5G
13.08.2018
Viel mehr als nur Bandbreite
1. Teil: „5G wird Schlüsseltechnik der Digitalisierung“

5G wird Schlüsseltechnik der Digitalisierung

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Sergii Laremenko / shutterstock.com
Die 5G-Technologie ist derzeit eine der größten Herausforderungen für die Mobilfunkindustrie. Aber auch Unternehmen sollten sich für die drahtlose Kommunikation von morgen fit machen.
Netzausrüster und -betreiber haben sich für die nächste Mobilfunkgeneration viel vorgenommen. 5G soll Datenraten von bis zu 10 GBit/s über die Luftschnittstelle, garantierte Bandbreiten von 50 MBit/s für einzelne Anwender, Latenzen von unter einer Millisekunde sowie 90 Prozent weniger Stromverbrauch ermöglichen und Milliarden von Endgeräten anbinden können.
Der Standard ist aber mehr als einfach nur eine Fortentwicklung aktueller LTE-Netze. „5G als Technologie verspricht das Thema Konnektivität auf eine neue Ebene zu heben“, sagt Michael Lemke, Senior Technology Expert beim Netzausrüster Huawei Deutschland. Die Industrie und die Standardisierungsgremien wollen in der Tat eine neue Ära einleiten, in der Mobilfunk zur Schlüsseltechnologie für die Digitalisierung wird: „5G ist die wichtigste Innovation im Bereich Vernetzung“, erklärt Professor Hans Dieter Schotten, Inhaber des Lehrstuhls für Funkkommunikation und Navigation an der Technischen Universität Kaiserslautern und wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DKFI). Die Idee, die nächste Mobilfunkgeneration funktional deutlich weiterzuentwickeln, kam bereits 2012 auf. „Wir haben diskutiert, ob immer mehr Bandbreite allein die Zukunft ist, oder ob wir auch etwas gänzlich Neues machen wollen“, erinnert sich Schotten.

Was 5G den Unternehmen bringt

Mit 5G werden sich beispielsweise hochsichere und hochverfügbare Kommunikationssysteme aufbauen lassen. Bisher verwenden Polizei und Feuerwehr sowie die Betreiber kritischer Infrastrukturen wie Bahnunternehmen oder Energieversorger separate Netze, was einen hohen finanziellen und logistischen Aufwand bedeutet. 5G soll auch solche Szenarien abdecken können. Neben der Zuverlässigkeit spielt für viele Industrieanwendungen die Latenz eine wesentliche Rolle.
„5G wird vor allem die Industriehallen revolutionieren“, sagt Guido Weissbrich, Bereichsleiter Netzwerkplanung bei Vodafone Deutschland. „Roboter können dann in Echtzeit mitei­nander kommunizieren und mit dem Menschen interagieren.“ Unternehmen könnten die dafür nötigen Netze sogar in Eigenregie betreiben, ohne die Infrastruktur selbst aufbauen zu müssen. Eine Technologie namens Network Slicing macht es möglich, in der Netzwerkumgebung eines Providers logisch getrennte Subnetze einzurichten.
Ein weiterer Bereich, der von der geringen Latenz profitieren wird, sind Mixed-Reality-Anwendungen. „Wenn die Interaktion zwischen virtueller und realer Welt auf Servern im Netz berechnet werden soll, benötigt man extrem kurze Verzögerungszeiten, sonst wird der Nutzer unter der Datenbrille seekrank“, erklärt Marc Emmelmann, Wissenschaftler im Geschäftsbereich Software-based Networks am Fraunhofer Institut für offene Kommunikationssysteme FOKUS.
Auch das autonome Fahren soll von den hohen Bandbreiten, den geringen Latenzen und der Zuverlässigkeit der 5G-Netze profitieren. Autonome Fahrzeuge müssen und werden zukünftig miteinander kommunizieren, etwa um den Verkehrsfluss zu optimieren und Zusammenstöße zu vermeiden. Die auszutauschenden Datenmengen sind enorm: Laut Intel produziert ein autonomes Fahrzeug täglich
4 Terabyte an Daten. Kameras und Abstandsmesser generieren zwischen 30 und 100 Megabyte – pro Sekunde.
2. Teil: „Die Technik hinter 5G“

