Business-IT
27.07.2015
Audio- und Videotelefonie
1. Teil: „WebRTC - Der Kommunikationsstandard der Zukunft“

WebRTC - Der Kommunikationsstandard der Zukunft

WebRTC - Der Kommunikationsstandard der ZukunftWebRTC - Der Kommunikationsstandard der ZukunftWebRTC - Der Kommunikationsstandard der Zukunft
Die Technik Web Real-Time Communication, kurz WebRTC, ermöglicht Gespräche, Bewegtbilder und Dateiaustausch in Browsern wie Chrome, Firefox oder Opera.
Weitgehend unbemerkt hat sich in den vergangenen Jahren eine neue Technologie entwickelt, die ohne spezielle Software oder Plug-ins Echtzeitkommunkation über das Internet ermöglicht, und das auch noch sicher und anonym aus einem Browser heraus. Die Rede ist von Web Real-Time Communication, kurz WebRTC.
  • Hans-Jürgen Jobst, Senior Product Marketing Manager bei Avaya: „WebRTC wird sich zunächst im Konsumentenumfeld durchsetzen.“
Seit 2011 beschäftigen sich Arbeitsgruppen des World Wide Web Consortiums (W3C) und der Internet Engineering Task Force (IETF) mit diesem Standard. Vor allem Google, die Mozilla Foundation und Opera Software treiben die Entwicklung voran und haben WebRTC auch bereits in ihre Browser Chrome, Firefox und Opera integriert. Für den Internet Explorer und Safari werden dagegen Plug-ins benötigt. Sie sind zum Beispiel von Temasys oder Google erhältlich.
Microsoft plant nach Angaben auf seiner Entwicklerseite nicht, den Standard WebRTC 1.0 in seinen Browser Internet Explorer beziehungsweise dessen Nachfolger Edge zu implementieren. Stattdessen soll die Object RTC-API (ORTC) den Microsoft-Browser WebRTC-fähig machen, die sich ebenfalls beim W3C in der Entwicklung be­findet.
Die ORTC-API enthalte einige Verbesserungen gegenüber WebRTC, begründet Dariusz Parys, Technical Evangelist bei Microsoft Deutschland, die Entscheidung: Simulcast und skalierbare Videokodierung erlauben es zum Beispiel, mit unterschiedlichen Formfaktoren an der gleichen Videokonferenz teilzunehmen, unabhängig von Displaygröße und verfügbarer Bandbreite.
2. Teil: „Was steckt eigentlich hinter der WebRTC-Technik?“

Was steckt eigentlich hinter der WebRTC-Technik?

WebRTC ist ein quelloffenes Framework, das auf HTML5 und Javascript basiert. Es ermöglicht die direkte Peer-to-Peer-Übertragung von Audio- und Videosignalen zwischen zwei Browsern, ohne dass ein zusätzlicher Streaming-Server oder -Dienst notwendig wäre.
  • Wachstumsmarkt: Nach Prognosen von Disruptive Analysis werden 2019 zwischen 1,5 und 2,5 Milliarden Anwender WebRTC nutzen.
Die Übertragung erfolgt verschlüsselt und ist – bis auf die Übermittlung der IP-Adresse – anonym. Die Teilnehmer müssen lediglich Zugriff auf Kamera und Mikrofon gewähren, Java­script im Browser zulassen und den Link austauschen, über den die Kommunikation stattfinden soll. WebRTC kann aber noch mehr. Neben der Übertragung von Audio- und Videosignalen ist der Transfer von Dateien sowie Screen-Sharing möglich.
Um eine Kommunikation über NAT-Firewalls hinweg zu ermöglichen, nutzt WebRTC alle drei bekannten Methoden: STUN (Session Traversal Utilities for NAT), TURN (Traversal Using Relays around NAT) und ICE (Interactive Connectivity Establishment). Ein abstrakter Session-Layer ist für Rufaufbau und Call-Management zuständig. Für die Sprachübertragung müssen laut Standard die Codecs G.711 und Opus integriert sein. Google schlägt in seiner Version der Architektur zusätzlich die Verwendung von iSAC (Internet Speech Audio Codec) und iLBC (Internet Low Bitrate Codec) vor.
  • Kundenunterstützung: Wer auf dem Kindle Fire HDX den „Mayday“-Button drückt, wird per WebRTC mit dem Amazon-Support verbunden.
    Quelle:
    Amazon
Für die Videoübertragung hat Google den Codec VP8 des WebM-Projekts in WebRTC eingebracht. Da praktisch alle kommerziellen Videokonferenzlösungen auf H.264 setzen, führte das zu Interoperabilitätsproblemen – und zu einer gewissen Spannung innerhalb der WebRTC-Entwicklergemeinde. Zudem benötigt VP8 im Schnitt rund 20 Prozent mehr Speicherplatz als H.264, um ein Video in vergleichbarer Qualität zu speichern.
Die IETF fällte im Herbst vergangenen Jahres ein salomonisches Urteil: Beide Codecs, VP8 und H.264, sind „mandatory to implement“, müssen also zwingend implementiert werden. Unklar ist derzeit noch, ob, wann und wie die Nachfolger dieser Codecs, VP9 und H.265, von WebRTC berücksichtigt werden.
3. Teil: „Sprach- und Videoübertragung dank Web-API“

