Internet der Dinge
10.08.2017
Internet der Dinge
1. Teil: „Volle Vernetzung in Industrie, Smart City und Co.“

Volle Vernetzung in Industrie, Smart City und Co.

Smart Factorys und Smart CitiesSmart Factorys und Smart CitiesSmart Factorys und Smart Cities
elenabsl / shutterstock.com
Mit dem Internet der Dinge hält die Vernetzung nahezu überall Einzug. Das Pensum reicht dabei von der Industrie 4.0 bis hin zu smarten Städten.
Was haben eine Werkzeugmaschine, ein Formel-1-Rennwagen und ein Verkehrsleitsystem gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht sonderlich viel. Anders sieht das ein Fachmann für das Internet of Things (IoT). Für ihn sind Maschinen, Fahrzeuge, Ampeln, intelligente Kleidungsstücke und Waren im Supermarkt Dinge, die sich in ein Kommunikationsnetz einbinden lassen – und Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen die Chance bieten, neue Geschäftsfelder zu erschließen und Angebote zu erstellen.
Formel-1-Rennställe wie Red Bull Racing setzen beispielsweise IoT dazu ein, um während Testfahrten oder eines Rennens in Echtzeit Daten des Boliden abzufragen. Laut Red Bull kommen dabei bis zu 200 Sensoren zum Einsatz. Sie erfassen nicht nur Parameter des Motors und der Elektronik im Fahrzeug, sondern auch Fliehkräfte, die auf das Fahrzeug einwirken, und die Temperaturentwicklung der Reifen. Ein Datenlogger im Rennwagen sammelt die Informationen und sendet sie über eine verschlüsselte Funkverbindung zum Leitstand in der Box.
Formel-1-Boliden sind nur ein besonders plakatives Beispiel für den Einsatz von IoT. Doch was ist das Internet der Dinge überhaupt? Das Marktforschungshaus IDC sieht in IoT ein „Netzwerk von identifizierbaren Endpunkten, die größtenteils automatisiert miteinander über das Internetprotokoll kommunizieren“. Zentrale Elemente sind die Datenerfassung, der Transport, das Management und die Analyse der Daten, die von IoT-Komponenten generiert werden. Ebenso wichtig sind den Analysten zufolge aber Geschäftsprozesse. „Das IoT bringt Personen, Prozesse, Daten und Dinge zusammen, um aus den Informa­tionen Handlungen abzuleiten“, fasst Mark Alexander Schulte, Senior Consultant bei IDC, zusammen.

Milliarden IoT-Systeme

Darüber, wie viele Systeme, Sensoren, Aktoren und Komponenten künftig dem IoT-Universum zuzurechnen sind, gehen die Meinungen auseinander. IDC schätzt, dass im Jahr 2020 mehr als 30 Milliarden Dinge vernetzt sein werden. Gartner rechnet dagegen mit etwa 20 Milliarden Komponenten, wovon rund 13 Milliarden auf den Konsumbereich entfallen sollen. Dazu zählen private Pkws, Heimautomationssysteme, Fitness-Tracker und Sicherheitssysteme sowie vernetzte Infotainment-Geräte wie Smart-TVs.
Im kommerziellen Sektor kommen Gartner zufolge in den nächsten drei Jahren IoT-Lösungen vor allem bei Energie- und Versorgungsunternehmen sowie in der Gebäudeautomatisierung und dem Schutz von Objekten aller Art zum Einsatz, von Geschäfts- und Privatgebäuden bis hin zu Fahrzeugen.
Die International Electrotechnical Commission (IEC) listet in einem umfassenden Whitepaper zum Thema Internet der Dinge drei zentrale Einsatzfelder von IoT-Plattformen auf:
Industrielle Umgebungen: Hier sorgen IoT-Anwendungen für die vorausschauende Wartung von Maschinen und Systemen und eine automatisierte Verwaltung von Lieferketten (Supply Chain Management).
Öffentlicher Raum: Hier spielen Konzepte wie Smart City eine zentrale Rolle. IoT-Sensoren und -Plattformen lassen sich etwa für die Verkehrssteuerung und das Erfassen von Umweltdaten einsetzen. Auch Smart Meter (intelligente Strom- und Wasserzähler) fallen in diesen Bereich.
Privates Umfeld: Klassische Einsatzgebiete sind intelligente Kleidungsstücke und das Smart Home, inklusive elektronischer Türen und der Fernsteuerung von Heizungen, Haushaltsgeräten und Sicherheitssystemen. Die IEC zählt auch vernetzte Fahrzeuge und das autonome Fahren zu den privaten Anwendungen von IoT. Allerdings ließ sich beides auch dem Bereich Smart City zuschlagen.
2. Teil: „Smarte Energieversorgung“

