Business-IT
16.01.2024
Low Code / No Code
1. Teil: „Programmieren ohne Coden“

Programmieren ohne Coden

Shutterstock/Photon
Low Code und No Code beschleunigen Software-Entwicklung und Automatisierung. Das spart den Unternehmen Zeit und Ressourcen.
Im Prinzip gab es für Unternehmen über viele Jahrzehnte bei der Software-Entwicklung nur zwei Möglichkeiten: entweder die fertigen Anwendungen von einem externen Hersteller zu kaufen oder die Anwendungen mit Hilfe von eigenen Entwicklern vollständig selbst zu programmieren. Heute steht eine weitere Option im Raum: Es gibt immer mehr und immer ausgefeiltere Low-Code-/No-Code-Entwicklungsalternativen, die es den Mitarbeitern im gesamten Unternehmen ermöglichen, an der Anwendungsentwicklung mitzuwirken.
Wer zum Beispiel eine App entwickeln will, braucht dafür Programmierkenntnisse. Klassischerweise wird Software gecoded, also Zeile für Zeile in Form von Programmcode geschrieben. Seit wenigen Jahren steht als weiterer Weg die Low-Code-/No-Code-Entwicklung zur Verfügung. Hier findet die Programmierung modular im Bauklötzchenprinzip statt. So lassen sich Projekte der Softwareentwicklung auch von IT-fernen Anwendern ohne oder mit wenig Programmierwissen umsetzen. Oft ist in diesem Zusammenhang von Citizen Developern die Rede. Bei der Entwicklung von Software mit Low Code entfallen Studien zufolge 80 bis 90 Prozent des Codings. Das spart Zeit, Ressourcen und Geld.

Entwickeln mit Low Code und No Code

Die Definition von Low Code lautet in etwa so: eine Methode zum Entwerfen und Entwickeln von Anwendungen mit intuitiven grafischen Tools und eingebetteten Funktionen, welche die Anforderungen an das Schreiben von traditionellem Programm-Code deutlich reduzieren. Das Schreiben von Code bleibt dabei immer noch ein Teil des Entwicklungsprozesses, aber die Low-Code-Entwicklung bietet einen vereinfachten Weg, die es den Anwendern ermöglicht, sehr schnell in die Entwicklung einzusteigen. Auf die Spitze getrieben landet man bei der No-Code-Entwicklung. Hier muss dann keinerlei Code selbst geschrieben werden.
Gregor Greinke, CEO der GBTEC Software AG, ein Hersteller von Lösungen für Governance, Risk und Compliance sowie Business Process Management, definiert No Code so: „No-Code beschreibt eine Entwicklungsumgebung, die vollständig auf herkömmliche Programmierung verzichtet und darauf ausgelegt ist, Applikationen über rein grafische Benutzeroberflächen zu erstellen.“ Die Technologie werde zur Digitalisierung, Automatisierung und Orchestrierung von Prozessen eingesetzt und richte sich an Mitarbeiter aus allen Fach- und Unternehmensabteilungen. „Das primäre Ziel von No Code liegt in der Vereinfachung der Anwendungsentwicklung: Per intuitiver Drag-and-Drop-Funktionen, visueller Bedienelemente und durch das Zusammenklicken vorgefertigter Softwarebausteine können Prozesse ganz ohne Programmier-Skills und damit auch von Nicht-ITlern automatisiert werden.“ Häufig verfolgen No-Code-Lösungen einen prozessorientierten Ansatz und nutzen grafische Prozessmodelle als Basis, um Applikationen zu erstellen. Die werden um digitale Formulare, Entscheidungsregeln und automatisierte E-Mails erweitert und stehen meist kurze Zeit später als ausführbare Prozess-App bereit.
„No-Code-Entwicklung ist die Erstellung von vollständigen Geschäftsanwendungen und Businessportalen, ohne dabei eine Zeile Code zu schreiben“, definiert Uwe Specht, Senior Specialist Solutions Consultant beim Low-Code-Spezialisten Pegasystems. Und weiter: „Die Erstellung erfolgt ausschließlich durch Zusammenfügen und Konfigurieren von Bausteinen. Unternehmen setzen diese Technologie meist dazu ein, um es nicht-technischen Mitarbeitern zu ermöglichen, mit ihrer Fachkompetenz Anwendungen zu entwickeln. Das führt zudem zu einer stärkeren Demokratisierung der Applikationsentwicklung.
2. Teil: „No Code versus Low Code“

