Digitalisierung
26.05.2017
Digital Workplace
1. Teil: „So sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus“

So sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus

Arbeitsplatz der Zukunft.Arbeitsplatz der Zukunft.Arbeitsplatz der Zukunft.
ProStockStudio / shutterstock.com
Wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft im Zeitalter der Digitalisierung aus? Laut Fabian Henrichsen und Nikolaus Reuter wird auf jeden Fall VR und zunehmende Flexibilität eine Rolle spielen.
Die Digitalisierung ist weiter auf dem Vormarsch. Dies bringt nicht nur technische Neuerungen, sondern verändert auch unser gesamtes Umfeld. Arbeitsschritte werden automatisiert, verändert und teilweise ergeben sich ganz neue Tätigkeitsfelder. Unter dem Titel „Digital Workplace: Wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus?“ veranstaltete die Etengo-Unternehmensgruppe vor einigen Tagen ein Symposium mit zahlreichen Vertretern aus Industrie und Wissenschaft. com! professional hat mit zwei der Redner gesprochen und um ihre Einschätzung gebeten.
Fabian Henrichsen, Vorstandsvorsitzender der Henrichsen AG stellt vor allem die menschliche Komponente und die situative Flexibilität in den Vordergrund, während Nikolaus Reuter, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Etengo (Deutschland) AG sein Hauptaugenmerk auf die Technik legt. In beiden Bereichen wird es in den kommenden Jahren große Veränderungen geben.
com! professional: Wie sieht der Digital Workplace aus?
  • Fabian Henrichsen ist Vorstandsvorsitzender der Henrichsen AG: "Der Arbeitsplatz der Zukunft bietet situative Flexibilität"
    Quelle:
    Etengo
Fabian Henrichsen: Der Arbeitsplatz der Zukunft bietet situative Flexibilität. In der Welt von morgen wird immer mehr projektbezogen gearbeitet. Hier ist es notwendig, dass ein Team kollaborativ, also eng zusammenarbeitet. Dazu braucht es zum einen etwa Projekträume direkt vor Ort, aber in einer global vernetzten Welt, wie wir sie heute erleben, auch Techniken, die Spezialisten an den verschiedensten Standorten miteinander verknüpfen.
Genauso gibt es aber auch Situationen, in denen die individuelle Kreativität im Vordergrund steht. Hier bietet der Arbeitsplatz der Zukunft die Flexibilität die Arbeit dort zu ermöglichen, wo der Mitarbeiter seine Kreativität findet. Im Vordergrund steht dabei mobiles Arbeiten.
Nikolaus Reuter: Ich teile diese Ansicht. Mein Augenmerk ist aber etwas technischer. Ich stimme mit Herrn Henrichsen insofern überein, dass ich glaube, der Arbeitsplatz der Zukunft muss und wird hochgradig vernetzt sein. Das sind sozusagen die Basis und die Grundlage, wenn wir über intuitive Systeme sprechen. Technisch gesehen wird sich aber noch einiges tun in der nächsten Zeit. Es wird eine völlig neue Schicht dazukommen. Das betrifft sowohl die klassische Büroarbeit, als auch den handwerklichen Bereich. Mit Schicht meine ich zum Beispiel technische Innovationen wie Datenbrillen zur Ausbildung von Handwerkern und ähnliches.
com! professional: Heißt das, dass der Trend immer weiter Richtung Home Office geht?
Reuter: Nein, im Gegenteil. In Hightech-Firmen in den USA, die oft als Vorbild für deutsche Unternehmen fungieren, ist das Thema Home Office ganz klar auf dem Rückzug. Dort ist man der Ansicht, dass die Welt inzwischen so komplex geworden ist, dass es einfach wichtig ist, dass die Menschen sich direkt treffen und miteinander interagieren. Das schließt aber nicht aus, dass die Mitarbeiter hin und wieder trotzdem von zu Hause aus arbeiten. Wie Herr Henrichsen ja schon gesagt hat, kommt es ganz auf die jeweilige Situation an.
Henrichsen: Das sehe ich auch so. Meiner Meinung nach ist das ein großer Luxus, den wir da haben, das eben so individuell gestalten zu können. Manche Projektphasen bedürfen einfach einer anderen Umgebung. Ich persönlich gehe in so einem Fall gerne raus in die Natur. Dabei kommen mir oft Ideen, die mir im Büro nie eingefallen wären. Das mache ich aber nicht nur allein. Wir haben auch schon Kreativmeetings an anderen Orten abgehalten. Da merkt man dann schon, wie sich das ganze Denken des Teams verändert.
Abgesehen von einer flexiblen Arbeitsumgebung muss das Unternehmen aber auch fähig sein, individuell auf seine Mitarbeiter einzugehen und ihnen etwa zugestehen, zu unterschiedlichen Zeiten zu arbeiten (ausgenommen natürlich bei Meetings oder Teambesprechungen, wenn alle anwesend sein müssen.) Manche Menschen arbeiten zu einer späteren Arbeitszeit einfach besser und kreativer, andere wiederum sind vormittags am produktivsten. Klar braucht so viel Flexibilität ein gutes Management. Es gibt durchaus auch Mitarbeiter, die mit dieser Flexibilität nicht gut umgehen können und darin dann verhungern. Da liegt es dann an der Führungskraft, empathische und soziale Fähigkeiten zu entwickeln um darauf einzugehen.
2. Teil: „Es gibt keine "one-size-fits-all"-Lösung

