Business-IT
19.12.2016
Bewertungen von Unternehmen
1. Teil: „Deshalb sind Snapchat, Uber und Co. Milliarden wert“

Deshalb sind Snapchat, Uber und Co. Milliarden wert

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Fotolia.com/Jezper
Im Grunde verarbeiten sie nur Daten. Dennoch liegen die Bewertungen von Unternehmen wie Snapchat, Uber oder Airbnb im Milliardenbereich - höher als viele Industriekonzerne.
Die Aktionäre von Twitter waren regelrecht geschockt: Vor Kurzem hatten sich noch zahlreiche Unternehmen an ­einer Übernahme des Online-Dienstes interessiert gezeigt - darunter so klangvolle Namen wie Disney, Google oder Apple. Plötzlich aber zog sich mit dem Konzern Salesforce auch der letzte potenzielle Käufer zurück. Als Begründung für den Korb gab Salesforce-Gründer Marc Benioff an, Twitter passe doch nicht zu seinem Laden. Und außerdem sei der Übernahmepreis zu hoch.
  • Quelle: Forbes / Stand: 22. April 2016, Fortune / Unternehmensangaben
Tatsächlich waren die Preisvorstellungen von Twitter enorm. Nach Berichten des "Wall Street Journal" erhoffte sich der Microblogging-Dienst von der Übernahme 20 Milliarden US-Dollar, andere Insider hatten sogar von 30 Milliarden berichtet. Diese optimistische Vorstellung, die nahezu das Dreifache des Börsenwerts betrug,   wurde mit dem enormen Datenschatz ­begründet, den Twitter angehäuft hatte. Dem gegenüber stand freilich die  schwierige wirtschaftliche Entwicklung sowie die Tatsache, dass sich auf dem Dienst in letzter Zeit Hasskomentare gehäuft hatten. Diese "Trolle", so argumentierte der einflussreiche CNBC-­Moderator Jim Cramer, würden den Wert des Unternehmens erheblich schmälern.
Der Fall Twitter belegt anschaulich, wie schwierig es ist, den Wert eines vornehmlich mit virtuellen Daten agierenden ­Unternehmens zu taxieren. Denn diese Schätzung ist - neben den betriebswirtschaftlichen Eckdaten - vor allem eine Wette auf die wirtschaftlichen Aussichten. Allerdings kann in der sich schnell drehenden Social-Media-Welt kein Experte mit Sicherheit prognostizieren, wie es in den nächsten Jahren mit solchen Unternehmen weitergehen wird.
Immerhin lassen sich in der jüngeren Web-Historie zahlreiche Beispiele von Firmen finden, die einst hochgejubelt wurden und dann tief gefallen sind - angefangen von den deutschen VZ-Netzwerken bis hin zu ­US-Giganten wie Yahoo. Der Internet-Konzern hatte im Sommer 2000 noch einen Börsenwert von 100 Milliarden US-Dollar. Im Juli dieses Jahres wurde das Kerngeschäft vom Telko-Unternehmen Verizon übernommen: für 4,8 Milliarden, also nur einen Bruchteil des damaligen Werts.
2. Teil: „Linkedin-Mitglieder sind wertvoller als Twitter-User“