No Code versus Low Code

Der wesentliche Unterschied zwischen Low-Code- und No-Code liegt wie der Name vermuten lässt darin, wie viel Programmierwissen der Anwender benötigt. Low-Code-Entwicklungsplattformen (LCDP) erfordern einige grundlegende Programmierkenntnisse, damit die Benutzer komplexe Anwendungen entwickeln und integrieren können, während für No-Code-Entwicklungsplattformen (NCDP) keinerlei Programmierfähigkeiten notwendig sind. Da die meisten Unternehmen ein breites Spektrum an technischen Kenntnissen in ihrer Belegschaft haben, bieten viele Plattformen sowohl Low-Code- als auch No-Code-Werkzeuge an.  
Uwe Specht sieht es so: „Im Unterschied zu No Code können Anwender bei Low Code die Bausteine mit einer geringen Menge von Code anreichern, um mit ihren Anwendungen auch komplexere Anforderungen zu erfüllen. In der öffentlichen Wahrnehmung werden die Möglichkeiten von No Code deshalb als stark eingeschränkt betrachtet. Tatsächlich werden die Übergänge jedoch immer fließender, da auf beiden Seiten immer mehr Bausteine zur Entwicklung komplexer Anwendungen zur Verfügung stehen. Generative KI haben wir dabei noch gar nicht in Betracht gezogen.“
„Low-Code-Plattformen stützen sich für die Automatisierung von Arbeitsabläufen ebenfalls auf Prozessmodelle, gehen jedoch über den reinen grafischen Ansatz von No-Code hinaus“, meint Gregor Greinke. „Über Scripting-Funktionen ermöglichen sie Nutzern, eigenen Programmcode einzufügen, um komplexe Workflowlösungen zu erstellen. Außerdem können Low-Code-Anwendungen über standardisierte oder selbsterstellte Schnittstellen, sogenannte REST-APIs, Daten aus unterschiedlichsten IT-Systeme wie beispielsweise SAP erfassen, bearbeiten und bei Bedarf an andere Systeme weitergeben.“ Damit ließen sich auch sehr komplexe, anwendungs- und bereichsübergreifende Prozesse auf einem hochwertigen Level automatisieren. Tiefergehende Programmierkenntnisse seien für Low-Code-Anwendungen zwar nicht notwendig, Anwender sollten jedoch, wenn sie Drittsysteme integrieren wollen, eine REST-API-Dokumentation lesen können. „Eine gewisse IT-Affinität ist für Low-Code-Anwendungen also eine Grundvoraussetzung.“
  • Die SAP Build Apps vereinen die Vorteile eines performanten App-Builders und die Synergien mit anderen SAP-Services.
    Quelle:
    SAP