Sprach- und Videoübertragung dank Web-API

WebRTC lässt sich aber nicht nur relativ einfach in einen Browser integrieren, dank Web-API stehen Funktionen zur Echtzeitkommunikation auch allen App-Entwicklern zur Verfügung. Wenige Zeilen Code reichen schon, um Sprach- und Videoübertragung in Webapplikationen zu integrieren, vertiefte Kenntnisse von Protokollen und Schnittstellen sind nicht nötig. „Die erforderliche Zeit sowie der Grad an speziellem Expertenwissen verringern sich deutlich“, sagt Sascha Hirschoff, Director Systems Engineers Central Europe bei Polycom.
  • WebRTC: Schnittstellen für Anwendungs- und Browserentwickler.
Diese Tatsache werde zu deutlich schnelleren Entwicklungszyklen führen, meinen die Gartner-Analysten Sorell Slaymaker und Deborah Kish: „Rund 20 Millionen Software-Entwickler können zukünftig einfach Kommunikationsfunktionen in die Applikationen aufnehmen, an denen sie gerade arbeiten.“
Angesichts dieser Perspektiven ist es bemerkenswert, dass die Entwicklung weitgehend im Verborgenen stattfindet. Obwohl WebRTC bereits in einer Milliarde installierter Browser integriert sei und produktiv eingesetzt werde, kenne kaum jemand die Technologie, so Mike Holmlund, Sr. Product Marketing Manager bei Plantronics: „Es ist wahrscheinlich, dass Sie WebRTC bereits beim Online-Shopping oder im Rahmen der Online-Hilfe genutzt haben, ohne dass Sie es wussten.“
Die meisten Analysten hindert der geringe Bekanntheitsgrad aber nicht daran, dem Standard eine strahlende Zukunft vorherzusagen. „WebRTC ist die aufregendste Schlüsseltechnologie der vergangenen zehn Jahre, sie wird die Branche umkrempeln“, sagt Dean Bubley, Gründer des Marktforschungsunternehmens Disruptive Analysis. Bubley prognostiziert einen steilen Anstieg der Anwenderzahlen. Bis 2019 sollen weltweit zwischen 1,5 und 2,5 Milliarden Menschen WebRTC nutzen, davon rund 500 Millionen geschäftlich. Die Zahl WebRTC-fähiger Endgeräte soll dann bei mehr als 6 Milliarden liegen. Ein ähnlich rasantes Wachstum sagt Gartner voraus. Nach Ansicht der Marktforscher wird 2019 der Marktanteil von WebRTC an professioneller Sprach- und Videokommunikation 15 Prozent betragen, heute ist es weniger als ein Prozent.
  • Anton Doeschl, Leiter Collaboration-Architektur bei Cisco: „WebRTC besitzt auch im B2B-Bereich hohes Potenzial.“
WebRTC werde außerdem erhebliche Auswirkungen auf die Erlösmodelle der Telekommunikationsanbieter haben, so Gartner weiter. Sprachkommunikation über IP lässt sich nicht von Datenverkehr unterscheiden und damit auch nicht extra tarifieren. Der Trend, international über das Internet zu kommunizieren statt teure Auslandsgespräche zu führen, wird sich beschleunigen. „Was heute schon mit Facetime, Hangout oder Skype möglich ist, wird durch WebRTC noch einfacher“, sagt Microsoft-Mitarbeiter Dariusz Parys. Klassische Telefonnetze, aber auch Mobilfunknetze würden dadurch deutlich weniger profitabel werden.
Nicht nur die Marktforscher, sondern auch die Kommunikationsexperten der Anbieter sind von WebRTC überzeugt. „Die Technologie könnte sich als bahnbrechend erweisen“, sagt Jan Hickisch, Vice President Global Solution Marketing bei Unify. „Das Projekt WebRTC ist unglaublich wichtig. Es öffnet die Tür für eine neue Welle an RTC-Webanwendungen, die die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren, verändern wird“, ergänzt Plantronics-Manager Holmlund.
