Business-IT
15.07.2015
ERP-Lösungen
1. Teil: „ERP steuert Unternehmen planvoll und effizient“

ERP steuert Unternehmen planvoll und effizient

Enterprise Resource PlanningEnterprise Resource PlanningEnterprise Resource Planning
Shutterstock / Mkiko Lemola
Enterprise Resource Planning (ERP) als zentrales Datenverwaltungssystem im Unternehmen liefert Zahlen und Fakten für fundierte Entscheidungen.
Die Verflechtung wirtschaftlicher Prozesse über Ländergrenzen hinweg und die disruptiven Entwicklungen in vielen Branchen und Märkten haben die Wirtschaft sehr viel komplizierter gemacht.
Um ein Unternehmen zum Erfolg zu führen, genügen Ideen und Geschick allein nur noch in Ausnahmefällen. Rationale Entscheidungen erfordern als Basis jede Menge Zahlen und Fakten – und genau diese Informationen sollen Systeme für das Enterprise Resource Planning (ERP) liefern.

Antworten auf alle Fragen

Richtig implementiert und eingesetzt ist eine ERP-Lösung das zentrale Datenverwaltungssystem im Unternehmen. Hier laufen alle Informationen, Geschäftsprozesse und Ressourcenplanungen (Material, Waren, Geräte, Personal) zusammen.
Die aus verschiedenen Quellen stammenden Informationen werden systematisiert ausgewertet. Von der Einführung eines ERP-Systems verspricht sich ein Unternehmen nicht zuletzt eine größere Transparenz der Geschäftsprozesse und Abläufe. Pannen, Verzögerungen oder doppelte Arbeiten treten in der Analyse ans Tageslicht.
Auch Zahlenhaushalte wie die Lagerbestände werden vom ERP-System in Echtzeit erfasst und ausgewertet, um Überschüsse und Bedarf schneller zu ermitteln.
Die höhere Transparenz bildet die Basis für eine stärkere Effizienz und Produktivität der gesamten Organisation. Da mehr oder weniger auf Knopfdruck aktuelle Zahlen vorhanden sind, vermeidet die Unternehmensführung kostspielige Überkapazitäten oder zu große Materialbestände, aber auch die Verknappung von Waren oder anderen Ressourcen, die die Produktion verlangsamen.
Im Idealfall führt das ERP-System zur Verbesserung von Produktionszeiten und -prozessen bei gleichzeitiger Reduktion der Kosten.
2. Teil: „Rund 400 ERP-Lösungen im deutschen IT-Markt“

Rund 400 ERP-Lösungen im deutschen IT-Markt

  • Thomas Oberländer, Geschäftsführer Cerpos GmbH: „Eine erfolgreiche ERP-Einführung erfordert die Bereitschaft zu Veränderungen.”
ERP-Lösungen werden in unterschiedlichster Ausprägung angeboten. Thomas Oberländer, Geschäftsführer der Cerpos GmbH, die Unternehmen vor und während der Inbetriebnahme von ERP-Lösungen berät, geht davon aus, dass in Deutschland zwischen 300 und 400 ERP-Systeme aktiv vermarktet werden.
Die meisten von ihnen sind modular aufgebaut. Rund um eine zentrale Datenbank werden Anwendungen für die verschiedenen Unternehmensbereiche angeboten – von Finanzwesen über Produktion und Lager bis zu Personalwirtschaft, Marketing, Kundendienst und Logistik.
Über allem thront häufig ein Dashboard für das Management, das wichtige Kennzahlen vereint, um so die effiziente Steuerung des Unternehmens zu ermöglichen.
So vielfältig wie das Angebot an ERP-Systemen sind auch die Erwartungen der Unternehmen an deren Einsatz. Die Marketing-Abteilungen der führenden Hersteller kommunizieren seit Jahren die Vision eines geschlossenen Systems, das alle Unternehmensbereiche umfasst und einen Rundum-Blick auf das Unternehmen erlaubt. Die eier­legende Wollmilchsau ist jedoch auch in der Welt der ERP-Systeme nicht zu bekommen.
  • ERP als Software as a Service: Scopevisio macht es dem Nutzer leicht, die Module zu finden, die er tatsächlich benötigt.
Der Markt für ERP-Systeme unterliegt einer starken Dynamik. Regelmäßig betreten neue Teilnehmer mit neuen Lösungen die Bühne. Ursprünglich für andere Aufgabenfelder entwickelte Programme erhalten weitere Funktionen und mutieren so allmählich immer stärker in Richtung ERP.
Auch der Trend, Software als Service zu verstehen, geht nicht am ERP-Markt vorüber. Mit ersten ausschließlich für die Nutzung per Cloud konzipierten Anwendungen, die noch dazu über ein einfach zu kalkulierendes Preismodell verfügen, schickt sich ERP an, gerade kleinere Unternehmen zu erreichen und so einfach wie das Buchen einer Office-Suite zu werden. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Cloud im ERP-Markt den gleichen Siegeszug hinlegen kann wie in anderen Unternehmensbereichen. Offen ist vor allem die Frage, wie sich mittel- und langfristig die starke Rolle der Compliance auf die Akzeptanz der Cloud auswirken wird.
3. Teil: „ERP von SAP, Microsoft, Oracle und Comarch“

