Künstliche Intelligenz
02.03.2018
Business-Chancen
1. Teil: „Vorsprung durch Künstliche Intelligenz“

Vorsprung durch Künstliche Intelligenz

Künstliche IntelligenzKünstliche IntelligenzKünstliche Intelligenz
Tatiana Shepeleva / Shutterstock.com
Vom Auto bis zur Produktionsanlage: KI-Technologien halten in vielen Systemen Einzug und sollten daher auch Strategiebestandteil zukunftsorientierter Unternehmen sein.
"Künstliche Intelligenz (KI) gilt unter bodenstän­digen IT-Experten noch immer als äußerst undurchsichtig“, hat Leon Adato, Head Geek beim Netzwerkspezialisten Solarwinds beobachtet. Dabei sind KI-Techniken wie maschinelles Lernen und Deep Learning längst im beruflichen und privaten Umfeld angekommen: „Um sich vor Augen zu führen, wie stark Künstliche Intelligenz bereits unseren Alltag verändert, genügt ein Blick auf drei zentrale Anwendungsbereiche: Smart Factory, autonomes Fahren und Service-Assistenten“, betont Michaela Tiedemann, Chief Marketing Officer der auf Beratungsleistungen rund um Data Science spezialisierten Alexander Thamm GmbH.„Beim autonomen Fahren geht beispielsweise ohne Künst­liche Intelligenz nichts“, weiß Tiedemann. „Die Analyse der Umgebung und das Interpretieren von Verkehrszeichen in Echtzeit sind außerordentlich komplexe Aufgaben. Entscheidend ist hier vor allem eine extrem große Menge an Trainingsdaten, mit denen die intelligenten Algorithmen Ampelsignale und andere Zeichen erkennen lernen.“
  • Quelle: Bitkom (n= 505 Unternehmen mit 20 oder mehr Beschäftigten)
In Fabriken wiederum kommt maschinelles Lernen etwa bei der vorausschauenden Wartung (Predictive Maintenance) von Maschinen und bei Robotern zum Zuge. Versicherungen und Finanzdienstleister setzen Algorithmen ein, um Risiken und Anlagemöglichkeiten besser bewerten zu können oder um Finanztransaktionen zum optimalen Zeitpunkt durchzuführen.
Und auch im privaten Alltag halten KI-Systeme mit Macht Einzug. Digitale Assistenten wie Alexa, Siri und Cortana steuern zu Hause auf Zuruf Heizung und Smart-TV oder die Infotainment-Anlage im Auto. Wie auch bei den Business-Anwendungen spielt dabei eine Fähigkeit der KI-Systeme eine zentrale Rolle: selbstständig neue Erkenntnisse und Aktionen aus dem Verhalten des Anwenders abzuleiten.