WebRTC werde sich zunächst im Konsumentenumfeld durchsetzen, davon ist Hans-Jürgen Jobst, Senior Product Marketing Manager bei Avaya überzeugt: „Der nächste Schritt ist die Integration in die Multimediakommunikation und schlussendlich in die Kommunikation zwischen Konsument und Unternehmen.“
Damit sind die Einsatzmöglichkeiten für WebRTC aber noch längst nicht ausgereizt: „Wir sind überzeugt, dass eine browser­basierte UC-/Video-Implementierung ohne Clients auch im B2B-Bereich hohes Potenzial besitzt“, sagt Anton Doeschl, Leiter Collaboration-Architektur bei Cisco Deutschland.
Ein Erfolgsfaktor für WebRTC ist die große Zahl von Geräten, die dank Browserintegration bereits heute genutzt werden können. Anders als bei vielen anderen neuen Technologien müssen deshalb weder Anbieter noch Anwender darauf warten, bis eine kritische Masse an End­geräten den Einsatz überhaupt sinnvoll und wirtschaftlich macht.
Neben klassischen PCs sind vor allem Tablets und Smartphones für WebRTC geeignet. Sie bringen naturgemäß die nötigen Schnittstellen zu Audio und Video mit. Smartphones und Tablets sind jedoch nicht die einzigen Geräte, die mit WebRTC auf einfache Weise echtzeitkommunikations­fähig gemacht werden können. Smart-TVs, Spielekonsolen, Settop-Boxen, Bordcomputer in Autos oder Smartwatches sind zu nennen – und sie sind erst der Anfang. Mit dem Internet der Dinge und Industrie 4.0 werden Alltagsgegenstände und Industrieanlagen internetfähig. Dank WebRTC ist es dann nur noch ein kleiner Schritt, über diese Dinge und Geräte zu kommunizieren – oder mit ihnen.
4. Teil: „Wo es beim WebRTC-Framework noch hakt“

Wo es beim WebRTC-Framework noch hakt

Auch wenn WebRTC ein robustes, leicht zu integrierendes Framework ist, zeigen sich in der Umsetzung noch Haken und Ösen. Durch die enge Integration mit dem Browser ist WebRTC darauf angewiesen, wie dessen Entwickler den Standard interpretieren und implementieren. Oft liegt es deshalb nicht an der Technologie selbst, wenn eine Verbindung nicht zustande kommt oder ruckelt.
  • Jan Hickisch, Vice President Global Solution Marketing bei Unify: „Die Technologie könnte sich als bahnbrechend erweisen.“
Sind etwa die Kamerafreigabe oder das Session-Handling nicht sauber umgesetzt, kann dies zu schlechterer Qualität oder Abbrüchen führen, ohne dass der eigentliche WebRTC-Stack damit zu tun hat. Weitere Schwierigkeiten machen häufig Firewalls, die trotz STUN-, TURN- oder ICE-Einsatz das Signal nicht passieren lassen.
Fehlende Möglichkeiten der Priorisierung des WebRTC-Verkehrs und asymmetrische Bandbreiten mit geringen Upload-Raten sind weitere Stolpersteine auf dem Weg zur perfekten Ton- und Bildübertragung. Selbst wenn man willens und in der Lage wäre, die Echtzeitkommunikation zu priorisieren, macht es einem WebRTC nicht gerade leicht. Da der komplette WebRTC-Verkehr verschlüsselt ist und die verwendeten UDP-Ports bei jeder Sitzung variieren, lassen sich traditionelle Quality-of-Service-Mechanismen nur schwer zur Qualitätskontrolle verwenden.
Tabelle:
Diese Links vertiefen Informationen und zeigen Beispiel-Implementierungen.

