Digitalisierung
07.02.2019
Konkurrenz für den Menschen
1. Teil: „Automatisierung - Jobkiller oder Wachstumsmotor?“

Automatisierung - Jobkiller oder Wachstumsmotor?

Man waiting in line with robot for job interviewMan waiting in line with robot for job interviewMan waiting in line with robot for job interview
petrmalinak / shutterstock.com
Die Digitalisierung wird das Arbeitsleben massiv beeinflussen. Statt aber Angst davor zu haben, dass der Mensch von Maschinen ersetzt wird, sollten besser Symbiose-Effekte bedacht werden.
  • Quelle: Korn Ferry
So praktisch die vielen Errungenschaften der Digitalisierung auch sind, die viele nützliche Dinge in unser tägliches Leben bringen - viele Menschen befürchten mittlerweile, dass Kollege Roboter ihnen bald den Arbeitsplatz wegnehmen könnte. Häufig wird die Digitalisierung daher als Jobkiller verteufelt. Werden wir früher oder später alle weitgehend durch Roboter und Algorithmen ersetzt, die unsere Arbeit erledigen?
Eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Korn Ferry kommt zu dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2030 rund jeder vierte Job in Deutschland nicht mehr existieren wird. Weltweit sollen es sogar 30 Prozent sein. Gerade für ein Land wie Deutschland sind das erst einmal düstere Aussichten - befinden wir uns doch derzeit in der glücklichen Lage, dass die Beschäftigungsquote so hoch ist wie nie zuvor.
Zwar könnte nach Ansicht der befragten deutschen Unternehmen jeder dritte Arbeitnehmer ausreichend umgeschult und damit in einem neuen Bereich eingesetzt werden, dennoch fällt das Fazit der Korn-Ferry-Experten nicht unbedingt positiv aus: „Gerade die wegfallenden Jobs sind bisher sehr personalintensiv und trotzdem eher einfacher Natur. Das ist der Grund, wa­rum sie zunächst automatisiert, dann digitalisiert und schlussendlich wegfallen werden.“ Hinzu komme, dass es sich bei diesen Jobs nicht zwingend um die jener Arbeitnehmer handele, die deutsche Unternehmen für umschulbar halten. Der Einsatz in einem anderen Bereich scheide für sie daher meist aus.
Nicht überall in Deutschland sind Jobs dabei im gleichen Ausmaß gefährdet. Die regionale Verteilung weist große Unterschiede auf, wie eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ermittelt hat. Der Anteil der Beschäftigten in Berufen mit einem sogenannten hohen Substituierbarkeitspotenzial – das heißt, dass 70 Prozent der Tätigkeiten durch Automatisierung oder Computer ersetzbar sind – hat sich zwar in den vergangenen Jahren in allen Bundesländern erhöht, das allerdings regional deutlich unterschiedlich: In Berlin sind mit knapp 15 Prozent die wenigsten Beschäftigten betroffen, im Saarland mit rund 30 Prozent die meisten. Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei 25,2 Prozent.
Auch in den einzelnen Branchen gibt es markante Unterschiede: Während zum Beispiel im Gesundheits- und Sozialwesen lediglich gut 5 Prozent der Beschäftigten ein hohes Substituierbarkeitspotenzial haben, sind es im verarbeitenden Gewerbe mehr als die Hälfte.
  • So sieht die Produktion der Zukunft aus: Der 2D-Laserschneider TruLaser Center 7030 von Trumpf erledigt fast alles selbst. Der Mensch programmiert ihn nur noch.
    Quelle:
    Trumpf
Im Handel soll knapp jeder vierte Job ersetzbar sein. Ein sichtbares Beispiel für die Digitalisierung des Handels und das Überflüssigwerden von Arbeitskräften sind sogenannte Self-Checkout-Systeme: So kann man etwa im Möbelhaus Ikea schon seit vielen Jahren Kassen ohne Kassierer passieren – die Kunden scannen ihre Waren selbst und erledigen das Bezahlen mit dem Computer. Auch in vielen Supermärkten findet man inzwischen solche Geräte als Ergänzung zum menschlichen Kassierer.
Wer wissen will, wie das Arbeitsleben der Zukunft im verarbeitenden Gewerbe aussieht, wirft einen Blick ins baden-württembergische Ditzingen. Dort hat das Familienunternehmen Trumpf seinen Hauptsitz, nach eigenen Angaben Markt- und Technologieführer bei Werkzeugmaschinen und Lasern für die industrielle Fertigung. Vor zwei Jahren hat Trumpf einen neu entwickelten Vollautomaten für das 2D-Laserschneiden vorgestellt, der sich weitgehend selbst um die Produktion von Metallteilen kümmert. Die von Trumpf als „Übermaschine“ bezeichnete Anlage namens TruLaserCenter 7030 ist in der Lage, über weite Zeiträume selbstständig und ohne Bedienereingriff zu arbeiten: Sie belädt sich selbst mit Rohblechen, sortiert und stapelt produzierte Kleinteile und entsorgt Reste und Schlacke. Der Mensch wird nur noch zum Programmieren des Automaten benötigt – wobei sich der Produktions-Tausendsassa laut Trumpf so einfach wie ein Bürodrucker bedienen lassen soll.
2. Teil: „Blicke in die Glaskugel“