Warum KI jetzt in ist

Weswegen KI und Machine Learning derzeit so hoch im Kurs stehen und laut dem Markforschungsunternehmen Gartner gerade den Gipfel des „Hype Cycles“ bei neuen Technologien erklommen haben, hat mehrere Gründe. Dem Datenbank-Anbieter MongoDB zufolge verhelfen vor allem vier Faktoren den KI-Lösungen zum Durchbruch.
Die rapide Zunahme der Datenmengen: Menschen, Maschinen, Fahrzeuge, Waren und Dinge (Internet of Things) generieren Petabyte über Petabyte an Informationen. Wie Google und Facebook beweisen, lassen sich auf der Basis solcher Datenbestände und deren Auswertung lukrative Geschäftsmodelle errichten.
Günstige und leistungsfähige Computing-Ressourcen: Immer leistungsstärkere Standard-Prozessoren und Grafikchips, etwa die GPUs von AMD und Nvidia, haben KI-Anwendungen die nötige Rechenpower verliehen. Mittlerweile sind zudem weitere CPUs für KI verfügbar, unter anderem der Nervana Neural Network Processor (NNP) von Intel und die Tensor Processor Unit (TPU) von Google. Diese kommt in Cloud-Rechenzentren des Anbieters zum Einsatz.
Komplexere Algorithmen: Durch den Zugang zu erschwinglichen Rechenkapazitäten haben Forscher leistungsfähigere Algorithmen für maschinelles Lernen und Deep Learning entwickeln können. Deep-Learning-Systeme können dadurch komplexe Problemstellungen bewältigen, zum Beispiel das Erkennen und Kategorisieren von Sprachinformationen, Bildern und Handschriften.
Auch Abweichungen von normalen Mustern lassen sich schneller identifizieren. Dies hilft beispielsweise beim Erkennen von Betrugsversuchen im Online-Handel oder der Abwehr von Cyberangriffen.
Höhere Investitionen: Der Erforschung von Künstlicher Intelligenz widmen sich nicht mehr nur Forschungseinrichtungen. Auch Unternehmen, die sich mit dem Sammeln und Auswerten großer Datenbestände beschäftigen, investieren massiv in diese Technologien. Zu diesen zählen Betreiber von Suchmaschinen (Google), Social-Media-Plattformen (Facebook) und Online-Marktplätzen (Amazon, Ebay). Hinzu kommen Anbieter von cloudgestützten KI- und Datenplattformen wie Amazon Web Services, Google (Cloud Platform), IBM (Watson) und Microsoft (Azure).
Zudem setzen die Großen im Bereich Business-Software auf KI, etwa SAP, Salesforce und Oracle. Alle haben in den vergangenen Jahren erhebliche Summen in den Ausbau der KI- und Machine-Learning-Funktionen ihrer Lösungen investiert.
2. Teil: „Höhere Produktivität“

Höhere Produktivität

Das Potenzial der KI-Technik kommt vor allem auf einem Feld zum Tragen, das für Unternehmen jeder Größe und Branche stets von elementarer Bedeutung ist: der Produktivität. „Üblicherweise steigern Autohersteller ihre Produktivität im Schnitt um rund 2 Prozent pro Jahr“, berichtet Andreas Tschiesner, Leiter der europäischen Automobilberatung von McKinsey. „Allein durch maschinelles Lernen ist in den kommenden Jahren ein jährliches Produktivitätswachstum von zusätzlichen 1,3 Prozent machbar. KI wird damit zum Ren­diteturbo für die Autoindustrie.“
  • Wachsende Verbreitung: Ein beträchtlicher Teil der deutschen Unternehmen setzt bereits maschinelles Lernen ein. Vorreiter sind die Auto- und Konsumgüterindustrie, die Medienbranche und der IT- und TK-Sektor.
    Quelle:
    Crisp Research (n=264 deutsche Unternehmen)
KI-getriebene Wertschöpfungseffekte sind Tschiesner zufolge für alle Autohersteller in etwa gleich hoch, vor allem in der Produktion. Deshalb werde auch der Konsument letztlich davon profitieren: „Der harte Wettbewerb im Sektor wird voraussichtlich dazu führen, dass ein Teil der Kostenvorteile an den Kunden weitergegeben wird“, so der McKinsey-Berater.
Für alle Industriezweige prognostiziert das Beratungshaus einen Produktivitätsgewinn zwischen 0,8 und 1,4 Prozent pro Jahr, wenn Unternehmen auf KI-Funktionen zurückgreifen. Diese können in unterschiedlichen Bereichen zum Zuge kommen, etwa in der vorausschauenden Wartung, der Qualitätssicherung und der Robotik.
Auch Geschäftsprozesse lassen sich mit Künstlicher Intelligenz und Machine Learning optimieren. McKinsey geht davon aus, dass intelligente Systeme über die gesamte Lieferkette hinweg den Bestand an Waren, Ersatzteilen und Rohmaterialien optimieren können. Dadurch stehen benötigte Güter immer in ausreichender Menge zur Verfügung. Es kommt weder zu Lieferengpässen noch zu übermäßig großen Lagerbeständen.
Selbst im Bereich Forschung und Entwicklung soll KI dazu beitragen, die Kosten um bis zu 15 Prozent und die Entwicklungszeiten um etwa ein Zehntel zu reduzieren.
Vergleichbare Studien haben Marktforscher für eine Vielzahl von Branchen erstellt, vom Einzelhandel über die Energieversorgung und das Gesundheitswesen bis hin zu Smart Citys.
Dem Einfallsreichtum sind dabei keine Grenzen gesetzt, wie das Beispiel der Software BioLens zeigt. Das vom Fraunhofer-Institut IGD entwickelte Programm lässt sich dazu nutzen, den Inhalt von digitalen Werbetafeln auf das Alter und die Vorlieben eines Betrachters abzustimmen. Sie erfasst dazu Alter, Geschlecht und Aufmerksamkeitsgrad eines Betrachters und passt auf Basis dieser Informationen automatisch die Anzeige auf der Tafel an.
3. Teil: „Intelligente IT-Umgebungen“