Ein weiteres Problem liegt darin, dass der Standard immer noch nicht ratifiziert ist. Derzeit stünden die Gebiete Secu­rity und Quality of Service noch aus, sagt Unify-Manager Hickisch. Die Zeit sei aber reif für eine vollständige Standardisierung: „WebRTC ist aus meiner Sicht ausreichend dokumentiert.“
Sascha Hirschoff von Polycom sieht vor allem in der fehlenden Einigung auf einen Videocodec ein Problem. Immerhin hätten sich aber die führenden Parteien darauf verständigt, zwei Algorithmen zu unterstützen, um Interoperabilität zu gewährleisten. Avaya-Mitarbeiter Jobst vermisst professionelle Funktionen wie Mehrfachkonferenzen, Moderatorfunktionen oder ein ausgeklügeltes Bandbreitenmanagement. „WebRTC bietet momentan nur einige Basisfunktionen“, sagt er.
5. Teil: „WebRTC im Einsatz mit Chrome, Fire­fox & Opera“

WebRTC im Einsatz mit Chrome, Fire­fox & Opera

Plattformen wie appear.in, vLine oder AhoyConference (siehe dazu auch Interview mit Björn Schwarze) bieten einfache Bedienoberflächen für WebRTC. Sie erlauben den direkten Start von Sprach- und Videotelefonaten, indem sie auf die integrierten WebRTC-Fähigkeiten von Chrome, Fire­fox und Opera zugreifen.
  • WebRTC-fähige Geräte: Schon heute gibt es über eine Milliarde WebRTC-fähige Geräte, bis 2019 sollen es über sechs Milliarden sein.
In Firefox ab Version 35 geht es auch direkt. Mit Hello ist eine WebRTC-Anwendung unmittelbar in den Browser integriert. Für die Übertragung nutzt Mozilla den Telefonica-Service tokbox, auf den man auch von iOS- und Android-Geräten über die App OpenTokRTC zugreifen kann.
Skype ist ebenfalls auf dem Weg zur WebRTC-Kompatibilität. Mit Skype for Web lässt sich direkt aus dem Browser kommunizieren, ohne dass Plug-ins oder Installationen nötig wären. Der Dienst ist derzeit allerdings noch im Closed-Beta-Stadium und nur auf Einladung zugänglich.
Für die Integration von WebRTC in Applikationen hat sich bereits ein Markt entwickelt. Zahlreiche Dienstleister bieten dies als Service an.
Eine umfangreiche Liste findet sich unter www.webrtcworld.com/webrtc-list.aspx. Bistri etwa stellt WebRTC als Platform as a Service (PaaS) zur Verfügung. Neben der Übertragung von Bild, Ton und Dateien managt die Plattform Präsenz­informationen, steuert die Si­gnalisierung und sorgt mit eigenen TURN-Servern für die Kommunikation über NAT-Fire­walls hinweg.
  • WebRTC-Anwendung: Die kostenlose Videokonferenzplattform GoToMeeting free von Citrix basiert auf WebRTC.
Dass man WebRTC in wirklich jede Applikationen inte­grieren kann, zeigen beispielsweise Spiele wie Cube Slam oder das Videoschach von Spacegoo. Auch wenn diese Umsetzungen nicht unbedingt einen Nutzen haben, so lassen sie doch das Potenzial der Technologie erkennen.
Es gibt allerdings auch schon viele ernst zu nehmende Beispiele. Wenn Nutzer eines Kindle-Fire-HDX-Tablets von Amazon den „Mayday“-Button drücken und damit sofort eine Videoverbindung zu einem Support-Mitarbeiter aufbauen, dann ist WebRTC im Spiel.
Wenn Kunden von American Express über die iPad-App des Unternehmens ein Videotele­fonat mit einem Berater des Kreditkartenunternehmens führen, dann tun sie das via WebRTC. Für Service und Support sei die Technologie geradezu prädes­tiniert, sagt Detlev Artelt, CEO des Beratungsunternehmens aixvox: „Alle Unternehmen mit Kundenservice werden WebRTC lieben.“
Wie vielfältig die Einsatzmöglichkeiten für WebRTC sind, zeigt auch das Beispiel von WebID Solutions. Das Unternehmen hat sich auf die rechtskonforme Online-Identitätsfeststellung spezialisiert und verwendet WebRTC zur Identitätsüberprüfung als Alternative zum umständlichen PostIdent-Verfahren.
„Wir haben uns für WebRTC entschieden, weil es keine Plug-ins benötigt, einfach zu nutzen ist, hohe Sicherheit bietet und eine sehr gute Bildqualität ermöglicht“, so Sven Jorga, VP Technology & IT Management bei WebID Solutions. Allerdings habe man nicht mit der Vorsicht der Leute gerechnet: „Der Nutzer kann mit den Begriffen WebRTC und Browsertelefonie leider noch nicht so viel anfangen und möchte lieber bekannte Dienste wie Skype nutzen.“
6. Teil: „Die WebRTC-Strategie der UCC-Anbieter“