Blicke in die Glaskugel

  • „Der Spiegel“ 1964, 1978 und 2016: Dass Maschinen bald alle unsere Jobs übernehmen könnten, ist bereits seit mehr als 50 Jahren ein Thema.
    Quelle:
    Der Spiegel
Über die Frage, wie sich die Arbeitswelt in Zukunft durch die Digitalisierung tatsächlich verändert, wird schon seit Jahren gestritten. Daher gibt es die unterschiedlichsten Studien und Prognosen, die das eine oder das andere belegen sollen. Die Medien befassen sich ebenfalls schon sehr lange mit diesem Thema. So berichtete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ bereits 1964, also vor mehr als 50 Jahren, in einer Titelgeschichte über die zunehmende Automatisierung in der Arbeitswelt. Ende der 1970er-Jahre titelte das Magazin „Fortschritt macht arbeitslos“, um 2016 ein weiteres Mal darüber zu berichten, „wie uns Computer und Roboter die Arbeit wegnehmen“.
„Die Angst, dass uns Maschinen die Arbeit wegnehmen könnten, ist alt und wird seit der Industrialisierung immer wieder aufs Neue heraufbeschworen“, weiß Christoph Busch, Bereichsleiter Arbeit & Innovation beim Digitalverband Bitkom. In Deutschland herrsche aber momentan nahezu Vollbeschäftigung, und das, so betont Busch, „nicht etwa trotz, sondern auch wegen der Digitalisierung“. So seien allein in der IT- und Telekommunikationsbranche mehr als eine Million Menschen beschäftigt.
Auch Svenja Falk, Managing Director Research beim Beratungsunternehmen Accenture, verweist auf die aktuell hohe Beschäftigungsquote und erklärt, derzeit werde ein Pro­blem diskutiert, das es so gar nicht gebe. „Wir können heute auch noch nicht wirklich mit Sicherheit sagen, welche Auswirkungen die Digitalisierung in fünf bis zehn Jahren haben wird. Die Integration von Technologien wie der Künstlichen Intelligenz in Wertschöpfungsketten steht erst ganz am Anfang“. Aus ihrer Sicht wird die Debatte auch sachlich falsch geführt: Jeder Job bestehe aus vielen verschiedenen Tätigkeiten - von sehr leichten bis zu hochkomplexen Aufgaben. Manche davon könnten automatisiert und durch Maschinen ersetzt, andere signifikant verbessert werden, etwa im Design oder bei der Entscheidungsunterstützung. „Das wirklich Revolutionäre sind weder die Jobs, die verschwinden, noch die, die neu dazukommen. Es sind die Veränderungen bei dem Großteil der Jobs an der Schnittstelle Mensch-Maschine.“
Mit ihrer Sichtweise ist Svenja Falk nicht allein. Auch Bernd Appel, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Lufthansa Industry Solutions, glaubt nicht, dass Maschinen den Menschen gänzlich ablösen werden. Er hält die Furcht für übertrieben: „Wessen Job wann in welcher Form bedroht ist, lässt sich nicht konkret sagen.“ Schaue man sich die Fortschritte der letzten fünf bis zehn Jahre an, dann sei das Tempo der Innovationen absolut bemerkenswert. Diese Entwicklung werde viele Berufsbilder, wie man sie heute kenne, sicherlich verändern - „jedoch nicht unbedingt im negativen Sinne“, wie Appel betont. Monotone Arbeitsschritte ließen sich künftig vermehrt von Maschinen erledigen, während Menschen häufiger gefordert seien, sich anderweitig einzubringen. Das könne, so Appel, auch zu höherer Zufriedenheit und Motivation führen.
Jürgen Prinz, Leiter Human Capital Management Solutions bei der Unternehmensberatung Sopra Steria Consulting, hält die Befürchtungen ebenfalls für unbegründet. Natürlich werde es durch die Digitalisierung zu Veränderungen in Berufsbildern kommen, es würden Berufe verschwinden, dafür aber auch neue Berufsbilder entstehen. „Das ist mit Blick auf die Geschichte der Arbeit schon immer so gewesen und wird auch zukünftig so sein. Aber nicht überall ist ein Roboter oder Künstliche Intelligenz sinnvoll einsetzbar. Daher wird auch der Mensch zukünftig eine wesentliche Rolle spielen“, ergänzt Prinz.
Diese optimistische Auffassung vertritt übrigens auch die Bundesregierung. Sie ist zuversichtlich, dass die Arbeitslosenzahlen in Folge der fortschreitenden Digitalisierung nicht in Höhe schießen werden: „Deutschland wird auch im digitalen Strukturwandel die Arbeit (...) nicht ausgehen; aber es wird in vielerlei Hinsicht andere Arbeit sein“, war sich Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag im vergangenen November sicher.
3. Teil: „Arbeitnehmer 4.0“

