Mobilfunk
13.09.2019
Network Slicing
1. Teil: „5G-Slicing schafft neue Business-Chancen“

5G-Slicing schafft neue Business-Chancen

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Iaremenko Sergii / shutterstock.com
Network Slicing ermöglicht Unternehmen angepasste 5G-Netze für das Internet of Things. Dabei kommen die niedrigen 5G-Frequenzen zum Einsatz. Abgebildet werden damit virtueller Mobilfunknetze.
  • Mehr Marketing-Gag als Technik-Highlight: Das Fürstentum Monaco erklärte sich zum ersten europäischen Staat mit flächendeckendem 5G.
    Quelle:
    Direction de la Communication, Monaco
In der bisher längsten Versteigerung der Mobilfunkgeschichte Deutschlands kamen die 5G-Mobilfunkfrequenzen im Bereich von 2 GHz und 3,6 GHz unter den Hammer. Dabei verbuchte der Bund nach 497 Auktionsrunden einen Erlös von satten 6,54 Milliarden Euro. Das Geld sieht die Bundesregierung als gut angelegt an - Deutschland soll Weltspitze bei der digitalen Infrastruktur und Leitmarkt für 5G werden; der Mobilfunkstandard 5G sei eine Schlüsseltechnologie der digitalen Transformation.
Bei der aktuellen Versteigerung haben vier Mitstreiter eigene 5G-Frequenzblöcke ersteigert. Neben den aktuellen Netzbetreibern Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica bekam auch der Herausforderer United Internet über seine Tochterfirma 1&1 Drillisch den Zuschlag für eigene Frequenzen. Das Unternehmen hat bisher kein eigenes Mobilfunknetz und bediente seine Kunden bislang über die Infrastruktur seiner Mitbewerber.
Mit der teuren Ersteigerung der 5G-Mobilfunkfrequenzen kommen auf die vier Mobilfunkbetreiber nun allerdings erst recht ordentliche Kosten zu. Die Bundesnetzagentur, ein Bereich des Bundeswirtschaftsministriums und sowohl für die technische wie auch die wettbewerbliche Aufsicht in der deutschen Telekommunikation zuständig, schreibt den Unternehmen unter anderem vor, alle Autobahnen und Bundesstraßen in Deutschland mit 100 MBit/s flotter 5G-Konnekti­vität bei einer Latenz von maximal 10 Millisekunden zu versorgen. Ähnliche Anforderungen gelten für alle Bahntrassen mit mehr als 2000 Fahrgästen pro Tag. Hinzu kommt, dass 98 Prozent der Haushalte in Deutschland eine 5G-Abdeckung erhalten sollen.