Smarte Energieversorgung

„Ein wichtiges Einsatzfeld von IoT ist die Energieversorgung“, erklärt Dorian Gast, Head of Business Development IoT Germany, Benelux und Israel bei Dell EMC. „Der Einsatz von IoT-Lösungen erlaubt es beispielsweise, das Energiemanagement über die komplette Wertschöpfungskette hinweg zu optimieren, angefangen bei der Energiegewinnung über den Transport bis hin zum Verbrauch. Hier sprechen wir vom gesteuerten Erzeugen und Speichern von Energie, abhängig von der geplanten Nutzung, sowie vom Energiemanagement in privaten wie geschäftlichen Gebäuden.“
An Bedeutung gewinnen wird seiner Einschätzung nach das Thema IoT auch in Transport und Logistik, egal ob Waren auf dem Luft-, Wasser- oder Landweg transportiert werden. Ein Beispiel ist das sogenannte Real Time Asset Management von Transportfahrzeugen und Containern über verschiedene Verkehrswege hinweg. Auch die Überwachung der Kühlkette vom Lebensmittel-Produzenten bis zum Einzelhändler zählt Gast zu den klassischen Einsatzgebieten von IoT.

Vorreiter Industrie 4.0

Zu den Lieblingsprojekten beim Internet der Dinge, gerade in Deutschland, zählen jedoch Anwendungen aus dem Bereich Smart Factory und Industrie 4.0. Kein Wunder angesichts der großen Zahl von Unternehmen aus dem Fertigungsbereich, die in Deutschland zu Hause sind. „Immer wichtiger wird vor allem die Automatisierung von Prozessen und damit das Zusammenspiel in der gesamten Produktionskette der industriellen Fertigung. Stichworte sind hier Industrial Manufacturing, das Industrial Internet of Things und Industrie 4.0“, betont auch Dorian Gast.
Typische Anwendungsszenarien in diesem Sektor sind das Performance-Management, das Reporting und die Überwachung von Prozessen – und damit auch die vorausschauende Wartung. Bei Predictive Maintenance werden Daten von Maschinen fortlaufend erfasst und analysiert. Dadurch lassen sich frühzeitig Schwachpunkte erkennen, die möglicherweise zum Ausfall eines Systems führen. Dienstleister oder Fachkräfte des Herstellers können auf Basis dieser Daten Komponenten einer Maschine austauschen, bevor es zu einem ungeplanten Defekt kommt. Zudem lassen die Daten Rückschlüsse zu, welche Teile eines Fertigungssystems optimiert werden können.
Der Digitalverband Bitkom sieht darüber hinaus in Assistenzsystemen in Produktionsumgebungen ein zweites, wichtiges Einsatzfeld. Dass nicht nur Branchengrößen wie Bosch, GE oder Siemens in diesem Bereich mit innovativen Ideen aufwarten können, zeigt das Münchner Unternehmen in-tech. Es wurde 2002 in Garching von Studenten gegründet. Eine Lösung von in-tech ermöglicht es Mitarbeitern in der Produktion, mit Hilfe einer Smart Watch oder eines Smartphones Produktionssysteme zu überwachen. Auf den Mobilgeräten werden anstehende Aufgaben sowie Informationen über den Status von Maschinen und Prozessen angezeigt. Läuft ein System aus dem Ruder, gibt das Mobilsystem eine Warnung aus. Der Fachmann kann umgehend eingreifen und das Problem lösen.
3. Teil: „Innovationshemmnis?“

Innovationshemmnis?

  • IoT-Prognose: Die Zahl der weltweiten IoT-Komponenten soll von rund 6,4 Milliarden 2016 auf mehr als 20 Milliarden im Jahr 2020 steigen.
    Quelle:
    Gartner
Kritische Töne zum Thema IoT und Industrie 4.0 kommen dagegen von Crisp Research. „Indus­trie 4.0 blockiert in Deutschland Innovationen im Bereich IoT und verhindert die Entwicklung digitaler Angebote“, behauptet etwa Stefan Ried, Principal Analyst und IoT Practice Lead bei dem Marktforschungs- und Beratungshaus. „Obwohl fast jeder in der Branche über Industrie 4.0 spricht, kommt kaum etwas an gefühlter Innovation bei Endkunden an. Die digitalen Produkte, die erfolgreich physische Angebote ergänzen, fehlen vollkommen“, bemängelt der Marktexperte.
Er plädiert dafür, dass auch in der Industrie Wertschöpfungsmodelle entwickelt werden, die über das Vernetzen von Systemen und den Verkauf von Komponenten hinausgehen. So sollten Hersteller ihren Kunden bessere Möglichkeiten bieten, Rückmeldung zum Einsatz von Produkten zu geben sowie Wünsche oder Anregungen mitzuteilen. Solche Informationen lassen sich laut Stefan Ried nicht nur dazu nutzen, um neue oder verbesserte Produkte zu entwickeln. Vielmehr gehe es darum, auf Basis der Daten und des Kontakts zu Kunden neue digitale Angebote zu entwickeln.
Predictive Maintenance ist ein Beispiel dafür, wie sich das Internet der Dinge und Industrie 4.0 dazu nutzen lassen, um Einnahmequellen auf Basis eines Subskriptionsmodells zu erschließen. Ein Fertigungsunternehmen bucht in diesem Fall beispielsweise Wartungs- und Datenanalyse-Services bei einem Hersteller von Werkzeugmaschinen. Oder ein intelligentes Auto teilt dem Fahrer eigenständig mit, wann ein Werkstattbesuch ansteht, und vereinbart auf Wunsch einen entsprechenden Termin, inklusive Buchung eines Leihwagens.
Dass bei IoT in der Industrie noch Luft nach oben vorhanden ist, belegen Daten der Marktforschungsfirma PAC zum Status von IoT-Projekten im Bereich Predictive Maintenance. Demnach haben 40 Prozent der Unternehmen aus der Fertigungssparte noch kein einziges IoT-Projekt abgeschlossen. Weitere Firmen führen derzeit Pilotprojekte durch. Vom Einsatz des Internets der Dinge in Fertigungsumgebungen versprechen sich die Anwender vor allem kürzere Stillstandzeiten der Maschinen sowie eine effektivere Wartung.
4. Teil: „Städte werden intelligent“