ERP von SAP, Microsoft, Oracle und Comarch

Wer ERP sagt, denkt – nicht nur in Deutschland – an SAP und seine Lösung. Branchenreports und Umfragen ermitteln für den Softwareriesen auch regelmäßig eine führende Posi­tion auf dem deutschen Markt mit einem Marktanteil, der sich (je nach Quelle) zwischen 30 und 40 Prozent bewegt. Den größten Marktanteil haben aber mit fast 50 Prozent stets „Andere”. Dieses Ergebnis ändert sich nicht, egal ob man die Zahl der Installationen oder die Umsätze mit der Software betrachtet. Wer tiefer in diese Erhebungen einsteigt, stößt auf Herstellernamen, von denen oft selbst eingefleischte Experten noch nie etwas gehört haben.
  • Modularer Aufbau: Ein ERP-System besteht aus einer zentralen Datenbank und Anwendungsmodulen drumherum.
Das überrascht Christian Biebl, Geschäftsführer des Unternehmens Planat und als solcher selbst Hersteller einer ERP-Lösung, nicht. Seiner Erfahrung nach sind es gerade die kleineren ERP-Anbieter, die im Gegensatz zu multinationalen Konzernen wie SAP oder Microsoft die Sprache des Mittelstands sprechen. Die kleineren Lösungen seien zudem häufig kostengünstiger an die individuellen Bedürfnisse des Kunden anpassbar und besäßen nicht zwangsläufig weniger Funktionen als die Großen.
SAP: Allen Umfragen und Erhebungen zufolge ist SAP wie erwähnt in Deutschland deutlich Marktführer – und für viele Anwender und Entscheider das Synonym für ERP. Unter dem Namen Business All-in-One wendet sich SAP nun bereits seit einigen Jahren gezielt an mittelständische Unternehmen, während das legendäre SAP R/3 zuvor Groß­unternehmen und Konzerne adressierte.
Der Kunde hat die Wahl zwischen Grundmodulen wie Rechnungswesen, Personalwirtschaft und Logistik und einer breiten Palette an Erweiterungen für einzelne Branchen. Die mehr als 40 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Unternehmenssoftware machen sich an dieser Stelle bemerkbar.
Der hohe Reifegrad der Lösung und deren Standardprozesse haben oft (zu Unrecht) den Eindruck erweckt, dass Unternehmen sich eher SAP anpassen müssten statt umgekehrt die Software sich den Unternehmensprozessen.
SAP ist ein typischer Vertreter eines generalistischen ERP-Ansatzes eines globalen Anbieters.
  • Transparenz: Ein Lizenzkostenrechner auf der Website von Comarch sagt den Kunden, was auf sie zukommt.
Microsoft: Unter dem Dach von Microsoft Dynamics bietet das Unternehmen durch Zukauf gleich zwei ERP-Lösungen an: Dynamics AX (ehemals Axapta) und Dynamics NAV (ehemals Navision). Die Keimzelle bildet das vom gleichnamigen dänischen Unternehmen entwickelte Navision, das sich als Alternative zu SAP für mittelständische Unternehmen positioniert hat. Gemeinsam dürften die beiden Dynamics-Lösungen etwa Platz zwei im ERP-Markt besetzen.
Für einen Voll-User-Zugriff fallen bei Dynamics um die 2000 Euro reine Lizenzkosten an. Dynamics vertritt ebenfalls einen umfassenden Ansatz und bietet die Module Finanz­management, Projektmanagement, Marketing und Vertrieb, Produktion, Lager und Einkauf, Personalwesen, Service-Management und Business Intelligence.
Beratungsunternehmen nutzen die implementierte Entwicklungsumgebung häufig dazu, auf Basis von Dynamics branchenspezifische Individualanwendungen zu erstellen.
Oracle: In Statistiken und Analysen belegt das Unternehmen häufig den zweiten oder dritten Platz im Markt für ERP-Systeme. Oracle forciert in allen seinen Unternehmensbereichen eine Cloud-Strategie, um seine durch Zukauf erworbenen Lösungen als Software as a Service anzubieten und stärker zu integrieren.
Die ehemals als JD Edwards Enterprise One vertriebene Oracle ERP Cloud umfasst die Grundmodule Rechnungs- und Finanzwesen, Personalwirtschaft, Bestellwesen und Logistik sowie die Produktionssteuerung. Sowohl in Deutschland als auch global po­sitioniert sich Oracle in erster Linie als Alternative zu SAP.
Comarch: In Deutschland gehört Comarch zu den größeren Anbietern. Das Unternehmen blickt auf eine lange Geschichte zurück. Grundlage des Lösungsportfolios bilden die Anwendungen der bereits 1973 gegründeten Firma SoftM, die sich auf Lösungen für das Rechnungswesen spezialisiert hatte. Comarch zählt eher zu den Generalisten im Markt. Comarch ERP Enterprise umfasst die Module Vertrieb, Lagerlogistik, Rechnungswesen, Produktion, CRM, Unternehmenssteuerung und Beschaffung.
Bemerkenswert: Anders als viele Mitbewerber bietet Comarch auf seinen Internetseiten ein Programm zur Kalkulation der Lizenzkosten an.
4. Teil: „ERP-Lösungen von Infor, Sage und Planat“