Wie Unternehmen profitieren

Ein wesentlicher Vorteil von Low-Code/No Code liegt in der schnelleren Entwicklung: Die Benutzer können die Hauptkomponenten und den grundlegenden Code ihrer Anwendungen einfach anpassen, was bedeutet, dass die eigentliche Entwicklung sehr schnell erfolgt. Darüber lassen sich Anwendungen, Prozesse und Workflows aus bestehenden Anwendungen integrieren und miteinander verbinden. Forrester zufolge lassen sich mit Low-Code-Plattformen Entwicklungsprojekte bis zu 20-mal schneller durchführen als mit klassischer Programmierung.
Auch Gregor Greinke sieht in erster Linie den Geschwindigkeitsvorteil. „No-Code-/Low-Code-Anwendungen vereinfachen und beschleunigen die Anwendungsentwicklung um ein Vielfaches und wirken sich damit positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens aus. Da No-Code- und Low-Code-Lösungen weitestgehend ohne Programmierung auskommen, können Mitarbeiter sämtlicher Abteilungen – innerhalb wie außerhalb der IT – ihre Automationsvorhaben ressourcen-, zeit- und kostensparend umsetzen. Die automatisierten Anwendungen entstehen nahezu parallel zur Spezifikation der Anforderungen und verkürzen so den Entwicklungszyklus erheblich. Das senkt nicht nur Kosten, es beschleunigt auch die Time-to-Market signifikant. Mit dem Einsatz von No-Code-/Low-Code-Technologie treiben Mitarbeiter die digitale Transformation ihres Unternehmens voran, steigern die Produktivität und wirken gleichzeitig dem Fachkräftemangel in der IT entgegen.“
Früher oblag die Applikationsentwicklung ausschließlich professionellen Software-Entwicklern, die mittels tausender Codezeilen schwergewichtige Automationslösungen programmierten. Heute lassen sich Arbeitsroutinen viel leichtgewichtiger und schneller automatisieren. Getreu dem Motto „Konfigurieren statt Programmieren“ generieren Anwender mittels visueller Werkzeuge und wiederverwendbarer Softwarebausteine automatisierte und Compliance-konforme Prozesse innerhalb weniger Tage, oft sogar in wenigen Stunden.
„Diese Plattformen ermöglich vor allem zwei Dinge“, führt Uwe Specht aus. „Schnellere Entwicklungszyklen und eine Demokratisierung der Applikationsentwicklung. Unternehmen sind dadurch agiler und können sich besser den immer schnelleren Veränderungen der Geschäftswelt anpassen. Die Demokratisierung führt außerdem dazu, dass die Applikationen die tatsächlichen Geschäftsanforderungen viel besser erfüllen.“ Gartner prognostiziert, dass schon 2025 zwei Drittel aller Anwendungen mit einer No-Code- oder Low-Code-Plattform erstellt werden.
  • Schätzungen des weltweiten Marktes für Low Code/Node Code
    Quelle:
    Statista/GlobalNewsWire
3. Teil: „Low Code/No Code und Automatisierung“

Low Code/No Code und Automatisierung

Noch aber laufen unzählige Unternehmensprozesse hochgradig manuell ab, die Mitarbeiter verschwenden Zeit mit langweiligen Routineaufgaben. Doch das ändert sich. „Im Zuge der Automation und digitalen Transformation verfolgen bereits heute viele Unternehmen eine No-Code-/Low-Code-Strategie – mit steigender Tendenz“, beobachtet Greinke. „No-Code/Low-Code-Plattformen fungieren als eine Art Brandbeschleuniger bei der flächendeckenden Automatisierung und reduzieren die Durchlauf- und Bearbeitungszeiten von Geschäftsprozessen erheblich. Repetitive Tätigkeiten wie die Freigabe von Dokumenten, Prüfen von Rechnungen oder Anlegen von Stammdaten lassen sich mit wenigen Mausklicks automatisieren und erfordern anschließend keine manuellen Eingriffe mehr.“
Auch Uwe Specht betont, dass Low-Code/No-Code bei der Automatisierung eine herausragende Rolle spielt. „Durch die große Nähe zu den Fachabteilungen wird es für Unternehmen überhaupt erst möglich, die Aufgaben zu digitalisieren, die ihnen den höchsten Wert bieten. Ich nenne das pragmatisches Digitalisieren. Außerdem werden Anwendungen in Low-Code/No-Code-Plattformen üblicherweise besser modularisiert. Das hat einen erheblichen Vorteil für die Automatisierung. Mit Hilfe von Reporting und Process Mining können Unternehmen die am häufigsten genutzten und die problematischsten Aufgaben beziehungsweise Module identifizieren und dann gezielt ihre Automatisierung oder Verbesserung planen.“

