Business-IT
28.05.2015
Großrechner
1. Teil: „IBM pflegt mit dem z13 sein Mainframe-Monopol“

IBM pflegt mit dem z13 sein Mainframe-Monopol

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IBM
Der Mainframe ist tot – es lebe der Mainframe: IBM pflegt sein Großrechner-Monopol mit einer neuen z-Generation, welche auf die Anforderungen der Mobile Economy zugeschnitten ist.
Die Technologie ist einzigartig. Die Gewinne sind es auch. Und Konkurrenz gibt es praktisch nicht mehr. Obwohl sie ausgereift sind, wollen sich aber nur wenige Unternehmen noch Mainframes leisten. Der kleine Haken: Die Technologie ist proprietär und erfordert ständige Pflege. Support- und Lizenzgebühren fallen ebenfalls an.
Etwa alle zwei Jahre bringt IBM eine neue Großrechner-Generation heraus – die aktuelle trägt den Namen z13. Es handelt sich um eine „konsequente Weiterentwicklung dieser Technologie“, wie es Frank Wondrak, Geschäftsführer der Kommunalen Datenverarbeitung Region Stuttgart (KDRS) und Country Manager der internationalen Mainframe-Anwendergruppe GSE (Guide Share Europe), ausdrückt.
Für IBM selbst ist der z13 viel mehr: „Das neue System ist auf die Anforderungen der Mobile Economy zugeschnitten und bietet Echtzeit-Verschlüsselung bei mobilen Transaktionen sowie erstmals integrierte Echtzeit-Analytik.“
Damit zielt der Kern der Botschaft auf den Nutzen der Mainframe-Architektur für derzeit angesagte Themen: Neben Mobility als modernem Kommunikationstrend – privat wie geschäftlich – und als Einkaufswerkzeug per Smart­phone oder Tablet sind vor allem Big Data und Analytics im Einzelhandelsbereich gefragt. Diese Themen stehen generell weit oben auf der IBM-Agenda und haben bereits dazu geführt, dass sich der Konzern wieder einmal neu erfindet: Hardware spielt strategisch nur noch eine untergeordnete Rolle, während Consulting, Services und Software in den Vordergrund rücken.
2. Teil: „Technologisch aufgefrischter IBM-Großrechner“

Technologisch aufgefrischter IBM-Großrechner

  • IBM z13: Der Mainframe verarbeitet 2,5 Milliarden Transaktionen pro Tag und somit die 100-fache Menge dessen, was an besonders erfolgreichen Verkaufstagen üblich ist.
    Quelle:
    IBM
Mit dem Großrechner z13 will IBM neue Anwender aus der Mobile Economy finden, in erster Linie in den Sektoren Telekommunikation, klassischer Handel und E-Commerce.
Mit 2,5 Milliarden Transaktionen pro Tag könne der z13 täglich die 100-fache Menge dessen verarbeiten, was an besonders erfolgreichen Verkaufstagen üblich sei. Damit sei er bestens für massenhafte mobile Transaktionen gerüstet, die bis zum Jahr 2025 auf 40 Billionen täglich ansteigen sollen.
Außerdem verdoppelt er laut IBM die bisher erreichte Geschwindigkeit der Echtzeitverschlüsselungen für schnellere und sicherere mobile Transaktionen, schützt damit Transaktionsdaten und gewährleistet gleichzeitig rasche Reaktionszeiten, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.
Der z13 ist das erste Mainframe-System mit integrierter Analytik, das in Echtzeit Einblicke in Mobile-Transaktionen liefert, womit sich Betrugsversuche bei Geschäftsvorgängen künftig leichter und nahezu sofort aufdecken lassen.
  • Rückblick: 2004, als es noch keine Apps gab und Facebook gerade startete, fiel pro Tag weniger als 1 Transaktion pro mobilem Anwender an.
Die von IBM hervorgehobenen neuen Anforderungen an die Mobile Economy sollen in Kombination mit IBMs Mobile-First-Lösungen Faktoren wie verbesserte Performance, Verfügbarkeit, Analysen und Sicherheit für das mobile Umfeld zur Verfügung stellen. Laut IBM ermöglicht es die Mobile-First-Plattform Unternehmen, Anwendungen entsprechend den eigenen Geschäftsanforderungen bereitzustellen. Mit MobileFirst Protect soll es „nahtlose Sicherheit und End-to-End-Management der Kunden-Infrastruktur und ihrer Geräte, Anwendungen, Inhalte und Geschäfte“ geben.
Während die Eroberung neuer Kundenschichten klar im Vordergrund steht, bringt der neue z13 auch technologisch eine Auffrischung. Dazu gehören der Einsatz von Flash Memory oder von sogenannten FPGA-Akzeleratoren, um eine Erhöhung des Datendurchsatzes auf den Netzstrecken zu ermöglichen. Eine neue, in den Prozessor integrierte Peripheral-Component-Interconnect-Unit soll laut Wolfgang Maier, Leiter der Hardware-Entwicklung im deutschen IBM-Forschungs- und Entwicklungszentrum, „vergrößerte Caches sowie bis zu 10 TByte DRAM“ bringen und den z13 auf speicherintensive Anforderungen wie Big Data vorbereiten.
  • 10 Jahre später: 2014, das Smartphone gehört längst zur Standardausstattung, werden bereits mehr als 37 Transaktionen pro Tag und pro mobilem Anwender verarbeitet.
Weitere neue Funktionen betreffen die Unterstützung von Hadoop und die Fähigkeit, den Mainframe als skalierbare Cloud-Architektur einzusetzen. So soll der z13 in einem Scale-out-Modell bis zu 8000 virtuelle Server betreiben können. Das entspricht mehr als 50 virtuellen Servern pro Core und verringert die Ausgaben für Software, Energie und Rechenzentrumsanlagen. Damit sieht der Hersteller seine neuen Mainframes auf Augenhöhe mit den Virtualisierungs- und Cloud-Architekturen, wie sie von Facebook, Google und anderen mit ihren riesigen, auf x86 basierenden Rechenzentren betrieben werden. Im Vergleich zu einer verteilten x86-Server-Umgebung könne die Cloud auf dem Mainframe „annähernd zur Hälfte der Kosten und bei einer um 30 Prozent gesteigerten Leistung betrieben werden“.
3. Teil: „Der IBM z13 ist mehr als ein Großrechner“

