Business-IT
21.10.2016
Neue Start-ups
1. Teil: „Die Frachtlogistik von morgen ist digital“

Die Frachtlogistik von morgen ist digital

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Fotolia.com / Lembergvector
Aufwendige Preisrecherchen und viel Papierkram prägen oft den Alltag beim Warentransport. Doch mit der Digitalisierung der Logistikbranche entstehen neue Dienstleister, die Abhilfe versprechen.
Egal, ob bei der Beschaffung der Ware oder beim Versand der bestellten Artikel an den Kunden - Shop-Betreiber sind in Sachen Logistik ständig mit den verschiedensten Anforderungen konfrontiert: Paketdienste und Speditionen haben unterschiedliche Vorgaben hinsichtlich maximaler Größe und Gewicht, unterscheiden sich in der Geschwindigkeit und natürlich im Preis. Jeder hat sein eigenes Versand­label und Tracking-System sowie seine ­eigene Integration in die IT-Landschaft des Shops. Je nachdem, wohin verschickt wird, kommen Zollformalitäten und rechtliche Anforderungen im Zielland dazu. 
Vor allem für kleinere Händler, die vielleicht nur 100 Pakete im Monat an Kunden im europäischen Ausland verschicken oder nur zweimal im Jahr einen Container mit Ware aus Fernost beziehen, ist der Aufwand oft unverhältnismäßig groß, ­zumal der Digitalisierungsgrad in der ­Logistikbranche noch nicht sehr hoch ist: Platz zehn erreicht die Transportbranche in einem Branchenvergleich, den das Digital Intelligence Institute im Auftrag von Dvelop durchgeführt hat. Die Informations- und Telekommunikationsindustrie, Banken und Versicherungen, Medien und auch die Elektroindustrie sind da schon ein gutes Stück weiter.

Analoge Prozesse machen die Logistik schwerfällig

"Der Frachttransport steht heute in etwa an der Stelle, an der der Personentransport vor 20 Jahren stand: Da ging man in ein Reisebüro, es wurde in Katalogen geblättert und Angebote berechnet. Heute buchen wir selbst binnen weniger Minuten auf einem Online-Portal. Viele Prozesse in Speditionen sind heute noch sehr analog: Wenn Sie einen Container buchen wollen, stellen Sie bei mehreren Anbietern telefonisch, per Fax oder Mail eine Anfrage und warten teilweise bis zu drei Tage auf Ihr Angebot", beschreibt Ferry Heilemann, Gründer und Geschäftsführer von Freighthub, den Status quo. 
Genau das möchte Heilemann ändern: Freighthub ist nach eigenen Angaben die erste voll digitale Frachtspedition Europas. Nach einer dreimonatigen Testphase ist das Start-up aus Berlin im August gestartet. In der Anfangsphase konzen­triert sich Freighthub auf den Containertransport von Asien nach Europa, später sollen die Gegenrichtung sowie Transportwege von und nach den USA dazukommen.

Preisrecherche in der Datenbank

Das Konzept: In einer Datenbank sammelt Freighthub alle relevanten Daten wie etwa die Seefrachtraten, die erwartete Abfahrts- und Ankunftszeit, angefahrene Häfen, Hafengebühren, Zollanforderungen, die Kosten für den sogenannten Nachlauf, ­also den Lkw-Transport vom Hafen zum Zielort, und Ähnliches. Sucht ein Händler ­einen Transport, kann er sich nach der ­Registrierung in die Plattform einloggen, seine Anfrage eingeben und erhält über ­einen Suchalgorithmus nahezu in Real-Time alle verfügbaren Verbindungen - meist 100 bis 200 Stück - inklusive Preis angezeigt. Er kann das Passende auswählen und per Klick Freighthub mit der ­Abwicklung des Transports beauftragen.
Dafür arbeitet Freighthub mit einer Vielzahl von Partnern zusammen. Neben den 14 größten Reedereien, darunter Hamburg Süd, Maersk und Evergreen, ist eine Container-Spedition mit an Bord, dazu Partner für die Zollabwicklung und Transportversicherungen. 

Kosten: 10 bis 20 Prozent vom Auftragsvolumen

Ziel ist ein transparenter Preisvergleich in Echtzeit und eine automatisierte Abwicklung ohne viel manuelle Vor- oder Nacharbeit über einen verantwortlichen Anbieter. 
Natürlich hat das Ganze seinen Preis: Je nach Größe und Häufigkeit der Aufträge verlangt Freighthub die branchenüblichen zehn bis 20 Prozent vom Auftragsvolumen. Gedacht ist das Angebot für kleine und mittlere Kunden, die einen bis 500 Container pro Jahr verschiffen. Momentan verzeichnet das Start-up eine mittlere zweistellige Anzahl von Kunden, bis Jahresende sollen es mehr als hundert sein. Vor allem E-Commerce-Unternehmen ­seien sehr dankbar für ein digitales Interface. "Die ­Digitalisierung der Logistikindustrie ist global eines der ganz heißen Themen für die nächsten zehn bis 20 Jahre", ist Heilemann überzeugt.
2. Teil: „Digitale Speditionen sind im Kommen“