Die Technik hinter 5G

  • BMW i3: Selbstfahrende Fahrzeuge sind auf schnelle, zuverlässige Mobilfunknetze mit minimaler Latenz angewiesen.
    Quelle:
    BMW
Die innovativen Funktionen in 5G beruhen auf dem Einsatz neuer Methoden und der Fortschreibung vorhandener Technologien sowohl auf der Funkschnittstelle als auch im drahtgebundenen Kernnetz. So wird etwa die aus dem WLAN-Bereich bekannte und auch bei LTE eingesetzte MIMO-Technik (Multiple Input Multiple Output) weiterentwickelt, um Kunden mit mehr Bandbreite versorgen zu können. MIMO-Systeme nutzen mehrere Antennen, über die sie Signale senden und empfangen. So lässt sich neben der zeitlichen Signalcharakteristik auch die räumliche zur Informationsübertragung verwenden.
Das Signal wird außerdem gegen Störungen robuster und kann gezielt auf ein Endgerät ausgerichtet werden (Beamforming). 5G verstärkt diesen Effekt durch den Einsatz sehr vieler Antennen (Massive MIMO). Aktuell werden Systeme mit bis zu 128 Antennen pro Zelle entwickelt. In Tests ließ sich dadurch die Datenrate im Vergleich zu LTE auf demselben 20-MHz-Frequenzband um das Zehnfache steigern.
Aber nicht nur die effizientere Ausnutzung des vorhandenen Spektrums gehört zu den erklärten Zielen der 5G-Konsortien. Bei der Kommunikation zwischen Mobilfunkmast und Endgerät sollen auch neue Frequenzen zum Einsatz kommen, die mit über 24 GHz und mehr sehr viel höher liegen als in traditionellen Mobilfunknetzen. Da sich die Wellenlänge dabei im Millimeterbereich befindet, spricht man von „5G mmWave“. Hohe Frequenzen erfordern eine höhere Zellendichte. Ihre Reichweite beträgt im Freien einige Hundert Meter, im Gebäude­inneren nur wenige Meter.
Auf der anderen Seite bietet das engmaschige Netz aber auch die Voraussetzung für die geforderten Latenzen im Millisekundenbereich und die hohen Bandbreiten. „Kombiniert mit modernen MIMO-Antennensystemen erhält man so eine optimale Empfangscharakteristik“, erklärt Marc Emmelmann von Fraunhofer FOKUS.
Um die Kosten der Funkzellen zu senken, werden diese zudem technisch deutlich verschlankt, die traditionellen Masten (Remote Radio Head, RRH) sind nur noch für das Senden und Empfangen von Signalen zuständig, die Verarbeitung findet zentralisiert für mehrere RRHs statt. „So kann man zum Beispiel das Signal über mehrere Wege empfangen und eine bessere Signalcharakteristik erhalten“, sagt Emmelmann.
Die Kernnetze werden in 5G weitgehend softwarebasiert konfiguriert und betrieben. „Ich kann die nötigen Funktionen auf virtuellen Maschinen betreiben und diese dynamisch mit dem aktuellen Bedarf skalieren“, erklärt der Fraunhofer-Experte. Um die geringen Latenzen auch im Kernnetz zu erreichen, werden zudem Steuersignal und Daten getrennt übermittelt. „Soft­warebasierte Kernnetze ermöglichen außerdem Network Slicing, das den Aufbau virtueller paralleler Netze erlaubt, die kundenspezifisch und in unterschiedlichen Güteklassen auf derselben Infrastruktur betrieben werden können.“
Wichtige Abkürzungen bei 5G
Wenn man sich mit 5G beschäftigt, dann begegnet einem eine Vielzahl von Abkürzungen. Folgende Kürzel sollte man sich merken:
  • IMT-2020 (International Mobile Telecommunication System for 2020): Anforderungskatalog und Zeitplan für die Weiterentwicklung des Mobilfunks, der vom Radiocommunication Sector der International Telecommuni­cation Union (ITU-R) im Jahr 2012 entworfen und 2015 finalisiert wurde.
  • NR (New Radio): neue, eigens für 5G entwickelte Luftschnittstelle. Die Kommunikation zwischen Basisstation und Endgerät soll dabei schneller, flexibler, skalierbarer und effizienter als bisher erfolgen.
  • eMBB (Enhanced Mobile Broadband): Technologie, die datenintensiven Anwendungen wie Videostreams oder Online-Spiele mehr Bandbreite zur Verfügung stellen soll.
  • uRLLC (Ultra-Reliable and Low-Latency Communications): uRLLC soll die Voraussetzung für eine höchst zuverlässige Kommunikationsinfrastruktur mit äußerst geringen Latenzen schaffen, etwa für die Kommunikation von Sicherheitsbehörden oder das autonome Fahren.
  • C-V2X (Cellular Vehicle-to-Everything): Lösungen, die sich mit den Einsatzmöglichkeiten im vernetzten Fahrzeug beschäftigen, etwa der Kommunikation zwischen Pkws oder zwischen einem Kfz und dem Endgerät eines Fußgängers.
  • mMTC (Massive Machine Type Communications): auch als Massive IoT bezeichnet – massenhafte Vernetzung von Sensoren und Aktoren in Maschinen oder im öffentlichen Raum (Smart City).
3. Teil: „Lizenzen und andere Probleme“

