E-Commerce
16.08.2015
Mobiler Produktguide
1. Teil: „Apps und Beacons für den Einzelhandel“

Apps und Beacons für den Einzelhandel

Barcoo-App liest Beacon von Mymuesli.comBarcoo-App liest Beacon von Mymuesli.comBarcoo-App liest Beacon von Mymuesli.com
Benjamin Thym / Youtube
Immer mehr Händler setzen auf mobile Apps und Beacons, um Kunden vor Ort mit Sonderangeboten, Rabatten und Bonuspunkten auf dem Smartphone anzulocken.
Immer mehr Handelsunternehmen in Deutschland setzen mobile Apps und Beacons ein, um ihre Kunden direkt und gezielt per Smartphone anzusprechen. Beacons basieren auf Bluetooth Low Energy. Sie wirken der wörtlichen Übersetzung gemäß wie ein Leuchtfeuer, um Laufkundschaft anzulocken und den Kunden gleich beim Betreten des Geschäfts Produktinfos oder Bonuspunkte zukommen zu lassen.
  • Barcoo-Beacons: Die Beacons sollen Laufkundschaft locken, jedoch nur mit Einwilligung der Smart­phone-Nutzer.
Das Start-up Barcoo überzeugt immer mehr Unternehmen, darunter Mymuesli.com und SportScheck, von dieser Werbeform.  Nach eigenen Angaben ist Barcoo „der größte Produkt­guide Europas“ und möchte, obwohl schon 2008 aus der Taufe gehoben, immer noch als Start-up-Unternehmen gelten. „Denn wir wollen uns weiterhin immer hinterfragen, kannibalisieren und neue Dinge ausprobieren“, sagt Geschäftsführer Benjamin Thym, der Barcoo zusammen mit anderen Tübinger Studenten in Berlin als Spin-off der Humboldt-Universität gegründet hat.
Heute zählen neben Mymuesli und SportScheck die Supermarktkette Real, s.Oliver, Europcar, Adidas, Lindner Hotel, Sparkasse, Berliner Bank und Deutsche Bank zu den Barcoo-Kunden, die für ihre eigene Kundenansprache unter anderem die Barcoo-Bea­cons nutzen. Ferner hat Barcoo im August letzten Jahres die Wunderkauf-App auf den Weg gebracht, die es mittlerweile auch für Android gibt und die personalisierte Angebote von Supermärkten wie Lidl, Norma oder Rewe verspricht.
2. Teil: „Die Erfolgsstory des mobilen Produktguides Barcoo“

Die Erfolgsstory des mobilen Produktguides Barcoo

  • Beacon-Sender bei Real: Gehen Kunden an den Sendern vorbei, empfangen sie via Bluetooth einen Rabatt-Coupon.
    Quelle:
    Quelle: Real
Der ursprüngliche Ansatz der Barcoo-Gründer war es, den sich abzeichnenden Trend mobiler Apps „irgendwie mit Öko und Gesundheitsbewusstsein“ zu verknüpfen, erinnert sich der Geschäftsführer. Man konnte unter anderem Greenpeace und das Portal Lebensmittel­ampel als Informationsquellen gewinnen. Zwar gab es die verschiedenen Bio- und Ökosiegel, doch waren diese nie greifbar, wenn man sie brauchte, nämlich beim Einkaufen, so Thym. Daraus ist die Idee entstanden, das Dilemma mit Barcodes oder QR-Codes zu lösen.
Mit dem deutschen Marktstart des Google-Betriebssystems Android wurde die Barcode & QR Scanner barcoo genannte App live geschaltet. 2009 erfolgte die Fusion mit Checkitmo­bile, bekannt durch die später eingestellte woabi-App (woanders billiger) und Namensgeber der heutigen GmbH. Im Juli 2011 konnte die Barcoo-App schon 3,5 Millionen Installa­tionen verzeichnen, heute sind es 15 Millionen und 2,7 Millionen aktive Nutzer im Monat, freut sich Thym. Gerade erst wurde er für die innovativen Ideen im Rahmen des Best of Mobile Award zum Mobilista 2015 gekürt.
Weit über 1000 Ladengeschäfte, darunter knapp 100 Real-Filialen, haben Barcoo schon an Bord. Richtig bekannt gemacht hat das Unternehmen der medienwirksame Einstieg ins Beacon-Geschäft bei Mymuesli in der Münchner Innenstadt Anfang 2014.