Die WebRTC-Strategie der UCC-Anbieter

Anbieter von Unified-Communication-and-Collaboration-Lösungen (UCC) setzten in den vergangenen Jahren hauptsächlich auf die Protokolle SIP und H.264 für die Audio- beziehungsweise Video-Übertragung. Ihre Systeme sind höchst leistungsfähig, ausgeklügelt, robust – und teuer.
  • Sascha Hirscho, Director Systems Engineers Central Europe bei Polycom: „Die Zeit und der Grad an Expertenwissen zur Integration von Echtzeit-Voice und -Video verringern sich durch WebRTC deutlich.“
Die Einfachheit von WebRTC macht wesentlich preiswertere, einfachere und flexiblere Alternativen denkbar. Kein Wunder also, dass sich die meisten Anbieter von UCC-Lösungen mit dem Thema WebRTC beschäftigen und die Entwicklung eigener Produkte oder die Integration von WebRTC in bereits bestehende Lösungen vorantreiben.
So bietet etwa Avaya in dem Produkt Collaboration Environment 3.0 die Möglichkeit, ausgehend von einem Web-Chat zwischen Kunden und Contact-Center-Agenten, eine Sprachverbindung via Webbrowser auf WebRTC-Basis aufzubauen. „Von hier aus ist der Weg zu Videokonferenzen über den Browser dann nicht mehr weit“, sagt Avaya-Manager Jobst.
Auch Citrix hat eine WebRTC-Implementierung anzubieten. Sie heißt GoToMeeting free. Wie der Name schon andeutet, ist der Service kostenlos und erlaubt es, direkt aus dem Browser heraus Videokonferenzen mit bis zu drei Teilnehmern zu starten.
Eine Übertragung von Bildschirminhalten funktioniert ebenfalls. Über den Button „Meeting planen“ lässt sich einfach ein Einladungs-Link generieren, über den man dann beispielsweise aus einem Google-Kalender heraus direkt zu gegebener Zeit dem Meeting beitreten kann.
  • WebRTC mit dem Smartphone: Die App OpenTokRTC für iOS und Android bietet Video-Chats auf WebRTC-Basis.
Ähnlichen Komfort bie­-tet das Messaging-System Spark von Cisco. Die Lösung soll die Zusammenarbeit innerhalb und zwischen Unternehmen verbessern. Nutzer können virtuelle Meeting-Räume erstellen, indem sie in ihrem Kalender auf eine Einladung tippen.
Die Teilnahme an einer solchen Konferenz ist aus Firefox heraus per WebRTC möglich. Neben Audio- und Videosignal lassen sich auch Bildschirminhalte übertragen, ohne dass dafür ein Plug-in notwendig wäre.
Avaya, Citrix und Cisco sind natürlich keineswegs die einzigen UCC-Hersteller mit WebRTC-Strategien. Polycom etwa nutzt in der RealPresence CloudAXIS Suite das Kommunikations-Framework, um Kunden einfach per Browser in die Videokonferenzen einzubinden. Die Teilnehmer lassen sich über einen Web-Link oder ebenfalls über einen Kalendereintrag zu einem Meeting einladen.
Am weitesten geht Unify den WebRTC-Weg mit seinem Software-as-a-Service-Dienst Circuit. Er ist aus dem Project Ansible hervorgegangen. Der Service ist ab 14,95 Euro pro Anwender und Monat erhältlich. Circuit ist webbasiert und soll nahtlos über Browser, Smartphones und Tablets funktionieren.
Ein angefangenes Gespräch lässt sich laut Herstellerangaben per Wischgeste von einem Gerät auf ein anderes Gerät übertragen. Die an Social-Media-Anwendungen erinnernde Bedienoberfläche ermöglicht die Zusammenarbeit per Chat, Sprache, Bildern und Videos. Mittelfristig ist für große Unternehmen zusätzlich eine On-Premise-Variante geplant.
7. Teil: „Das Fazit und weitere Infos zu WebRTC“