Lizenzen und andere Probleme

Technik allein genügt für die erfolgreiche Einführung von 5G jedoch nicht. „Die Schaffung der regulatorischen Voraussetzungen ist der nächste wichtige Schritt“, betont Michael Lemke von Huawei Deutschland. „Insbesondere die Bereitstellung der nötigen Frequenzressourcen im Bereich bis 6 GHz und im Millimeterwellenbereich sollte möglichst in globaler Abstimmung erfolgen, um ähnlich wie bei den vo­rangegangenen Mobilfunkgenerationen die nötigen Skaleneffekte zu schaffen.“
Wie in Deutschland die Vergabe der Lizenzen aussehen soll, darüber herrscht seit Mai dieses Jahres weitgehende Klarheit. Die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen hat entschieden, die Frequenzen in den Bereichen 1920 MHz – 1980 MHz, 2110 MHz – 2170 MHz sowie von 3400 MHz – 3700 MHz im Versteigerungsverfahren zuzuteilen. Frequenzen oberhalb 24 GHz sollen „bedarfsgerecht“ für 5G bereitgestellt werden.
Für Firmen, die eigene 5G-Netze aufbauen wollen, hat die Bundesnetzagentur ein Band zwischen 3700 und 3800 MHz vorgesehen. Es soll regional und „möglichst kostenfrei“ zugeteilt werden, so die Behörde.
„Unternehmen können in diesem Bereich ihr eigenes Netz aufbauen und betreiben – entsprechend ihrer eigenen Zeitpläne und Anforderungen“, erklärt Professor Schotten die Vorteile.
Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), sieht in der Auktionsgestaltung derzeit noch das größte Risiko für die 5G-Einführung: „Den Unternehmen dürfen hier nicht im großen Umfang finanzielle Mittel entzogen werden,
die dann nicht mehr für Investitionen in die Netzinfrastruktur zur Verfügung stünden.“
Ein Stolperstein auf dem Weg zur schnellen 5G-Einführung könnte auch die EU-Richtlinie 2014/53/EU sein. Die Radio Equipment Direc­tive (RED) regelt Inbetriebnahme und Nutzung von Funkanlagen und fasst den Begriff Funkanlage sehr weit, findet Schotten. „Das macht die regulatorische Situation kompliziert und könnte Geschäftsmodelle gefährden.“ Schotten mahnt daher eine Harmonisierung an. „Man darf die Industrie nicht mit einem Dickicht sich zum Teil widersprechender europaweiter und nationaler Regelungen überfordern.“ Der Wissenschaftler sieht zudem noch Abstimmungsbedarf  zwischen Mobilfunkindustrie und Anwenderunternehmen. „Terminologie, Geschäftsmodelle und Innovationszyklen sind sehr unterschiedlich.“
Zwei Organisationen arbeiten aber bereits daran, das gegenseitige Verständnis zu verbessern und Gemeinsamkeiten auszuloten. Im Automobilbereich ist dies die „5G Automotive Association“ (5GAA). Das produzierende und verarbeitende Gewerbe will die „5G Alliance for Connected Industries and Automation“ (5G-ACIA), eine Arbeitsgruppe des ZVEI (Zen­tralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie), bei der 5G-Einführung unterstützen.
4. Teil: „Gretchenfrage: Wann kommt 5G?“