Intelligente IT-Umgebungen

Zu den Sparten, die von Künstlicher Intelligenz am meisten profitieren werden, zählt die Informationstechnik, vor allem weil sich mit Hilfe von KI-Algorithmen Aufgaben automatisieren lassen, etwa der Schutz von IT-Umgebungen gegen Angriffe von außen, das Bereitstellen von IT-Diensten und die Konfiguration von Netzwerken.
  • Prozessoren für Künstliche Intelligenz: Google setzt seine leistungsstarken Tensor Processing Units (TPUs) in seinen Cloud-Rechenzen­tren ein.
    Quelle:
    Google
Das amerikanische Unternehmen Mist Systems hat zum Beispiel eine Wireless-LAN-Technik entwickelt, die maschinelles Lernen und KI verwendet. „Unsere Systeme der Reihe Mist Marvis erfassen in Echtzeit, welche Änderungen sich bei Nutzern, den Endgeräten und den verwendeten Anwendungen ergeben“, erklärt Jeff Aaron, Vice President Marketing bei Mist Systems. „Sobald die Qualität eines Services unter einen festgelegten Wert sinkt, alarmiert unsere Lösung die IT-Abteilung und macht selbstständig Lösungsvorschläge.“ Die WLAN-Access-Points lassen sich zudem so konfigurieren, dass sie auf Basis dieser Informationen automatisch Anpassungen vornehmen.
Auch im Bereich Netzwerk-Service-Management sowie bei der Abwehr von Cyberattacken wird verstärkt mit maschinellen Verfahren und KI gearbeitet. Ein Grund dafür ist, dass es zu lange dauert, bis menschliche Administratoren auf geänderte Anforderungen von IT-Usern oder auf Hacker­angriffe reagieren. Daher implementieren gerade auch IT-Sicherheitsunternehmen verstärkt KI-Algorithmen in ihre Produkte.
Ein weiteres wichtiges Einsatzfeld für KI-Technologie ist die zweifelsfreie Identifizierung von IT-Nutzern. KI-Funktionen erfassen dazu Daten wie die Handhabung der Computermaus durch den Anwender und sein Tippverhalten auf der Tastatur. Hinzu kommen Informationen über den Arbeitsort, die üblichen Arbeitszeiten und die normalerweise genutzten Anwendungen. Weicht das Verhalten eines Nutzers plötzlich stark von diesem Profil ab, kann dies darauf hindeuten, dass ein Hacker den Account eines Users gekapert und übernommen hat.
Zu den Anbietern von Sicherheitslösungen für solche User and Entity Behavior Analytics (UEBA) zählen unter anderem One Identity (Balabit), Exabeam, Forcepoint und Palo Alto Networks.
Kognitive Stärken: Mensch vs. Maschine
Kognitive Stärken des Menschen
Unerwartete Stimuli wahrnehmen
Neue Lösungen zu Problemen entwickeln
Mit abstrakten Problemen umgehen
Sich verändern können
Beobachtungen generalisieren
Aus Erfahrungen lernen
Schwierige Entscheidungen bei unvollständiger Datenlage
Kognitive Stärken der Maschine
Wiederholbare Aufgaben akkurat ausführen
Große Mengen an Daten zuverlässig speichern
Gespeicherte Daten zuverlässig wiederfinden
Mehrere Aufgaben parallel ausführen
Große Rechenleistung
Einfache Berechnungen schnell durchführen
Routine-Entscheidungen schnell treffen
4. Teil: „Problem Datenqualität“

