Digitalisierung
16.10.2019
Wandel durch die Hintertür
1. Teil: „Agilität durch Culture Hacking“

Agilität durch Culture Hacking

Culture hackingCulture hackingCulture hacking
Viktoria Kurpas / shutterstock.com
Mit Culture Hacks lassen sich Regeln brechen und verborgene Dinge an die Oberfläche bringen. Sie bringen Bewegung in starre Strukturen und bewirken Veränderungen.
  • Ursachenforschung: Wenn Transformationsprojekte scheitern, dann liegt das meist an unzureichenden Prozessen, fast genauso oft aber an den Menschen.
    Quelle:
    Wipo "Digital Transformation Survey 2019" (n = 1.400 C-Level-Führungskräfte aus den USA, Kanada, Mexiko, Brasilien, Großbritannien, Irland und DACH)
Der Zwang zum Wandel beherrscht heute nahezu alle Branchen. In den vergangenen fünf Jahren wurden in jedem Unternehmen durchschnittlich fast acht Transforma­tionsprojekte durchgeführt, wie eine Befragung von 1.400 Führungskräften im Auftrag des Service-Anbieters Wipro ergab. „Veränderung wird zur Normalität“, erklärt Torsten Scheller, Inhaber des Beratungshauses Scheller Consulting, Agile Coach und Autor des Buches „Auf dem Weg zur agilen Organisation“. Verordnete Agilität stößt jedoch häufig auf massiven Widerstand. „Der tayloristische Ansatz, Anweisungen zu erteilen und deren Umsetzung zu kontrollieren, funktioniert in einer zunehmend komplexen Welt nicht mehr“, so Scheller.
Häufig sind es unausgesprochene Glaubenssätze und langjährige Firmentraditionen, die den Wandel verhindern. Laut dem „CIO Survey 2018“ des Beratungsunternehmens Gartner nennen 46 Prozent der befragten Führungskräfte die Unternehmenskultur als das größte Hindernis, wenn es darum geht, die Digitalisierung voranzutreiben und Strukturen zu transformieren. Menschen und Prozesse stellen auch der Wipro-Umfrage zufolge die größten Hürden für die digitale Transformation dar. 50 Prozent der 1400 befragten Führungskräfte nannten diese beiden Faktoren als wesentliche Gründe für das Scheitern solcher Projekte.