Frequenzen und Geschwindigkeit

Doch wer glaubt, dass er bald mit 5G online sein wird, der irrt. Den ersten Frequenzbereich von 3,6 GHz plant die Bundesnetzagentur bis zum Jahr 2022 freizugeben. Erst 2026 sollen dann alle versteigerten Frequenzblöcke zur Verfügung stehen.
2 GHz, 3,6 GHz - wo liegen eigentlich die Unterschiede zwischen den einzelnen Frequenzen? Grundsätzlich gilt: Mit einer steigenden Frequenz sinkt zwar auf der einen Seite die Reichweite und damit die mögliche Mobilfunkabdeckung, auf der anderen Seite steigt jedoch die erzielbare Bandbreite und damit die Geschwindigkeit der Datenübertragungen.
Dazu als Beispiel das aktuelle 4G/LTE-Mobilnetz: Bei den in Deutschland funkenden LTE-Netzen kommen die Frequenzen 800 MHz, 1800 MHz und 2600 MHz zum Einsatz. Ein Mobilfunkmast, der im Frequenzbereich 800 MHz funkt, deckt einen Umkreis von rund 10 Kilometern ab. Ein Mobilfunkmast, der im Bereich von 2,6 GHz funkt, deckt hingegen einen Umkeis von nur wenigen Hundert Metern ab. Dafür erlaubt der 2,6-GHz-Mast höhere Datenraten.
Das stellt die Betreiber von 5G-Netzen allerdings vor Probleme: Um hochperformante Mobilnetze mit 10- oder gar 20-GBit/s-Datenraten zu betreiben, sind hohe Frequenzen ab 2,4 GHz notwendig - mit einer entsprechend geringen Abdeckung. Daher müssten die Mobilfunk­betreiber so etwa alle paar Hundert Meter einen 5G-Funkmasten aufstellen.
Eine Antwort darauf heißt: Multi-Layer-Frequenzspek­trum. Die Idee dahinter: Man teilt bei 5G das verfügbare Frequenzspek­trum in drei Nutzungs- und Bedarfsbereiche auf. Frequenzen von 700 MHz bis 2,1 GHz breiten sich weit aus und durchdringen Wände. Diese Frequenzen sollen die Abdeckung ländlicher Regionen ermöglichen (Coverage Layer). Die mittleren Frequenzbereiche zwischen 3,4 bis 3,8 GHz (Coverage and Capacity Layer) sind im Hinblick auf die erzielbaren Datenübertragungsraten wesentlich leistungsstärker und gelten als der bestmögliche Kompromiss zwischen Datenraten und Reichweite. Die hohen Frequenzen ab 26 GHz erreichen ex­trem schnelle Übertragungsraten bei einer geringen Reichweite (Super Data Layer).
Die jüngst versteigerten 5G-Frequenzen im Bereich von 2 GHz und 3,6 GHz befinden sich im mittleren Frequenzbereich (Coverage and Capacity Layer) und eignen sich so vor allem zunächst einmal für die Versorgung von Ballungsräumen. Ab 2025 plant die Bundesnetzagentur die Bereitstellung von weiteren Frequenzen für den Ausbau des 5G-Mobilfunks in der Fläche. Hierfür sollen zum Beispiel auch bislang für den 3G-Mobilfunk verwendete Frequenzen für den 5G-Funk genutzt werden.
Wichtige Nutzungsszenarien von 5G
Die internationalen Standard-Organisationen ITU und IMT haben für den flotten 5G-Mobilfunk drei primäre Nutzungszenarien im Sinn:
  • Enhanced Mobile Broadband (kurz: eMBB): Internetzugang über drahtlose Konnektivität mit hoher Bandbreite für Video-Streaming in Ultra-HD-Auflösung, Streaming von 360-Grad-Video und virtuelle Realität.
  • Massive Machine-Type Communications (mMTC): Internetzugang zum Übersenden von Rohdaten durch Mess-, Erfassungs- und Überwachungsgeräte der Industrie 4.0 und verwandter Anwendungen. Die technischen Feinheiten von mMTC wurden erstmals im Zusammenhang mit 3GPP Release 13/14 LPWA (Low Power Wide Area Network) ausgearbeitet. Hierbei handelt es sich um Niedrigenergie-Weitverkehrsnetzwerke etwa für schmalbandiges Internet der Dinge, kurz NB-IoT.
  • Ultra-Reliable Low-Latency Communications (URLLC): Fabrikautomation, autonomes Fahren, smarte Fabrik, Smart Grid, Roboterbetrieb und andere Nutzungsszenarien mit garantierter Latenz von weniger als 1 Millisekunde und Zeitstempel-fähig.
2. Teil: „Network Slicing“

Network Slicing

Bei 5G stehen nicht ausschließlich die höheren Bandbreiten im Mittelpunkt. Die weitaus inte­ressantere Neuerung ist vielmehr die Fähigkeit zur sogenannten Netzwerkvirtualisierung, dem Network Slicing. Mit dieser Technik lassen sich die Frequenzbänder von 5G virtuell partitionieren und damit die unterschiedlichen Nutzungsszenarien in kleinen, virtuellen Mobilfunknetzen abbilden.
So haben Nutzer, Unternehmen und Anwendungen einen sehr individuellen Bedarf an Datenraten, Geschwindigkeiten und Kapazitäten im Mobilfunknetz. Zum Beispiel hat die M2M-Kommunikation (Machine to Machine) kritischer Infrastrukturen in der Regel keine Toleranzen in Bezug auf Latenz und Netzwerkausfälle. Die Video-Übertragung verkraftet hingegen kurze Verzögerungen oder Aussetzer, stellt dafür aber hohe Ansprüche an die verfügbare Bandbreite.
Network Slicing erlaubt es den Mobilfunk­anbietern, ihre 5G-Infrastruktur oder Teile davon anwendungsbezogen bereitzustellen, also als eigenes virtuelles Netz mit individuellen Eigenschaften wie einer zugesicherten Datenkapazität oder Reaktionszeit (Latenz). Mit Network Slicing können 5G-Anbieter unterschiedliche Zielgruppen mit bedarfsgerechten und individuellen 5G-Netzwerken versorgen. Für diese In­frastruktur-Virtualisierung des 5G-Netzes setzt das Network Slicing auf drei Technologien:
5G-NR-Standard (5G New Radio): Dieser Mobilfunkstandard entkoppelt die Funktionalität der Software von der Hardware-Infrastruktur eines 5G-Mobilfunkanbieters, damit sich beide Schichten separat voneinander aktualisieren lassen
Software-defined Networking (SDN): SDN-Technologie virtualisiert und partitioniert das Edge- und Core-Netzwerk, um die Konnektivität dynamisch in Software zu implementieren
Network Functions Virtualization (NFV): NFV virtualisiert Netzwerkfunktionen durch die Trennung der Dienste von den physischen Netzwerkressourcen auf standardisierten Netzwerkgeräten, um sie dann durch Software auf standardisierten Compute-Knoten provisionieren zu lassen.

