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06.12.2016
B2B-Handel
1. Teil: „Amazon startet Amazon Business in Deutschland“

Amazon startet Amazon Business in Deutschland

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Spekulationen gab es schon länger, jetzt gibt es Gewissheit: Amazon hat heute Nacht seinen B2B-Marktplatz Amazon Business in Deutschland eröffnet. Das Start-Sortiment umfasst 100 Millionen Produkte.
Unter amazon.de/business bringt der E-Commerce-Riese Amazon seinen B2B-Marktplatz "Amazon Business" jetzt auch in Deutschland an den Start. Geschäftskunden finden auf der Plattform mehr als hundert Millionen Produkte. 45.000 Händler sind auf dem B2B-Marktplatz vertreten. Wie viele davon aus Deutschland sind, will das Unternehmen auf Nachfrage nicht verraten.
  • Amazon Business: Der E-Commerce-Riese beliefert jetzt auch Unternehmenskunden.
    Quelle:
    Amazon
Wie auch im B2C-Bereich liegt auch beim B2B-Marktplatz das Augenmerk von Amazon auf dem Longtail. Allein für das produzierende Gewerbe und das Handwerk bietet Amazon mehr als fünf Millionen Artikel, darunter Werkzeuge, Sicherheitsbrillen, Hörschutz, Klebstoffe sowie Schleif- und Befestigungsmittel.
Restaurants stehen eine Vielzahl von Küchenutensilien zur Auswahl, wie Profi-Messer, Töpfe und Pfannen, Mixer jeder Größe sowie Registrierkassen. Universitäten und Labore können auf mehr als 50.000 Waren für ihren Bedarf zurückgreifen, darunter Mikroskope, Reagenzgläser, Digitalwaagen und Messinstrumente. Die Produktpalette reicht von sehr kleinen Teilen wie etwa Bohraufsätzen aus Titan bis zu industriellen Standbohrmaschinen. Sämtliche Produktseiten bieten Bildern in höchster Qualität samt Abmessungsangaben, Gebrauchsanweisungen und Anleitungsvideos der Hersteller. Bei Problemen hilft der Amazon-Kundenservice weiter.

Neue Features berücksichtigen B2B-Bedürfnisse

Wie immer bei der Entwicklung neuer Services blieb Amazon auch bei seinem B2B-Marktplatz dem Motto treu, vom Kunden rückwärts zu denken. Dabei wurden bei der Entwicklung von Amazon Business die Bedürfnisse kleiner Start-ups genauso berücksichtigt wie die Anforderungen von Großkonzernen.
So steht beispielsweise allen Business-Kunden der Kauf auf Rechnung mit einem Zahlungsziel von 30 Tagen zur Verfügung. In der Suche und auf der Produktdetailseite werden Nettopreise angezeigt, auf Rechnungen wird die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. Die einzelnen Business-Accounts sind zudem teilbar, so dass Unternehmen ihren unterschiedlichen Berufsgruppen oder Kostenstellen individuell Zahlungslimits oder Genehmigungsrechte zuteilen können. Zudem ist es möglich, Gruppen zu definieren, die Zahlungsmethoden und Versandadressen gemeinsam einsehen können.

Eigene Auftragsnummern

Ein weiteres B2B-Feature ist, dass Unternehmen für ihre Bestellungen eigene Auftragsnummern vergeben. Über ein ausführliches Reporting können Einkaufsleiter anschließend gebündelt sehen, was die einzelnen Abteilungen in einem bestimmten Zeitraum angeschafft und ausgegeben haben. Schlussendlich können Geschäftskunden auch führende Beschaffungslösungen von Drittanbietern wie Ariba oder Onventis integrieren. Ab einem Einkaufswert von 29 Euro erhalten Business-Kunden ihre Bestellung innerhalb von 24 Stunden kostenfrei zugeschickt.
Für Käufe von unterwegs bietet Amazon Business ein für mobile Endgeräte optimiertes Einkaufserlebnis. Zudem ist der deutsche Amazon-Business-Marktplatz in den Sprachen Englisch, Niederländisch, Polnisch und Türkisch auch für internationale Kunden verfügbar.

Amazon Business startete im April 2015 in den USA und bedient mehr als 400.000 Unternehmen. Im ersten Jahr hat Amazon Business dort über eine Milliarde US-Dollar Umsatz gemacht - Amazon-Händler stehen dabei für mehr als die Hälfte der Bestellungen. Inzwischen verkaufen mehr als 45.000 Amazon-Händler über Amazon Business.
2. Teil: „Die Antwort der Platzhirsche: eigene Lösungen als Chance gegen Amazon“