Arbeitnehmer 4.0

  • Arbeitsteilung: Derzeit übernehmen Menschen noch 71 Prozent aller Arbeitsstunden, 2025 sollen vorwiegend Algorithmen, Roboter und Künstliche Intelligenz für uns arbeiten.
    Quelle:
    World Economic Forum, "Future of Jobs Report 2018"
Durch die Digitalisierung gefordert sind die Arbeitnehmer aber in jedem Fall. Egal welchen Experten man befragt - in einem Punkt sind sich alle einig: Bildung und lebenslanges Lernen werden immer wichtiger. „Wesentlich ist aus meiner Sicht die Offenheit und die Bereitschaft zum Re-Skilling, sich also auch in komplett neue Bereiche einzuarbeiten.“ So fasst Jürgen Prinz von Sopra Steria Consulting die neuen Anforderungen zusammen.
Christoph Busch von Bitkom geht noch einen Schritt weiter: „Die klassische Bildungskarriere - Schule, Ausbildung oder Studium, 40 Jahre derselbe Beruf - hat ausgedient.“ Erforderlich ist seiner Meinung nach ein Kulturwandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Lebenslanges Lernen dürfe nicht länger nur Thema auf Podiumsdiskussionen sein, sondern müsse endlich auch praktiziert werden.
Aussichtsreiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt von morgen haben also flexible, gut ausgebildete Mitarbeiter. Doch wenn es nach Bernd Appel von Lufthansa Industry Solutions geht, dann sind wir als Gesellschaft heute noch stärker gefordert, Lösungen zu finden und Personen Angebote zu machen, mit denen sie in der Digitalisierung bestehen können. Ein wichtiger Punkt ist auch seiner Ansicht nach die Bildung: „Dort müssen wir massiv investieren und den Zugang für alle erleichtern, um Arbeitnehmer sowie nachfolgende Generationen fit für die Zukunft zu machen“, erklärt Appel.
In der Vergangenheit hätten Experten schon häufig darüber gesprochen, aber noch nie sei es so wichtig wie heute gewesen, sich stetig fortzubilden. „Niemand, der es nicht will, sollte den Anspruch verfolgen, IT-Spezialist zu werden. Aber ein gutes Maß Neugier hilft dabei, sich besser auf Veränderungen einzustellen und nicht den Anschluss zu verlieren.“ Auch kreative oder emotional intelligente Menschen hätten wichtige Eigenschaften, die nur schwer durch Maschinen zu ersetzen seien. Die Fähigkeit zu improvisieren, zu interpretieren, zu kontextualisieren und Empathie zu zeigen, dürfte, so Appel, für die Künstliche Intelligenz noch lange Zeit eine enorme Herausforderung darstellen - „hier liegt das größte Potenzial für uns“, ergänzt er.