Nachteile von No-Code- und Low-Code

Die Einführung von No-Code- und Low-Code-Plattformen erfolgt nicht ohne Herausforderungen. Ein Nachteil von Low- und No-Code-Tools liegt gerade in den geringen Kosten und der einfachen Handhabe begründet. So kann es passieren, dass die Mitarbeiter immer weiter vor sich hin entwickeln und niemand mehr den Überblick behalten kann, welche Anwendungen im Unternehmen vorhanden sind oder was sie können.
An dieser Stelle kommen auch Compliance und die DSGVO ins Spiel. Denn es hat mitunter auch niemand den Überblick, welche Daten die Anwendungen erstellen, welche sie verwenden und wer darauf Zugriff hat. Eine Herausforderung liegt also in der Verwaltung, Wartung und Skalierung dieser Anwendungen. Auch sind die potenziell eskalierenden Infrastruktur- und Speicherkosten im Auge zu behalten.
Eine weitere Falle lauert in übertriebenem Ehrgeiz. So kann es vorkommen, dass Unternehmen feststellen, dass ihre Laienentwickler oder sogar die eigenen professionellen Entwicklungsteams versuchen, die Low- und No-Code-Tools für viel zu komplexe Aufgaben heranzuziehen, um dann am Ende festzustellen, dass sie das Tool und sich selbst überfordert haben – was eine Verschwendung von Ressourcen bedeutet. Low- und No-Code-Tools erfordern unter dem Strich einen erhöhten Verwaltungsaufwand und eine strikte Durchsetzung von Data-Governance-Regeln.
„Unternehmen sollten beim Einsatz von No-Code- und Low-Code-Plattformen unbedingt Regeln für den internen Gebrauch aufstellen, sonst droht Gefahr, dass sich die Prozessautomation verselbstständigt und Mitarbeiter Anwendungen entwickeln, die nicht gebraucht werden, bereits vorhanden sind oder fehlerhaft funktionieren und zum Beispiel unbefugten Personen Zugriff auf sensible Daten gewähren“, sieht auch Gregor Grenke die Gefahren. „Die IT-Governance nimmt bei No-Code-/Low-Code-Plattformen demnach eine zentrale Rolle ein und wird von einigen Tools durch eingebaute Genehmigungs- und Freigabefunktionen bereits systemseitig unterstützt. Verantwortliche aus der IT-Abteilung oder anderen Fachbereichen sollten vom Unternehmen beauftragt werden, um die Entwicklung von Apps zentral zu steuern und freizugeben. Ohne vorherige Zustimmung durch die berufene Personengruppe sollten Fachanwender kein Automationsprojekt starten, geschweige denn eine Prozess-App in Betrieb nehmen dürfen. Wenn Governance-Regeln aufgesetzt sind, dann ist die Gefahr von ungewollten oder fehlerhaft entwickelten Anwendungen weitgehend gebannt.“
Eine weitere Einschränkung bei No-Code- und Low-Code-Plattformen liegt oft im Kern der Anwendung begründet, also im programmierreduzierten Ansatz. Mit No-Code/Low-Code lassen sich insbesondere standardisierte Prozesse von geringer bis mittlerer Komplexität gut mit wenig Aufwand automatisieren. Bei sehr komplexen, individuell angepassten Anwendungen mit vielen Spezialfällen hingegen stößt No Code/Low Code an Grenzen. Dann kommen Unternehmen doch nicht um das klassische Programmieren herum.
Die größte Herausforderung sieht Pega-Manager Specht im Änderungsmanagement, das durch den Ansatz dieser Plattformen erforderlich wird. „Software-Architekten sind oft skeptisch und viele Entwickler fühlen sich bedroht. Die Fachabteilungen wiederum sind verunsichert, wenn es plötzlich keine tagelangen Anforderungsdiskussionen mehr gibt und ihnen stattdessen schon im zweiten Meeting ein funktionierender Prototyp präsentiert wird. Und die Erwartungshaltung muss gemanagt werden. Auch mit No Code/Low Code ist es nicht möglich, eine komplexe Fachapplikation mit einem Klick zu entwickeln.“
4. Teil: „Anwendungsfälle für Low Code/NO Code“