Praxisbeispiel I: Hafenanlagen

  • Praxisbeispiel I: Network Slicing versorgt im Hamburger Hafen IT-Anlagen und Boote mit einem eigenen 5G-Netz.
    Quelle:
    Hamburg Port Authority
In der Praxis wird das Network Slicing bereits vielfach ausprobiert. Die Hamburg Port Authority, Betreiber von Hamburgs Hafenanlagen, testet das Network Slicing im Rahmen eines zweijährigen Pilotprojekts. In Zusammenarbeit mit Nokia und der Deutschen Telekom haben mehrere Feldversuche gezeigt, dass sich komplexe mobile Anwendungen mit sehr unterschiedlichen 5G-Anforderungsprofilen mit Hilfe von Network Slicing unter einen Hut bringen lassen und zuverlässig funktionieren. Dazu wurden auf dem Hamburger Fernsehturm, dem Heinrich-Hertz-Turm, in 150 Metern Höhe 5G-Antennen montiert, die das gesamte Hafengebiet abdecken. Ein Einsatzszenario erprobte die Fernwartung von IT-Anlagen mit Hilfe von 5G und einer VR-Brille. Die Zuteilung der Bandbreite erfolgte durch Network Slicing. Auch die Schiffe der Hamburger Flotte, zu der etwa Boote der Wasserschutzpolizei und Feuerlöschboote gehören, nutzen das 5G-Netz. Sensoren an Bord messen etwa Daten zu Luftqualität oder Windstärke und schicken sie an eine Leitzentrale.
„Wir haben durch das Testbed jetzt einen ersten Eindruck bekommen, welches enorme Potenzial uns 5G und insbesondere die Möglichkeit des Network Slicings bieten wird“, resümiert Jens Meier, CEO der Hamburg Port Authority, die bisherigen Erfahrungen mit 5G. Und Projektleiter Hendrik
Roreger von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg freut sich: „Wir haben durch das Forschungsprojekt einen großen Vorsprung bekommen.“

Praxisbeispiel II: Autoproduktion

  • Praxisbeispiel II: In der Produktionshalle von e.GO Mobile versorgt Network Slicing die einzelnen Fertigungsbereiche mit individuellen 5G-Netzen.
    Quelle:
    Vodafone
In der Fabrik des Elektroautoherstellers e.GO Mobile schafft Network Slicing die Voraussetzungen zur Gewährleistung bedarfsgerechter Konnektivität in den verschiedenen Bereichen der Fertigung. Der Schwerpunkt liegt derzeit auf der Steuerung autonomer Transportfahrzeuge und dem digitalen Materialmanagement. In Zukunft sollen auch Drehmoment-Werkzeuge und Roboter Anschluss an das individuelle 5G-Netz erhalten. Insgesamt 36 kleine 5G-Mobilfunk-Antennen garantieren in der 8500 Quadratmeter großen Produktionshalle Bandbreiten im GBit-Bereich so­wie niedrige Latenzzeiten von wenigen Millisekunden.

Skepsis in der Industrie

Für die deutsche Wirtschaft steht eine ganze Menge auf dem Spiel. „Für den Industriestandort Deutschland ist 5G eine Schlüsseltechnologie“, so Achim Berg vom Digitalverband Bitkom. „Sehr hohe Geschwindigkeiten und ultrakurze Reak­tionszeiten sind die Basis für die smarte Fabrik. Die deutsche Industrie bekommt mit 5G einen enormen Schub.“ Auch Walter Goldenits, Geschäftsführer Technologie bei der Deutschen Telekom, lobt die Vorzüge von 5G: „Die Latenzverzögerungen im Netz sind mit dieser Technologie Geschichte.“
Die Industrie in Deutschland selbst ist in Bezug auf 5G eher geteilter Meinung. Jedes zweite Industrieunternehmen ab 50 Mitarbeitern schätzt die künftige 5G-Verfügbarkeit zwar als wichtig ein, wie eine Umfrage von Bitkom im Mai dieses Jahres ergab. Genauso viele vertreten demnach allerdings die gegenteilige Meinung. Bei Großkonzernen ab 2000 Mitarbeitern ist die Bedeutung von 5G rund zwei Dritteln der Entscheidungsträger bewusst. Doch jeder Dritte meint, das Thema 5G werde „in der öffentlichen Diskussion aktuell massiv überschätzt“.
3. Teil: „5G und Sicherheit“

