14.11.2019
Einkaufserlebnis
1. Teil: „Amazon wird immer persönlicher“
Amazon wird immer persönlicher
Autor: Daniela Zimmer
Jeramey Lende / shutterstock.com
Seit Jahren investiert Amazon in Personalisierung und bedient Nutzer zunehmend individuell. Sich ständig ändernden Wünsche der Kunden stellen jedoch eine Herausforderung dar.
Amazons Firmenlogo, der vom A auf das Z zeigt, macht auf den ersten Blick klar: Hier kriegt der Verbraucher alles, was sein Herz begehrt. Doch schon 1997 schrieb Firmengründer Jeff Bezos an die Aktionäre: „Heute sparen Online-Konsumenten Geld und wertvolle Zeit. Morgen wird der Online-Handel durch Personalisierung den Entdeckungsprozess beschleunigen.“ Vor dem E-Commerce-Zeitalter hörten die Menschen bei Kaufentscheidungen vor allem auf Familienangehörige, Bekannte und Freunde. Das wollte Bezos online nachbilden.
Der orange Pfeil in Seit den frühen 2000er-Jahren investiert Amazon daher in das Thema Personalisierung. Das bekannteste Tool ist der Empfehlungsalgorithmus. 2001 wurde dafür das erste Patent angemeldet. Seitdem verknüpft der E-Commerce-Riese Daten und Informationen, die der Kunde im Kaufprozess hinterlässt, um bekannten und unbekannten Kunden ein maßgeschneidertes Einkaufserlebnis zu bieten. Personalisierung ist das Trendthema der Branche. Inzwischen haben fast alle relevanten Online-Händler die Notwendigkeit erkannt, ihre riesigen Sortimente auf die Kundenbedürfnisse zuzuschneiden. Fragt man sie nach ihren aktuell wichtigsten Fokusthemen, antwortet fast jeder: „Personalisierung“.
Für den Personalisierungsspezialisten Dynamic Yield war das Grund genug, sich in einer Studie anzuschauen, wo und wie im Amazon-Universum Angebote individuell angepasst werden. Dabei wurden die Studienautoren verblüffend oft fündig: In fünf Bereichen spürten sie Beispiele für Personalisierungsansätze auf: beim Entdecken von Produkten, beim Check-out, bei Promotions, bei der Kundenbindung und bei der Cross-Device-Ansprache.
Bei der Produktentdeckung spielt die Startseite eine entscheidende Rolle. Allein hier haben die Experten nicht weniger als 45 verschiedene Empfehlungs-Widgets ausgemacht, die Kunden-Infos wie Location, vergangene Einkäufe, gespeicherte Produkte oder Listen, Schnäppchenangebote, das Kaufverhalten anderer Kunden oder Kundenbewertungen für individuelle Vorschläge berücksichtigen. Auch auf den Produktdetailseiten klotzt Amazon mit Empfehlungen. In den Widgets ist die Zahl der vorgeschlagenen Produkte nicht begrenzt. Wer eine Hose sucht, kann sich hier schon mal durch 63 Seiten mit ähnlichen Kleidungsstücken scrollen. Allerdings passt der E-Commerce-Riese die Ausgestaltung der Widgets an die Darstellungsmöglichkeiten des Devices an und bindet sie auf der Desktop-Seite anders ein als im mobilen Shop.
2. Teil: „Empfehlungsmarketing in der Produktsuche“
Empfehlungsmarketing in der Produktsuche
Amazon die ganze Klaviatur des Empfehlungsmarketings aus. Tippen Kunden nur einen Buchstaben in das Suchfeld ein, öffnet sich ein Drop-down-Menü mit Suchempfehlungen. Und diese sind ebenfalls auf das individuelle Kaufverhalten abgestimmt, wie ein Vergleich der Suche von angemeldeten und nicht angemeldeten Amazon-Kunden zeigt. Und auch die Banner-Plätze auf der Startseite werden mit personalisiertem Content bestückt. Hier zeigte die Analyse: Je loyaler die Kunden sind, desto mehr Banner-Variationen bekommen sie angezeigt.
