5G
10.12.2019
Kampf der Standards
1. Teil: „5G contra Wi-Fi: Wer ist wo stärker?“

5G contra Wi-Fi: Wer ist wo stärker?

RouterRouterRouter
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Auch wenn alles von 5G spricht. Für viele Einsatzgebiete ist Wi-Fi die bessere Technologie. 5G eignet sich vor allem für den Außeneinsatz und lange Strecken. Auf kurzer Distanz hat WLAN oft bessere Karten.
  • Quelle:
    Gartner
Der neue Mobilfunkstandard 5G ist der große Hoffnungsträger der Netzbetreiber, schließlich ermöglicht er deutlich höhere Übertragungsraten als 4G bei sehr kurzen Latenzzeiten. Die Einsatzmöglichkeiten sind schier unendlich - und könnten Technologien wie WLAN in Zukunft ersetzen. Doch fragt man die Hersteller von Routern und Access-Points, ob sie ihr Business durch 5G in Zukunft gefährdet sehen, winken sie (erwartungsgemäß) ab: „Mit jedem neuen Mobilfunkstandard wird fast schon ­reflexartig das Ende von WLAN vorher­gesagt“, erklärt beispielsweise Michael Müller, Vice President WLAN und Switches beim Hersteller Lancom Systems. Bewahrheitet habe sich diese Annahme bisher jedoch noch nie.
Am Ende aber gibt es Felder, in denen WLAN dem Mobilfunk unterlegen ist, und umgekehrt.

Wo Funk WLAN schlägt

„Mobilfunkdienste wie zukünftig 5G sind sehr effektiv im Hinblick auf eine großflächige Funkabdeckung sowie die Mobilitätseigenschaften bei schnellen Bewe­gungen“, erklärt Markus Schütz, Head of Product Marketing Central Europe bei ­D-Link. Er sieht die Stärken von 5G vor allem im Außenbereich und in der möglichst landesweiten Abdeckung mit schnelleren mobilen Breitbandverbindungen. Hans Dieter Wahl, Produktmanager beim Hersteller Bintec Elmeg, verweist zudem auf das schnelle Roaming zur nächsten Funkzelle, was ein weiterer Vorteil der 5G-Technik sei - vor allem im Umfeld von Automotive-Lösungen. „In diesem Bereich ist bereits ein Glaubenskrieg 5G versus WLAN in vollem Gange“, sagt er.
Smart Metering mit intelligenten Stromzählern oder vernetztes Fahren - Anwendungen, die ortsungebunden und über große Distanzen hinweg stattfinden, sind für Michael Müller die Szenarien, in denen WLAN dem Mobilfunk deutlich unterlegen ist. „Sie alle dürften mit 5G wirklich Realität werden. Was hier zählt, ist eine weitreichende Netzabdeckung mit nahtloser Authentifizierung, wie sie das Roaming beim Wechsel von einer Mobilfunkzelle in die nächste ermöglicht“, erklärt er. Auch viele Smart-City-Applika­tionen seien ohne den flächendeckenden Ausbau von 5G nicht denkbar. Potenzial für 5G sieht er darüber ­hinaus als Back-up-Verbindung für geschäftskritische Prozesse.

Hohe Kosten für Netzbetreiber

Ein Sprecher von Vodafone hebt zudem die Sicherheit von Mobilfunkanbindungen hervor. „5G ist lizenziert, Daten werden speziell gesichert übertragen“, sagt er. Fragt man wiederum die Hersteller, in welchem Bereich WLAN besser ist als Mobilfunk, so kommt als erstes Argument der Preis. Falko Binder, Head of Enterprise Networking Architecture Germany bei Cisco, sagt etwa: „5G wird über lizenzierte Bänder bereitgestellt, für deren Nutzung den Netzbetreibern hohe Kosten entstehen, die sie an ihre Kunden weitergeben müssen.“ Er glaubt darüber hinaus, dass eine flächendeckende 5G-Versorgung kaum zu realisieren ist. „Dafür müsste alle 1000 Meter ein Funkmast aufgebaut werden, 5G wird also nicht überall verfügbar sein, vor allem innerhalb von Gebäuden.“ In räumlich klar eingegrenzten Umgebungen, zum Beispiel innerhalb von Büros, zu Hause oder an Flughäfen, werde für die Abdeckung kabelloser Anwendungen WLAN das erste Mittel der Wahl bleiben.
2. Teil: „Campus-Netze“