Die Antwort der Platzhirsche: eigene Lösungen als Chance gegen Amazon

Die Bedingungen für Amazons Eintritt in den deutschen B2B-Markt sind durchaus günstig: Der Markt ist zerfasert, bisher gibt es hierzulande keine klar marktführenden Großhändler, schon gar nicht solche mit einer vernünftigen Online-Präsenz. Vielen B2B-Händlern fehlt es zudem an einer Digitalisierungsstrategie – 20 Prozent der vom Bundesverband Großhandel Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) jüngst ­befragten Unternehmen ­sehen sich in ­Sachen Digitalisierung höchstens durchschnittlich oder schlechter gerüstet als der Wettbewerb. Einzelne Unternehmen, die in Sachen Digitalisierung schon weiter sind, etwa die Würth-Gruppe, dominieren einzelne Branche wie die Werkzeugtechnik. Branchenübergreifende Plattformen gibt es wenige.
Eine davon ist Mercateo. Der deutsche Marktplatz ist als Suchmaschine für B2B-Verbrauchsgüter groß geworden und hat sich in den letzten Jahren zu einem zentralen Ansprechpartner für Procurement-Verantwortliche gewandelt. Rund 40 Prozent des Umsatzes von Mercateo läuft mittlerweile über E-Procurement, also die direkte, schnittstellengebundene Anbindung an das ERP-System von Großkunden und deren Procurement-Abteilungen.
Mit seinem Marktplatzsystem und der Konzentration auf E-Procurement gerät Mercateo, das 2015 einen Umsatz von 200,2 Millionen Euro (plus 25 Prozent) ­erzielte, direkt ins Fadenkreuz von Amazon Business. Im Gegensatz zu anderen B2B-Großhändlern, die angesichts des Schreckgespensts Amazon jetzt der große Katzenjammer packt, waren die Leipziger aber offenbar auf die Bedrohung aus den USA gefasst – und haben rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen: Seit drei Jahren arbeitet Mercateo ohne viel Aufhebens an einer B2B-Vernetzungsplattform mit Transaktionsfunktion. Dort können ­Unternehmen ein Netzwerk mit ihren persönlichen Lieferanten aufbauen und direkt bei ihnen online bestellen, ohne Online-Suche, ohne Neuverhandlungen – und ohne die ungeliebte Preistransparenz, die Amazon Business mit seiner B2C-DNA in den Markt bringt, und auf die ­viele Hersteller im B2B-Bereich gerne verzichten würden. „Im B2B-Handel ist die Anbieterbeziehung enorm wichtig“, betont Bernd Schönwälder, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bei Mercateo. „In einem Großteil der Fälle macht der Einkauf über einen Marktplatz keinen Sinn, weil die direkte Geschäftsbeziehung zum Verkäufer, die Beratung oder die persönliche Absprache fehlt.“

Großübernahme auf europäischer Ebene

Auf diese persönliche Beziehung zwischen Großhandel und Lieferant oder Händler setzt auch Wer-liefert-was. Die Plattform versteht sich weniger als B2B-Marktplatz denn als digitales Branchenbuch, durch das B2B-Marktteil­nehmer sich und ihre Produkte im Netz präsentieren und mit Lieferanten und ­Abnehmern Kontakt aufnehmen können. 
Im Sommer hat der Mutterkonzern von Wer-liefert-was, Paragon Partners, den französischen Konkurrenten Europages übernommen. Das Ziel: ein europaweit führendes digitales Großhandelsverzeichnis. Auch wenn sich das Geschäftsmodell von dem transaktionsbasierten Amazon Business unterscheidet, muss sich auch der neue Riese durchaus vor Amazon in Acht nehmen. Schließlich versucht der B2C-Konzern  in den USA seit Jahren, mit Amazon Marketing Services eine Präsentationsplattform für kleine und mittelständische Unternehmen auf die Beine zu stellen. Bevor dies auch im B2B-Bereich gelingt, will Paragon mit dem neuen ­europäischen Marktführer offenbar Fakten schaffen. „Wir haben jetzt in Europa die große Gelegenheit, ­unsere Position so auszubauen, dass Amazon oder Alibaba keine Chance auf einen Markteintritt ­haben“, so Wer-liefert-was-CEO Peter Schmid selbstbewusst. „Wir haben aktuell etwas mehr als 5 Millionen Produkte auf der Plattform, nächstes Jahr werden wir diese Zahl verdoppeln oder verdreifachen. Wenn wir es schaffen, diese enorme Zahl in mehreren Sprachen durchsuchbar zu machen, dann ist das eine große Markt­eintrittsbarriere für andere Player.“ 
Insgesamt haben sich die B2B-Player, die aus dem Online-Bereich kommen, besser auf die Bedrohung von Amazon Business eingestellt als ihre Kollegen aus dem stationären Bereich. Das könnte fatale Folgen für diesen wichtigen Wirtschaftszweig haben, der in Deutschland im Moment noch auf Brick-and-Mortar-Filialen setzt. „Die Großhändler tun gut daran, Amazon und Co ernst zu nehmen“, warnt André Schwarz, stellvertretender Geschäftsführer beim BGA. „Man sieht ja, wie groß das Internet im Einzelhandel ist." 

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