ERP-Lösungen von Infor, Sage und Planat

Infor: Allen Analysten zufolge zählt Infor mit seinen ERP-Lösungen weltweit zu den Top Ten  – und hat doch nur einen geringen Bekanntheitsgrad. Durch zahlreiche Zukäufe sammelte das Unternehmen über die Jahre eine stattliche Anzahl von Branchenlösungen an, die aber zunächst wenig integriert waren. Im direkten Vergleich mit den Mitbewerbern drängte sich eher der Eindruck eines Gemischtwarenladens auf. Doch in den vergangenen drei Jahren hat sich einiges getan und das Unternehmen entwickelt ein schärferes Profil.
  • Christian Biebl, Geschäftsführer Planat GmbH: „Dem deutschen Mittelstand bringt der Einsatz eines ERP-Systems Wettbewerbsvorteile auch im internationalen Geschäft.“
Das Programm Infor Blending richtet seinen Fokus auf die Industriebereiche Pharma, Kosmetik, Chemie, Farben/Lacke sowie Nahrungs- und Genussmittel und umfasst die Materialwirtschaft mit Einkauf, Verkauf und Lagermanagement sowie die Produktionsplanung und -steuerung.
Infor COM wendet sich an mittelständische Fertigungsbetriebe. Infor LN ist für die Anforderungen von Vertriebs- und Dienstleistungsunternehmen optimiert. Infor M3 wiederum ist eher als generalistische Lösung konzipiert.
Sage: Auf seiner Website lässt Sage keinen Zweifel an seiner Fokussierung auf den Mittelstand und Unternehmen bis zu 500 Mitarbeitern, vorzugsweise aus der Fertigungs-, Dienstleistungs- und Distributionsbranche. Diese Zielgruppe schöpft dann aus einem modularen Aufbau, wobei das Unternehmen dazu auch bereits Apps für den externen Datenzugriff anbietet.
ERP X3 umfasst die Bereiche Finanzen (unter anderem mit FiBu, Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung, Kosten- und Budgetrechnung), Warenwirtschaft, Fertigung (Arbeitspläne, Kapazitätsplanungen, Kostenkalkulationen) und Dienstleistungen (Angebote, Rechnungen, Wartungsverträge).
  • Sage ERP X3: Das integrierte Berichtswesen ermöglicht es, wichtige Zahlen zu erfassen – hier die Vertriebsleistung von Teams.
Alle Daten werden vom Sage-System in Form von Berichten zusammengefasst, um dem Management relevante Informationen für die Unternehmenssteuerung zur Verfügung zu stellen.
Sage darf mit Fug und Recht als Standardsoftware bezeichnet werden, die Enterprise Resource Planning auch Unternehmen in einer Größe von 50 Mitarbeitern zugänglich macht, ähnlich wie Microsoft Dynamics NAV.
Planat: Zu den Lösungsanbietern, wie sie den deutschen Markt prägen, gehört Planat. In der Berichterstattung eher selten im Fokus, bietet das Unternehmen die ERP-Lösung FEPA für den Mittelstand an, die auf drei Komponenten basiert.
Auf Basis eines Standardmoduls mit entsprechenden Prozessen (Vertrieb, Logistik, Produktion, betriebswirtschaftliche Auswertungen) werden branchentypische Komponenten betrieben. Diese vom Hersteller als Branchenobjekte bezeichneten Erweiterungen wenden sich in erster Linie an Unternehmen aus den Bereichen Anlagenbau, Automobilzulieferung, Metall- und Kunststoffverarbeitung und Elektro­nikindustrie.
