27.10.2014
Big Data
1. Teil: „"Der technologische Aufwand ist gewaltig"“
"Der technologische Aufwand ist gewaltig"
Autor: Susanne Gillner
Foto: Blaupunkt
An Daten mangelt es Unternehmen nicht mehr. Jetzt gilt es, diesen Wust an Informationen zu filtern und nutzbringend zu analysieren. Wie das geht, erklärt Alexander Gösswein von Criteo im Interview.
Alexander Gösswein: Wir verwenden im Wesentlichen anonyme Nutzungsdaten der User. Wir analysieren also, welches Surf-Verhalten ein bestimmter Nutzer auf einer Website zeigt und berechnen auf Basis von über hundert Variablen, welche Produkte für ihn die höchste Relevanz haben und empfehlen sie ihm anschließend in unseren Werbemitteln.
com! professional: Wie filtern Sie die Daten und wie kommen die relevanten Daten am Ende zum Einsatz?
Gösswein: Der technologische Aufwand dahinter ist gewaltig. Bei Criteo erledigt diese Aufgabe unsere Engine, an der über 300 Entwickler jeden Tag arbeiten, um sie beständig weiter zu optimieren. Die Engine kann heute bis zu 15 Millionen Voraussagen pro Sekunde verarbeiten und innerhalb von 20 Millisekunden antworten. Dafür speichern wir täglich mehr als 20 Terabytes an Daten - inklusive des aktuellen Kaufverhaltens. Bildlich gesprochen würde das auf einem iPod reichen, um Musik mit mehr als 400 Jahren Laufzeit zu speichern. Die Daten mehrerer Wochen müssen aber auch innerhalb weniger Stunden immer wieder analysiert werden, damit unser Vorhersagemodell funktioniert. Nur so schaffen wir es, dem richtigen User zur richtigen Zeit das richtige Werbemittel anzuzeigen.
com! professional: Wie sieht es dabei in puncto Datenschutz und -qualität aus?
Gösswein: Vertrauen ist das Wichtigste in unserem Geschäft, und dieses erreichen wir mit größtmöglicher Transparenz. Zudem sind wir der Meinung, dass Lösungen in erster Linie nutzerzentriert sein müssen und damit gleichsam für den User von Wert. Sprich: Dass der Nutzer zu jeder Zeit informiert ist und bewusst Entscheidungen über seine Onlineerfahrung sowie die Nutzung seiner Daten treffen kann.
com! professional: Aus welchen Bereichen kommen Ihre Kunden und wie gut ist der Umgang und das Know-How in Sachen Data schon auf Kundenseite?
Gösswein: Wir arbeiten weltweit mit über 6.000 Kunden zusammen, mit über 90 Prozent haben wir eine dauerhafte Geschäftsbeziehung. Klassisch kommen unsere Kunden aus den Bereichen Onlinehandel, Reisen und Classifieds, also Kleinanzeigen. Aber wir bedienen auch zunehmend andere Branchen, wie zum Beispiel Telekommunikation oder Automotive.
In der Regel wissen unsere Kunden sehr gut Bescheid, was den Wert von Daten anbelangt. Sie allerdings nutzbar zu machen, das schaffen nur die wenigsten - schließlich ist dies mit einem gewaltigen technologischen Aufwand verbunden. Wir empfehlen, die Daten in anonymisierter Form an uns zu geben, damit wir die Kundenkampagnen daraufhin weiter optimieren können. Wichtig dabei: Die Daten eines Kunden werden ausschließlich für dessen Kampagnen verwendet und niemals für die Kampagnen anderer Kunden eingesetzt. Ausnahme: Zwei Unternehmen kommen mit einer entsprechenden Kooperationsanfrage auf uns zu. Aber das muss auch vertraglich sauber geregelt sein.
2. Teil: „Mobile Herausforderungen“
Mobile Herausforderungen
Gösswein: Eine Herausforderung des Datengesamtbilds hat sich vor allem mit der vermehrten Nutzung von mobilen Endgeräten herausgestellt. Durch immer komplexere Anforderungen und Technologien wurden gerade für Mobile Advertising neue Standards nötig. Da mobiles Web und Apps zwei völlig unterschiedliche Welten darstellen, braucht es neue technologische Entwicklungen - Criteo entwickelte hierfür bereits eine neue mobile Anzeigenlösung, die dabei hilft, dass über alle Browser und App-Plattformen hinweg entsprechende Performance-Werbemittel zielgruppenspezifisch und personalisiert gespielt werden können.
Zudem führen beispielsweise auch neue Standards für erfolgreiches In-App Retargeting oder HTML5 als Äquivalent zu URLs in der App-Welt bereits zu signifikanten Ergebnissen durch Mobile.
Die nächste große Herausforderung besteht nun im geräteübergreifenden Tracking der Nutzer. Das bedeutet, das Verhalten der Nutzer auf verschiedenen Geräten zu einem Gesamtbild zusammen zu fassen. Was diese am Desktop, mit dem Smartphone oder dem Tablet machen, wird derzeit noch getrennt voneinander betrachtet, in einzelnen Silos sozusagen. Diese Daten zu verbinden, das ist die Herausforderung. Aber: Wir sind bereits in den letzten Zügen der Entwicklung einer eigenen Lösung für Cross-Device.
com! professional: Und was tun, wenn es an Daten mangelt, Stichwort Reaktivierung von inaktiven Usern etwa?
Gösswein: Unsere Engine optimiert auf Conversions, das heißt: Wir sprechen Nutzer an, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur auf unsere Werbemittel klicken, sondern danach auch auf der Kundenwebsite kaufen. In der Tat scheint es auf den ersten Blick besser, nur Nutzer anzusprechen, die sich erst kürzlich mit Produkten auf der Kundenwebsite beschäftigt haben. Doch die Engine erkennt auch, welche Nutzer, welche die Kundenwebsite schon länger nicht mehr besucht haben, noch für die Produkte dieses Kunden kaufaffin sind. Es kann sich durchaus lohnen, diese verlorengegangen Nutzer anzusprechen. Ein Online-Händler in Frankreich konnte so beispielsweise 15 Prozent mehr Neukunden und 10 % zusätzlicher Abverkäufe generieren.
com! professional: Welche Bedeutung nehmen Daten aus sozialen Netzwerken ein - vor allem hinsichtlich der Qualität?
Gösswein: Vor allem soziale Netzwerke, aber auch Google oder einzelne Online-Shops können auf personalisierte Nutzerdaten, die sie bei der Anmeldung von ihren Kunden erfragen, zurückgreifen - hierdurch wird jeder einzelne User bereits durch sein Login identifiziert, alle Handlungen sind ab diesem Zeitpunkt individuell nachvollziehbar. Das bereits angesprochene Tracking über unterschiedliche Geräte hinweg und die Erstellung eines Gesamtbilds des agierenden Nutzers wird somit für diese Portale ohne Probleme möglich.
Gerade für Facebook und Co ist es ein leichtes, gezielt individuelle Ads bei den jeweiligen Usern zu schalten, da hier in der Regel ein sehr detailliertes Bild des jeweiligen Nutzers durch eine Vielzahl von persönlichen Daten vorliegt. Da Social Media Daten persönlich identifizierbare Daten sind, fließen sie nicht in Criteo-Kampagnen ein.
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