Es gibt keine "one-size-fits-all"-Lösung

com! professional: Es gibt durchaus einige Menschen, die damit nicht umgehen können. Wie aber schütze ich denn einen Arbeitnehmer davor, dass er sich zum Beispiel nicht völlig überarbeitet? Früher gab es ja nicht so viele technische Möglichkeiten, etwa ständig erreichbar zu sein, oder von überall aus auch meine Geschäfts-E-Mails abzurufen. Was kann die Führungskraft tun, um die Mitarbeiter vor dieser permanenten Präsenz zu schützen?
  • Nikolaus Reuter ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Etengo (Deutschland) AG: "Der Arbeitsplatz der Zukunft muss und wird hochgradig vernetzt sein."
    Quelle:
    Etengo
Henrichsen: Es gibt hier keine, ich nenne es mal „one-size-fits-all“- Lösung, die sich auf alle Mitarbeiter exakt gleich anwenden lässt. Ich persönlich zum Beispiel muss, um abschalten zu können, mein Firmen-Handy ausschalten und bin dann aber auch komplett raus. Wichtige Leute haben meine Privatnummer und wenn wirklich etwas extrem Wichtiges ist, bekomme ich eine SMS. Aber grundsätzlich gilt für mich, dass ich von Zeit zu Zeit einfach völlig raus muss. Sonst kann ich in Arbeitsphasen einfach nicht volle Power geben. Genauso gibt es aber auch Menschen, die nur mit diesem permanenten Informationsfluss abschalten können. Mehr noch, selbst wenn sie in den Urlaub fahren oder ein paar Tage frei haben und zu Hause sind, nehmen sie ihr Handy mit oder rufen ihre Firmen-E-Mails ab. Einfach als Nervenberuhigung, dass alles okay ist.
Genauso halte ich absolut nichts von Regelungen, wie „Nach 18:00 werden keine E-Mails mehr geschrieben.“ Das funktioniert einfach nicht. Wie schon gesagt gibt es einfach Menschen, die zu späterer Stunde besser arbeiten können, andere eher früher. Das heißt nicht, dass solche Mails sofort beantwortet werden müssen. Aber dem Absender zu verbieten, um diese Uhrzeit eine zu schreiben, funktioniert auch nicht.
com! professional: Es bringt also nichts, einem Workaholic einfach das Handy abzunehmen?
Reuter: Nein. Es bringt Ihnen ja nichts, wenn Sie damit einen Zwang ausüben. Wie Herr Henrichsen schon gesagt hat, „ab 18:00 keine Mails mehr“ ist Bullshit. Vielmehr ist es beim Arbeitsplatz der Zukunft wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeiters einzugehen. Ein IT-Nerd hat da eben andere, als zum Beispiel ein Mitarbeiter in der Rechnungsabwicklung. Und auch hier gibt es Heterogenität.
Henrichsen: Hier komme ich wieder zum situativen Arbeiten. Ein meiner Meinung nach zunehmend wichtiges Thema, wenn wir vom Arbeitsplatz der Zukunft sprechen. Ich habe Mitarbeiter, die in gewissen Phasen eines Projektes 10 – 12 Stunden am Tag mit riesen Enthusiasmus reinhauen. Weil sie für das Projekt einfach brennen und nur so sprühen vor Produktivität. Diese Leute da zu bremsen wäre absolut falsch. Manchmal ist es eben so, dass man zwei oder drei Monate in einem Projekt Vollgas gibt. Es ist nur wichtig, dass man als Führungskraft nach so einem Projekt dafür sorgt, dass es auch eine kurze Ruhepause gibt. Zum Beispiel, dass man einfach schon um 15:00 Feierabend macht. Nur so kann man gewährleisten, dass das Team dann beim nächsten Projekt wieder genug Power hat.
com! professional: Aber was ist denn mit Mitarbeitern, die zum Beispiel ihr Leben lang „analog“ gearbeitet haben und mit dem Digitalisierungsprozess nicht zurecht kommen?
Reuter: Hier muss das Stichwort „Soziale Innovation“ fallen. Allerdings sind wir hier noch ganz am Anfang. Akut wird das wohl ohnehin erst in 20 – 25 Jahren. Bis dahin wird sich der Arbeitsplatz noch extremer verändern, als das jetzt schon der Fall ist. Ich persönlich glaube, dass wir uns als Gesellschaft in aller Ehrlichkeit eingestehen müssen, dass wir hier nicht alle Menschen mitnehmen können. Einige wollen das einfach nicht und andere können es tatsächlich nicht. Ich sage immer ganz gerne zu meinen Leuten, die Utopie der Bundesagentur für Arbeit, aus einem langzeitarbeitslosen Metzger einen IT-Experten in der Cloud zu machen ist schwachsinnig.
Das heißt, wir werden leider Leute haben, die definitiv fehlqualifiziert sind. Die dürfen wir natürlich nicht komplett zurücklassen. Dazu gibt es ja die große Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen. Nur: Wie könnte das finanziert werden? Eine Idee hierbei ist etwa die Maschinensteuer. Aber wie gesagt: Hierbei stehen wir noch ganz am Anfang. Das bedarf noch viele Jahre an Diskussion. Professor Dueck hat es auf dem Symposium auf den Punkt gebracht: Deutschland sollte nicht schon wieder den ‚Fehler begehen, jetzt ein Gesetz zu ersinnen, das erst in 25 Jahren wirklich gebraucht wird‘. Wir können jetzt einfach noch gar nicht absehen, wie die Welt dann aussieht und wie ein solches Gesetz aussehen muss.
3. Teil: „VR und AR im Alltag