Veränderung fällt schwer

Eine ganze Reihe von Problemen steht typischerweise dem Wandel entgegen:
Traditionen und Glaubenssätze: In allen Unternehmen, die länger als ein paar Jahre am Markt agieren, haben sich Vorstellungen und Modelle entwickelt, die meist unausgesprochen sind und gerade dadurch sehr viel Einfluss ausüben. So kümmert sich etwa traditionell die Entwicklungsabteilung um das Design neuer Produkte. Eine Support-Mitarbeiterin, die aus dem direkten Kundenkontakt viel besser wüsste, welche Probleme die Anwender mit den Produkten haben und wo sie sich Verbesserungen wünschen, wird erst gar nicht gehört. Auch Glaubenssätze wie „Eigeninitia­tive nützt hier sowieso nichts“, oder „Wenn ich eine gute Idee habe, klaut sie ohnehin mein Chef“, können Veränderungsprozesse massiv stören.
Starre Hierarchien: Die klassische Befehlsfolge, bei der Entscheidungen oben getroffen und unten ausgeführt werden, ist mit direkten Change-Management-Methoden kaum aufzubrechen. Die Chefetage müsste sich dazu ja quasi selbst entmachten. Aber auch wenn sie dies über sich brächte, wäre wahrscheinlich nicht viel gewonnen, denn aus Befehlsempfängern kann man nicht über Nacht selbstständig entscheidende Mitarbeiter machen.
Martin Bartonitz, Senior Produktmanager & Product Owner bei Optimal Systems, kennt das Problem aus seinem Engagement im Forum Agile Verwaltung (https://agile-verwaltung.org): „Der Öffentliche Dienst ist in sich sehr stabil und schwer zu bewegen“, konstatiert Bartonitz. „Hier Ideen einzubringen, wie Arbeit jenseits klassischer Hierarchien gestaltet werden kann, ist eine echte Herausforderung.“
Vermeidung und Verdrängung: Es ist menschlich, unangenehme Wahrheiten zu verdrängen und schmerzhafte, aber notwendige Schritte zu vermeiden. Wer Probleme in Unternehmen anspricht, wird meist als Störenfried, Bedenkenträger oder Querulant betrachtet, und gefährdet seinen Job. „Organisationen richten sich gerade in unsicheren Zeiten häufig sehr stark auf Stabilität aus“, weiß Torsten Scheller.  „Man versucht dann das Problem zu beheben, indem man den Symptomträger entfernt.“
Unklarheit: Prognosen sind immer mit Unsicherheit behaftet und damit ein leichtes Ziel für Gegenargumente. Wer weiß schon, ob die disruptive Veränderung wirklich kommt oder welche Folgen ein „Weiter so“ in fünf Jahren haben wird. Vielleicht haben die Skeptiker ja recht und der agile Hype löst sich in Luft auf, wie einst die Dotcom-Blase zu Beginn des Jahrtausends.
Fehlende Ressourcen: Häufig werden Veränderungsprozesse erst dann angestoßen, wenn es nicht mehr anders geht. Meist sind Unternehmen dann schon in einer finanziellen Schieflage, die besten Köpfe haben das sinkende Schiff längst verlassen, für Agile Coaches, Berater und Change-Manager fehlt das Geld.
Da sich solche Probleme nur sehr schwer direkt adressieren und lösen lassen, ist in den vergangenen Jahren das „Culture Hacking“ in Mode gekommen. Ursprünglich als Methode der Gegenwartskunst entwickelt, um kulturelle Deutungsmuster zu dekonstruieren, findet es zunehmend auch in Firmen Anwendung.
Der Begriff nimmt natürlich Bezug auf die Begriffe Hack und Hacking aus dem Computerbereich und ihre ambivalenten Bedeutungen. Wer „hackt“, tüftelt im besten Fall an einer Software herum oder baut aus einer Festplatte eine Türklingel. Weniger freundliche Hacker dringen in fremde Systeme ein, übernehmen Nutzerkonten und stehlen Daten. In Analogie dazu dringt auch der Culture Hacker in ein System ein, um es zu verändern.
Martin Bartonitz zum Beispiel macht seine Erfahrungen aus der Software-Branche, in der Agilität schon deutlich länger ein Thema ist, für die Verwaltung nutzbar: „Das Forum Agile Verwaltung ist unser Culture Hack, mit dem wir den Interessierten im Öffentlichen Dienst Wege und Möglichkeiten aufzeigen wollen, frischen Wind in die Amtszimmer zu bringen.“
2. Teil: „Was Culture Hacks auszeichnet“

Was Culture Hacks auszeichnet

  • Quelle:
    Wipo "Digital Transformation Survey 2019"
Ein typischer Culture Hack hat laut Mary Mesaglio, Distin­guished VP Analyst bei Gartner, folgende Eigenschaften:
Geringer Aufwand: Culture Hacks sind keine von langer Hand geplanten Riesenprojekte, in denen 30 Leute sechs Monate lang an einem Thema arbeiten. „In den meisten Fällen sollte man einen Hack in weniger als 48 Stunden entwerfen und ausführen können“, betont Mesaglio.
Regelverletzung: Ein Hack bricht Regeln und verletzt Erwartungen. „Auch wenn es nur kleine Nadelstiche sind, erfordert ein Hack doch Mut“, warnt Mesaglio. Damit der Hack nicht nach hinten losgeht, mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt und womöglich die eigene Karriere gefährdet, empfiehlt Mesaglio, sich Verbündete zu suchen: „Teilen Sie ihre Hacking-Absichten mit einer Handvoll Kollegen, denen Sie vertrauen können. Das hilft Ihnen, mutige von selbstmörderischen Hacks zu unterscheiden.“
Unmittelbare Auswirkungen: Ein Hack provoziert Reaktionen und verändert die Rahmenbedingungen direkt. „Man muss nicht lange darauf warten, bis ein Ergebnis zu sehen ist“, ergänzt die Gartner-Analystin.
Sichtbarkeit: Ein guter Hack macht Probleme anschaulich, über die sonst nur theoretisch gesprochen wird. Was für Folgen hat es konkret, wenn Meetings zu lange dauern? Was muss sich wirklich ändern, damit wir kundenzentrierter arbeiten? Solche und ähnliche Fragen werden durch Culture Hacks mit Leben gefüllt.
Emotionale Reaktionen: Culture Hacking spricht Menschen nicht nur auf einer rationalen, sondern vor
allem auf einer emotionalen Ebene an. „Positive und negative Gefühle wie Angst, Überraschung, Schock, Stolz, Scham und Lachen gehören zum Spiel dazu“, unterstreicht Mesaglio. Das emotionale Engagement macht den Hack einprägsam und hilft, echte Veränderungen herbeizuführen. „Menschen verändern sich aus emotionalen Gründen, nicht aus intellektuellen“, so die Gartner-Analystin.

