbanken- und Digital-Banking-Systemen sowie Anbieter von Software as a Service und Business Process as a Service für Banken und Vermögensverwalter. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Zürich zählt rund 2000 Angestellte aus über 60 Ländern. In den Märkten Schweiz, Australien, Deutschland, Großbritannien, Hongkong, Luxemburg, Philippinen, Singapur und Spanien hat der Anbieter mehr als 150 Kunden.

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