Anwendungsfälle für Low Code/NO Code

Low-Code-Entwicklung eignet sich laut Uwe Specht ideal für zwei Szenarien. „Erstens, wenn Fachabteilungen aufgrund fachlicher Komplexität stärker an der Applikationsentwicklung mitwirken müssen und wollen. Und zweitens, wenn eine geplante Applikation starken Veränderungen der Geschäftswelt oder der Technologien unterworfen ist.“
Gregor Greinke sieht eine Menge Anwendungsfälle, in denen Low-Code-Entwicklung zu einer wertorientierten Geschäftslösung beitragen kann. „Das größte Optimierungspotenzial entfalten Low-Code-Plattformen bei Arbeitsabläufen, die noch hochgradig papierbasiert ausgeführt werden, in denen viele Personen miteinander in Interaktion treten, wiederholt Daten bearbeitet und versendet werden, unterschiedlichste IT-Systeme miteinander sprechen müssen und manuelle Routinetätigkeiten an der Tagesordnung sind.“
Mit Hilfe von Ansätzen wie Business Process Automation (BPA), Robotic Process Automation (RPA) und Machine Learning können Unternehmen heute eine Vielzahl dieser Arbeitsabläufe optimieren und system- sowie abteilungsübergreifende Workflows genieren. Auf diese Weise verbinden sie Bereiche, die normalerweise nicht miteinander interagieren, und können etwa Vertriebsdaten automatisiert ans Controlling übergeben. Die Geschäftsführung erhält Daten unterschiedlicher Herkunft, zum Beispiel in Form von digitalen Dashboards. Das Qualitäts- oder Risikomanagement kann mithilfe vielfältiger Daten eine ganzheitliche Dokumentation erstellen. Ohne Low-Code-Technik müssten derartige Workflows erst sehr aufwendig und mit hohen Kosten von der Entwicklungsabteilung generiert werden.
Ein Low-Code-Musterfall: Robotic Process Automation
Mittlerweile gibt es eine recht große Bandbreite an Low-Code- und No-Code-Plattformen. Neben den Plattformen, die sich für Software- oder App-Entwicklung nutzen lassen, stehen auch Plattformen für Robotic Process Automation zur Verfügung. Mit Tools zur Robotic Process Automation lassen sich einzelne Aufgaben oder auch ganze End-to-End-Prozesse mithilfe von Software-Robotern automatisieren. Anbieter wie UiPath und Microsoft ermöglichen es damit auch Mitarbeitern mit wenigen Programmierkenntnissen, täglich wiederkehrende Routine-Aufgaben zu automatisieren. Vorgefertigte Konnektoren lassen sich dabei nutzen, um im Back-End Abfragen von unterschiedlichen Anwendungen durchzuführen.
Uwe Specht kennt sehr gute Beispiele dafür, dass das funktioniert. „Bei kundenorientierten Anwendungen wie CRM und Service-Center-Software sowie den dahinterliegenden Erfüllungsprozessen ist der Low-Code-Ansatz heute schon Standard. Dabei handelt es sich um hochkomplexe Geschäftsprozesse, an denen viele Menschen und Systeme beteiligt sind. In anderen Bereichen, wie beispielsweise der Produktion, ist der Low-Code-Ansatz dagegen noch eher unüblich.“
„Mit Low-Code sind komplexe Anwendungen bis zu einem gewissen Grad möglich, da diese Technologie eine tiefe Integration in Drittsystemen eingehen kann. Die einzelnen Systeme kommunizieren über REST-APIs und erfordern von den Anwendern keine tiefgreifenden Programmierkenntnisse“, so Greinke. „Low-Code unterstützt komplexe Ende-zu-Ende-Prozesse, robotergesteuerte Automatisierungsprozesse (RPA) sowie Human Centric Workflows, bei denen menschliche Tätigkeiten mit automatisierten Funktionen kombiniert werden und eine perfekte Symbiose bilden. Low-Code-Plattformen sind also in der Lage, IoT-fähige Apps zu bauen, bestehende Legacy-Systeme zu ersetzen oder zu erweitern und Prozesse über Abteilungs- und Systemgrenzen hinweg zu automatisieren.“
5. Teil: „KI, Low Code und die Zukunft der Entwickler“