Neue und veränderte Jobs

Deutlich sichtbare Veränderungen aufgrund der Digitalisierung zeigen sich bereits heute bei einzelnen Berufsbildern. Während viele Jobs zunehmend interdisziplinär werden und sich inhaltlich verändern, entstehen an ihren Übergängen zahlreiche neue Berufe.
  • Kein Kassierer mehr benötigt: Mehrere Hundert Einzelhandelsgeschäfte in Deutschland verfügen bereits über Selbstbedienungskassen.
    Quelle:
    NCR
Ein Beispiel ist das autonome Fahren, eine der ersten Technologien, bei der die Künstliche Intelligenz unmittelbar auf den Menschen trifft. Deshalb ist das autonome Fahren laut Svenja Falk von Accenture auch ein besonders spannendes Forschungsfeld. Es erfordere ganz neue Qualifikationen von Mitarbeitern und schaffe dadurch neue Arbeitsplätze. „Im amerikanischen Forschungszentrum des japanischen Autoherstellers Nissan im Silicon Valley arbeitet beispielsweise eine Anthropologin, deren Aufgabe es ist, sich über das Verhältnis von Mensch und Maschine Gedanken zu machen, wenn beide konkret zusammenarbeiten.“ Eines ihrer Forschungsfelder sei die Unberechenbarkeit des menschlichen Verhaltens - ein Bereich, in dem sich klassische Ingenieure oder Informatiker nicht auskennen. Was passiert zum Beispiel, wenn der Fahrer eines Wagens eine Trennlinie auf der Fahrbahn ignoriert und sie überfahren will? Interpretiert das intelligente Auto das als Normverstoß und blockiert das Ausscheren, oder kann es sein, dass der Fahrer einen Grund hat auszuweichen, den das System nicht erkannt hat - etwa, dass sich die Fracht eines vorausfahrenden Transporters gelöst hat? „Die Arbeit der Anthropologin soll dazu beitragen, dass Künstliche Intelligenz auch irrationale menschliche Verhaltensweisen verstehen lernt.“ In der Vergangenheit hätten wir lernen müssen, mit Computern umzugehen. Jetzt drehe sich dieser Prozess um. Svenja Falk: „Maschinen und Geräte mit Künstlicher Intelligenz müssen trainiert werden, mit uns umzugehen.“
Bernd Appel von Lufthansa Industry Solutions zufolge braucht es vor allem zunächst einmal mehr Experten, die die  neuen technologischen Entwicklungen vorantreiben. Unter anderem seien das KI-Spezialisten oder Data Engineers. Im Hinblick auf die wachsende Vernetzung gewinne auch das Thema IT-Sicherheit weiter an Bedeutung. Schließlich hänge der erfolgreiche Einsatz einer neuen Technologie in jedem Fall eng damit zusammen, wie sicher sie ist.
Appel ist darüber hinaus davon überzeugt, dass die Digitalisierung nicht nur hochqualifizierte IT-Spezialisten hervorbringen wird – „denn wenn die Digitalisierung unsere Arbeit künftig vereinfacht, dann ändern sich auch die Anforderungen des Berufsbildes. So ist es beispielsweise denkbar, dass komplexe Prozesse, die vormals eine fundierte Expertise benötigten, von Personen übernommen werden, die bislang nur geringe Berührungspunkte mit einem bestimmten Thema hatten.“
4. Teil: „Unternehmen im Wandel“

Unternehmen im Wandel

  • Branchen mit hohem Substituierbarkeitspotenzial: Im verarbeitenden Gewerbe sind 21,5 Prozent aller Beschäftigten tätig. Hier sind über die Hälfte der Jobs gefährdet.
    Quelle:
    Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (Okt. 2018)
Mindestens ebenso wie die Arbeitnehmer sind selbstverständlich auch die Unternehmen gefordert, sich den erforderlichen Anpassungen zu stellen. „Digitalisierung kommt, öffnet Gedanken und ändert Prozesse, die vorher wie ‚festgemauert‘ dastanden. Und das immer schneller, immer intensiver“, so Jürgen Prinz von Sopra Steria.  Deshalb sei es für Unternehmen wichtig, sich mit diesem Thema und den teilweise disruptiven Effekten auseinanderzusetzen - kritisch und nicht ablehnend. „Zurückdrehen, das geht nicht, Aufhalten ebenso wenig.“
Bernd Appel von Lufthansa Industry Solutions sieht besonders im Umgang mit Daten spannende Entwicklungen. Unternehmen stünden vor der Herausforderung, die Massen von Informationen in gezieltes Wissen zu verwandeln und aus ihnen einen Mehrwert zu generieren. Das Ziel müsse sein, überall dort, wo man beispielsweise Künstliche Intelligenz einsetze, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, mit der ihre Aussagen zutreffen. Nur so könne uns die Technologie wirklich weiterbringen. „Mit diesem Wissen können wir dann intelligente Assistenzsysteme schaffen, die den Menschen in seinen Tätigkeiten unterstützen.“ Im direkten Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern gewinne der persönliche Kontakt wieder an Relevanz und werde vermehrt wertgeschätzt.
„Insgesamt befinden wir uns noch immer in einer Findungsphase, wie wir mit der Flut von Informationen umgehen können und wollen, sowohl im privaten als auch im Arbeitsumfeld.“ Laut Bernd Appel sind wir jede Sekunde unseres Lebens von mehr oder minder relevanten In­formationen umgeben und sollten diese im besten Fall auch gleich verarbeiten - „hier gilt es, ein gesundes Maß zu finden“.

