08.09.2023
IFA-Nachbericht
Keine Party unterm Funkturm
Autor: Boris Boden
Telecom Handel
Wenig neue Produkte aus dem TK-Bereich, dazu organisatorische Probleme - die IFA konnte die hohen Erwartungen in diesem Jahr eher nicht erfüllen.
Stars im Sommergarten, volle Hallen mit allen namhaften ITK- sowie UE-Ausstellern und rauschende Produktpremieren – all das gab es dieses Jahr auf der IFA im Gegensatz zu früheren Zeiten nicht zu sehen. Stattdessen erschien die Veranstaltung wie eine ganz normale Produktmesse, die aber nur noch im Bereich der weißen Ware einen Markt weitgehend abbildete, während auf andere Themen – wie leider auch die Telekommunikation – höchstens ein schwaches Licht fiel.
Auch wenn die Bilanz des neuen Veranstalters IFA Management, bei dem die gfu als Inhaberin der Markenrechte und die britische Clarion Events die Gesellschafter sind, natürlich positiv ausfällt, zeigte der Besuch vor Ort ein anderes Bild: Am ersten Messetag, dem Freitag, fehlten die früher üblichen Staus auf der Straße und in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Freude über die schnelle Anreise verging vielen Besuchern dann schnell wieder, als sie bei früheren Messen vorhandene Eingänge verschlossen vorfanden. Der populäre Eingang Ost etwa sollte erst am vierten Messetag geöffnet werden, was einige Besucher zum Fußmarsch über unkrautbewachsene Gehsteige oder abgestellte Rolltreppen zwang.
Insgesamt sollen 182.000 Besucher aus 138 Ländern gekommen sein, das wären 40.000 mehr als im Vorjahr, in dem die Pandemie allerdings noch nicht ausgestanden war, und vor allem Fachbesucher aus Asien nicht kommen konnten. Bei der letzten normalen IFA im Jahr 2019 hatte es noch 245.000 Besucher gegeben, allerdings war diese auch einen Tag länger. Für den Rückgang dürfte aber auch der weitere Wandel der Zielgruppe weg von Endverbrauchern hin zu Fachbesuchern verantwortlich sein. Eigenartig mutete in diesem Zusammenhang die neue Ticketpolitik an: Während Fachbesucher weiter Tageskarten erwerben konnten, gab es für das normale Publikum nur noch Tickets, die für alle fünf Messetage galten und deshalb aber bis zu 29 Euro kosten konnten.
Saugroboter im Überfluss
Bei den Ausstellern hatten die Veranstalter kurz vor Messebeginn ausverkaufte Flächen gemeldet: 2.000 Aussteller waren wieder so viele wie 2019. Die Zahl sagt allerdings wenig über die Qualität aus: Die früheren TK-Hallen etwa waren mit vielen erstmals auftretenden Unternehmen aus China recht gut gefüllt, auch wenn man den Eindruck gewinnen konnte, dass diese die Märkte in Europa vor allem mit Saug- und Wischrobotern in allen Varianten erobern wollen. Wirkliche Produktinnovationen gab es dort kaum zu sehen.
Ob die erste „richtige“ IFA nach der Pandemie einen fatalen Trend eingeleitet hat, der ähnlich wie bei CeBIT enden könnte, oder ob der Restart ein Jahr vor dem 100. Geburtstag einfach nur etwas holprig war, muss sich noch zeigen. Besser werden muss auf jeden Fall die Organisation des neuen Veranstalters, denn hier hagelte es viele Beschwerden von Fachbesuchern und Ausstellern. Letztere klagten über eine schlechte Erreichbarkeit bei Anfragen und die mangelnde Kompetenz der fast immer neuen Ansprechpartner, außerdem wurden vereinzelt Zusagen etwa zur Standplatzierung wieder willkürlich geändert.
Manches wirkte auch skurril: Etwa die IFA-App, die im Play Store auf die desaströse Bewertung von 1,2 kommt. Der Hauptkritikpunkt ist die ausschließliche Ansprache auf Englisch, dafür wurde lange auf Hallenpläne oder ein komplettes Ausstellerverzeichnis verzichtet. Vielleicht war dann Englisch aber doch sogar besser, denn die deutsche Übersetzung auf der Website war mit Stilblüten wie der „Startup-Schlacht“ wohl das Ergebnis eines Übersetzungsprogrammes.
Trotz aller Kritik wird es nächstes Jahr vom 6. Bis 10. September natürlich wieder eine IFA geben. Wenn der neue Veranstalter aus den Fehlern lernt, gibt es tatsächlich die Chance, dass die Messe zum 100. Geburtstag wieder zur alten Stärke zurückkehrt.
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