09.08.2015
Top-Level-Domains
1. Teil: „So wird der neue Internet-Grundbesitz verteilt“
So wird der neue Internet-Grundbesitz verteilt
Autor: Stefan Mey
Fotolia / Alexander Raths
Im Geschäft mit den neuen Top-Level-Domains sind vor allem große US-Firmen aktiv. Selbst bei wichtigen deutschsprachigen Endungen mischen die US-Unternehmen mit.
Wir schreiben das Jahr 2008. Auf einem Kongress der Internetverwaltung ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) tritt ein Berliner Unternehmer ans Mikrofon. Er beschwert sich, dass das Top-Level-Domain-Programm (TLD) immer wieder verschoben wird, und beendet seine Ansprache mit einem eindringlichen Appell: „Bitte helfen Sie uns, die neuen Top-Level-Domains endlich zur Welt zu bringen.“ Auf diese Weise trieb ein Deutscher, Dirk Krischenowski von Dotberlin, das digitale Mammutprojekt an.
Auch bei wichtigen deutschsprachigen Endungen mischen die US-Firmen mit. Sie haben den Handel mit den neuen Endungen als Geschäftsfeld entdeckt – und besetzt. So gehören zum Imperium von Donuts beispielsweise auch .reisen und .schule. Das amerikanische Unternehmen Rightside Group betreibt die Endungen .kaufen, .haus und .immobilien.
Genau 70 Einreichungen bei der ICANN stammten aus Deutschland. Rechnet man Markenendungen wie .bmw heraus, bleiben etwa 30 Bewerbungen für allgemeine Top-Level-Domains übrig. Beispiele: Der Berliner Taxi-Unternehmer Hermann Waldner, Geschäftsführer des App-Anbieters Taxi.eu, interessiert sich für .taxi. Der gemeinnützige Berliner Verein Dothiv betreibt die Endung .hiv. Hinter der regionalen Endung .ruhr steht der Sutter Verzeichnisverlag in Essen und hinter .koeln und .cologne der Telekommunikationsanbieter Netcologne.
2. Teil: „Gut vernetzte Szene beherrscht das TLD-Geschäft“
Gut vernetzte Szene beherrscht das TLD-Geschäft
Um das Firmenkürzel .gmbh konkurrierten ein Joint Venture von Krischenowski, Lenz-Hawliczek, Ohlmer und Internetx sowie die Münchner Internetwire Communications und drei US-Interessenten, darunter auch Google und Donuts. Gemeinsam mit der United-Internet-Tochter Internetx wollte das Trio die Endung .gmbh betreiben.
TLDs in der Versteigerung
Bei mehreren Interessenten für eine Endung gibt es standardmäßig eine offizielle ICANN-Auktion – oder alternativ eine Privatauktion, bei der der Betrag unter den unterlegenen Bietern aufgeteilt wird. Google hatte sich beispielsweise Ende Februar die Endung .app in einer offiziellen Auktion für 25 Millionen US-Dollar gesichert. Das ist der bisher höchste Betrag, der bei einer Versteigerung für eine TLD gezahlt wurde.
Die Entscheidung für Unternehmensendungen war naheliegend, meint Hakan Ali, Internetx-Gründer und Leiter der Abteilungen Marketing und Vertrieb. Eine Analyse der 3,8 Millionen von Internetx verwalteten Domains zeige, dass viele Firmen ihre Unternehmensform bereits in der Internetadresse mitführen.
Ali ist zuversichtlich, dass die Firmenkürzelendungen von den Nutzern angenommen werden. Generell ist er optimistisch: „Der Markt für die neuen TLDs ist da.“
3. Teil: „Unternehmen scheuen die hohe ICANN-Gebühren“
Unternehmen scheuen die hohe ICANN-Gebühren
Ansonsten haben die großen deutschen Medien- und Internetkonzerne das TLD-Geschäft an sich vorbeiziehen lassen. Bei Springer, Burda, Bertelsmann, Unister und Rocket Internet ist zu dem Thema wenig in Erfahrung zu bringen. Meist heißt es, dass der Betrieb von TLDs nicht zum Kerngeschäft gehöre oder die Thematik nicht zentral gesteuert werde. Allgemeine Aussagen sind also nicht möglich.
Im Rückblick hält er die Entscheidung für richtig: „Genaugenommen ist die Situation für viele der neuen Top-Level-Domains sogar dramatischer, als wir angenommen hatten. Wir erwarten eine Marktbereinigung – und sie hat bereits begonnen.“
Die deutsche Holding IS-Inter-Services GmbH mischt über diverse Töchter im TLD-Geschäft mit. So hat sich die Tochter Brandshelter auf Dienstleistungen für Markenendungen spezialisiert. Ihre Schwester Domaindiscount24 ist einer der großen deutschen Registrare. Eigene Endungen hat der deutsche Konzern nicht ins Rennen geschickt. Einzige Ausnahme ist die Endung .saarland, hinter der die Tochter Key-Systems steht.
