E-Commerce
26.06.2019
Online-Shops
1. Teil: „Weniger Schreibarbeit durch Textroboter“

Weniger Schreibarbeit durch Textroboter

Roboter vor einem LaptopRoboter vor einem LaptopRoboter vor einem Laptop
Julia Tim / shutterstock.com
Programme, die Produkttexte schreiben, sollen das Shop-Management entlasten. Lohnenswert ist ein solches System aber erst ab 500 bis 1.000 Produkten im Online-Shop.
E-Commerce: Es ist ein bisschen wie der Kampf gegen Windmühlen: Der Online-Shop wird größer, das Sortiment wächst und damit auch die Zahl der Texte, die für die einzelnen Produkte verfasst werden müssen. Gleichzeitig sollen die Inhalte hochwertig sowie in Wortwahl und Ton stimmig geschrieben sein. Denn nur wenn der Gesamteindruck stimmt, wird sich der Kunde im Shop wohlfühlen und länger aufhalten.
Texte ansprechend zu gestalten, ist aber nicht das einzige Problem, mit dem Shop-Betreiber bei der Content-Erstellung zu kämpfen haben. Allein schon unvollständige oder veraltete Produktbeschreibungen können eine sinkende Conver­sion ­Rate verursachen. Auch zu Marketing-­lastige Texte führen beim Kunden schnell zu Verdruss. Ist der Online-Shop auch noch im Ausland vertreten, müssen all die vielen Shop-Texte aufwendig übersetzt werden.
Das alles kostet Zeit und Geld - zwei Faktoren, die beim Erstellen von ­Inhalten als wesentliche Herausforderungen gelten. Das belegt eine Umfrage von Unaice, einem Dienstleister für Content-Automation mit Sitz im westfälischen Werther. Demnach ist für ein Drittel der Befragten der Zeitaufwand eine entscheidende Hürde bei der Produktion von Inhalten. Auf dem zweiten Platz folgen die Kosten: Ein Fünftel der Umfrageteilnehmer sieht hier die größte Schwierigkeit.
Helfen können sogenannte Textroboter. Fast auf Knopfdruck erstellen sie individuelle, suchmaschinenoptimierte Beschreibungen, die automatisch in den Webshop eingespielt werden. Auch Blog- und Newsletter-Beiträge, Inhalte für Landing Pages und sogar Texte für Printmaterialien können so entstehen. Die Vorteile, die Textroboter mit sich bringen, liegen auf der Hand: „Geschwindigkeit, Kosten und Individualisierung“, fasst Saim Rolf Alkan, Geschäftsführer des Tool-Herstellers AX Semantics, zusammen. Er hat eine Software entwickelt, die aus klassifizierbaren Inhalten Massentexte erstellt.
Tatsächlich können solche Textroboter individuelle Produktbeschreibungen ­generieren, die sich jederzeit aktualisieren lassen. Dadurch kann man beispielsweise saisonale Aktionen mit eigens darauf zugeschnittenen Inhalten versehen. Zudem können neue Produkte in Echtzeit ­gelistet und mit SEO-relevanten Texten bespielt werden. Und sie lassen sich je nach Ausgabekanal individualisieren.
Für den Schweizer Weinversender Flaschenpost.ch ist der Textroboter ein wichtiges Tool, um die Conversion Rate zu erhöhen. „Je besser wir unsere Produkte ­beschreiben können, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie gekauft werden“, erklärt Marketingleiter Johannes Klaiber. Außerdem ermögliche der zusätzliche Content auf den Produktdetailseiten ein besseres Ranking bei den organischen Suchresultaten von Google. „Damit können wir unsere SEO-Performance deutlich steigern“, so Klaiber.
Amazein Design / shutterstock.com
So funktioniert Textgenerierung
Generell lassen sich zwei Arten von Textgenerierung unterscheiden. Das Template-basierte Textgenerierungsverfahren verwendet Vorlagen (Templates), also Lücken­texte beziehungsweise Text- oder Satzmuster. Zu jedem Thema wie zum Beispiel einem Produktmerkmal oder einer Produkt­kategorie werden individuelle Textmuster ­erstellt. Diese werden bei der ­Generierung mehr oder weniger zufällig ausgewählt und ausge­geben.
Bei der linguistischen Textgenerierung lernt die Software, was und wie sie über Produkte schreiben soll. Dabei werden über sogenannte Trainings Satzbau, Wortwahl, Sprachstil und inhaltliche Zusammenhänge festgelegt. Die Trainings erarbeitet ein menschlicher Experte, der über redaktionelles Fachwissen und Erfahrung verfügen muss. Je mehr unterschiedliche Formulierungen er dabei verwendet, desto abwechslungs- und variantenreicher werden die generierten Texte.
2. Teil: „Strukturierte Daten als Basis “