Campus-Netze

  • Aufwendig: Vor allem große Unternehmen dürften sich regionale Campus-Netzwerke auf Basis des neuen 5G-Standards leisten können.
    Quelle:
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Zwar gibt es künftig die Möglichkeit für regionale 5G-Frequenzen, die von der Bundesnetzagentur für Unternehmen bereitgestellt werden und mit denen Campus-Netze aufgebaut werden können. Diese werden allerdings vor allem für große Unternehmen attraktiv sein, da nur sie die Investitionen leisten und auch die behördlichen Voraussetzungen für die Vergabe der Lizenzen erfüllen können. Den Netzbetreibern ist diese Möglichkeit ohnehin ein Dorn im Auge, laufen sie doch Gefahr, umsatzstarke Kunden zu verlieren, wenn die eigene Campus-Netze aufbauen. Sie werden sich deshalb bemühen, diesen Kunden ihre eigenen Services zu günstigeren Konditionen anzubieten, wie es ja auch schon heute mit 4G der Fall ist.
Dennoch sieht man bei Vodafone großes Potenzial für lokale Campus-Netze mit 5G: „Das Interesse der Industrie an 5G-Campus-Lösungen ist hoch“, betont ein Unternehmenssprecher. „Wenn die Daten in kleinen Echtzeit-Rechenzen­tren vor Ort verarbeitet werden, müssen sie den Unternehmens-Campus nicht mehr verlassen“, so der Netzbetreiber weiter. Und er erklärt, dass man bereits jetzt gemeinsam mit einem Kooperationspartner, der e.GO Mobile AG, eine erste Smart Factory mit den 5G-Technologien Network Slicing (virtualisierte Netzwerke) und Mobile Edge Computing gestartet habe. Die Telekom wiederum hat angekündigt, gemeinsam mit Ericsson Campus-Netze zu betreiben.
Allerdings verursacht - zumindest die nächsten Jahre noch - 5G auch für den Nutzer höhere Kosten. „Jedes Gerät, jede Maschine und jedes System, das über Mobilfunk vernetzt werden soll, benötigt eine eigene SIM-Karte mit entsprechendem Vertrag. Angesichts der massiven Zunahme vernetzter Geräte im Zeitalter des Internet of Things sind das immense laufende Kosten“, gibt Michael Müller von Lancom Systems zu bedenken. Am Ende wird es deshalb wahrscheinlich über die kommenden Jahre hinweg noch auf eine Koexistenz hin­auslaufen, bei der zum Teil beide Technologien miteinander verbunden werden.

5G-Mobilfunk statt Glasfaser

Das belegt auch ein Feldversuch, den der Netzbetreiber Telefónica gemeinsam mit Samsung Anfang dieses Jahres in Hamburg aufgebaut hatte. Telefónica hatte Fixed-Wireless-Anschlüsse (FWA) auf Basis von 5G im 26-GHz-Band in Hamburg getestet. Der dreimonatige Versuch, an dem rund 20 Kunden teilnahmen, sollte zeigen, ob Haushalte auch ohne das Verlegen von Glasfaserleitungen mit hochqualitativen Gigabit-Anschlüssen versorgt werden können. Der Vorteil der hohen Frequenz, die sich ähnlich wie Licht ausbreite, liege in der Bandbreite, erklärte Telefónica damals. Zwar lag die Reichweite bei maximal einem Kilometer und auch dickes Mauerwerk erwies sich als Herausforderung - insgesamt bezeichnete Telefónica den Feldversuch aber als Erfolg.
Vodafone wiederum hat mit GigaCube 5G bereits ein kommerzielles Angebot für diesen Bereich am Start. Kunden können dabei einen Router von Huawei für rund 350 Euro kaufen und ihre Wohnung damit ans 5G-Netz an­schließen. Unter optimalen Umständen sind damit laut ­Vodafone Übertragungsraten von bis zu 500 MBit/s möglich - vorausgesetzt natürlich, dass 5G an dem Standort bereits vorhanden ist.
In dieser Kombination ist ein WLAN-Router unverzichtbar - und dies wird auch noch lange so bleiben. Bislang sind nur wenige Endgeräte mit 5G-Chips ausgestattet, und einige Geräte im Heim- oder Business-Umfeld werden wohl nie für 5G aufgerüstet, da die Chipsätze für die nächste Mobilfunkgeneration deutlich teurer sind als für WLAN.
3. Teil: „Wi-Fi 6 als neuer Standard“