Die Einkaufshilfe

Im Mittelpunkt iOS- und An­droid-App stehen Thym zufolge die Produktinformationen. Check­itmobile hat dafür eine eigene Redaktion mit acht Leuten, die zum Beispiel mit „9 Profi-Tipps aus der Küche, die jeder kennen sollte“ aufwartet oder mit 12 Tipps, wie der Akku des iPhones länger hält. Zunächst sieht man auf dem Smart­phone nur die Menüpunkte „Neu“, „Essen & Trinken“ und „Beauty“. Schiebt man die Leiste nach links, erscheint neben „Gesundheit“ und „Haushalt“ ein Reiter „Nachhaltigkeit“. Dort sind auch Umweltnachrichten zu finden.
  • Öko-Siegel Fairtrade: Die Barcoo-App verknüpft moderne Technik mit Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein.
„Der blutige Weg unserer Wolle“ heißt etwa ein Artikel über Mulesing, ein an Lämmern praktiziertes Verfahren zur Abwehr von Fliegenmaden in Austra­lien. Für derartige News greift das Barcoo-Redaktionsteam unter anderem auf Informationen von Greenpeace, der Lebensmittelampel, des Fairtrade-Siegels oder auf Wikipedia-Einträge zurück. Hinzu kommen Produktinfos von Preis­vergleichsportalen, Lebensmittelklarheit.de, Chef­koch.de mit Rezepten und Berichte der Verbraucherzentrale Hamburg. Weitere Kategorien wie „Drogerie“, „Elektronik“ und „Medien“ finden sich nach einem Tipp auf die drei Striche oberhalb der App-Ansicht. Darüber erreicht man auch die Einstellungen, eine Produktsuche, einen Produktvergleich, Benachrichtigungen, Angebote, Coupons und den Zugang zur integrierten Payback-App.
3. Teil: „Multilingualer Scanner für Barcodes & QR-Codes“

Multilingualer Scanner für Barcodes & QR-Codes

Die Barcoo- und die Wunderkauf-App sind kostenlos und rein werbefinanziert. Für die „Gelben Seiten“ als Hauptinvestor erstellt Checkitmobile aber auch fertige Druckvorlagen für QR-Codes. Eine Schnittstelle zur Auswertung von Scans und Webseitenaufrufen wurde ebenfalls entworfen.
  • Barcode & QR Scanner barcoo: Die Scanner-App informiert die Kunden über Produktdetails.
Der über das EAN-Symbol aktivierte integrierte Scanner der App nutzt die Smartphone-Kamera und gibt bei Erkennen eines QR- oder Barcodes automatisch die entsprechenden Informationen aus. Bei Produkten erscheinen zum Beispiel in der Regel ein Bild und der Preis, sofern die Informationen in der umfangreichen internationalen Datenbank hinterlegt sind. Westliche Bücher werden über den Barcode meist erkannt, fernöstliche nur zum Teil, chinesische oder japanische Texte, die sich hinter einem QR-Code verbergen, dagegen schon. Online gibt es kostenlose Tools zum Erstellen von QR-Codes für alle unterstützten Unicode-Zeichensätze.

