14.08.2018
Kommentar
Andrea Nahles überschätzt Europas Macht
Autor: Frank Kemper
Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0
SPD-Chefin Nahles hat einen verwegenen Plan veröffentlicht: Sie will große Internet-Konzerne dazu zwingen, ihre Daten für Konkurrenten zugänglich zu machen. Ihre Aussicht auf Erfolg ist jedoch gering.
"Daten-für-Alle" lautet der plakative Slogan, mit dem die SPD-Chefin Andrea Nahles derzeit für Diskussionen sorgt. In Kürze: Sie plädiert dafür, große Internet-Konzerne wie Google, Amazon und Facebook zu regulieren. Ihr geht es vor allem um das Aufbrechen der großen Datenmonopole, die diese Konzerne aufgehäuft haben. Der revolutionäre Ansatz: Die großen Datensammler sollen einen Teil ihres Schatzes der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, damit die Konkurrenz auch eine Chance hat.
Zunächst einmal spricht Nahles damit ein großes Problem gelassen aus: Die digitale Wirtschaft wird in einem Ausmaß von US-Konzernen dominiert, das schon abenteuerlich ist. Man wundert sich, dass US-Präsident Trump sich über die vielen deutschen Autos auf amerikanischen Straßen ärgert, wenn man bedenkt, dass alle deutschen Autohersteller zusammen in den USA nur einen Marktanteil von rund sieben Prozent haben. Doch wenn es digital wird, sind die Amis in Deutschland uneinholbar vorne: Desktop-Betriebssysteme, Mobile-Betriebssysteme, Internet-Server, Cloud-Services, Search und Social Media - überall halten US-Konzerne einen über 90-prozentigen Marktanteil. Der größte deutsche Online-Händler ist selbstverständlich Amazon, und er vergrößert seinen Marktanteil quasi nach Belieben.
Der Drops ist gelutscht
Diese Fokussierung großer Teile der Wirtschaft auf wenige, monopolartig agierende Player ist nicht gut und kann auf Dauer nicht hingenommen werden. Da nützt auch der Hinweis vieler Silicon-Valley-Bewunderer auf die zahllosen deutschen Versäumnisse nichts: 2008 hätte ein europäisches Unternehmen Google in Europa vielleicht noch Paroli bieten können - heute ist das nach marktwirtschaftlichen Kriterien nicht mehr denkbar. Facebook hat inzwischen drei Plattformen, die jede für sich über eine Milliarde Nutzer versammelt - der Drops ist gelutscht, wie man so schön sagt.
Natürlich ist es möglich, die Macht der US-Konzerne zu beschneiden. China macht es vor: Dort kriegt Facebook kein Bein an Deck, und Google baut gerade eine Suchmaschine, die mit den Zensurvorstellungen des Politbüros harmoniert, damit der chinesische Werbemarkt nicht komplett am Adwords-Erfinder vorbeirauscht.
Nur: Wollen wir chinesische Verhältnisse?
Nur: Wollen wir chinesische Verhältnisse?
Nein, die will niemand. Deshalb erlauben wir den US-Konzernen, Niederlassungen in Europa zu eröffnen, und machen sie somit quasi zu EU-Firmen. Gleichzeitig erlauben wir es ihnen, in puncto Steuern und Datenschutz den bequemsten Weg zu wählen, indem sie sich das europäische Land aussuchen, das ihnen dafür die besten Voraussetzungen bietet.
Nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die eigentlich den Datenschutz der Bürger stärken sollte, kündigte Facebook einen Deal mit dem Hamburger Datenschutzbeauftragten auf, wonach jeglicher Datenaustausch zwischen Facebook und WhatsApp unterbunden werden müsse. Seit dem 25. Mai, so sagt man beim Social Network, sei Irland datenschutztechnisch für Facebook zuständig. Und dort sieht man das offenbar nicht so eng.
Solange Europa sich im Umgang mit den Internet-Konzernen nicht einig wie ein Mann ist, solange haben die Pläne der Andrea Nahles keinerlei Aussicht auf Erfolg. Und selbst wenn sich Europa einig würde: Eine geschlossene Gangart gegenüber den US-Anbietern würde eine Abschottung des Internets nach chinesischem Muster erfordern - und dafür ist das Internet eigentlich nicht gebaut.
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