Auch Siffrin glaubt, dass nicht alle TLDs funktionieren und einige langfristig verschwinden werden. Trotzdem macht er darauf aufmerksam, dass sich das Engagement für einige Unternehmer schon jetzt ausgezahlt habe: „Viele der Bewerber haben ihre Investitionen durch den Verkauf ihrer Rechte an Mitbewerber doppelt oder dreifach wieder eingefahren.“
Meist bewegen sich die Erlöse solcher Auktionen vor dem eigentlichen Start einer Endung im einstelligen Millionenbereich. Auch einige deutsche Firmen haben sich bei Privatauktionen auszahlen lassen, unter anderem Internetx bei .ltd und .sar und Axel Schwiersch bei .immo. Auch von seiner mit viel Optimismus gestarteten Endung .reise, die seit August 2014 am Markt ist, hat Schwiersch sich getrennt. Ende Februar hat er sie an das US-Unternehmen Donuts verkauft. Die Amerikaner betreiben schon die ähnliche Branchenendung .reisen. Das war die weltweit erste Versteigerung einer schon gestarteten Top-Level-Domain. Der Startschuss für die Marktbereinigung fiel somit in Deutschland. Schwiersch glaubt, dass das nur der Anfang war: „Ich würde mich wundern, wenn wir 2015 die einzige TLD blieben, die verkauft oder versteigert wird.“ Auch der TLD-Pionier Krischenowski rechnet mit einer Konsolidierungswelle in absehbarer Zeit. Während diese Welle gerade einsetzt, diskutiert die ICANN schon über die nächste Bewerbungsrunde für neue Internetendungen.
Weitere Infos
- „Es wird eine Konsolidierungswelle geben“
Interview mit Dirk Krischenowski, Geschäftsführer von Dotberlin und Spezialist für das ICANN-Bewerbungsverfahren für neue Top-Level-Domains.
4. Teil: „„Es wird eine Konsolidierungswelle geben““
„Es wird eine Konsolidierungswelle geben“
Dirk Krischenowski ist Spezialist für das Bewerbungsverfahren für neue Top-Level-Domains bei der ICANN. Der Berliner Unternehmer ist Geschäftsführer von Dotberlin.
Dirk Krischenowski: Insgesamt sind wir mit knapp 30 neuen TLDs an den Start gegangen, und zwar mit eigenen Ideen für .hotel, .hamburg, .gmbh, .berlin und einer Reihe an TLDs, die wir für Kunden beantragt haben, unter anderem .versicherung und .online, aber auch Markenendungen wie .edeka und .volkswagen.
com! professional: Wie gut läuft das Geschäft bei den eigenen TLDs, die schon online sind?
Krischenowski: .berlin hat mit 32.004 registrierten Domains am ersten Tag den besten Start aller neuen generischen TLDs (gTLDs) hingelegt, .hamburg liegt mit über 10.000 Domains in der ersten Stunde direkt dahinter. Wir sind mit der Entwicklung daher recht zufrieden, auch wenn wir die im Businessplan gesetzten Ziele bisher nicht erreicht haben. Viele andere neue gTLDs liegen zum Teil deutlich unter den Erwartungen. Oft bis zu 90 Prozent, sodass auch die ICANN schon ihre Erlösprognosen aus dem Betrieb der neuen gTLDs um 50 Prozent nach unten korrigiert hat.
com! professional: Sonderlich gut klingt das nicht für das Geschäftsmodell Top-Level-Domain.
Krischenowski: Man kann die Geschäftsmodelle nicht über einen Kamm scheren, dazu sind sie zu unterschiedlich. Die Anzahl der registrierten Domains ist aus unserer Sicht auch nicht allein entscheidend, sondern ihre Nutzung – also wie sie im Stadtbild auf Plakaten, in Anzeigen, TV-Spots und auf Lieferwagen sichtbar werden.
Manche TLD-Modelle basieren auf vielen verkauften Domains zu niedrigem Preis, andere Betreiber verkaufen direkt zum Start wertvolle Domains, und einige Betreiber wollen ihre Top-Level-Domains gleich weiterverkaufen. Wir gehen insgesamt davon aus, dass es in absehbarer Zeit eine Konsolidierungswelle geben wird.
com! professional: Wie haben Sie die Entwicklung des TLD-Programms erlebt?
Krischenowski: Die Zulassung neuer TLDs hat sich für uns als Achterbahn herausgestellt. Die ICANN hatte ursprünglich angekündigt, dass neue TLDs ab 2008 starten können. Tatsächlich war es aber erst 2014 so weit. Unser Finanzplan musste sechs Jahre länger als vorgesehen reichen.
com! professional: Wann rechnen Sie mit einer neuen Bewerbungsrunde?
Krischenowski: Eine neue Runde soll und wird es mit Sicherheit geben. Auf Basis der Erfahrung mit Prognosen im ICANN-Umfeld ist es schwierig, eine Einschätzung abzugeben. Die ICANN spricht aktuell von einem Zeitpunkt, der nicht vor 2018 und eher bei 2020 liegen wird.
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