Online-Dienste
03.11.2017
Neue Tools
1. Teil: „Chatbots als automatisierte Helfer im Online Shop“

Chatbots als automatisierte Helfer im Online Shop

Chatbot auf SmartphoneChatbot auf SmartphoneChatbot auf Smartphone
shutterstock.com/Zapp2Photo
Chatbots sollen die Zufriedenheit im Kundenservice steigern und Geld sparen. Erste Tools helfen Händlern, die digitalen Roboter nach ihren Vorstellungen selbst zu kreieren.
Leo hat auf alles eine Antwort - zum Beispiel auf die Frage, was er über die FDP denkt: "Wir bevorzugen es, nicht über langweilige Parteien, die nichts bewegen, zu sprechen", schreibt er im Facebook Messenger mit einem Augenzwinkern. 
"Leo" ist der Chatbot auf der CSU-Facebook-Seite. Vor der Bundestagswahl 2017 sollte er vor allem jüngeren Menschen das Wahlprogramm der bayerischen Partei näherbringen. Auf Fragen spult der Bot ­eine vorgefertigte Routine ab - und zwar in einem Tempo, das keinen Zweifel daran lässt, dass es sich hier nicht um einen persönlichen Chat handelt, sondern um die Kommunikation mit einem Roboter.
Chatbots sind automatisierte Helfer. In Form digitaler Assistenten auf dem Smartphone, als Stand-alone-Geräte fürs Wohnzimmer oder als Messenger-Apps haben sie vor allem eine Aufgabe: Sie sollen Unterhaltungen simulieren, um dem Nutzer bei Kaufentscheidungen zu helfen oder bestimmte Aufgaben auszuführen. Dabei sind solche Helfer nichts Neues. Bereits in den 1960er-Jahren schuf der Informatiker Joseph Weizenbaum mit "Eliza" eine "Psychotherapeutin", die in der Lage war, sich mit Menschen zu unterhalten.

Chatbots für einfache  Szenarien nutzen

Auch für den Online-Handel sind Chatbots geeignet. Häufig wiederkehrende Anfragen lassen sich so einfach und schnell beantworten. Gleichzeitig kann der Händler Ressourcen einsparen, da sich (Service-)Mitarbeiter auf komplexere Anfragen konzentrieren können. Jens Rode, CEO der auf Empfehlungs-Marketing spezialisierten Agentur Tellja, sieht Chatbots als gezielt selektives Angebot. "Unternehmen, die Chatbots nicht als Alleinkämpfer an der Kundenfront einsetzen, haben bessere Chancen, neue Produkte durch zum Beispiel die schnellere Beantwortung von Anfragen erfolgreicher zu positionieren."
Bevor es daran geht, einen Chatbot in den eigenen Shop zu integrieren, sollten sich Händler aber mit einigen Fragen auseinandersetzen: Wie kann ein Chatbot meinem Kunden Dienstleistungen oder Produkte näherbringen? Wie kann die Conversion Rate dadurch gesteigert werden? Wie sieht die Zielgruppe aus und was erwartet sie von ihrem Händler? Wo stoßen Chatbots an ihre Grenzen und wer übernimmt dann die Kundenansprache?
Wichtig ist auch, die dahinterliegende künstliche Intelligenz sorgfältig mit Keywords zu füttern, damit ein normales und flüssiges Gespräch möglich ist. "Es gibt nichts Schlimmeres als einen Chatbot, der keine Ahnung hat. Das sorgt für Frust beim Kunden", mahnt Sascha Martini, ­Managing Director Germany von der Agentur R/GA.
2. Teil: „Erste Tools erleichtern den Einsatz“

Erste Tools erleichtern den Einsatz

Händler, die Chatbots einsetzen möchten, bekommen mittlerweile Unterstützung von unterschiedlichen Tool-Anbietern. Neben den Lösungen großer Unternehmen wie IBM Watson, Microsoft Bot Framework, Wit.ai oder Chatfuel bieten vor allem kleinere, spezialisierte Agenturen entsprechende Tools an.
Dazu gehört Novomind mit dem Chatbot "Nomi": Die Hamburger Agentur ­arbeitet mit künstlicher Intelligenz, ­dadurch sollen dialogfähige Chatbots möglich werden. Diese geben den Kunden geeignete Antworten auf ihre Fragen oder stellen weitere Fragen, wenn das Anliegen nicht eindeutig ist. Mithilfe von gezielten Dialogschritten sollen dann aus den ­infrage kommenden Hilfeoptionen die am besten passenden ausgespielt werden.
Wird der Bot in die Kundenservice-Software "Novomind iAgent" integriert, können die Mitarbeiter im Kundencenter ihn im Livebetrieb automatisch pflegen. Ein weiterer Vorteil der Integration ist, dass die Kundenanfrage bei einer für den Bot unverständlichen Frage oder einer Beschwerde an einen realen Agenten im Chat weitergeleitet werden kann. Ein von Novomind entwickelter Chatbot kann nach eigenen Angaben innerhalb von sechs Wochen live sein. Die Kosten liegen unter zehn Cent pro Dialog, Hosting, Betrieb, Pflege und Nutzung inklusive.