Der IBM z13 ist mehr als ein Großrechner

Der Mainframe z13 hat laut dem Analysten Richard Fichera von Forrester Research eine neue Phase eingeläutet. Neben den Upgrades in Sachen Kapazität, CPU, Memory oder I/O-Ports setzt IBM auf die Erschließung neuer Anwendungsfelder bei Mobile Economy und Cloud: „Dies ist eine mutige, aber vernünftige Repositionierung des Mainframes. Mobile Transaktionen sind der am schnellsten wachsende Markt in der Weltwirtschaft, und IBM hofft, diese auf seine Mainframe-Plattform hinüberzuziehen und damit weg von den üblichen verteilten x86-Landschaften.“
  • Richard Fichera, Analyst, Forrester Research: „Mobile Transaktionen sind der am schnellsten wachsende Markt in der Weltwirtschaft. IBM hofft, diese auf seine Mainframe-Plattform hinüberzuziehen.“
Neben der hohen Rechenleistung des Systems führt der Hersteller weitere Faktoren wie traditionelle Zuverlässigkeit und Sicherheit an, mit denen man den Marktumschwung bewerkstelligen wolle. Neue Referenzkunden sollen den Trend zur Mobility-Economy belegen. In den USA verweist man hier auf Raddix International, den Anbieter eines Flug­reservierungssystems, der laut IBM sieben Prozent der weltweiten Flugreservierungen abwickelt. In Deutschland nennt man das Start-up Heliox, das sich „für einen IBM Enterprise Linux Server auf Basis des Mainframes“ entschieden habe. Laut IBM „entwickelt das junge Unternehmen aus Köln Services und Software, um Infrastrukturen für Multi-Channel-Commerce-Lösungen bereitzustellen“.
IBM hatte vor ein paar Jahren den ELS (Enterprise Linux Server) herausgebracht, der auch als Mini-Mainframe bezeichnet wurde und mit einem Preis ab 100.000 Euro weniger als ein High-End-Server auf x86-Basis kosten sollte. Ein durchschlagender Markterfolg war ihm bisher nicht beschieden. Als Perspektive für den Mainframe hat er aber seine Zukunft vielleicht noch vor sich.
  • Perspektive: Bereits 2017 dürften mehr als 2 Milliarden Anwender mobile Zahlungsmethoden nutzen und für mehr als 50 Transaktionen pro Tag und pro mobilem Anwender sorgen.
Neue Großrechner-Generationen werden fast immer durch Upgrades auf die Altsysteme verkauft, die bereits hohe Kosten verursacht haben. Man setzt neue Prozessoren ein und nimmt Anpassungen oder Detailänderungen an der modularen Struktur vor – immer unter Beachtung der betriebswirtschaftlichen Kalkulation. Insofern werden die Bestandskunden sicher erneut die Gelegenheit nutzen, ihre Altsysteme den geänderten Anforderungen und Workloads anzupassen.
Für ein Revival des Mainframes dürfte es aber erst dann reichen, wenn IBM mit seiner Marketing-Macht wirklich Teile des Mobility- und Cloud-Markts zu sich bewegen kann. Wobei sich der Konzern beim Thema Cloud selbst ernsthafte Konkurrenz macht, hat man doch erst vor Kurzem mit dem Kauf des Cloud-Spezialisten SoftLayer einen Neuanfang auf diesem Gebiet gestartet. Die vorherige IBM-eigene Cloud-Infrastruktur wurde wegen mangelnder Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit komplett aufgegeben und durch SoftLayer ersetzt.
Wer vorschnell vom Ende des Mainframes spricht, übersieht die Bestandsbasis, die diese Architektur für ihre Transaktionen und Legacy-Applikationen weiterhin nutzt. Ein gutes Beispiel ist DATEV. Der Dienstleister setzt seit Jahrzehnten für seine Anwendungen wie Rechnungswesen, Lohn oder Steuern auf ein zentrales Rechenzentrum mit zwei Mainframes, ergänzt um Unix- und x86-Server für weitere Programme. Bis jetzt hat sich das stabile System laut DATEV wegen seiner Prozessorleistungen und der hohen Auslastungsquote gut bewährt. IBM würde auch immer sehr konkret auf die Anforderungen der DATEV-Kunden eingehen und diese bei den neuen Versionen berücksichtigen.