Gretchenfrage: Wann kommt 5G?

  • 5G Playground: In Berlin ermöglicht es Fraunhofer FOKUS, typische 5G-Anwendungsszenarien zu testen.
    Quelle:
    Fraunhofer FOKUS
Auch wenn die technologischen und regulatorischen Herausforderungen nicht zu unterschätzen sind, halten Netzausrüster und -betreiber am straffen Zeitplan fest. „Aus unserer Sicht können erste 5G-Lösungen ab 2018 erwartet werden“, so Michael Lemke von Huawei. Auch Vodafone zeigt sich optimistisch: „Wir gehen davon aus, dass 5G im Jahr 2020 startet“, erklärt Bereichsleiter Guido Weissbrich. Marc Emmelmann von Fraunhofer FOKUS warnt allerdings: „In Innenstadtbereichen können wir sicher von einem zügigen Ausbau ausgehen, in der Fläche sehe ich das bis Anfang 2020 noch nicht.“
Zumindest in Testregionen und -szenarien ist 5G schon Realität. AT&T lieferte bereits im Juni 2017 Privatkunden in Austin, Texas, den Streaming-TV-Dienst DIRECTV Now über 5G. „Im Zuge des Testlaufs haben wir versuchs­weise auch zusätzliche Unterhaltungsdienste der nächsten Generation über feste, drahtlose 5G-Verbindungen angeboten“, sagt John Slamecka, Region President EMEA bei AT&T. Ende 2017 dehnte AT&T das Versuchsgebiet auf die Städte Waco, Kalamazoo und South Bend aus. „Die Tests lieferten uns neue Erkenntnisse zu 5G – vor allem im Hinblick da­rauf, wie die feste drahtlose mmWave-Technologie mit starkem Videoverkehr agiert“, erklärt Slamecka. Bis Ende 2018 soll neben den festen Funkstrecken in Teilen von Dallas, Atlanta und Waco auch klassischer Mobilfunk über 5G im AT&T-Netz möglich sein. „In den nächsten Monaten werden wir Angebote in weiteren Städten ankündigen“, verspricht Slamecka.
Auch in Deutschland kommen Nutzer bereits in den Genuss von 5G. Mit „5G Beam“ profitieren etwa Vodafone-Kunden von Massive MIMO. Bis zu 128 kleine Antennen richten sich gezielt auf den Nutzer aus. „Das Netz wandert dann mit dem Kunden und versorgt ihn immer und zuverlässig mit hohen Bandbreiten“, so Vodafone-Bereichsleiter Weissbrich. 5G Beam soll dieses Jahr an 50 deutschen Standorten verfügbar sein. Seit Mai 2018 betreibt die Telekom erste 5G-Antennen im Live-Betrieb. Je drei Masten stehen in der Leipziger Straße und der Winterfelder Straße in Berlin. Telefónica testet derzeit „5G-ready“-Antennen in der TechCity München rund um die O2-Zentrale am Georg-Brauchle-Ring.