Das Fazit und weitere Infos zu WebRTC

WebRTC ist der Standard der Zukunft, wenn es um IP-basierte Echtzeitkommunikation geht. Das Framework macht proprietäre Lösungen weitgehend überflüssig, ermöglicht einen sicheren Verbindungsaufbau aus einem Browser und lässt sich leicht in Applikationen integrieren. Deshalb sind den Einsatzmöglichkeiten kaum Grenzen gesetzt. Internetfähige Endgeräte mit Browser gibt es massenhaft, vom klassischen Rechner über Smartphones und Tablets bis hin zu Smart-TV-Geräten und Wearables. Deshalb ist es kein Problem, eine kritische Masse an potenziellen Nutzern oder Endgeräten zu erreichen.
Tabelle:
Dank der einfachen Integration lassen sich viele Anwendungen mit WebRTC um Echtzeitkommunikation erweitern.

Wie jede neue Technologie hat auch WebRTC mit Startschwierigkeiten zu kämpfen. Obwohl seit 2011 in Bearbeitung, ist der Standard noch immer nicht ratifiziert, was unter anderem zur Folge hat, dass WebRTC-Implementierungen nicht notwendigerweise kompatibel sein müssen. Die unterschiedliche Implementierung und Interpretation des Standards kann zu Bild- und Tonaussetzern, Asynchronität oder sogar zum völligen Ausfall führen. Diese und andere Unannehmlichkeiten werden den Siegeszug von WebRTC  aber nicht aufhalten.