Geo-Fencing

Über die Einstellungen kann man Berechtigungen für Standortdienste, Push-Nachrichten und ein Facebook-Login erteilen. Über die Tele­fon­ortung und GPS-Daten lässt sich per Geo-Fencing oder mittels Beacons das nächstgelegene Geschäft finden. Wie Thym sagt, bekommt der Konsument gar nicht mit, ob dafür Geo-Fencing oder ein Beacon eingesetzt wurde. In der Endkunden­ansprache verwende man auch nicht das Wort Beacon. In den USA sei man da schon ein Stück weiter, räumt er ein, das liege einfach daran, dass amerikanische Werbetreibende neue Medien oft schneller aufgreifen würden als europäische. Die Sorge, dass die Verbraucher sich überwacht fühlen könnten, teilt er nicht.
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Auf Bahn-Tickets, Briefumschlägen, in Werbeanzeigen und auf Häuserfassaden sieht man sie immer häufiger: viereckige Geheim-Codes aus schwarzen und weißen Elementen.
Während das Hamburger Start-up Yoints für eine Bonus-App mit Barcode-Scanner und Beacon-Unterstützung wirbt, hat sich Checkitmobile laut Thym bewusst gegen ein solches Loyalty-System entschieden. Die Beacons beziehe man aus dem südchinesischen Shenzhen und installiere sie über Freelancer, sofern die Partnerunternehmen dies nicht selbst erledigten.
4. Teil: „Zwei Fallbeispiele zum Einsatz von Beacons“

Zwei Fallbeispiele zum Einsatz von Beacons

Beispiel Mymuesli: „Ladenbetreiber können mit Barcoo-Beacons ihre Filialen für 50 Euro pro Monat Beacon-fähig machen“, heißt es in der gemeinsamen Ankündigung mit Mymuesli Anfang letzten Jahres. Das Passauer Unternehmen Mymuesli ist 2007 mit der Idee angetreten, individuelle Müslisorten anzubieten. Der Kunde kann im sogenannten Müsli-Mixer aus über 80 Zutaten wählen, woraus sich 566 Billiarden Müsli-Varianten zaubern lassen sollen. Die Müslis werden sowohl online als auch stationär angeboten.
Nach den ersten drei Ladengeschäften in Passau, am Münchner Viktualienmarkt und in Regensburg sind es mittlerweile 13, darunter je eines in Wien und Salzburg. Die drei Gründer und Geschäftsführer haben sich von Beginn an sehr innovativ gezeigt und dafür auch viel Anerkennung gefunden. Einer von ihnen, Max Wittrock, äußert sich im com!-professional-Interview zu den Barcoo-Beacons und anderen Mobility-Lösungen im Unternehmen.
Beispiel SportScheck: Freizeit- und Sportausrüster mussten sich aufgrund von Kundenanfragen bezüglich GPS-Geräten für Geo-Tracking früh mit neuester Technik auseinandersetzen. Mit Bluetooth 4.0 kamen immer mehr Fitness-Tracker und ähnliche Geräte auf den Markt. Für SportScheck war das allerdings zunächst noch kein Grund, selbst Mobility-Systeme einzusetzen. Vielmehr müsse man sich einem gesellschaftlichen Wandel anschließen, heißt es dort. 2011 hat SportScheck in München erste Gehversuche mit Datenbrillen und Augmented Reality gemacht.
Im Zuge einer Filialeröffnung in Braunschweig hat das Unternehmen in der Katalog- und Schaufensterwerbung auch begonnen, QR-Codes einzusetzen. Mit Location-based Services auf Basis der Barcoo-Beacons sieht sich SportScheck mittlerweile auf dem Weg vom Multi- zum „Omni-Channel-Händler“, der seine Kunden nicht nur im Ladengeschäft oder zu Hause erreicht, sondern ihn auch unterwegs begleitet und ihn in der Nähe des Geschäfts gezielt triggern kann. 2014 sind ein neues SAP-System und ein auf Tablets optimierter Webshop live gegangen. In diesem Jahr hat SportScheck für Fachberater eine In-Store-App auf dem iPad eingeführt.
Zusammen mit Barcoo hat SportScheck bundesweit 19 Filialen mit jeweils zwei Beacons ausgestattet, einer davon am Eingang mit einer Reichweite von 50 bis 100 Metern je nach den Gegebenheiten der Filiale. Der Beacon am Eingang der SportScheck-Filiale soll Kunden mit wechselnden Kampagnen ansprechen, so das erklärte Ziel. Der zweite an einem zentralen Ort angebrachte Beacon soll zum Beispiel registrieren, ob Nutzer wiederkommen, die Ansprache also erfolgreich war. Über alle 19 Filialen zusammen erreicht SportScheck nach eigenen Angaben zwischen 20.000 und 30.000 Nutzer im Monat.

