12.03.2018
Slingshot schon seit Jahren aktiv
1. Teil: „Der Spion, der aus dem Router kam “
Der Spion, der aus dem Router kam
Autor: Jens Stark
xiaoliangge / Fotolia
Der IT-Security-Spezialist Kaspersky Lab hat eine Cyberspionage-Malware entdeckt, die bereits seit 2012 Router infiziert. Die Malware "Slingshot" sei in der Lage, kompromittierte Geräte vollständig zu übernehmen.
Vor einer hochentwickelten Form der Cyberspionage, die mindestens seit 2012 im Nahen Osten sowie in Afrika ihr Unwesen treibt, warnt derzeit der IT-Security-Spezialist Kaspersky Lab. Ausgangspunkt ist die Malware "Slingshot", die ihre Opfer über kompromittierte Router attackiert und infiziert.
Slingshot ist in der Lage, im Kernel-Modus zu laufen und erhält somit vollständige Kontrolle über infizierte Geräte. Laut den Kaspersky-Experten nutzt der Bedrohungsakteur einige einzigartige Techniken. So werden Informationen heimlich und effektiv ausgespäht, indem der entsprechende Netzwerkverkehr in markierten Datenpaketen versteckt und ohne Spuren zu hinterlassen wieder aus dem regulären Datenstrom ausgelesen werden kann.
Die Security-Experten kamen der Operation Slingshot über den Fund eines verdächtigen Keylogger-Programms auf die Spur. Sie erzeugten eine Signatur zur Verhaltenserkennung, um eine weitere Existenz des Codes zu überprüfen. So konnte ein infizierter Rechner ausgemacht werden, der in einem Systemordner eine verdächtige Datei mit dem Namen "scesrv.dll" aufwies. Die weitere Untersuchung dieser Datei ergab, dass schädlicher Code in dieses Modul eingebettet war. Da die Bibliothek von "services.exe", einem Prozess mit Systemrechten, geladen wird, verfügt auch sie über die entsprechenden Berechtigungen.
Das Resultat: Die Experten waren auf einen hochentwickelten Eindringling gestoßen, der seinen Weg in das Innerste des Rechners gefunden hatte.
Ungewöhnlicher Angriffsweg
Die hinter Slingshot stehende Gruppe hatte anscheinend die Router mit einer schädlichen Dynamic Link Library (DLL) kompromittiert, die zum Download anderer schädlicher Komponenten diente. Loggt sich ein Administrator zur Konfiguration des Routers ein, lädt dessen Management-Software schädliche Module auf den Administratorrechner und bringt sie dort zur Ausführung. Der ursprüngliche Infektionsweg der Router selbst bleibt bislang allerdings unklar.
Nach der Infektion lädt Slingshot mehrere Module auf die Geräte seiner Opfer. Dazu gehören auch "Cahnadr" und "GollumApp". Die beiden Module sind miteinander verbunden und unterstützen sich gegenseitig bei der Sammlung von Informationen und deren Exfiltration sowie der möglichst langen Überdauerung auf den Rechnern.
2. Teil: „Hauptzweck Cyberspionage“
Hauptzweck Cyberspionage
Der Hauptzweck von Slingshot scheint Cyberspionage zu sein. Unter anderem werden Screenshots, Tastatureingaben, Netzwerkdaten, Passwörter, USB-Verbindungen, weitere Desktop-Aktivitäten und Clipboard-Daten gesammelt, wobei der Kernel-Zugang den Zugriff auf jede Art von Daten ermöglicht.
C&C-Adresse aus dem Betreff
Slingshot arbeitet wie eine passive Backdoor. Auch wenn die Malware über keine hart codierte Command-and-Control-Adresse verfügt, erhält sie diese vom Operator, indem alle Netzwerkpakete im Kernel-Modus abgefangen werden und das Vorhandensein von zwei hart codierten "Magic Constants" in der Betreffzeile verfügbar sind. Ist das der Fall, bedeutet das, dass das Paket die C&C-Adresse enthält. Anschließend baut Slingshot einen verschlüsselten Kommunikationskanal zum C&C auf und beginnt mit der Übertragung von Daten zu deren Exfiltration.
Vermutlich besteht die Bedrohung bereits seit geraumer Zeit, denn die Experten fanden schädliche Samples, die als "Version 6.x" gekennzeichnet waren. Die Entwicklungsdauer des komplexen Slingshot-Toolsets dürfte beträchtlich gewesen sein. Das gilt auch für die dafür benötigten Fähigkeiten und Kosten.
Staatlicher Ursprung nicht ausgeschlossen
Zusammengenommen lassen diese Hinweise hinter Slingshot eine organisierte, professionelle und wohl auch staatlich-gestützte Gruppe vermuten. Hinweise im Text des Codes deuten auf eine englischsprachige Organisation hin. Eine genaue Zuschreibung ist jedoch schwierig bis unmöglich; zumal das Thema Attribution zunehmend selbst manipulations- und fehleranfällig ist.
Bislang waren laut den Kaspersky-Experten rund 100 Opfer von Slingshot und seinen zugeordneten Modulen betroffen. Die Angriffe fanden vorwiegend in Kenia und im Jemen statt, aber auch in Afghanistan, Libyen, Kongo, Jordanien, Türkei, Irak, Sudan, Somalia und Tansania. Sie richteten sich scheinbar überwiegend gegen Privatpersonen und nicht gegen Organisationen; allerdings zählten auch einige Regierungseinrichtungen zu den Opfern.
Mehr Informationen zu Slingshot finden sich im Blog von Kaspersky Lab. unter
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