11.02.2014
Fair handeln
1. Teil: „Fairphone - Öko-Smartphone mit Android OS“
Fairphone - Öko-Smartphone mit Android OS
Autor: Stefan Bordel
Foto: Fairphone
Fairphpone will mit seinen alternativen Produktions- und Entwicklungsprozessen für Furore bei den etablierten Branchengrößen sorgen. com! blickt auf den Werdegang des Öko-Smartphones.
Start a Movement – so lautet das Motto des vermeintlich ersten „fairen“ Smartphones, des Fairphones. Was zunächst nach einer grotesken Symbiose aus Hightech und Birkenstock klingt, offenbart sich bei genauerer Betrachtung als das ehrgeizige Vorhaben, ein optisch wie technisch ansprechendes Smartphone mit geringstmöglichen Belastungen für Mensch und Natur zu produzieren.
Die Wurzeln des Fairphones reichen dabei bis in das Jahr 2010 zurück – ein Aufklärungsprojekt gleichen Namens sollte über die Verwendung konfliktbelasteter Mineralien in der IT-Produktion informieren. Drei Jahre darauf stand der Entschluss der Initiatoren fest, mit einem eigenen Gerät Pionierarbeit zu leisten.
Von der Idee zur Umsetzung
Die ambitionierte Agenda des Fairphone-Teams sah folgende Punkte vor: Einsatz konfliktfreier und fair gewonnener Materialien, vertretbare Arbeitsbedingungen in sämtlichen Entwicklungs- und Produktionsprozessen, nachhaltiges und offenes Produktdesign, transparente Entwicklung und Unterstützung bis hin zum Recycling.
In der Praxis wurden daher die Rohstoffe Tantal und Zinn für den Kondensatorenbau aus Minen gewonnen, die laut OECD-Richtlinie als „konfliktfrei“ gelten. Beim Abbau sollen also keine Gelder an Milizen oder Warlords geflossen sein. Darüber hinaus arbeitet Fairphone mit der „Initiative für konfliktfreies Zinn“ zusammen, die sich für gerechtere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in der Region Süd-Kivu (Republik Kongo) einsetzt.
Die endgültige Fertigung des Smartphones erfolgt bei A’Hong in China. Hier vertraut Fairphone auf den unabhängigen Gutachter-Service TAOS Network, der die Arbeitsbedingungen des Unternehmens optimieren soll. Zusätzlich richteten die Niederländer in Kooperation mit A’Hong einen Wohltätigkeitsfonds für die Arbeiter in Höhe von 125.000 US-Dollar ein.
Fairphone engagiert sich außerdem beim Recycling von Altgeräten durch die Zusammenarbeit mit der Organisation „Closing the Loop“, die alte Mobiltelefone in Ghana aufkauft und diese in Europa ordnungsgemäß recycelt. Hierdurch soll dem sogenannten „Urban Mining“ entgegengewirkt werden – dabei werden Elektrogeräte umweltschädlich unter offenem Himmel verbrannt, um an das kostbare Kupfer in Kabeln und Platinen zu gelangen.
2. Teil: „Alltagstaugliche Technik in solidem Gehäuse“
Alltagstaugliche Technik in solidem Gehäuse
Zur weiteren Ausstattung gehören ein 4,3-Zoll-Display, das mit 960 x 540 Pixeln auflöst, 16 GByte Datenspeicher, der via MicroSD-Karte um bis zu 64 GByte erweiterbar ist, ein austauschbarer Akku mit 2.000 mAh Kapazität sowie Dual-SIM. Letzteres erlaubt die parallele Nutzung von zwei SIM-Karten, was vor allem für den beruflichen Einsatz interessant ist, da man sich die Anschaffung eines Zweitgeräts spart.
Die Schutzverglasung für das Display besteht aus kratzfestem Dragontail-Glas und ist entgegen der aktuell üblichen Bauweise nicht mit dem Display verklebt, was eine einfachere Reparatur erlaubt. Für Schnappschüsse ist im Fairphone eine 8-Megapixel-Kamera verbaut; die Frontkamera zur Videotelefonie löst mit 1,3 Megapixeln auf.