Weitere Infos

5. Teil: „„Anteil des mobilen Traffics hat sich verdoppelt““

„Anteil des mobilen Traffics hat sich verdoppelt“

Max Wittrock ist – neben Hubertus Bessau und Philipp Kraiss – einer der Gründer und Geschäfts­führer von Mymuesli. com! professional hat mit ihm über den Einsatz mobiler Systeme in seinen Filialen gesprochen.
  • Max Wittrock, einer der Gründer und Geschäftsführer von Mymuesli.
com! professional: Welche Möglichkeiten der Einbindung mo­biler Geräte von Kunden nutzen Sie?
Max Wittrock: Bei den Kunden steht natürlich der Zugang zu unserer Webseite im Vordergrund. Für die direkte Kundenansprache nutzen wir auch Beacons. Außerdem arbeiten wir an einer Mymuesli-App mit mehr Funktionalität als der bisherige Katalog für iOS. Wir hoffen, dass wir im Herbst damit live gehen können. Für Android ist das erstmal nicht geplant. Denn zum einen sind wir schlicht große Apple-Fans, zum anderen spielt iOS bei unseren Kunden einfach die größere Rolle.
com! professional: Setzen Sie mobile Geräte auch im Geschäftsalltag und in der Kommunikation mit den Mitarbeitern ein?
Wittrock: Was die Mitarbeiter angeht, nutzen wir iPads im Vertrieb und bei Terminen unserer Außenmitarbeiter, also direkt in den Supermärkten. In unseren eigenen Mymuesli-Läden sind die iPads außerdem Kassen und in allen Fällen auch Kommunikationszentrale für die Teammitglieder.
com! professional: Wie hoch ist der Anteil der Kunden, die Ihre Müslis mobil ordern?
Wittrock: Die mobile Nutzung steigt stetig, während die über Desktops stetig fällt. Seit Anfang 2014 hat sich der Anteil des mobilen Traffics auf der Mymuesli-Seite verdoppelt.
com! professional: Zusammen mit Barcoo haben Sie als Pilotprojekt Anfang 2014 am Münchener Viktualienmarkt begonnen, Laufkundschaft über Beacons anzulocken. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?
Wittrock: Beacons stehen als Technologie noch am Anfang. Wir wollten das testen und haben es immer noch im Einsatz. Wir haben zum Beispiel unsere Müslidrinks damit beworben. Die Kunden bekamen die Nachricht, dass es die Drinks jetzt gibt und sie kostenlos probiert werden können. Das hat ganz gut geklappt. Aber natürlich erreicht man darüber noch nicht viele Nutzer. Darum geht es auch nicht. Vielmehr geht es darum, dass solche In-Store-Technologien immer wichtiger werden und man damit frühzeitig Erfahrungen sammeln sollte.
com! professional: Wie schätzen Sie in Deutschland und für Mymuesli das Potenzial ein, Kunden schon beim Betreten des Ladens über Beacons Bonuspunkte zu schenken?
Wittrock: Ich glaube, jeder Ansatz, mit dem Kunden auf neue Art zu interagieren, über Gamification zum Beispiel, hat auf jeden Fall Potenzial. Das Konzept muss im Einzelfall entsprechend angepasst werden.

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