Im Bedarfsfall lässt sich das System um zusätzliche Funktionen ergänzen. Wer zum Beispiel kein Dokumentenmanagement-System (DMS) benötigt, muss dieses genauso wenig installieren oder kaufen wie einen Produktkonfigurator, der über das Web betrieben werden kann.
5. Teil: „SaaS-Lösungen und weitere ERP-Anbieter“

SaaS-Lösungen und weitere ERP-Anbieter

  • Mut zur Lücke: Weclapp adressiert mit seinem Produkt KMUs.
Weclapp und Scopevisio: Beide Firmen zählen zu den noch recht jungen Anbietern auf dem deutschen Markt – und beide bieten ihre Lösung als Software as a Service in der Cloud an. Sie betreiben ihre Systeme in Rechenzen­tren mit Standort Deutschland, um das Thema Compliance (insbesondere den Datenschutz) zu berücksichtigen.
Die beiden Cloud-Angebote decken den individuellen Bedarf und die komplexen Prozesse in größeren Unternehmen allerdings nicht ab. Das wollen sie auch gar nicht. Dafür kommen aber auch kleinere Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern in den Genuss von Planungs- und Verwaltungsfunktionen, die sonst eher komplexen Systemen vorbehalten sind – und das zu moderaten monatlichen Pauschalen pro gemeldetem Benutzer. Sie ermöglichen also eine verlässliche Kostenkalkulation.
Weclapp gruppiert seine Anwendungen um drei Grundmodule (CRM, ERP Dienstleistung und ERP Handel), die die wesentlichen Prozesse eines Unternehmens abdecken. Scope­visio führt seine Einzelanwendungen zu Linien zusammen, die sich funktional und preislich voneinander unterscheiden.
  • Sichere Verbindung: Beim SaaS-System Scopevisio greift der Nutzer über einen eigenen Client auf seine Daten zu.
Projektron BCS: Ursprünglich als Werkzeug für das Management von (IT-) Projekten entwickelt, erweiterte der Hersteller Zug um Zug den Funktionsumfang. Heute darf sich Projektron BCS zu Recht als ERP-Lösung mit dem Schwerpunkt Dienstleistungen präsentieren.
Aptean: Nicht unterschlagen werden soll die Open-Source-Lösung Compiere des Anbieters Aptean, eine Alternative zu den kommer­ziellen Angeboten auf dem deutschen Markt. Durch die allgemeine Verfügbarkeit des Quellcodes sind solche freien ERP-Systeme zumindest auf den ersten Blick sehr zukunftssicher, weil sie unabhängig von einem Hersteller sind.
Allerdings erfordern Installation und Anpassung ein Maß an Know-how, das Mittelständler oft nicht haben. Die Anpassung durch externe Fachkräfte kostet dann natürlich Geld und eine möglicherweise unzureichende Dokumentation der Veränderungen des Systems führt unter Umständen wieder in die Abhängigkeit von einem Lösungsanbieter. Generell muss sich eine Lösung wie Compiere aber nicht hinter einer der genannten kommerziellen Lösungen verstecken.
6. Teil: „So finden Sie das passende ERP-System“