Fazit

Unabhängig davon, wie sich die Auswirkungen der digitalen Transformation im Einzelnen niederschlagen werden, eines steht in jedem Fall fest: Vom Pförtner bis zum Vorstand - die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt gravierend und erfordert von jedem Mitarbeiter neue Kompetenzen.
Svenja Falk von Accenture empfiehlt, den vielen Prognosen zur Zukunft der Arbeitsplätze mit einer Portion Skepsis zu begegnen. „Das Problem mit Prognosen ist, dass der Mensch gern linear denkt. Wir schauen in den Rückspiegel, um das Morgen zu erklären.“ Auf der Basis ökonometrischer Modelle glaubwürdig vorherzusagen, wie beispielsweise Künstliche Intelligenz das Leben und die Arbeit verändern werde, könne jedoch niemand. Denn KI verändere exponentiell. „Legt man alle Prognosen, die es dazu gibt, neben­einander, sagt jede etwas anderes.“ Die Aussagen darüber, wie viele Jobs zukünftig aufgrund der Digitalisierung wegfallen werden, reichen laut Svenja Falk von 8 bis 56 Prozent. „Mit anderen Worten: Wir haben keine Ahnung“, so ihr nüchternes Resümee. Viel entscheidender sei die Frage, wie an der Schnittstelle Mensch und Maschine die größte Wertschöpfung geschaffen werde, um Arbeits- und Lebensqualität zu verbessern. Ihrer Ansicht nach stehen wir vor ganz anderen Herausforderungen als nur zu entscheiden, welche Maschine man mit welchen Aufgaben betraut, und sich zu fragen, wie viel Manpower man dadurch einsparen kann.
Dafür sei auch das Potenzial an Gewinn viel größer - denn ein richtig orchestriertes Team von Mensch und Maschine habe zusätzlich zur verrichteten Arbeit unzählige Symbiose-Effekte. „Es geht also darum, sich im Mind-Set von dem Dualismus Mensch-Maschine zu lösen und stattdessen in Teamlösungen zu denken“, so Svenja Falk. Die entscheidende Aufgabe dabei sei herauszufinden, wer je nach Aufgabenstellung der Gewinner oder der Verlierer ist. Die Antwort könne nie pauschal „der Roboter“ oder „der Arbeitnehmer“ sein. Maschinen sollten immer so eingesetzt werden, dass sie die Fähigkeiten des Menschen erweitern.
IT-Jobs mit Zukunft
Das Potenzial der Digitalisierung ist enorm hoch. Die IT-Branche braucht eine Vielzahl an Fachkräften, die den technologischen Fortschritt voranbringen. Vielerorts erreichen die Lösungen einen immer höheren Komplexitätsgrad, sodass die Nachfrage nach Experten weiter steigen wird.
Blockchain Architect: Der Blockchain Architect ist für die Programmierung von Blockchain- beziehungsweise Distributed-Ledger-Anwendungen verantwortlich. Darüber hinaus berät er Unternehmen, um gemeinsam mit diesen herauszufinden, welche Einsatzmöglichkeiten für die Blockchain es gibt und wie die Umsetzung aussehen könnte.
Chief Digital Officer (CDO): Über keine neue Jobbezeichnung wird derzeit so viel berichtet – und auch diskutiert – wie über den Chief Digital Officer.
Der CDO ist für die gesamte digitale Wertschöpfungskette eines Unternehmens zuständig und weist quasi als Bauleiter den Weg in die digitale Zukunft. Er erarbeitet eine Digitalisierungsstrategie und gewährleistet deren Umsetzung. Der Chief Digital Officer ist also eine Art IT-Manager. Er braucht allerdings nicht unbedingt einen IT-Hintergrund mitzubringen, sondern kann auch über einen kaufmännischen Background verfügen. Denn für die abteilungsübergreifende Querschnittsaufgabe ist vor allem auch betriebswirtschaftliches Wissen und Denken gefragt. Für die technische Umsetzung ist dann der Chief Information Officer (CIO) zuständig, der mit dem CDO idealerweise Hand in Hand zusammenarbeitet.