Anwendungsszenarien

  • Quelle:
    Wipo "Digital Transformation Survey 2019"
Culture Hacking wird meist dann eingesetzt, wenn traditionelle Ansätze wie Appelle, Motivationsseminare oder neue Vorschriften nicht zum gewünschten Erfolg führen. „Es ist legitim, indirekte Methoden wie Culture Hacking auszu­probieren, wenn die Belegschaft zu erstarrt ist, um Veränderungen mitzumachen“, sagt Martin Bartonitz von Optimal Systems.
Auch Gartner sieht das Hacking als eine Management-Methode, mit der Führungskräfte ihre Mannschaft auf Kurs bringen können. „Culture Hacking ist in jeder Situation einsetzbar, in der eine Veränderung oder Transformation der gegenwärtigen Überzeugungen, Verhaltensweisen und Arbeitsweisen stattfinden muss“, sagt Mary Mesaglio. Vor jedem Culture Hacking sollten Führungskräfte in wenigen Sätzen ohne Firmenkauderwelsch und Schlagwörter erklären können, was genau sich ändern soll und warum. Die Botschaft sollte außerdem von anderen verstanden und in eigenen Worten wiedergegeben werden können. „Diese Klarheit und Nachhaltigkeit zu erreichen ist nicht einfach, aber es ist absolut notwendig, damit Führungskräfte wissen, worauf sie sich einlassen“, gibt Mesaglio zu bedenken.
Andere Experten begegnen diesen Ansatz jedoch mit Vorsicht: „Manager sind selbst Teil des Systems“ wendet Torsten Scheller von Scheller Consulting ein.  „Es ist daher ein Irrtum zu glauben, sie könnten das System unter sich so einfach steuern.“ Scheller sieht Culture Hacking eher als „systemische Intervention“ denn als gezielt einzusetzendes Management-Tool: „Wir geben durch eine Störung einen Impuls in das System“, so der Berater, „aber wir können nicht vorhersehen, wie es darauf reagiert.“ Eine direkte Korrela­tion zwischen Ursache und Wirkung zu postulieren, sei ohnehin problematisch: „Es kann gut sein, dass das Ergebnis meines Hacks meinen Absichten entspricht“, erklärt Scheller. „Das heißt aber noch lange nicht, dass tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen beidem besteht.“
Dennoch hält auch Scheller Culture Hacks für sinnvoll: „Letztendlich gehört es zu den Aufgaben einer Führungskraft, Irritationen anzubringen, zu beobachten, wie das System darauf reagiert, und mit den Wechselwirkungen zu jonglieren.“ Software-Experte Martin Bartonitz sieht vor allem den manipulativen Ansatz von Culture Hacking kritisch: „Der Hacker versucht, andere zu etwas zu bewegen, ohne dass er seine Ziele offenlegt“, erklärt der Optimal-Systems-Manager. „Es besteht die Gefahr, Menschen massiv zu demotivieren, wenn die Betroffenen merken, dass sie manipuliert wurden.“
3. Teil: „Hacks von oben …“

