10.03.2022
KI & Co.
Deutschland droht bei digitalen Technologien den Anschluss zu verlieren
Autor: Konstantin Pfliegl
tj-rabbit / Shutterstock
Ob Steuerungs-Chips für die digitale Produktion oder neue Energiekonzepte - Deutschland und die EU müssen dringend die Voraussetzungen für die strategische Förderungen von Schlüsseltechnologien schaffen.
Zu einem deutlichen Fazit kommt Prof. Dr. Carolin Häussler von der Universität Passau: Es sei „ernsthaft kritisch“, dass Deutschland im Bereich der digitalen Technologien deutliche Schwächen zeige, wie auch die gesamte EU. Damit riskiere Deutschland mit seinen europäischen Partnern nicht nur den Anschluss an einen ökonomisch immer bedeutsamer werdenden Technologiebereich zu verlieren, sondern gefährde auch seine bestehenden Stärken in anderen Schlüsseltechnologie-Bereichen wie den Produktionstechnologien. "Die Ausstrahlwirkung der digitalen Technologien in die anderen Schlüsseltechnologien ist enorm. Hier Schwächen zu haben bedeutet, unsere Stärken zu riskieren", warnt Häussler. Sie ist Mitglied der Expertenkommission Forschung und Entwicklung (EFI). Sie berät die Bundesregierung und legte diese Woche der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, ihr jährliches Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor.
Schlüssel zu ökonomischer Stärke
"Schlüsseltechnologien", so Prof. Dr. Uwe Cantner von der Universität Jena und Vorsitzender der Expertenkommission, "nehmen eine Schlüsselrolle bei der technologischen und ökonomischen Entwicklung eines Landes ein, da sie zur Entstehung neuer dynamischer Märkte beitragen und essenziell für die innovative Weiterentwicklung und Anwendung vieler anderer Technologien sind."
"Der Markt für Künstliche Intelligenz ist aktuell noch vergleichsweise klein. Prognosen gehen aber davon aus, dass der KI-Markt bereits im Jahr 2024 die 500-Milliarden-US-Dollar-Marke überschreiten wird. Da steckt eine Menge Dynamik drin", so Cantner. Es stelle sich darum nicht nur die drängende Frage, wie Deutschland hinsichtlich aktueller Schlüsseltechnologien aufgestellt ist, sondern auch, welche Technologien das Potenzial haben, die Schlüsseltechnologien von morgen zu werden.
China macht‘s vor
In starkem Kontrast zur Schwäche Deutschlands und Europas bei digitalen Technologien steht laut der Expertenkommission Forschung und Innovation die ausgewiesene Stärke Chinas. Besonders beeindruckend sei die Dynamik, mit der sich China in den letzten 20 Jahren - quasi aus dem Nichts heraus - eine Spitzenposition in der Forschung, Anwendung und beim Handel mit fast allen Schlüsseltechnologien erarbeitet habe, so die Experten.
Die Abhängigkeit von chinesischen Importen bereit der Expertenkommission Sorge. Denn für Deutschland ist China heute der wichtigste Lieferant von digitalen Technologien sowie Produktions- und Materialtechnologien. "Internationale Arbeitsteilung und Außenhandel sind ja grundsätzlich vorteilhaft und nicht jede Volkswirtschaft muss alles selbst herstellen", so Carolin Häussler. Doch ihr zufolge können auch Schieflagen auftreten: "In Anbetracht des wachsenden systemischen Konkurrenzverhältnisses zwischen der westlichen Welt und China etwa wächst das Risiko, dass wir künftig auf wichtige Technologien nicht mehr verlässlich zugreifen können", gibt sie zu bedenken. Die EFI sieht daher "dringenden Handlungsbedarf: Die Themen Schlüsseltechnologien und technologische Souveränität gehören oben auf die politische Agenda!"
Strategische Förderung von Technologien
Die strategische Förderung von wichtigen Schlüsseltechnologien steht in Deutschland jedoch . in Gegensatz etwa zu China oder den USA - erst am Anfang. Die EFI empfiehlt daher ein regelmäßiges und systematisches Erfassen von etablierten und potenziellen Schlüsseltechnologien.
Die Bundesregierung sollte laut EFI bei ihrer Förderung von Schlüsseltechnologien starke Akzente bei der Grundlagen- und angewandten Forschung sowie beim Aufbau entsprechender Kompetenzen durch das Bildungssystem setzen. Neben diesen Maßnahmen im vormarktlichen Bereich seien auch direkte staatliche Eingriffe in den Markt kein Tabu mehr. "Das Welthandelssystem hat sich in den letzten Jahren verändert, das Ideal gleicher Wettbewerbsbedingungen ist unter Druck geraten und kritische Abhängigkeiten, mit allen Konsequenzen für die technologische Souveränität, werden zur realen Gefahr. Daher sind zur Förderung potenzieller Schlüsseltechnologien industriepolitische Maßnahmen durchaus angebracht", so Uwe Cantner, "sofern sie einen anstoßenden, katalytischen Charakter haben, das heißt nach einiger Zeit auch wieder zurückgenommen werden."
Ein wichtiger Aspekt bei der Kommerzialisierung von Schlüsseltechnologien sei laut EFI darüber hinaus die Normung und Standardisierung. Da das deutsche Engagement in den dafür zuständigen internationalen Organisationen nach Angaben der Expertenkommission gering sei, sollten dringend Anreize für die Unternehmen gesetzt und Kosten bezuschusst werden.
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