Die wichtigsten Einsatzszenarien für 5G
Der neue Mobilfunkstandard soll vor allem in folgenden Bereichen Fortschritte bringen:
  • Kritische Kommunikation: Behörden wie Polizei und Feuerwehr, aber auch Infrastrukturbetreiber wie Bahnbetriebe oder Energieversorger sollen von der sehr hohen Zuverlässigkeit und Robustheit von 5G-Netzen profitieren.
  • Augmented/Virtual Reality: Die extrem kurzen Latenzzeiten erlauben einen Datenaustausch über das Mobilfunknetz ohne Ruckeln oder Bildaussetzer.
  • Vernetztes/Autonomes Fahren: In diesem Bereich spielen geringe Latenz und hohe Zuverlässigkeit von 5G die größte Rolle.
  • IoT/Smart City: Der geringe Energiebedarf erlaubt es auch kleinen Endgeräten, über längere Zeit unabhängig vom Stromnetz zu kommunizieren. Da sich in 5G mehrere Millionen Endgeräte parallel einbuchen können, sind selbst große Installationen kein Problem.
  • Funkversorgung von Werkshallen und -geländen: Die Möglichkeit, virtuelle private Mobilfunknetze zu betreiben, erlaubt es Anwendern, 5G wie ein privates WLAN-Netz zu nutzen und damit große Bereiche zu versorgen. Dank „Deep-Indoor“-Fähigkeit lassen sich auch große Gebäude einfach ausleuchten.
  • Robotik: Die geringe Latenz ermöglicht Robotik- und andere Industrieanwendungen, die Echtzeitkommunikation brauchen.
  • Drohnen-Monitoring: Schwer zugängliche Industriestand­orte wie Windkraftanlagen oder Ölplattformen können über funkgesteuerte Drohnen überwacht werden. Die kurzen Latenzzeiten und die hohe Zuverlässigkeit machen eine Steuerung über große Entfernungen möglich, dank hoher Bandbreite können Videos in hoher Auflösung gestreamt werden.
  • Smart Farming: In der Bewirtschaftung von Feldern oder der Überwachung von Tieren lassen sich per 5G vernetzte Maschinen oder Drohnen einsetzen.
  • Mobile Edge-Computing: Hohe Bandbreiten und geringe Latenzen ermöglichen verteilte Cloud-Strukturen, in denen die Datenverarbeitung ganz oder teilweise in der Basisstation oder dem RNC (Radio Network Controller) erfolgt.
  • Medizin: Ärzte können über große Entfernungen hinweg Pa­tienten untersuchen oder behandeln, indem sie über das 5G-Netz verzögerungsfrei einen Telemedizin-Roboter steuern.
5. Teil: „Was Unternehmen tun sollten“