Wi-Fi 6 als neuer Standard

  • Quelle:
    Valueofwifi.com
Zudem kommt mit Wi-Fi 6 (802.11ax) ein neuer Standard auf den Markt. Wi-Fi 6 soll eine neue WLAN-Ära einleiten, das zeigt sich allein schon im Namen. Während das IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) frühere WLAN-Standards mit den Zusätzen 802.11 plus einer Buchstaben­folge wie etwa „ac“ für die fünfte Generation bezeichnete, wird die sechste Generation neben dem Zusatz „ax“ schlicht Wi-Fi 6 heißen.
Im Herbst möchte die Wi-Fi Alliance ein Programm zum Testen der Kompatibilität von Wi-Fi-6-Produkten starten. Anfang 2020 soll das IEEE den Standard finalisieren.
„Wi-Fi 6 erreicht eine maximale Geschwindigkeit von bis zu 4,8 GBit/s pro Client und ist damit bis zu 1,5-mal schneller als der aktuelle 802.11ac-Standard“, erklärt Falko Binder von Cisco. Der neue Standard ist zudem darauf ausgelegt, eine Vielzahl von Datenströmen gleichzeitig ohne Verzögerungen zu verarbeiten. „Besonders bemerkbar wird sich dies machen, wenn viele Geräte gleichzeitig mit dem Internet verbunden sind - etwa auf Messen oder an Flughäfen“, so Binder.
Michael Müller von Lancom verweist in diesem Zusammenhang auch auf das breite Feld der IoT-Anwendungen. „Bei diesen transportiert ­eine schnell wachsende Zahl an Endgeräten meist nur geringe Datenmengen, da ist eine möglichst effiziente Bandbreitennutzung, wie sie Wi-Fi 6 ermöglicht, von entscheidender Bedeutung.“
Michael Müller ist überzeugt: „Wi-Fi 6 wird die Leistungsfähigkeit von WLAN als stationäre Drahtlostechno­logie massiv erhöhen. Ihre jeweiligen Anwendungsbereiche werden sich beide Technologien - WLAN und 5G - jedoch weiterhin entsprechend ihren naturgemäßen Stärken untereinander aufteilen.“

Wi-Fi-6-Palette wächst

  • Quelle:
    Valueofwifi.com
An das Potenzial des neuen WLAN-Standards glauben offensichtlich auch die Ausrüster. Zwei Beispiele: AVM stellte auf die IFA Anfang September drei Fritzboxen mit Wi-Fi-6-Unterstützung vor. Und Cisco präsentierte schon im Frühsommer eine Reihe Lösungen, mit denen Firmen Wi-Fi 6 implementieren können, darunter die Wi-Fi-6-tauglichen Access-Points der Serien Cisco Catalyst 9100 und Cisco Meraki MR, die zudem weitere im IoT verwendete Protokolle verstehen, darunter BLE, Zigbee und Thread.
Wie Gordon Thomson von der Enterprise-Networking-Abteilung bei Cisco ausführt, ergeben sich mit der jüngsten WLAN-Generation im Zusammenspiel mit der Mobilfunktechnik 5G zahlreiche Business-Cases für Firmen. Thomson betont, dass die Umsetzung von Wi-Fi 6 bei Cisco mit 5G Hand in Hand gehe, und nennt als ein Anwendungsbeispiel die verbesserte Automatisierung bei einem Großunternehmen. Bislang hätten nur ganze Paletten in dessen Lager mit Funktechniken automatisiert verschoben werden können. „In Zukunft sollen die einzelnen Produkte verfolgt werden können, und zwar von der Lagerhalle bis in den Lkw“, führt er aus.
Und auch die Haustechnik könne dank Wi-Fi 6 revolutioniert werden. So sind laut Thomson künftig etwa Szenarien denkbar, bei denen Beleuchtung und Temperatur für jeden Mitarbeiter definiert werden könnten. „Zudem wird es möglich sein, dass der Angestellte sein ,Arbeitsklima‘ sogar mitnehmen kann, wenn er seinen Arbeitsplatz im Gebäude verschiebt.“

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