Linkedin-Mitglieder sind wertvoller als Twitter-User

Der geschätzte Wert eines Unternehmens ist natürlich immer auch eine Frage der ­Investitionsalternativen. Um beim Beispiel Salesforce zu bleiben: Der Konzern hatte auch so lange an Twitter festgehalten, weil er zuvor beim Bieterkampf um Linkedin den Kürzeren gezogen hatte. Das berufliche Netzwerk wird jetzt für rund 26 Milliarden US-Dollar vom Softwarekonzern Microsoft gekauft. Wie bei Twitter geht es bei dem Deal letztendlich um einen Datenschatz. Rund 433 Millionen Menschen haben ihre Profile bei Linkedin hinterlegt, die im Übrigen als deutlich höherwertig eingeschätzt werden als die von Twitter. "WeltN24" hat errechnet, dass Microsoft für jedes Linkedin-Mitglied 220 Euro ­bezahlt, wenn man den Börsenwert heranzieht. Nach dieser Rechnung wäre ein Mitglied von Twitter nur rund 30 Euro wert.
Beim Milliardenpoker um die Zukunft hat derzeit Snapchat das beste Blatt. Die extrem schnell wachsende Messenger-App hat ihre Unterlagen zur Börsenzulassung eingereicht und könnte demnach schon im März nächsten Jahres an den ­Kapitalmarkt gehen. Nach Angaben des "Wall Street Journal" peilt Snapchat-CEO Evan Spiegel eine Bewertung zwischen 20 und 25 Milliarden US-Dollar an. Finanzexperten von Bloomberg hatten aber auch schon darüber spekuliert, dass Snap - so heißt das Unternehmen seit September - eine Bewertung von bis zu 40 Milliarden US-Dollar aufrufen könnte.
Auch hier hängt die Bewertung eng mit dem Image und den Wachstumsfantasien der Anleger zusammen. Als Vorbild dient Facebook, das selbst optimistische Prognosen in den Schatten stellte. Das Netzwerk übertrifft regelmäßig  die Erwartungen der Analysten und ist mit seinen monatlich knapp 1,2 Milliarden Nutzern inzwischen über 300 Milliarden Dollar wert - mehr als SAP, Siemens und BASF zusammen.
Tatsächlich sehen die Hochrechnungen bei Snapchat gut aus. Nach einem Umsatz von 60 Millionen US-Dollar in 2015 sollen es in diesem Jahr bereits 350 Millionen sein, im nächsten dann eine Milliarde. Solche Zahlen wirken wie Katalysatoren und lassen Fragen nach dem Gewinn erst einmal zweitrangig erscheinen.
3. Teil: „Klappt es mit Snap, könnte Airbnb folgen“

Klappt es mit Snap, könnte Airbnb folgen

Klappt der Börsengang von Snap, könnte dies weitere Tech-Börsengänge zur Folge haben. Investoren hoffen darauf, dass dann beispielsweise auch der Fahrten­vermittler Uber oder der Marktplatz für Unterkünfte, Airbnb, den Gang auf das Börsenparkett wagen. Beide können ebenfalls auf Millionen von Nutzern verweisen und beide arbeiten intensiv daran, ihr Business so auszubauen, dass nennenswerte Mitbewerber erst gar nicht mehr ins Spiel finden. Uber wurde kürzlich mit ­einem Wert von 68 Milliarden US-Dollar taxiert, Airbnb wurde mit 30 Milliarden eingeschätzt. Damit ist die Plattform, über die Unterkünfte bei Privatleuten gebucht werden können, bereits mehr wert als die börsennotierte Luxushotel-Kette Hilton (circa 25 Milliarden). 
Allerdings haben sowohl Uber als auch Airbnb signalisiert, dass sie es mit einem IPO nicht besonders eilig haben. Das passt zum Silicon Valley und der dort verbreiteten Unternehmenskultur, denn der Börsengang bedeutet auch, laufend Einblicke in das Geschäft zu geben, jeden Verlust ­penibel auszuweisen, ständig Unterlagen zu veröffentlichen und sich von Aktionären reinreden zu lassen. Es gibt nicht ­wenige Start-up-Gründer, denen solche Vorstellungen zuwider sind.
In Deutschland wird derzeit über einen Börsengang des Kochboxen-Anbieters Hellofresh spekuliert. Dieser war schon einmal vorgesehen - im November vor ­einem Jahr. Dann aber platzten die Börsenpläne und wurden auf Eis gelegt. Einer der Gründe: offenbar unrealistische Vorstellungen über den Unternehmenswert.

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