Hacks von oben …

  • Quelle:
    Wipo "Digital Transformation Survey 2019"
Wer Beispiele für mehr oder weniger gelungene Hacks sucht, der wird auf Seiten wie Bizculturehackers.com und Hackthe.org fündig. Auch Gartner, die CIO-Plattform The Enterprisers Project und das Beratungsunternehmen Smartminds liefern Anschauungsmaterial. Hier nur eine kleine Auswahl:
CEO-Blog: Der neuen Geschäftsführerin eines Unternehmens missfiel der steife und formelle Umgang im Unternehmen. Sie startete daraufhin einen Unternehmens-Blog, der bewusst in einem lockeren Ton gehalten war. Bereits ihr erster an die Belegschaft gerichteter Blog-Beitrag schockierte viele Mitarbeiter, die solche persönlichen und informellen Mitteilungen aus der Führungsetage nicht gewohnt waren. Sie machte damit nicht nur die Kultur, die sie sich wünschte, direkt erfahrbar, sondern stieß darüber hinaus unter den Mitarbeitern eine Diskussion über angemessenes Verhalten und richtige Kommunikation an. (Quelle: Gartner)
Der wandernde CIO: Viele CIOs entwickeln ambitionierte Transformationsstrategien, die dann in der Schublade verstauben. Ein Manager wollte sich damit nicht abfinden und erfand seinen persönlichen Hack. Einen Tag nachdem die neueste Strategie verkündet worden war, ging er von Konferenzraum zu Konferenzraum und nahm an praktisch jedem Meeting teil - nur um immer dieselbe Frage zu stellen: „Wie bringt dieses Meeting unsere neue Strategie voran?“ Natürlich hatten die meisten Besprechungsteilnehmer keine Antwort darauf, weil das Meeting lange vor der neuen Strategieankündigung geplant worden war. Der CIO beendete darauf hin die Besprechungen, da sie im Lichte der neuen Strategie unsinnig waren, und wartete, bis alle Teilnehmer den Raum verlassen hatten. „Eine solche Aktion bleibt den Mitarbeitern im Gedächtnis und lässt sie darüber nachdenken, welche Auswirkungen ihr tägliches Tun auf die neue Strategie hat“, erklärt Mary Mesaglio von Gartner. (Quelle: Gartner)
Wechselnde Inneneinrichtung: Der Wasserpumpenhersteller Grundfos arbeitet an seiner digitalen Transformation und hat dazu neben der Zentrale eine eigene „digitale Fabrik“ aufgebaut, die IoT-Lösungen entwickelt. Die Einrichtung der Gebäude unterscheidet sich im Stil deutlich von den übrigen Firmengebäuden und wird außerdem regelmäßig verändert, um die Innova­tionskraft der Mitarbeiter zu fördern. (Quelle: The Enterprisers Project)
Das institutionalisierte Ja: Wenn Führungskräfte bei Amazon den Projektvorschlag eines Mitarbeiters bewerten, ist eine Zustimmung Standard. Lehnt ein Manager die Idee ab, muss er eine zweiseitige Begründung für sein Nein schreiben und diese im Intranet veröffentlichen. Das Unternehmen will es damit schwerer machen, Vorschläge einfach nur aus Gewohnheit oder Ignoranz abzulehnen. (Quelle: The Enter­prisers Project)
Umgekehrtes Mentoring: Bei IBM begleiten Führungskräfte einen halben oder ganzen Tag lang junge Mitarbeiter - nicht um sie zu coachen, sondern um von ihnen zu lernen. Die Erkenntnisse sollen in neue Führungskonzepte und Innova­tionsprozesse einfließen. (Quelle: The Enterprise Project)
Tipps zum Culture Hacking
  • Gute Hacks sind klein und kommen aus dem Bauch he­raus. Sie lösen bei den Adressaten emotionale Re­ak­tionen aus.
  • Gute Hacks führen schnell und ohne großen Aufwand zu sichtbaren Veränderungen. Vermeiden Sie es, sich unrealistische Ziele zu setzen, etwa die komplette Unternehmensorganisation zu verändern.
  • Machen Sie einen Notfallplan, falls der Hack schiefgeht.
  • Haben Sie eine klare Vorstellung davon, welche kultu­relle Veränderung Sie erreichen wollen.
  • Bitten Sie im Vorfeld nicht um Erlaubnis, sondern notfalls im Nachhinein um Entschuldigung.
4. Teil: „… und von unten“