Darüber hinaus stattet der Hersteller das Smartphone mit den üblichen Modulen und Sensoren für Bluetooth, WLAN (b, g, n), Kompass und GPS aus. Auf LTE und NFC müssen Fairphone-Nutzer hingegen verzichten, und auch ein Ladegerät ist nicht im Lieferumfang enthalten. Da viele Nutzer bereits passende MicroUSB-Lader besitzen, sah das Fairphone-Team hier weiteres – ökologisches – Sparpotenzial.
3. Teil: „Smartphone mit AOSP-Feeling & Root-Rechten“
Smartphone mit AOSP-Feeling & Root-Rechten
Auffälligster Unterschied ist der Verzicht auf ein Launcher-Dock; Apps und Bedienelemente wählt der Nutzer stattdessen über einen Bedienkreis aus, der via Swipe-Befehl aufgerufen wird. Darüber hinaus können die gebräuchlichsten Apps über ein Homescreen-Widget erreicht werden.
Nette Software-Gimmicks, wie die App „Peace of Mind“, die das Gerät für einen bestimmten Zeitraum in den Flugmodus versetzt und so für Ruhe sorgt, oder die Planer-Funktionzum automatischen Aus- und Einschalten des Smartphones, runden das rudimentäre Software-Paket ab. Erfahrene Nutzer werden sich zudem über die Root-Rechte freuen, die schon ab Werk freigeschaltet sind. Alternativ zum Fairphone OS bieten die Niederländer auch ein reines Android-Betriebssystem zum Download an.
Im Alltag präsentiert sich das Fairphone als ausreichend flottes Arbeitsgerät – gängige Apps öffnet es ohne merkliche Verzögerung. Lediglich bei grafisch sehr aufwendigen Spielen muss das Smartphone passen.
Solide verarbeitet
Die Verarbeitung wirkt hochwertig und auch bei den Spaltmaßen gibt sich das Fairphone keine Blöße. Mit einer Größe von 126 x 63,5 x 10 mm und einem Gewicht von 170 g fällt es zwar recht klobig aus, liegt allerdings trotzdem noch gut in der Hand.
Die 8-Megapixel-Kamera kann vor allem im Dunkeln nicht so recht überzeugen, ein Software-Update soll hier Besserung bringen.
Insgesamt können sich Kunden auf ein souveränes, wenn auch mit 325 Euro nicht gerade preiswertes Mittelklassegerät freuen, das auf einen eindrucksvollen Werdegang zurückblicken kann. Rund 28.000 aktuell vorbestellte Fairphones beweisen indes, dass durchaus ein Markt für faire Smartphones besteht.
Interessenten können das Smartphone zurzeit ausschließlich über die Website www.fairphone.com vorbestellen. Das langfristige Ziel des Unternehmens sei laut Projektgründer Bas van Abel jedoch , das Fairphone als weltweite Alternative anzubieten.
4. Teil: „Fazit: Fairphone ist fairer als andere“
Fazit: Fairphone ist fairer als andere
Allerdings ist auch anzumerken, dass noch nicht von einem wirklichen „Fair“-Phone im eigentlichen Sinne gesprochen werden darf. Das Entwickler-Team bemüht sich zwar intensiv um den Einsatz konfliktfrei gewonnener Rohstoffe, doch Tantal und Zinn genügen noch lange nicht, um ein komplettes Smartphone zu produzieren.
Gleichfalls mögen die Produktionsbedingungen bei der Fairphone-Herstellung zwar humaner ausfallen als dies bei vielen anderen Unternehmen der Fall ist, doch an die Standards hierzulande reichen sie dennoch lange nicht heran.
Trotzdem wurde mit dem Fairphone ein symbolischer Schritt hin zu einer bewussteren Auseinandersetzung mit Mensch und Natur in der IT-Produktion vollzogen, der vielleicht auch den ein oder anderen Großhersteller zum Umdenkenbewegen könnte.
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