5G und Sicherheit

Heftig diskutiert werden außerdem noch die Gefahren von 5G. Mit der wachsenden Verbreitung des neuen Mobilfunkstandards nehmen zwangsläufig auch die Risiken dieser Technologie zu - und die Herausforderungen für die Betreiber.
Diese Überzeugung vertritt beispielsweise der Netzwerkausrüster Cisco. Dienste-Anbieter seien nun einer noch nie dagewesenen Anzahl an Cyberbedrohungen ausgesetzt. Wenn sich ein Gerät bei einem neuen Mobilfunkmast anmeldet, um Konnektivität zu erhalten, übertrage es bestimmte Identifikationsdaten. Sowohl in 4G/LTE als auch in 5G wandern diese Daten im Klartext über das Netz. Sicherheits­experten konnten in Experimenten diese unverschlüsselten Informationen abfangen und folglich die betroffenen Geräte identifizieren und durch das Netzwerk verfolgen.
Nach Angaben von Cisco sollen zurzeit allein bei dem US-amerikanischen Telekommunikationsanbieter AT&T 11 Milliarden Sicherheitsvorfälle pro Tag auftreten. Diese Zahl soll mit der Umstellung auf den 5G-Mobilfunkstandard auf kaum vorstellbare 720 Milliarden Sicherheitsvorfälle pro Tag ansteigen - das entspräche einer Zunahme um 6500 Prozent.
Ein weiteres Problem besteht aus Sicht der Cisco-Experten darin, dass sich im Lauf der Zeit unternehmenseigene IT-Netze mit 5G-Netzwerken integrieren und damit unbeabsichtigterweise Hackern Tür und Tor zur Unternehmens-IT öffnen. Außerdem warnt der Netzwerkspezialist eindringlich davor, dass es bei besonders nützlichen neuen 5G-Einsatzszenarien wie Telemedizin und autonomem Fahren schnell um Fragen von Leben und Tod gehe. Und selbst die nationale Sicherheit und der Schutz vor Wirtschaftsspionage spielen bei den Diskussionen um 5G eine wichtige, wenn auch umstrittene Rolle. Den europäischen Markt für 5G-Ausrüstung dominiert Hardware auf der Basis von (fernsteuerbaren) 5G-Chips aus China, speziell von Huawei. Mitglieder der Five-Eyes-Allianz - eines Bündnisses der Geheimdienste von Australien, Kanada, Neuseeland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten - machen aus ihrer Sorge um die Kontrolle chinesischer Marktakteure über die Datenflüsse in den entstehenden 5G-Netzen keinen Hehl. Dass US-Präsident Donald Trump diese Bedenken gerne für seinen Kampf gegen das aufstrebende China aufgegriffen hat, muss nicht heißen, dass an den Vorwürfen nichts dran ist.

Ausblick

Eines ist sicher: Einen Weg vorbei an der 5G-Technologie wird es nicht geben. Die Vorteile wie flotte Datenraten, niedrige Latenz und neue Funktionen wie Network Slicing schaffen vor allem im Bereich des Internet of Things ganz neue Möglichkeiten. Und nach einigem Zögern ist der Startschuss für 5G ja auch in Deutschland endlich gefallen. Der Weg zu einer robusten und sicheren Implementierung drahtloser Konnektivität braucht jedoch seine Zeit. Denn die Technologie bringt weitreichende Implikationen für die Datensouveränität und die nationale Sicherheit mit sich. Das zurückhaltende Vorgehen in Deutschland hat auf jeden Fall den einen Vorteil: Es bleibt noch Zeit, die insbesondere von den hohen 5G-Frequenzen ausgehenden potenziellen Gesundheitsgefahren näher zu erforschen. Unaufholbar ins Hintertreffen geraten ist Deutschland bislang jedenfalls noch nicht.
Vorteile von Network Slicing
Zu den wichtigsten Merkmalen der Network-Slicing-Technik zählen:
  • Netzwerkisolation: Einzelne Slices lassen sich vom öffentlichen Internetzugang abschotten, um die Datenflüsse auf private VPNs zu beschränken, und/oder durch kundenspezifische Firewalls zu filtern.
  • Datenisolation: Die Abschottung des Zugriffs auf Daten aus anderen Slices heraus ermöglicht die Kontrolle von Netzwerkzugriffen im gemeinsamen Mobilfunkspektrum.
  • Isolierte Zugriffskontrolle: Jedes Slice kann auf ein eigenes System des Identitätenmanagements vertrauen; Mobilfunkanbieter können so ihren Kunden erlauben, die für ein Slice provisionierten Ressourcen und Sicherheitsrichtlinien selbst zu verwalten.
  • Dedizierte IT-Ressourcen: Um eine garantierte Leistung und die Hochverfügbarkeit der Mobilfunkdienste zu gewährleisten, lassen sich für ein Slice dedizierte physische IT-Ressourcen provisionieren.

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