Auch bei der Produktsuche nutzt Bei den Promotions ist die Personalisierung simpler. Sie unterscheidet vor allem zwischen Prime- und Nicht-Prime-Kunden - und bugsiert Letztere mit sanfter Gewalt ins Prime-Programm. So werden Kunden, die nicht für Prime bezahlen, gezielt Deals angezeigt, auf die Prime-Kunden bevorzugten Zugriff haben. Wer nicht gleich unterschreibt, wird durch einen Countdown bis zum Ablauf des Sonderangebots unter Zeitdruck gesetzt. Auf den Produktdetailseiten finden sich Hinweise auf Zahlmethoden für Prime-Kunden
oder kostenlosen Versand. Und auch im Checkout und in Kunden-Mails wird immer wieder auf die Prime-Vorteile hingewiesen. Beim E-Mail-Marketing zeigt sich Amazon dann wieder als Meister der Personalisierung und segmentiert seine Zielgruppen so fein, wie es sonst kaum ein anderer Online-Händler schafft. Eingeloggte Kunden
Voraussetzung für eine möglichst personalisierte Customer Experience ist es, möglichst viel über seine Kunden zu wissen. Für Amazon ist es daher immens wichtig, dass sich Kunden einloggen, wenn sie den Shop auf dem Desktop besuchen, die App nutzen oder eine Anfrage an Alexa stellen. Während klassische Online-Händler auf der Website vor allem dafür trommeln, dass ihre Kunden irgendwo ihre E-Mail-Adresse hinterlassen, incentiviert Amazon seine Kunden wo immer möglich mit konkreten Nutzerversprechen zum Log-in.
Doch selbst bei dem Vorreiter der maximalen Personalisierung ist längst nicht alles Gold, was glänzt. Viele Empfehlungen wirken noch immer willkürlich und wenig persönlich. Von Familienmitgliedern und Freunden würde man anderes erwarten - und von Jeff Bezos’ E-Commerce-Giganten auch.
3. Teil: „Im Gespräch mit Mukund Ramachandran, CMO bei Dynamic Yield“
Im Gespräch mit Mukund Ramachandran, CMO bei Dynamic Yield
com! professional: Dafür, dass Amazon schon seit dem Jahr 2001 in Personalisierung investiert, beeindrucken einen die persönlichen Produktempfehlungen meistens nicht. Warum geht
das nicht besser?
das nicht besser?
Mukund Ramachandran: Da sich Benutzerabsichten, Präferenzen und Affinitäten ständig ändern, kann man nicht mit hundertprozentiger Genauigkeit vorhersagen, was sich ein Individuum wünscht. Es sind einfach zu viele interne und externe Faktoren im Spiel.
Mit einem verlässlichen Datensatz und Predictive Analytics kann Amazon voraussehen, was die Resonanz und die Bereitschaft der Besucher zur Interaktion steigert, und letztendlich die Relevanz seiner Produktempfehlungen verbessern. Aber die Komplexität und die konkreten Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologie entwickeln sich immer noch weiter.
com! professional: Was sollten sich andere Händler von Amazon abschauen? Was ist das Geheimnis des Amazon-Erfolgs?
Ramachandran: Als wir die Personalisierungsbemühungen von Amazon untersuchten, haben wir über 70 unterschiedliche Anwendungsfälle entlang der Customer Journey entdeckt. Und auch nach Abschluss unserer Analyse kommen ständig neue Anwendungen dazu. Es ist die Bereitschaft und der Drang, neue Ideen zu testen und umzusetzen, der Amazons Personalisierung vorantreibt. Davon sollten sich Marken im E-Commerce und generell in allen Branchen inspirieren lassen.
com! professional: Woran krankt Personalisierung bei den Webshops in der Regel?
Ramachandran: Das Problem besteht darin, dass die Anpassung der Erfahrungen häufig auf dem Besucherverhalten auf oberer Ebene basiert, zum Beispiel auf der Auswahl der Produktkategorie-Webseite. Doch das ist viel zu oberflächlich. Es mangelte lange an multidimensionalen Daten, um die individuelle Präferenz und Affinität der Besucher wirklich zu verstehen. Das machte die Personalisierungsbemühungen weniger wirkungsvoll.
com! professional: Was erwarten Sie für die Zukunft?
Ramachandran: Der Einzelhandel wird sich insgesamt weiter Richtung Online verlagern, doch das heißt nicht, dass die Menschen weniger Freude am stationären Einkaufserlebnis haben. Ich sehe hier viele ungenutzte Möglichkeiten, um ganzheitliche In-Store-Erlebnisse zu schaffen. Immer mehr Einzelhändler werden sich einer ganzen Reihe von neuen digitalen Schnittstellen bedienen, um ihren Kunden bei der Produktsuche zu helfen, die Bestellung zu vereinfachen und ihnen passende Angebote zu machen. Und bei all diesen neuen Technologien wird Personalisierung im Mittelpunkt stehen.
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