Problem Datenqualität

Damit Anwendungen für KI und maschinelles Lernen wie gewünscht funktionieren, müssen allerdings einige Voraussetzungen erfüllt sein. An erster Stelle steht dabei die Qualität der Daten. „KI-Algorithmen liefern nur dann die gewünschten Ergebnisse, wenn die Qualität der zugrunde liegenden Daten stimmt. Dieser Faktor wird häufig unterschätzt“, betont Michaela Tiedemann von der Alexander Thamm GmbH, „denn KI-Systeme nutzen solche Daten dazu, um zu lernen.“ Qualität bedeutet, dass Datenbestände konsistent, genau und komplett sein müssen. Auch die Integrität der Informationen ist ein wichtiger Aspekt.
  • Quelle: McKinsey
Gründe für eine mangelnde Datenqualität gibt es viele, etwa Fehler in Programmen wie Datenbanken und Tabellenkalkulationen oder ein Wirrwarr bei den Datenformaten. Auch lückenhafte Informationsbestände können sich zu Problemen für KI- und Machine-Learning-Anwendungen auswachsen.
Wer also KI-Applikationen nutzen möchte, muss zuvor seine Hausaufgaben machen und die Datenbestände in Ordnung bringen. Allerdings erfordern dies nicht nur Anwendungen aus dem Bereich KI. Auch Big-Data- und Analyse-Applikationen benötigen eine solide Datenbasis. 

Problem Datenschutz

Angesichts der Bedeutung der Daten für das Funktionieren von KI liegt es auf der Hand, dass auch der Schutz der Daten und der KI- und Machine-Learning-Systeme selbst eine zentrale Rolle spielt. Hacker, die KI-Algorithmen in einem Industriebetrieb oder einem Kraftwerk manipulieren, können immense Schäden anrichten. Daher stufen die Teilnehmer einer Trendstudie des IT- und Beratungshauses Tata Consultancy Services (TCS) den Aspekt „IT-Security“ im Zusammenhang mit KI-Lösungen als besonders wichtig ein. Und die Verbraucher sehen dies ganz genauso. Eine Untersuchung im Auftrag des IT-Unternehmens VMware ergab, dass 71 Prozent der Bürger in Deutschland fürchten, dass vollautomatisierte Dienstleistungen die Sicherheit ihrer Daten gefährden. Daher sollten laut VMware Sicherheitsfunk­tionen ein integraler Bestandteil jeder IT-Infrastruktur sein. Das schließt insbesondere unternehmenskritische Systeme wie KI- und Machine-Learning-Komponenten mit ein.
Doch Künstliche Intelligenz und entsprechende Algorithmen sind nicht nur Teil des Problems, sondern zugleich ein Teil der Lösung. Gerade sie können nämlich dazu beitragen, das Sicherheitsniveau von Servern, Clients, Netzwerken und Rechenzentren zu verbessern.
IT-Sicherheitslösungen nutzen beispielsweise heute schon KI-Funktionen, um Angriffe über noch nicht bekannte Schwachstellen zu erfassen. Deep-Learning-Algorithmen sind in der Lage, große Mengen von übermittelten Informa­tionen und Metadaten auf verdächtige Indikatoren hin zu untersuchen und Informationen über bekannte Attacken, die nach einem ähnlichen Muster abliefen, auszuwerten.
5. Teil: „Problem Arbeitsplätze“