Weitere Infos

8. Teil: „„WebRTC verändert die Art und Weise des Arbeitens““

„WebRTC verändert die Art und Weise des Arbeitens“

com! professional hat mit Björn Schwarze, geschäftsführender Gesellschafter der Addix Internet Services GmbH, über das Potenzial von WebRTC gesprochen.
com! professional: Herr Schwarze, Sie sind seit drei Jahren mit WebRTC-basierten Konferenzlösungen am Markt, was sind Ihre Erfahrungen?
Björn Schwarze: Das funktioniert mittlerweile sehr zuverlässig und fängt langsam an, Spaß zu machen. Mittlerweile vermitteln wir über das AhoyRTC Gateway 1,7 Millionen Minuten pro Woche, bei ungefähr 55.000 Gesprächen pro Tag.
  • Björn Schwarze, geschäftsführender Gesellschafter der Addix Internet Services GmbH
com! professional: Verdienen Sie damit Geld?
Schwarze: Mit unserer Konferenzlösung AhoyConference verdienen wir kein Geld, das ist unser Schaufenster. Wir haben aber auch kommerzielle Angebote. So nutzt etwa ein Provider aus Indien unsere Infrastruktur, um darüber Telefonie anzubieten.
com! professional: Worin sehen Sie die wesentlichen Vorteile von WebRTC?
Schwarze: WebRTC vereint erstmals in einem offenen Standard die Kommunikation über Video und Sprache mit der Daten­übertragung und der Zusammenarbeit. Es ist Teil des Browsers, Sie müssen keine Software installieren und sich keine Gedanken um die Infrastruktur machen. Ich bekomme damit quasi auf einen Schlag eine Echtzeitanwendung, die ohne Modifikation oder Installation sofort auf Milliarden von Endgeräten funktioniert. Zudem lässt sich die Oberfläche komplett an die eigenen Anforderungen anpassen. Das ist zum ersten Mal in einem so übergreifenden Standard möglich. Bisher musste ich mir eine Videokonferenzlösung kaufen oder mit Skype eine Vereinbarung treffen, dass ich an die APIs ran darf. Bei WebRTC ist alles offen, und genau darin sehe ich die große Chance.
com! professional: Facebook und Google bieten ja auch die Möglichkeit zur direkten Kommunikation aus dem Browser, was ist bei WebRTC anders?
Schwarze: Über WebRTC können sich Menschen anonym vernetzen, das ist der Riesenunterschied und auch das Riesen­potenzial. Ein Kunde von uns ist die norddeutsche Diakonie, die anonyme Suchtberatung über unsere Plattform anbietet. WebRTC ist auch ein Weg, der totalen Überwachung zu entkommen, denken Sie nur an die Vorratsdatenspeicherung, die ja wieder auf der Agenda steht. Gespräche, die über WebRTC stattfinden, sind peer-to-peer und durchgängig verschlüsselt. Es dürfte sehr schwer und aufwendig werden, das zu überwachen.
com! professional: Ist WebRTC auch ein Angriff auf die Vermittlungshoheit der Telekommunikationsanbieter?
Schwarze: Absolut. Ich brauche kein Telefonvermittlungsnetz oder IMS (IP Multimedia Subsystem) mehr, man nutzt DNS (Domain Name Service). Nicht umsonst versuchen die Telekommunikationsanbieter das Thema WebRTC kleinzuhalten. Aber sie werden scheitern wie bei Voice over IP. WebRTC hört außerdem nicht bei der direkten Anrufbarkeit auf, ich kann auch den Daten­kanal benutzen und Dokumente austauschen. Das lässt sich gar nicht von­einander unterscheiden. Ich sehe WebRTC aber auch als Chance für alle Car­rier, die den Breitbandausbau vorantreiben wollen.
com! professional: Wie sehen Sie den Einfluss auf die Anbieter professioneller Videokonferenzlösungen wie Avaya, Cisco oder Polycom?
Schwarze: Die müssen sich erst mal keine Sorgen machen, ihr Kerngeschäft ist noch nicht bedroht. Was diese Anbieter allerdings durchaus Marktanteile kosten könnte, ist WebRTC auf Apple-Geräten. Wir machen gerade erste Gehversuche mit unserer AhoyConference App für iPad im Apple App Store. Die Übertragungsqualität ist überragend. Da sehe ich eine echte Gefahr für die Anbieter von Konferenzlösungen, weil es eben so gigantisch einfach ist. Wir setzen mit dieser Lösung gerade ein Projekt für eine Sparkasse um, in dem Berater aus dem Kundengespräch heraus einen Experten kontaktieren und hinzuziehen können. Die haben natürlich auch mit den gängigen Anbietern von Kommunikationslösungen gesprochen, aber das wäre um Größenordnungen teurer geworden.
com! professional: Sollten sich mittelständische Unternehmen schon heute mit WebRTC beschäftigen? Falls ja: in welcher Form?
Schwarze: Ich rate jedem CIO und IT-Verantwortlichen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, um zu verstehen, was man mit dieser Technik machen kann. WebRTC verändert die Art und Weise des Arbeitens völlig. Dank AhoyConference führe ich viel mehr Gespräche, ich habe eine Idee, wie die Gesprächspartner aussehen, ich bekomme auch ein Gefühl dafür, wer innovationsbereit ist und wer nicht.

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