… und von unten

  • Anschauungsmaterial: Bespiele für Culture Hacks finden sich auf Seiten wie Bizculturehackers.com.
    Quelle:
    com! professional / shutterstock.com
Culture Hacks werden allerdings nicht nur von Managern eingesetzt, auch von unten lassen sich durch gezielte Nadelstiche Veränderungen anstoßen:
Die Klozeitung: In einer Technologiefirma kämpfte das „User Insights“-Team gegen die technokratischen Ansichten und Arbeitsweisen der Ingenieure, die das veränderte Verbraucherverhalten und die zunehmende Nutzung mobiler Endgeräte nicht berücksichtigten. Die Entwickler konzen­trierten sich auf immer schnellere und leistungsfähigere Chips und ignorierten dabei neue Anforderungen aus der Smartphone-Welt wie geringe Wärmeentwicklung und Energieeffizienz. Weder schöne PowerPoint-Präsentationen der Insights-Abteilung noch die persönliche Vorstellung der Erkenntnisse brachte eine Veränderung. Die Ingenieure weigerten sich einfach, die Informationen zur Kenntnis zur nehmen. Das Kundenteam entschied sich daher, seine Erkenntnisse dort zu veröffentlichen, wo sie nicht ignoriert werden konnten: auf der Innenseite der Toilettenkabinen. Der Hack wirkte und die Ingenieure nahmen, wenn auch widerwillig, die „Klozeitung“ zur Kenntnis. (Quelle: Hackthe.org).
Gefälschte Pressemitteilung: Ein etabliertes Großunternehmen ruhte sich auf den Leistungen der Vergangenheit aus und erkannte nicht, dass neue disruptive Entwicklungen sein Geschäftsmodell gefährdeten. Die unterbesetzte und unter­finanzierte Entwicklungsabteilung versuchte vergeblich, das Management von einer Kursänderung und einer besseren Ausstattung ihres Bereichs zu überzeugen. Daraufhin lancierten die Entwickler eine gefälschte Pressemitteilung eines Wettbewerbers, in der die Marktreife eines technologisch überlegenen Konkurrenzprodukts angekündigt wurde, und schickten sie an die Führungskräfte. Das Management schluckte den Köder und geriet in Panik. Als das Entwicklungsteam die Fälschung zugab, war die Führungsriege kurz davor, die komplette Mannschaft zu feuern, entschied sich dann aber doch dafür, mehr Ressourcen für innovative Projekte zur Verfügung zu stellen. (Quelle: Hackthe.org)
Qualm aus der Mikrowelle: In einem anderen Unternehmen musste das gesamte Research-and-Development-Team regelmäßig an vierstündigen Meetings teilnehmen, in denen jedes Team-Mitglied bis ins kleinste Detail über den aktuellen Stand und den Fortschritt seiner Projekte zu berichten hatte. Die
  • Quelle:
    Wipo "Digital Transformation Survey 2019"
Meetings waren langweilig und sinnlos, da es vor allem darum ging, vor dem oberen Management gut dazustehen, und nicht darum, sachliche Probleme zu lösen. Ein Mitarbeiter startete darauf hin einen Culture Hack, indem er während des Marathon-Meetings einen Beutel Popcorn in die Mikrowelle der Etagenküche legte und eine viel zu lange Garzeit einstellte. Wie geplant ging das Popcorn in Rauch auf und das gesamte Meeting musste evakuiert werden. Der Hacker schrieb daraufhin eine E-Mail an den Brandschutzbeauftragten des Unternehmens und wies ihn auf die Gefahren für die R&D-Abteilung hin, wenn sich in einem Brandfall sämtliche Mitarbeiter in einem Raum befinden. Er schlug vor, nur noch je einen Vertreter pro Projektteam in das Status-Meeting zu senden, um bei künftigen Bränden das Risiko zu verringern. Der Hack funktionierte und die Zahl der Meeting-Teilnehmer wurde drastisch reduziert. (Quelle: Business Culture Hackers)

Fazit & Ausblick

Culture Hacks greifen in bestehende Systeme ein, brechen Regeln und bringen Dinge an die Oberfläche, die bisher nicht sichtbar waren. Das Ergebnis lässt sich nur erhoffen, aber nicht planen. Zwischen Erfolg und Katastrophe ist die Trennlinie manchmal nur hauchdünn, wie manche der Beispiele zeigen. Das Spiel mit der Gefahr gehört jedoch essenziell zu einem Hack dazu. Risiko und Wirkung sind direkt korreliert, es gilt der Satz „Wer nichts wagt, der nichts gewinnt.“
Daher sollten Manager, aber auch Mitarbeiter durchaus zu drastischen Hacks greifen, wenn die gewünschte Veränderung anders nicht zu erreichen ist, Widerstände unüberwindbar scheinen oder Konflikte unter der Oberfläche brodeln und nicht benannt werden können oder dürfen. Am Ende wird die Organisation darauf reagieren und die Erstarrung überwunden sein - egal wie das Ergebnis letztendlich aussieht. „Es gibt beim Culture Hacking kein Scheitern“, sagt Torsten Scheller. „Selbst wenn der Hack nicht so funktioniert wie beabsichtigt, hinterlässt er Spuren und verändert das System.“

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