Digitale Speditionen sind im Kommen

Mit dieser Auffassung steht Heilemann, der vor Jahren gemeinsam mit seinem Bruder den Groupon-Clon Daily Deal gegründet und dann erfolgreich an Google verkauft hat, nicht allein da. Eine Vielzahl von Unternehmensgründern wittert derzeit die Chance, mit digitalen Geschäftsmodellen in der Logistik Geld zu verdienen. So zum Beispiel das auch in Berlin ­gegründete Start-up Instafreight, das ebenfalls als digitale Spedition antritt, sich im Gegensatz zu Freighthub aber auf den Landtransport konzentriert. Auch hier fragt der Kunde über die Plattform einen Transport an, indem er seine Sendungs­daten eingibt. Anschließend bekommt er einen Festpreis genannt, zu dem er den Transport direkt bei Instafreight online ­buchen kann. Die Abwicklung übernehmen von Instafreight geprüfte Speditionen.  
Ähnliche Dienste bieten das Erkrather Unternehmen Timocom sowie die US-Firmen Flexport und Haven an. Beide haben auch den europäischen Markt im Blick, Flexport hat schon ein Büro in Amsterdam eröffnet, Haven ist in Basel vertreten.

Den Auslandsversand vereinfachen

Ein anderes Geschäftsmodell verfolgt Parcelone, ein Start-up, das gerade unter dem Dach des Anbieters Awiwe Solutions entsteht. Ziel von Parcelone ist, kleinen und mittelgroßen Händlern den Versand ins Ausland zu erleichtern. Hat ein Händler beispielsweise an einem Tag zwei Sendungen nach Italien, fünf nach Österreich und drei in die USA, ist der Aufwand für ihn meist so groß, dass sich das Geschäft kaum lohnt. 
Das Konzept hier: Der Händler schickt die Pakete, die ins Ausland gehen sollen, gebündelt an Parcelone. Das Start-up sammelt die Sendungen im eigenen Lager in der Nähe von Frankfurt und übergibt sie dann an den entsprechenden Paketdienstleister für das jeweilige Land. Mit 25 Carriern arbeitet Parcelone bereits zusammen, darunter United States Postal Service, die Australia und die New Zea­land Post, Japan Post Service und die spanische Post Correos. Bis zum Jahresende sollen Verträge mit 30 Paketdienstleistern stehen. Der Versand ist weltweit möglich. 

Grenzüberschreitende Sendungsverfolgung

Die Vorteile für den Händler: Er erstellt nur ein einheitliches Versandlabel, egal wohin die Sendung geht, und erhält eine einheitliche Tracking-Nummer, über die das Paket lückenlos nachverfolgt werden kann. Zudem kann er frei wählen, in welche Länder er selbst liefern möchte und für welche er Parcelone nutzt. 
Die Liefergeschwindigkeit ist vergleichbar mit der von Wettbewerbern: "Fast alle Carrier bündeln die Auslandssendungen erst in einem zentralen Lager, etwa in Süddeutschland für den Versand nach Frankreich und Spanien oder im Norden der Republik für den Versand nach Skandinavien. Die angegebene Versandlaufzeit gilt immer ab diesen Ausgangsdepots", erklärt Evgenij Bazenov, Mitgründer und Geschäftsführer von Parcelone. Für Sendungen außerhalb der EU sei Parcelone oftmals sogar schneller, da beispielsweise Pakete in die USA ­direkt an die US-Post übergeben würden. "Wir liefern im Schnitt in sieben bis acht Tagen in die USA, egal ob Ost- oder Westküste. Bei anderen großen Carriern liegt das eher bei 14 Tagen", freut sich Bazenov. 

Anbindung über eine API erleichtert die Integration

Auch bei den Kosten hält er Parcelone für konkurrenzfähig: Ein 1-Kilo-Paket kostet zum Beispiel nach Österreich sechs Euro, nach Großbritannien sieben, in die USA zwölf. Der Händler bezahlt außer dem Porto nichts, es gibt keine Grundgebühr. Parcelone finanziert sich über die Differenz zwischen seinem Einkaufspreis als Großkunde bei den Carriern und dem Porto, das der Händler zahlt. Der Service wird über eine offene API an das IT-System des Shops angeschlossen. 
Diese Beispiele zeigen, wohin sich die Branche in den kommenden Jahren entwickeln wird: Ähnlich wie in anderen Branchen, zum Beispiel der Finanzwirtschaft, werden viele Start-ups entstehen, die mit neuen Services die Digitalisierung vorantreiben. Etablierte Player werden reagieren und ihre Services anpassen müssen. Und auch sie werden mit den Start-ups ­kooperieren oder deren Technologien und Know-how aufkaufen. Zumal die Start-ups untereinander auch keine Berührungsängste haben. So betrachtet Freighthub-Gründer Heilemann Instafreight mehr als komplementäres Angebot denn als Wettbewerber - Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen.

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