So finden Sie das passende ERP-System

Den Königsweg zur Auswahl eines ERP-Systems gibt es nicht. Die im Mittelstand gar nicht seltene „Golfplatz-Entscheidung“, also das Abfragen von persönlichen Empfehlungen im unmittelbaren Umfeld der Unternehmensleitung oder der Führungskräfte, kann funktionieren. Vielversprechender ist aber ein planvolles Vorgehen, durchaus unter Hinzuziehung eines unabhängigen Beraters.
Bei dessen Auswahl sollte die Branchenkenntnis im Vordergrund stehen. Referenzprojekte, zumindest aber nachweislich fundierte Kenntnisse im Markt des Kunden, sind unabdingbar. Da die Entscheidung für ein ERP-System einige Tragweite für das Unternehmen hat, sollte der Dienstleister auch über ausreichende Versicherungen verfügen, die mehr abdecken als nur ein paar Beratertage.
Im Auswahlprozess geht es dann zunächst darum, konkrete Anforderungen an das System aus der aktuellen Situation im Unternehmen abzuleiten. Wo müssen Informationen besser fließen? Wo kommt es zu Verzögerungen, die sich durch ein ERP-System auflösen lassen? Aus der Prozessanalyse und Funk­tionswünschen entwickelt sich langsam das Lastenheft. Es bildet die Grundlage für eine Ausschreibung und das Anfordern von Angeboten bei den Herstellern. In Anbetracht der großen Anbieterzahl ist bereits die Vorauswahl keine einfache Entscheidung für das Projektteam.
Generell gilt, dass ältere Systeme funktional reifer sind. Ein breites und ausgefeiltes Angebot an Funktionen basiert auf langjähriger Erfahrung und Entwicklung. Das spricht für den Anbieter. Allerdings darf die Reife nicht dazu führen, dass das System technologisch nicht auf der Höhe der Zeit mitspielt. Wirbt ein Anbieter damit, besonders flexibel zu sein, geht das häufig zulasten von Funktionen und Standardprozessen. Je jünger die Lösung, desto flexibler ist der Hersteller bei der Anpassung von Funktionen. Das führt im Ergebnis möglicherweise dazu, dass Standardprozesse in der Branche des Kunden erst entwickelt werden müssen.
Auf dem Markt für ERP-Systeme begegnen sich die beiden Extreme eines generalistischen und eines stark spezialisierten Ansatzes. Speziell an die Branche angepasste Programme sind meist schlanker und schneller zu implementieren. Damit lassen sich die Kosten für die Installation im Griff behalten.
Tabelle:
Diese Übersicht listet beispielhaft große Konzerne, mittelständische Anbieter und Newcomer.