Strukturierte Daten als Basis

Neben Geschwindigkeit und Individualisierung sind die Kosten ein wichtiger Faktor. So lassen sich mit einem Textroboter auf längere Sicht Kosten reduzieren -­vorausgesetzt, die zu generierende Textmenge ist groß genug. Christian Meyer, Geschäftsführer von Unaice, geht davon aus, dass für den wirtschaftlichen Einsatz eines Textroboters mindestens 500 bis 1.000 Produkte im Shop vorhanden sein sollten.
„Während ein händisch geschriebener Text im Schnitt zwischen 14 und 25 Euro kostet, müssen Händler dann nur noch mit 8 Cent pro Text rechnen“, ­erklärt er. Dazu komme ein einmaliger Programmieraufwand. Insgesamt, so Meyer, mache sich die Investition nach rund drei Monaten bezahlt.
Input für jeden Textroboter sind die Produktdaten, die im Shop meist in Excel-Tabellen, Produktdatenblättern oder Datenbanken vorliegen. Sie werden über eine API in die Software eingespielt. Über diese Schnittstelle gelangen die fertigen Texte auch zurück in den Shop.
Wie gut die Inhalte der Textroboter sind, hängt ganz entscheidend von der Qualität dieser Daten ab. „Die Daten müssen gut strukturiert sein“, bestätigt AX-Semantics-Chef Alkan. Denn automatisch generierte Texte sind nur dann gut, wenn eine definierte Textstruktur vorliegt.
Wenn zum Beispiel die Beschreibung eines Produkts ­Größe und Farbe enthalten soll, müssen die Basisdaten diese Parameter enthalten. Das Format spielt dagegen eine untergeordnete Rolle: „Je genauer die Daten, desto besser. Ob diese aber in einem sauber strukturierten Excel vorliegen oder in einem XML- oder JSON-Feed, ist zunächst weniger entscheidend“, ergänzt Sebastian Golly, Leiter des Bereichs Textgenerierung bei Retresco, ebenfalls Anbieter eines Textroboters.