KI, Low Code und die Zukunft der Entwickler

Das große Potenzial No Code/Low Code wird gerade durch einen Gamechanger geboostert: Künstliche Intelligenz. Die rasanten Fortschritte bei Chatbots und generativer KI machen auch vor der Softwareentwicklung nicht Halt. Schon heute lässt sich Software allein durch Dialog mit KIs wie ChatGPT 4 oder Bard generieren, ohne eine einzige Zeile Code selbst zu erstellen. Hinzu kommt: Eine KI wie ChatGPT kann Softwarecode auch testen und debuggen. Das Ergebnis ist in der Regel jedoch (noch) nicht perfekt, sodass der Code heute weiter von einem professionellen Entwickler auf Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit geprüft werden muss.
Microsofts Low-Code-Offering, die Power Apps, enthält nach der Integration von Copilot bereits Funktionalitäten auf ChatGPT-Basis. Ryan Cunningham, Vice President Microsoft Power Apps, nennt zwei Zwecke für generative KI in Copilot: Die Entwicklungszyklen sollen beschleunigt, die erstellten Anwendungen mit generativen KI-Funktionen angereichert werden können. Gregor Greinke sieht in KI-Lösungen wie ChatGPT eine wertvolle Unterstützung, um Programmcode schneller zu finden und an die richtige Stelle einzubetten oder in bestehenden Code-Blöcken Fehler ausfindig zu machen. „ChatGPT ist durchaus in der Lage, abstrakte Befehle in konkreten Code zu transferieren und damit spezielle Funktionen zu bauen. Als eine Art Meta-Crawler durchsucht ChatGPT unzählige Datenbanken und Datensätze, konsolidiert die Informationen und leitet daraus Antworten ab. Natürlich sollten künstliche Intelligenzen wie ChatGPT mit Bedacht eingesetzt und die Antworten nicht ungeprüft übernommen werden. Greift die KI auf falsche Informationen oder veraltetes Wissen zurück, wird das gelieferte Ergebnis mit hoher Sicherheit fehlerbehaftet sein.“
  • Microsoft nennt seine Low-Code-Lösung Power Apps, sie ist Teil der Microsoft Power Platform.
    Quelle:
    Microsoft
Zudem „halluzinieren“ KIs mitunter, erfinden also Dinge frei, was im Unternehmensumfeld ungute Gefühle weckt. ChatGPT ersetzt deshalb derzeit sicher noch keinen vollwertigen Entwickler, doch für IT-Teams kann es ein sinnvolles Tool zur Datenrecherche und zur schnellen Bereitstellung von Code-Snippets sein. Für das Zusammensetzen hunderter Code-Zeilen und die Programmierung komplexer Anwendungen bleiben Profi-Entwickler unabdingbar. Aber bleibt das so? Uwe Specht meint: „Das ist eine sehr gute Frage. Momentan ist schwer absehbar, ob generative KI schon in naher Zukunft bei No Code/Low Code oder in der klassischen Programmierung komplexere Aufgaben übernehmen kann. Auf beiden Gebieten werden aber zunächst die einfacheren Aufgaben durch KI entfallen, das ist klar. Die ersten Ergebnisse, die wir hier bei unserer eigenen Low-Code-Plattform sehen, sind jedenfalls schon sehr beeindruckend.“
Wenn Anwendungen praktisch von jedermann im Unternehmen hergestellt werden können, drängt sich auch unabhängig von KI die Frage auf, ob man langfristig überhaupt noch Entwickler braucht. Uwe Specht geht davon aus, dass viele Entwickler in Zukunft Low-Code-Designer und -Architekten sein werden, was ihren Durchsatz deutlich erhöhen wird. Es werde aber auch weiterhin Entwickler geben, die gerne coden, und für sie werde es auf absehbare Zeit auch noch genügend zu tun geben.
Ähnlich Gregor Greinke: „Da No-Code- und Low-Code-Technologien nicht in Konkurrenz zu den eigentlichen Aufgaben eines Entwicklers, also der Programmierung komplexer Funktionalitäten und individueller Softwareapplikationen, stehen, stellen sie auch keine Bedrohung für die Arbeitsplätze in der IT dar“, ist Greinke überzeugt. „Vielmehr fungiert No Code/Low Code als unterstützender Hebel, der einfachere Automationsaufgaben an den Fachbereich ausgliedert und den ITlern mehr Zeit für komplexere Fragestellungen und Applikationsentwicklungen freiräumt.“
  • Die Palette der Einsatzmöglichkeiten von Low-Code- und No-Code-Plattformen ist sehr breit gefächert.
    Quelle:
    Medium
„Mit zunehmender Automatisierung wird der Einfluss von Entwicklern sogar noch wachsen“, prognostiziert Greinke, „da die Menge an zu verwaltenden Applikationen steigt und sie sich konstant mit neuen Technologien und deren Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen beschäftigen müssen. Das heißt, das Arbeitsspektrum von Entwicklern verschiebt sich, doch sie selbst bleiben auch im Zeitalter von No Code und Low Code unersetzbar.“