Basisfragen klären und Gespräche qualifizieren

Auch die Lösung des französischen Unternehmens iAdvize leitet Kundenfragen, die der Bot nicht beantworten kann, an einen menschlichen Berater weiter. iAdvize realisiert das über die eigene Conversational-Commerce-Plattform, die die Online-Kundenansprache via Chat, Call und Video in ­einer Messaging-Oberfläche zentralisiert.
Bestandteil der Plattform ist der "Bot Builder", mit dessen Hilfe Unternehmen einen eigenen Chatbot erstellen können. Der "Bot Builder" entwirft Gesprächsstränge und reichert diese mit Texten, Links, Multiple-Choice- und offenen Fragen an. Auch die Qualifizierung eines Kontakts ist möglich. Bei der französischen Elektrizitätsgesellschaft EDF zum Beispiel nimmt der Bot eine erste Kategorisierung von Unterhaltungen vor und ersetzt so das Kontaktformular. Einen einfachen Chatbot, der beispielsweise nur eine Qualifizierung eines Kontakts mit Namen, Unternehmen und E-Mail-Adresse vornimmt, können Kunden laut iAdvize innerhalb weniger Minuten über den "Bot Builder" selbst erstellen.

Drei fertige Templates

Der "Bot Bot", den das New Yorker Start-up Reply.ai zusammen mit R/GA San Francisco entwickelt hat, ist ebenfalls ein Tool für den eigenständigen Aufbau von Chatbots. Wer ­einen solchen kreieren möchte, muss zunächst auf der Webseite des Unternehmens per Chat einige Fragen beantworten. So entsteht ein individuelles Anforderungsprofil des Chatbots und im Anschluss der Bot selbst.
Derzeit sind drei Templates verfügbar: Der "Ask Bot" gibt Hilfestellung bei der ­Beantwortung häufig gestellter Fragen, der "Fitness Bot" ermöglicht Fitnessstudios die Buchung von Trainingsstunden und über den "Food Bot" können Restaurants Speisen anbieten und liefern. Weitere Templates sollen in naher Zukunft folgen. Zielgruppe sind vor allem kleinere Unternehmen.

Chatbot ohne Programmierkenntnisse

Auch über die Plattform von Snatchbot können Online-Händler - kostenlos - ihren eigenen Chatbot entwickeln. Das Unternehmen aus Israel wirbt damit, dass keine Programmierkenntnisse benötigt werden und die Entwicklung sehr einfach ist. Ist der Chatbot fertig, kann dieser mit verschiedenen Kanälen wie der eigenen Unternehmens-Website, dem Facebook Messenger oder Skype verbunden werden.
Über Paypal können auch Zahlungen innerhalb des Chatbots abgewickelt werden. Snatchbot spricht insbesondere kleinere Anbieter an, die mit ihren Kunden über soziale Medien kommunizieren wollen. Ein einfacher Chatbot ist laut Snatchbot in weniger als drei Stunden fertig. ­Eine ganze Reihe vorgefertigter Templates steht dafür bereits zur Verfügung. Für komplexere Lösungen werden ein bis zwei Wochen benötigt.

Chatbot nutzt Kundendaten aus Drittsystemen

Die Agentur Dayone aus Berlin verknüpft Chatbots über eine Schnittstelle mit Drittsystemen, etwa der Produktdatenbank oder dem Customer-Relationship-Management-System. Auf diese Weise kann der Bot konkret zu einzelnen Produkten beraten, Produkte vorschlagen und diese an den Kunden verkaufen.
Der Autobauer VW hat das bereits zweimal ausprobiert: zum einem mit einem Konfigurator-Chatbot auf Facebook, über den Kunden zum Launch des neuen Golf-Modells ihr neues Auto selbst zusammenzustellen konnten. Zum anderen hat Dayone einen Autosuche-Chatbot entwickelt, über den die Nutzer nach Gebrauchtwagen ­recherchieren können. Da die Lösung mit den Bestandssystemen verknüpft ist, sind die Autos in Echtzeit verfügbar. Der Chatbot liefert darüber hinaus detaillierte Informationen zum Fahrzeug sowie die Möglichkeit der Finanzierungsberechnung und der Anfrage beim Autohändler.

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