Problem Arbeitsplätze

Angesichts der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning hat sich eine Diskussion über die möglichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieser Technologien entwickelt. Heiß gestritten wird vor allem über die Frage, ob intelligente Systeme und Roboter mit KI-Funktionen Menschen überflüssig machen und zahlreiche Arbeitsplätze kosten werden.
  • KI im Auto: Virtuelle Assistenten mit Künstlicher Intelligenz etablieren sich im Auto. Hersteller wie Mercedes arbeiten dabei mit IT-Firmen wie Nvidia zusammen.
    Quelle:
    Daimler AG
Tata Consultancy Services zählt dabei ganz klar zu der Fraktion, die solche Ängste für unberechtigt oder übertrieben hält. In seiner Trendstudie kommt TCS zu dem Schluss, dass bis 2020 je nach Branche und Unternehmens-Bereich zwischen 4 und 7 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen, vor allem weil sich Tätigkeiten automatisieren lassen. Allerdings sagt TCS auch voraus, dass durch die Unternehmen, die frühzeitig auf KI setzen und daher in hohem Maß von diesen Technologien profitieren, drei- bis viermal so viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Dabei hält es TCS für wichtig, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter„mitnehmen“, wenn sie KI-Lösungen implementieren, weil die Beschäftigten lernen müssen, den Entscheidungen und Hinweisen solcher Systeme zu vertrauen.
Handlungsbedarf auf gesellschaftlicher und politischer Ebene sieht der Digitalverband Bitkom: „KI wird dazu führen, dass zahlreiche Tätigkeiten – vor allem Routinetätigkeiten – nicht mehr auf den Arbeitsmärkten nachgefragt werden“, so die Autoren eines Thesenpapiers.
Auf der anderen Seite sei es jedoch zu erwarten, dass durch die Veränderungen auch neue Berufe und Berufsgruppen entstünden, etwa in Bereichen wie Kunst, Kultur, Ausbildung und Umwelt. Die Politik sei daher aufgerufen, die Prozesse zu steuern und voranzutreiben, die mit dieser gesellschaftlichen Transformation verbunden sind.
Tabelle:

6. Teil: „Wohin die KI-Reise geht“

Wohin die KI-Reise geht

Schaut man sich die aktuelle Entwicklung der KI-Szene an, fällt auf, dass viel Bewegung vor allem dort herrscht, wo es um den Zugang zu KI-Algorithmen und KI-Plattformen geht. Eine zentrale Rolle dabei spielt die Cloud. Nicht nur etablierte Cloud-Provider wie AWS, Microsoft, Google und IBM stellen Entwicklungs-Kits und Cloud-Services für Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen bereit. Auch die Anbieter von Geschäfts-Software setzen auf diesen Weg, um ihre Lösungen einem breiten Nutzerkreis zuzuführen. SAP tut dies mit seiner Plattform SAP Leonardo, Salesforce vermarktet seine Einstein-Plattform als „KI für alle“, und auch Oracle setzt mit seinem AI Platform Cloud Service auf ein Cloud-Modell.
Der KI-Boom führt aber auch zu neuen Herausforderungen. Eine besonders wichtige besteht darin, ausreichend Rechenkapazitäten für die wachsenden Datenmengen bereitzustellen. Laut Janis Keuper vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) benötigen herkömmliche Computer mit mehreren Grafikkarten bereits für die Berechnung mittelgroßer Modelle mehrere Tage.
Als ein möglicher Ausweg werden heterogene High-Performance-Computer (HPC) diskutiert. Auf ihnen werden Modelle „vortrainiert“, die etwa beim autonomen Fahren erforderlich sind. Die Rechner und KI-Systeme im Auto selbst benötigen dann nur noch eine relativ geringe Computing-Leistung. Zudem sind Verfahren erforderlich, um den Transport der Daten zu beschleunigen. Ein Mittel sind mathematische Modelle, die die Datenmengen reduzieren. Dafür arbeiten die Forscher an optimierten Kommunikationsprotokollen und spezieller Hardware.
Der nächste Schritt könnte die Kombination von Quantencomputern und Künstlicher Intelligenz sein. Solche Rechner können ihre hohe Performance vor allem bei Optimierungsaufgaben ausspielen. Und die fallen in den Bereichen KI und maschinelles Lernen in besonderem Maß an. Alltagstaugliche Quantenrechner sind allerdings erst in fünf bis zehn Jahren zu erwarten.
Deshalb arbeiten Unternehmen an Alternativen, die schneller einsatzbereit sind. Fujitsu etwa hat mit Digital Annealer eine Prozessor-Architektur entwickelt, die Quantenfunktionen bereitstellt, aber in normalen Computern verwendet werden kann. Anwendungen im Bereich Künstliche Intelligenz sind laut Fujitsu ein wichtiges Einsatzfeld von Digital-Annea­ler-Rechnern. Bei einem Test schaffte ein Prototyp mit einem solchen Quanten-Prozessor eine komplexe Berechnung in 0,5 Sekunden. Ein Server mit einer Xeon-CPU von Intel benötigte dafür mehr als zwei Stunden.
Glossar: Von ML bis KI
Begriffe wie Künstliche Intelligenz, Machine Learning (ML) und Deep Learning (DL) werden oft synonym gebraucht. Tatsächlich gibt es deutliche Unterschiede:
Künstliche Intelligenz (KI)/Artificial Intelligence (AI): Oberbegriff für Technologien wie maschinelles Lernen und Deep Learning. KI-Systeme sind fähig, Situationen zu er­kennen und zu interpretieren. Die Grundlage dafür bildet Wissen, das sie im Rahmen von Lernprozessen erworben haben. Auf dieser Basis treffen sie Entscheidungen. So sind KI-Systeme in der Lage, Bildmuster zu erkennen und Sprach­informationen zu interpretieren.
Die Komponenten sind auf spezielle Aufgaben zugeschnitten („Narrow AI“), etwa das Erkennen von Gesichtsmerkmalen oder das Klassifizieren von Bildern. Entsprechende Algorithmen verwenden Social-Media-Plattformen wie Pinterest und Facebook, aber auch Smartphone-Hersteller wie Apple (iPhone X), Samsung (Galaxy S9) und Huawei (Mate 10 Pro). Als „General AI“ werden Systeme bezeichnet, die über eine vergleichbare Intelligenz wie Menschen verfügen sowie über Sensoren, die ihnen dieselben (oder mehr) Sinneseindrücke vermitteln. Sie sind noch Zukunftsmusik.
Maschinelles Lernen (ML): ML ist eine Basistechnologie im Bereich KI. Ein Rechner lernt aus Beispieldaten, indem Algorithmen statistische Regelmäßigkeiten erkennen und in Modelle umsetzen. Anschließend kann ein ML-System vergleichbare Muster erkennen. Beim überwachten Lernen lernt ein System, indem für jede Eingabe während der Trainingsphase die richtige Ausgabe zur Verfügung gestellt wird. Ein Algorithmus wird etwa mit Daten über gutartige und bösartige menschliche Zellen gefüttert. Nach Abschluss der Trainingsphase erkennt er eigenständig Krebszellen.
Beim nicht überwachten Lernen dienen Daten als Basis, die nicht mit Etiketten wie „gutartig“ und „bösartig“ gekennzeichnet sind. Aufgabe des Algorithmus ist es, in einem Bestand von Daten Muster aufzuspüren, etwa die Verteilung bestimmter Datensätze in zwei separaten Clustern.
Deep Learning: Diese Technologie setzt auf künstliche neuronale Netze, die dem Gehirn ähneln. Ein Eingabewert passiert viele Ebenen (Layer), um einen Ausgabewert zu generieren. Die Algorithmen extrahieren dabei Muster aus Rohdaten, etwa von Bildsensoren. Die Berechnungen werden beim Durchlaufen der Layer immer weiter verfeinert. Einsatzgebiete von Deep Learning sind das Erkennen von Bildern und Handschriften und die Analyse von Audiodaten.
Intelligence Augmentation (IA): Hierbei werden Techniken wie ML genutzt, um Menschen bei Tätigkeiten zu unterstützen, etwa der Analyse von Zusammenhängen, Planungsaufgaben und der Suche nach Wissen. „Im Bereich KI werden nur die Unternehmen erfolgreich sein, die auf Intelligence Augmentation setzen“, postuliert Helmut Scherer, Managing Director der Digitalberatung Futurice GmbH. „Damit ist nicht wie bei der KI das Ersetzen der menschlichen durch künstliche Intelligenz gemeint, sondern eine geschickte Verknüpfung von menschlicher, emotionaler und künstlicher Intelligenz.“ Im Unterschied zu IA ist ML auf die Automatisierung von Aufgaben ausgelegt, ohne Beteiligung von Menschen.
7. Teil: „Fazit und Ausblick“