Unterschied nicht erkennbar

Für Mytheresa standen Flexibilität und Schnelligkeit ganz oben auf der ­Wunschliste, als der Luxuslabel-Shop die automatisierte Betextung seiner Shop-Katego­rien ins Auge fasste - aber auch die Leserlichkeit der ­Texte war dem Unternehmen wichtig. Der Shop-Betreiber ist überzeugt davon, dass der Unterschied zwischen den automatisierten Texten und der manuellen Betextung nur schwer auszumachen ist.
Mytheresa hat sich für die Lösung von AX Semantics entschieden, die von ­Unaice als Systemhaus umgesetzt wurde. Bis zu 500.000 Texte schafft der Textroboter laut Unaice in einer Stunde. Zudem könne die Software die Texte nüchtern, emotional oder speziell auf den Kundennutzen ausgerichtet ausgeben - je nach Zielgruppe und Ausrichtung des Shops. Ein weiterer, großer Vorteil für Unaice-Geschäftsführer Meyer: Der Textroboter übersetzt die ­Inhalte bei Bedarf in 26 Sprachen. Denn gerade bei einer Expansion ins Ausland sind sprachlich einwandfreie Shop-Texte essenziell.
Meyer nennt ein Beispiel: „Der Möbelhändler Home24 hatte für seinen Auslandsauftritt 13 Monate kalkuliert. Durch den Einsatz des Textroboters war er in gerade einmal zwei Monaten damit durch.“ Arbeitslos seien die insgesamt elf Texter bei Home24 deshalb nicht. Sie peppen laut Meyer stattdessen zum Beispiel die Texte der Top-Produkte auf.
Ebenso wie AX Semantics arbeitet auch der Berliner Tool-Anbieter 2txt Natural Language Generation mit der linguistischen Textgenerierung. Damit lassen sich laut Unternehmen vielfältige, individualisierte Texte generieren. Der Textroboter wird als Software as a Service angeboten und kostet ab 600 Euro pro ­Monat. AX Semantics verlangt 279 Euro je Nutzer und 8 Cent pro Text. Ähnliches berechnet Unaice als Lizenznehmer von AX Semantics.
Lösungsanbieter Retresco will keinen konkreten Betrag nennen. Dort kommt nach eigener Aussage ein auf die Bedürfnisse des Kunden abgestimmtes Lizenzmodell zum Einsatz. Das Berliner Unternehmen bietet zwei Varianten an: Die Selfservice-Plattform Textengine.io ermöglicht nach einem Einführungstraining das selbstständige Generieren von Texten in einem Web-Interface und ohne Entwicklerkenntnisse. Für die Kunden, die ihre Texte lieber nicht selbst generieren möchten, steht der Managed Service Textengine Pro zur Verfügung. Dabei werden die Kunden so lange von einem Expertenteam begleitet, bis sie selbst übernehmen wollen.
3. Teil: „Im Gespräch mit Patrick Zackert, Projektmanager bei Otto.de“

Im Gespräch mit Patrick Zackert, Projektmanager bei Otto.de

  • Patrick Zackert: Projektmanager E-Commerce bei Otto.de
    Quelle:
    Otto
Otto.de setzt auf die automatisierte ­Erstellung seiner E-Commerce-Texte. Projektmanager
Patrick Zackert nennt die Gründe dafür.
com! professional: Warum haben Sie sich für den Einsatz eines Textroboters in Ihrem Online-Shop entschieden?
Patrick Zackert: Mit einem Textroboter haben wir die Möglichkeit, mit einem überschaubaren Einsatz von Budget und Personentagen sehr viele individuelle Produkttexte in kurzer Zeit zu produzieren. Diese Texte erfüllen alle Anforderungen, die es zur Beschreibung eines Artikels in unseren Online-Shops braucht. Ein weiterer Vorteil ist, dass ­alle Texte individuell erstellt werden und wir kein Problem mit Duplicate Content im SEO haben. Unsere ersten Erfahrungen zeigen außerdem, dass die Fehlerquote extrem gering ist. Dagegen enthalten die meisten Texte, die von Menschen geschrieben werden, Fehler und benötigen deshalb einen höheren Korrekturaufwand. Und es gibt einen weiteren positiven Effekt. Die Aktualität der Texte hängt direkt von unseren strukturierten Daten ab. Bei Änderung dieser Datenbasis wird der Text einfach neu produziert.
com! professional: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Textroboter gemacht?
Zackert: Wir haben bereits etwa 90.000 individuelle Texte für unser Sortiment Home & Living produzieren lassen. Die ersten Reaktionen der Nutzer waren sehr positiv.
com! professional: Warum haben Sie sich für Unaice entschieden?
Zackert: Unaice arbeitet auf dem AX Semantics Framework und ist Vertriebspartner der Lösung. Da wir in der Vergangenheit schon einmal mit AX ­zusammengearbeitet haben, bot sich die Zusammenarbeit an. Unaice ist die Schnittstelle zwischen unseren Produktdaten und dem Textgenerator von AX.

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