Was Unternehmen tun sollten

Das Interesse an den neuen Kommunikationsdiensten und Vernetzungsmöglichkeiten ist groß. „Viele Branchen und Bereiche wie das Gesundheitswesen, der Einzelhandel und die öffentliche Sicherheit werden von den 5G-Technologien maßgeblich profitieren“, sagt John Slamecka von AT&T. Laut Ericsson planen 20 Prozent der Firmen mit über 1.000 Mitarbeitern schon dieses Jahr konzeptionelle Tests in produktionsnahen Anwendungen. Bei weiteren 38 Prozent stehen 2019 erste Tests auf der Agenda. Bis 2021 wollen 70 Prozent der Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern Anwendungen in der Produktion umsetzen.
Stefan Koetz, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Ericsson GmbH und Landessprecher NRW im ITK-Branchenverband Bitkom, rät auch allen anderen Unternehmen, so schnell wie möglich konkrete Projekte in produktionsnahen Anwendungen anzugehen. Denn, so Koetz: „Frühe konzeptionelle Test sind wichtig, um Herausforderungen bei der Datensicherheit, der gleichbleibenden Verbindungsqualität und der Prozessautomatisierung zu lösen.“
Dafür lassen sich Testumgebungen wie der „5G Play­ground Berlin“ von Fraunhofer FOKUS nutzen. Er bietet ein realitätsnahes 5G-Umfeld. „Unternehmen können mit uns 5G-Projekte aufsetzen, um Anwendungen und Produktprototypen auszuprobieren“, sagt Marc Emmelmann. Auf dem Campus lassen sich verschiedene Szenarien realisieren, etwa 5G-Empfang in dicht besiedelten Innenstadtbereichen oder Funkabdeckung von Innenräumen. Auf einem Parcours können 5G-Anwendungen in Fahrzeugen getestet werden, und ein mobiles 5G-Edge-Netzwerk erlaubt es, weitere Stand­orte anzuschließen.
Mit der „5G Ready Trial Platform“ bietet das Institut außerdem eine schlüsselfertige Lösung der am Fraunhofer FOKUS entwickelten Software-Komponenten, die in Lizenz den Aufbau eigener 5G-Testumgebungen ermöglicht. Die Plattform arbeitet mit ausgewählten Zugangsnetzen, Geräten und Anwendungen zusammen. Integrierte Benchmarking- und Analysefunktionen erlauben es unter anderem, Netzwerkumgebungen auf Interoperabilität, Flexibilität und Effizienz zu prüfen.
Auch im 5G Lab Germany an der TU Dresden können sich Industrieunternehmen an der Forschung und Entwicklung von 5G-Anwendungsmöglichkeiten beteiligen. Die Universität arbeitet bereits mit mehr als 50 Industriepartnern zusammen. Neben Netzbetreibern und -ausrüstern wie der Deutschen Telekom, Vodafone, Ericsson und Nokia gehören Unternehmen wie die Messtechnikspezialisten National Instruments und Rohde & Schwarz sowie der Landmaschinenhersteller Claas zu den Kooperationspartnern.
Bei den Netzbetreibern finden sich weitere Laborumgebungen, die teilweise auch von Anwenderunternehmen genutzt werden können. Vodafone testet etwa in seinem „5G Lab“ in Düsseldorf Endgeräte und Antennentechnik, das „5G Mobility Lab“ in Aldenhoven bei Aachen widmet sich der Vernetzung von Fahrzeugen. „Mit modernster 4,5G-Technologie erreichen wir hier schon heute extrem kurze Latenzzeiten“, betont Guido Weissbrich.

Fazit & Ausblick

Mit 5G hat sich die Mobilfunkindustrie viel vorgenommen. Bandbreiten, Zuverlässigkeit und Latenz sollen Festnetz­niveau erreichen oder übertreffen. Trotz aller technischen, regulatorischen und organisatorischen Hürden erscheint eine Einführung bis 2020 realistisch. Ähnlich wie bei den vorangegangenen Mobilfunkgenerationen wird es aber wohl einige Jahre dauern, bis die Dienste in der Fläche verfügbar sind. Die breite Masse der privaten Nutzer wird ohnehin nur wenig von den Segnungen spüren. Noch mehr Bandbreite und eine bessere Verfügbarkeit sind zwar schön, aber nicht spektakulär.
Anders sieht es im industriellen Umfeld aus. Die Möglichkeit, mit 5G virtuelle private Mobilfunknetze zu betreiben, die Eignung für Echtzeitanwendungen und sicherheitskritische Einsatzzwecke sowie der geringe Strombedarf und die einfache Anbindung Abertausender Endgeräte wird die Entwicklung neuer digitaler Lösungen und Geschäftsmodelle massiv beschleunigen. „Die Mobilfunksysteme der 5. Generation werden für Anwendungen wie Industrie 4.0, E-Health und Smart Grid oder vernetztes Fahren den Durchbruch bringen und dadurch die Wirtschaft und die Gesellschaft nachhaltig verändern“, prognostiziert Jürgen Grützner vom VATM. Und er folgert: „5G ist mittelfristig eine Chance für Deutsch-land und Europa.“

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