VR und AR im Alltag

com! professional: Heißt das, um zu vermeiden, dass zu viele auf der Strecke bleiben, muss zukünftig auch in Schulen vermehrt auf digitale Inhalte gesetzt werden?
Reuter: Absolut! Aber auch das dauert noch. Ich bin regelmäßig im Deutschen Bundestag unterwegs und da gibt es eine „Experten-Fraktion“, die zu mir sagt, das sei doch alles der größte Unfug, was ich da erzähle und berichte. Fachkräftemangel gibt es doch gar nicht. Weder in der IT, noch im Ingenieurwesen. Wie wir ja wissen, gibt es aktuell circa 100.000 offene Stellen in diesen beiden Bereichen. Die denken halt, das kann ja nicht sein, wenn wir fast 2 Mio. Arbeitslose haben. Da müssen wir halt einfach umschulen, dann hat auch jeder Arbeit. Aber das ist halt nicht mehr die Realität von heute. Einem Langzeitarbeitslosen aus dem gewerblichen Bereich mit Hauptschulabschluss kriegen Sie nicht auf einen digitalisierten Arbeitsplatz. Auch nicht mit Datenbrille. Die hilft nur, wenn man ohnehin schon eine gewisse Affinität zur digitalen Welt hat. Dann ist sie allerdings recht nützlich.
Nehmen wir zum Beispiel einen Mitarbeiter in der Industrie. Auch dort arbeitet man inzwischen mit derart komplexen Systemen und Techniken, dass das mit einer Old-School-Ausbildung eigentlich nicht mehr abzudecken ist. Da bietet es sich zum Beispiel an, eine VR oder AR Brille einzusetzen. Die Idee dahinter ist, dass dem Mitarbeiter über die Brille genau angezeigt wird, wie die kommenden Arbeitsschritte zu bewerkstelligen sind und was er zu tun hat. Er wird also sozusagen Schritt für Schritt hindurch geleitet. So kann er etwa hochkomplexe Arbeiten verrichten ohne jemals klassisch gelernt zu haben, wie das funktioniert. Teilweise ist eine Schulung in diesem Bereich auch fast unmöglich.
Ein Elektriker zum Beispiel muss heute dermaßen viele Bereiche abdecken, das übersteigt fast schon das Maß dessen, was menschenmöglich ist. Außerdem schreitet die Entwicklung hier ja auch total schnell voran. Es ist Wahnsinn, was diese Menschen leisten müssen, um hier up to date zu bleiben. Eine Datenbrille kann hier eine enorme Erleichterung bringen. Solche Brillen werden aber auch Teil des Arbeitsplatzes der Zukunft im Büro. Stellen Sie sich eine Meeting-Situation vor. Ihr Kollege nennt einen Fachbegriff, den Sie noch nie gehört haben. Ehe Sie peinlich nachfragen müssen, was das Wort heißt, lassen Sie sich die Erklärung in der Brille anzeigen und keiner bekommt das sonst mit.

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