  • Zukunftsmusik: Für das Jahr 2025 rechnen Experten mit 10 Milliarden mobilen Geräten und mehr als 40 Billionen mobilen Transaktionen pro Tag.
Unübersehbar ist allerdings, dass es kaum noch neue Mainframe-Kunden gibt. Frank Wondrak spricht davon, dass es hierzulande schon länger keinen Neukunden mehr gegeben habe. In Osteuropa, in China oder in manchen Entwicklungsländern mag das anders sein, da dort plötzlich riesige neue Märkte bedient werden müssen. Die vom „Wall Street Journal“ im Januar 2015 veröffentlichte Einschätzung des Gartner-Analysten Dale Vecchio lautet so: „Es gibt im Moment weltweit etwa 3500 verbliebene Mainframe-Kunden, während es vor fünf Jahren 5000 waren und zehn Jahre zuvor sogar noch 8000. Diese Zahlen werden weiter zurückgehen, da wir zurzeit einen Generationswechsel in den IT-Abteilungen erleben.“
Auch Wondrak hat diesen Trend beobachtet. Die Bemühungen von IBM, zusammen mit Universitäten neue Mainframe-Studiengänge zu eröffnen und Ersatz für die allmählich in den Ruhestand gehenden Hard- und Softwarespezialisten zu finden, hätten vielleicht in den USA gefruchtet, aber nicht in Europa. Es gebe GSE-Mitglieder, die händeringend nach Cobol-, CICS- oder DL/1-Programmierern suchen würden, um ihre Altbestände an Mainframe-Programmen zu pflegen und weiterzuentwickeln. Es sei sehr schwer, bei jungen Informatikern auch nur ein rudimentäres Interesse für Mainframe-Strukturen zu wecken. Junge Leute, so Wondrak gegenüber com! professional, wollten heute Java programmieren und interessierten sich für App- oder HTML-Entwicklung, aber nicht für eine als überholt geltende Rechnerarchitektur.
Das Personalproblem ist zumindest eine strategische Bedrohung für jeden Mainframe-Anwender. Wer noch Mainframes in seinem Rechenzentrum stehen hat, ist meist dazu gezwungen, weil zentrale Datenbankanwendungen – etwa für Banken oder Versicherungen – nur auf dieser Plattform laufen. Eine Alternative wäre, Portierungskosten auf eine andere Plattform in Kauf zu nehmen. Das rechnet sich aber in der Regel nicht.
Frank Wondrak findet die neue z13-Maschine „hochinteressant“, sie sei „eine natürliche und konsequente Weiterentwicklung des Mainframes mit vielen neuen Features“. In seinem Unternehmen, der Kommunalen Datenverarbeitung Region Stuttgart, hat man allerdings zum Jahreswechsel die Mainframes abgeschaltet. Hardware oder Betriebssystem waren nicht der Grund dafür: „Wir mussten in den letzten drei Jahren unsere Legacy-Applikationen durch neue ersetzen, da sie funktional veraltet waren. Aber viel wichtiger war, dass wir nicht mehr die Menschen haben, die sie warten können.“
Für die meisten Mainframe-Anwender sind betriebswirtschaftliche Überlegungen entscheidend, wenn es zu einer Abkehr von dieser Plattform kommt. Da die Lizenz- und Wartungspolitik von IBM sich schnell zu Millionenbeträgen pro Jahr summieren kann, ist der Betrieb einer Mainframe-Architektur erst ab einer Mindestauslastung von 70 bis 80 Prozent des Systems wirtschaftlich. Brechen Legacy-Applikationen weg, dann bleibt man schnell auf sehr hohen Fixkosten sitzen – und beginnt, sich nach anderen Lösungen umzuschauen.
4. Teil: „Welche Strategie verfolgt IBM mit dem z13?“