Chief Disruption Manager: Disruption heißt so viel wie „Erschütterung“ oder auch „Störung“. Im Zusammenhang mit der digitalen Transformation bedeutet dieser Begriff, dass eine neue Idee oder eine neue Technologie auf einen Schlag alles weitreichend verändert. Ein Chief Disruption Manager macht
also eigentlich nichts anderes als der CDO, nämlich die digitale Transformation eines Unternehmens voranzutreiben und es für die vielfältigen He­rausforderungen des digitalen Zeitalters zu rüsten.
Data Scientist: Immer mehr Unternehmen treffen Entscheidungen auf Basis von Datenanalysen. Doch in vielen Firmen fehlen Mitarbeiter, die angesichts der riesigen Datenmengen den Überblick behalten und die relevanten Daten aufbereiten können. Diese Lücke schließt der Data Scientist. Er steuert die Datenprojekte und nutzt die Analyse-Ergebnisse, um den Unternehmenserfolg zu sichern und zu steigern. Ein Data Scientist verfügt über ein hohes Maß an Fachwissen in den Bereichen Informatik und Mathematik, zum Beispiel zum Programmieren der Datenabfragen, um an die interessanten Informationen heranzukommen. Hinzu kommen im besten Fall fundierte Kenntnisse zu den Produkten und Diensten, die das Unternehmen anbietet. Auch über die rechtlichen Grundlagen des Datenschutzes muss ein Data Scientist Bescheid wissen.
Data Strategist: Eine Begleiterscheinung von Big Data ist, dass die vielen Daten irgendwann überall liegen: auf den Servern des Unternehmens – inhouse oder ausgelagert in der Cloud – oder auf den Servern diverser Big-Data-Analyse-Tools. Das wirft zwangsläufig die Frage auf, welche Daten das Unternehmen in welchem Zusammenhang überhaupt nutzen darf.
Hier kommt der Data Strategist zum Zug: Er behält den Überblick und gibt die Leitlinien für den Umgang mit den einzelnen Datenarten vor. Ein Data Strategist benötigt ein hohes technisches Verständnis. Nur damit lässt sich nachvollziehen, an welchen Stellen überall Daten erhoben und in welcher Weise sie bei der Auswertung verarbeitet werden.
Mobile Developer: Mobile Developer sind neben Entwicklern für die mobilen Betriebssysteme Android oder iOS auch Entwickler im HTML-, CSS- und Java­Script-Umfeld. Der Mobile Developer kümmert sich um die Konzeption, die Programmierung und die Gestaltung mobiler Inhalte und Apps.
Security Manager: Aufgabe eines Security Managers ist das Vermeiden von Datenlecks und das Entwickeln einer Strategie für die IT-Sicherheit. Er schult darüber hinaus Mitarbeiter im Umgang mit Daten und er legt fest, ob und welche Mitarbeiter zum Beispiel private Daten auf Firmen-Smartphones nutzen dürfen und welche Dienstleister welche Zugriffsrechte auf die IT erhalten.
Social Media Manager: Salopp gesagt bekommt der Social Media Manager Geld fürs Surfen im Netz. Er ist in den sozialen Medien wie Facebook, Instagram, Twitter und Co. zu Hause und weiß zum Beispiel genau, welches das perfekte nächste Gewinnspiel für die Facebook-Freunde des Unternehmens ist, in welchem Intervall die Fotos neuer Produkte auf Instagram gepostet werden sollten oder wie man mit nörgelnden Kunden auf Twitter umgeht.
Der Experte für soziale Medien muss aber auch mit Zahlen umgehen können: Er wertet Statistiken zu Zugriffszahlen und Kundenreaktionen aus.

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