Auswege aus dem Fachkräftemangel?

Stellt sich die Frage, ob No Code und Low Code beim Fachkräftemangel Linderung bringen. Klares Ja von Gregor Greinke: „Viele Unternehmen verfügen nicht über genügend qualifizierte Informatiker, um Digitalisierungs- und Automationsvorhaben in der vom Markt geforderten Schnelligkeit umzusetzen. Und genau in diese Kerbe zahlt No Code/Low Code ein. Es ermöglicht technisch weniger qualifiziertem Personal, ihre digitalen Initiativen eigenständig umzusetzen und den Fachkräftemangel abzufedern. Technologien wie KI, No Code oder Low Code gewinnen daher weltweit an immer mehr Beliebtheit und unterstützen Unternehmen bei der Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle trotz IT-Ressourcenmangel.“ Auch Uwe Specht sieht das so: „Definitiv, denn Low Code/No Code ermöglicht eine Steigerung der Produktivität. Das Backlog der IT-Abteilungen ist in den vergangenen Jahren deutlich angewachsen. Sie schaffen nur einen Bruchteil der Digitalisierungsanforderungen und können häufig nur den reinen Betrieb aufrechterhalten. Dieser Zustand lässt sich nur durch Low Code/No Code spürbar verbessern.“

Ausblick & Fazit

Alles abrupt auf Low Code/No Code umzustellen, wäre sicherlich falsch, weil das Silos fördern würde. Vielmehr sollten IT-Abteilungen einen hybriden Ansatz verfolgen, bei dem klassischer Code und Low Code nebeneinander existieren. Die Integration von KI in Low-Code-Plattformen wird es Entwicklern zudem ermöglichen, schnell intelligente Anwendungen mit fortschrittlichen Funktionen wie der Verarbeitung natürlicher Sprache und Predictive Analysis zu versehen. Low-Code-Applikationen, die einem einzigen Zweck dienen, ohne Idee für eine Wiederverwendung, sollten bald der Vergangenheit angehören. Vorkonfigurierte Module werden Kernfunktionen bieten, die mehreren Anwendungen gemeinsam sind. Diese Module lassen sich vielfach verwenden, was die Anwendungsentwicklung weiter beschleunigen wird.
Tabelle:
Low-Code-/No-Code-Plattformen (Auswahl)


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