Welche Strategie verfolgt IBM mit dem z13?

IBM erfindet sich seit Jahren immer wieder neu. Statt bei dem ehemaligen Gleichgewicht aus traditioneller Hardware und angepasster Software zu bleiben, wurden immer wieder Teile des klassischen Portfolios verkauft – angefangen vom IBM-kompatiblen PC über Notebooks, Drucker und Festplatten bis hin zu AS/400- und x86-Servern sowie OS/2. Der gemein­same Nenner all dieser Aktionen: Die diversen Sparten entsprachen nicht mehr den – selbst gesetzten – Umsatz- und Gewinnvorgaben des Konzerns.
  • IBM z13: Die Eckdaten der Großrechner-Serie
Schon gibt es erste Hinweise darauf, dass auch der IBM-eigenen Unix-Fraktion ein ähnliches Schicksal blühen könnte. Mit OpenPower hat IBM erst einmal begonnen, gegen die rückläufigen Verkaufszahlen auf diesem Sektor anzugehen. Von manchen Beobachtern wurde dies bereits als ein Eingeständnis der Schwäche gewertet. Und im Storage-Bereich kämpft IBM schon seit Jahren gegen schrumpfende Umsätze – bis jetzt mit vielen Zukäufen, zum Beispiel beim Thema Flash, und taktischen Winkelzügen. Ob dies auf Dauer reichen wird, ist unklar. Bis jetzt scheint die Überschussrechnung bei den Mainframe-Systemen für den Konzern noch zufriedenstellend zu sein. Legt man den Maßstab der neuen Generallinie auch hier an, könnte aber schon bald eine radikale Kehrtwendung vollzogen werden. Dann nämlich, wenn die Profit-Ergebnisse – sie sollen nach Insider-Schätzungen noch immer jenseits der 30- oder 40-Prozentgrenze liegen – in den Augen des Top-Managements nicht mehr stimmen.
  • Frank Wondrak, Geschäftsführer Kommunale Datenverarbeitung Region Stuttgart (KDRS): „Zum Jahreswechsel haben wir unsere Mainframes abgeschaltet.“
Frank Wondrak verweist darauf, dass sich die x86-Plattform mit ihren Virtualisierungs-, Cluster- und Skalierungseffekten zunehmend zur betriebswirtschaftlich ernst zu nehmenden Alternative entwickelt hat. Aber sie verfüge erst mit großer Verspätung über Funktionen, die der Mainframe schon vor 30 Jahren kannte. Ob sie den Grad an Bedienkomfort, Automatisierung und Zuverlässigkeit der Mainframes erreichen wird, muss sich zeigen.
Der Gartner-Analyst Vecchio sieht ein langsames Abdriften der Mainframes in eine Nische jenseits des übergroßen dominierenden x86-Markts. Das habe nichts mit dem Tod des Mainframes zu tun, sondern entspreche der zukünftigen marginalen Rolle in einem High-End-Marktsegment.
Man könnte, so gesehen, auch an die Hochleistungs-Server von Cray und an manch anderes altes Eisen denken, das aufgrund seiner Rolle in einigen wichtigen Industrien, Be­hörden und dem US-Militär noch immer am Leben erhalten wird. Mainframe und Militär: Da könnte sich noch länger einiges abspielen.

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