29.10.2015
Digitale Transformation
1. Teil: „Standards für die Industrie 4.0“
Standards für die Industrie 4.0
Autor: Mark Lubkowitz
Fotolia / GraphicCompressor
Einheitliche Standards sollen die Industrie- und Exportnation Deutschland stärken und eine babylonische Sprachverwirrung in der Industrie 4.0 verhindern.
Nichts anderes als die allumfassende Vernetzung – das verspricht die Industrie 4.0. Während es in der vorangegangenen dritten industriellen Revolution die Computer waren, die zunächst für ein Höchstmaß an Automatisierung in der Fertigung gesorgt haben, soll künftig das Internet jedes einzelne Element der Wertschöpfungskette miteinander vernetzen.
Damit diese Vision Wirklichkeit wird, sind einheitliche Standards eine unabdingbare Voraussetzung, sonst gerät die so heiß herbeigesehnte Revolution wegen unüberbrückbarer Sprachbarrieren ins Stocken.
Babylonische Zustände
Im Umfeld der Business-IT sprießen neue Standards beinahe täglich wie Pilze aus dem Boden. Einige Standards sind offen, andere proprietär, einige sind sehr weit gefasst und für einen universellen Einsatzzweck gedacht, andere sehr engmaschig und für ganz spezielle Szenarien ausgelegt. Sie alle stehen mehr oder weniger in Konkurrenz zueinander und nur einige wenige dieser Standards schaffen es, sich tatsächlich durchzusetzen. Und dabei gewinnt beileibe nicht immer der beste, der schnellste, der flexibelste oder der sicherste Standard.
Einheitliche Standards, die sich für die Industrie 4.0 eignen, gibt es bereits. Jetzt muss Einigung her, welche dieser Standards tatsächlich eingesetzt werden sollen. Je mehr Standards geschaffen werden, desto komplizierter wird diese Abstimmung. Es müssen ja auch Schnittstellen entwickelt werden, die gleichermaßen offen wie gut dokumentiert und natürlich unabhängig von Herstellern sein müssen.
2. Teil: „Nur keinen Konkurrenzkampf der Standards“
Nur keinen Konkurrenzkampf der Standards
Wie schlecht es andernfalls laufen könnte, zeigt das Feld der Heimautomatisierung. Jeder Hersteller dort kocht, trotz einiger Allianzen, sein eigenes Süppchen. Kompatibilität gibt es bislang wenig, und Mitbewerber werden gern einmal ausgegrenzt. Darunter leiden die Anwender. Sie sind gezwungen, sich für ein Ökosystem zu entscheiden und innerhalb dieses Systems mit seinen Vor- und Nachteilen zu bleiben.
Die Standards für die Industrie 4.0 sollen eine babylonischen Sprachverwirrung und damit womöglich zueinander inkompatible Systeme verhindern. Jedes Teil der Wertschöpfungskette muss sich nahtlos integrieren lassen, ohne langwierige Adaptierung proprietärer Standards oder die Entwicklung entsprechender Schnittstellen. Eine Industrie 4.0, eine Sprache muss das Ziel lauten.
Natürlich bedeutet das auch, dass sich konkurrierende Unternehmen einem gemeinsamen Ziel verschreiben und sich damit gegenseitig stärken müssten. Allein kann es ein Unternehmen ohnehin nicht schaffen.
400 Millionen Euro hat sich die Bundesregierung das Projekt Industrie 4.0 bislang kosten lassen. Als einen wesentlichen Zwischenschritt hat sie mit Unterstützung mehrerer Verbände die sogenannte Plattform Industrie 4.0 aus der Taufe gehoben (www.plattform-i40.de).
Involviert sind der IT-Verband Bitkom, der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und der Zentralverband Elektrotechnik und Elektroindustrie (ZVEI). Die Plattform soll die Normen und Standards für die Industrie 4.0 festlegen, eine sichere Grundlage schaffen und daraus eine Referenzarchitektur ableiten. Der Haken dabei: Aufgrund des Verbänderechts dürfte die Plattform Industrie 4.0 die Standards aber gar nicht veröffentlichen.
3. Teil: „Telekom, SAP und die Konkurrenz aus den USA“
Telekom, SAP und die Konkurrenz aus den USA
Das führt zum Auftritt der Deutschen Telekom und SAP. Sie haben ein Konsortium gegründet, das „einfach, pragmatisch und schnell (...) De-facto-Standards“ schaffen will, so Reinhard Clemens, Geschäftsführer von T-Systems und Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom. Auch die Telekom und SAP handeln im Auftrag der Bundeskanzlerin.
Telekom-Vorstand Clemens orientiert sich aber über die Grenzen Deutschlands hinweg. Schließlich ist Deutschland eine Exportnation. Und als diese darf sich Deutschland nicht auf sich selbst konzentrieren, sondern muss sich international einigen.
Konkurrenz aus den USA
Als Gegenentwurf zu Industrie 4.0 wird gern das Industrial Internet Consortium, kurz IIC, gehandelt. Es sei, wie manche sagen, die US-amerikanische Antwort darauf. Das stimmt aber nicht. Gegründet wurde das IIC zwar von AT&T, Cisco, GE, IBM und Intel, alles US-amerikanische Schwergewichte, was vermutlich ausschlaggebend für die Fehlinterpretation ist. Das IIC ist aber nicht auf den US-Markt beschränkt. Mittlerweile haben sich der Non-Profit-Organisation sogar große deutsche Unternehmen angeschlossen, etwa Siemens und Bosch – und auch SAP.
Während das Projekt Industrie 4.0 Standards etablieren will, ist das Industrial Internet Consortium auf die Schaffung von Innovationen und neuen Use Cases ausgerichtet. Frameworks sollen definiert und entwickelt werden. Entsprechend dieser offenen Zielsetzung existieren bereits Pläne, die für Industrie 4.0 festgelegten Standards ins Industrial Internet Consortium einzubringen.
Ihre Arbeitsergebnisse will die Pattform Industrie 4.0 auf einem nationalen IT-Gipfel im November in Berlin präsentieren. Mit Referenzarchitekturen ist nicht vor Ende 2016 zu rechnen.
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