Apropos Kosten: Ein High-End-ERP-Arbeitsplatz kann in der Anschaffung durchaus zwischen 4000 und 5000 Euro kosten. Dabei muss zusätzlich mit rund 10 Prozent als Wartungssumme kalkuliert werden. Günstiger sind oft Speziallösungen von Nischenanbietern. Die rea­gieren im Zweifel flexibler auf Kundenwünsche. Ändern sich die Rahmenbedingungen beim Kunden oder dessen Strategie, lassen sich Speziallösungen aber nicht so einfach durch Hinzufügen weiterer Module ergänzen. Hier haben die Generalisten also die Nase vorn, die meist auch mehr Projekte parallel abarbeiten können.
Branchenkenntnis und Referenzen sind nicht nur beim Beraterteam, sondern auch beim Hersteller des ERP-Systems maßgebliche Auswahlkriterien. Falls nachweislich auch andere Unternehmen im gleichen Markt das System eines Anbieters nutzen, ist das ein Argument für dessen Einsatz.
Einen weiteren Gesichtspunkt ergänzt Christian Biebl von Planat: „Ein Augenmerk sollte auf der Flexibilität und der Administrierbarkeit der Softwarelösung liegen. Können gegebenenfalls Masken oder Formulare durch den Kunden eigenständig verändert werden und bleibt das Unternehmen nach einer selbst durchgeführten Änderung im Software­standard?”
Größe des Herstellers, Zahl der Mitarbeiter, Standorte und Anzahl der Installationen – diese Gesichtspunkte werden gerade im Mittelstand gern unter dem Begriff Investitions­sicherheit zusammengefasst. Das sollte aber kein ausschlaggebendes Argument sein, meint ERP-Berater Thomas Oberländer. „Viele lassen die Tatsache außer Acht, dass fast schon jeder ERP-Hersteller von Übernahmeversuchen betroffen war, auch die ganz Großen. Das hat fast die gleichen Auswirkungen wie das Verschwinden eines ERP-Anbieters.” Im günstigsten Fall ändert sich durch die Übernahme nichts. Häufig wird das Produkt aber mit einem anderen vereint oder verschwindet ganz vom Markt.
7. Teil: „Woran ERP-Projekte im Unternehmen scheitern“

Woran ERP-Projekte im Unternehmen scheitern

Wer sich mit dem Gedanken trägt, ein ERP-System einzu­führen, muss wissen: Gerade ERP-Projekte scheitern nicht selten. Dabei trägt das Scheitern verschiedene Gesichter. In einigen Unternehmen wird die Einführung vorzeitig und vollständig eingestellt, anderswo wenden sich Nutzer und Geschäftsführung gleichermaßen enttäuscht vom System ab, weil es nicht die daran gesetzten Erwartungen erfüllt hat.
Thomas Oberländer bringt es aus seiner Beraterpraxis auf den Punkt. „Die Qualität der Prozessaufnahme entscheidet über den Erfolg des ERP-Projekts.” Daraus erwachsen zwei Gefahren für das Projekt. Das System fällt möglicherweise zu klein aus und berücksichtigt aufgrund der im Vorfeld nicht erfassten Anforderungen nicht alle notwendigen Prozesse. Ein überdimensioniertes System dagegen überfordert in der Konfiguration und im Betrieb die Organisation des Unternehmens. Im schlimmsten Fall wurde viel zu schnell und zu oberflächlich ausgewählt und erst im Tagesgeschäft zeigt sich, dass das System gar nicht die erforderlichen Prozesse in der notwendigen Dynamik berücksichtigt.
Ein weiterer Stolperstein auf dem Weg zum erfolgreichen ERP-System kann eine zu stark auf Konsens und Harmonie setzende Unternehmenskultur sein. Über Jahre schleichen sich dabei Umwege in Prozessen ein, deren Unsinn gar nicht mehr erkannt wird. „Mit der Installation einer ERP-Software ist es nicht getan. Es müssen Organisationsprozesse umgestellt und dokumentiert werden”, betont Christian Biebl.
Als genauso kritisch für den Ausgang eines ERP-Projekts können sich aber auch zu starke Hierarchien erweisen. Wo stets nur der Chef genau weiß, wo es langgeht, fallen Veränderungen ebenso schwer.
Weil das ERP später zur zentralen Maschine der Organisation werden soll, ist es wichtig, bereits frühzeitig möglichst alle betroffenen Bereiche über Vertreter in das Projektteam zu holen. Änderungen an Prozessen und deren erste Implementierungen in der Software müssen in Ruhe besprochen und ausprobiert werden können. Dafür brauchen die Mitarbeiter im Projektteam auch den notwendigen Freiraum. „ERP-Projekte geraten meistens dann aus dem Ruder, wenn die internen Aufwände beim einführenden Unternehmen unterschätzt werden. Aufgrund der Belastungen im Tagesgeschäft kommt gerade das Testen, Üben und Ausprobieren zu kurz”, so Christian Biebl.

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