Fazit und Ausblick

Letztlich führt  kein Weg an der Künstlichen Intelligenz vorbei: „Aufgrund der digitalen Disruption in allen Branchen, einschließlich der öffentlichen Verwaltung, sollte KI ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmensstrategie sein“, bekräftigt K Ananth Krishnan, Chief Technology Officer von TCS. „Zukunftsorientierte Unternehmen fangen bereits damit an, umfangreich in Künstliche Intelligenz zu investieren.“
Dieser Auffassung pflichtet Christoph Angerer bei, Manager AI Developer Technologies EMEA, Russland und Indien bei Nvidia: „Der Einsatz von KI in Industrie, Handel, Forschung und anderen Bereichen ist für Deutschland eine große Chance. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen dies erkennen und in ihre Strategie einbeziehen.“
Angerer plädiert dafür, junge Unternehmen und Forschungseinrichtungen zu fördern, die sich mit KI und Machine Learning beschäftigen. Bislang geschehe in dieser Beziehung in Deutschland viel zu wenig. „Ein Problem ist, dass Unternehmen in Deutschland zu wenig Geld für die Erprobung von KI-Lösungen und ihre Integration in Herstellungsprozesse und Produkte bereitstellen“, kritisiert Angerer.
Kein Wunder, dass vor diesem Hintergrund viele deutsche Unternehmen ihre Position im Bereich KI als nicht sonderlich gut einstufen. Laut Digitalverband Bitkom nehmen von den deutschen Unternehmen nach eigener Einschätzung nur 6 Prozent eine führende Rolle auf diesem Feld ein. An die 68 Prozent dagegen zählen sich zu den Nachzüglern oder bewerten ihren Status gar als „abgeschlagen“. Nicht ganz so stark fällt die Diskrepanz bei Technologien aus, die mit KI Berührungspunkte haben, wie Internet der Dinge und Robotik. Aber auch in diesen Sparten lassen die Selbsteinschätzungen der Unternehmen unverkennbar Defizite erkennen.
Um beim Zukunftsthema KI nicht noch mehr den Anschluss zu verlieren, will die Bundesregierung daher zusammen mit Frankreich ein KI-Zentrum einrichten. Die Eckdaten dazu sollen in einem „Masterplan Künstliche Intelligenz“ festgelegt werden. Das haben CDU/CSU und SPD im Rahmen der Koalitionsverhandlungen verabredet. Ein wichtiger Bestandteil der Initiative sollen Pilotprojekte sein, die von Forschungseinrichtungen zusammen mit Unternehmen durchgeführt werden.
Und was den Menschen und sein Verhältnis zur KI betrifft, ist Panik nicht angesagt. So sieht das jedenfalls Bill McDermott, der Vorstandvorsitzende von SAP. Er betont zwar, dass Künstliche Intelligenz weit mehr Vorteile bietet als nur Kostensenkungen – etwa bessere Prognosen, optimierte Abläufe und stärker personalisierte Dienstleistungen. Er betont aber auch: „Wie bei jedem Technologiewandel dürfen wir den Faktor Mensch nicht aus den Augen verlieren. Es gibt Dinge, die selbst die intelligentesten Maschinen nicht können“, so der Manager.
So würden Maschinen weder träumen noch sich Ziele setzen können. Und sie könnten nur aus der Vergangenheit lernen, selbst dann, wenn sie mit großen Datenmengen trainiert würden. „Zum Glück für uns sind das Leben und das Geschäft keine rein mathematisch zu berechnenden Schachpartien. Auch im intelligenten Unternehmen der Zukunft werden menschliche Fähigkeiten wie Flexibilität, Kreativität, Neugier und emotionale Intelligenz immer erforderlich sein“, so der SAP-Chef.

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