Städte werden intelligent

  • IoT im Bereich Parkraummanagement: BMW testet zusammen mit Inrix Lösungen, die per Sensor ermitteln, ob ein Parkplatz frei ist. Über eine Mobil-App wird Nutzern mitgeteilt, wo sie parken können.
    Quelle:
    Inrix
Das zweite große Einsatzfeld des Internets der Dinge ist die intelligente Stadt – die Smart City. Ein Grund dafür liegt in der zunehmenden Urbanisierung. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen werden 2030 fast 82 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Im Jahr 2015 waren es 78 Prozent. Dieser Trend gilt für Industrieländer wie Deutschland, in noch stärkerem Maße jedoch für urbane Zentren in Ländern wie Indien.
Für Großräume wirft das Probleme auf, die sich mit Hilfe von smarten Geräten lösen lassen sollen:
Optimieren von Verkehrsströmen: Die Vorschläge reichen von autonom fahrenden Pkws, Bussen, U-Bahnen und Taxis bis hin zu Verkehrsleitsystemen, die je nach Verkehrslage private und öffentliche Transportmittel oder Car-Sharing-Angebote steuern.
Überwachung der Umweltbelastung: Sensoren erfassen beispielsweise die Schadstoffbelastung der Luft und geben die Daten an Analysesysteme weiter. Diese Informationen können beispielsweise Verkehrsleitsysteme dazu nutzen, um Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren von besonders hoch belasteten Straßen fernzuhalten.
Effizientere Versorgung von Unternehmen und Haushalten: Umgesetzt wird dies bereits mit Hilfe von elektronischen Mess-Systemen (Smart Metering) für Strom und Wasser. Das Dresdner Start-up-Unternehmen Innogy Kiwigrid hat beispielweise eine Energie-Plattform entwickelt. Mit der Software lassen sich Photovoltaik-Systeme, Wärmepumpen und Ladestationen von elektrischen Fahrzeugen überwachen und steuern.
Gewährleistung von Sicherheit: Die Vorschläge reichen von vernetzten Videoüberwachungssystemen bis hin zur Straßenbeleuchtung, die sich automatisch aktiviert, wenn ein Fußgänger oder Radfahrer sie auf dem Nachhauseweg benötigt.
Das Beratungshaus Navigant Research geht davon aus, dass der weltweite Umsatz mit Smart-City-Lösungen von 13 Milliarden Dollar im laufenden Jahr auf 28 Milliarden Dollar bis 2023 steigt. Von deutlich höheren Zahlen gehen die Marktforscher von Arthur D. Little und der eco-Verband der Internetwirtschaft aus. Allein für Deutschland prognostizieren sie einen Smart-City-Umsatz von 43,8 Milliarden Euro im Jahr 2022.

Parkplatzmanagement

In Deutschland laufen bereits mehrere Feldversuche mit IoT-Systemen im Bereich Smart City. Ein großer Teil beschäftigt sich mit der Verwaltung von Parkraum. Kein Wunder, denn laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom empfinden
76 Prozent der Bürger die Suche nach Parkplätzen als stressig. Etablierte Anbieter wie Bosch und das US-Unternehmen Inrix, aber auch Start-ups wie die Münchner Firma Park Here haben schon Produkte entwickelt. Dabei werden Parkplätze mit Sensoren bestückt. Diese melden über Schmalband-Mobilfunk-Verbindungen einer Cloud-Plattform, ob sie belegt oder frei sind.

Community-based Parking

Feldversuche mit IoT-gesteuertem Parken gibt es bereits in mehreren Groß- und Mittelstädten, darunter Hamburg, München, Dortmund, Moers und Darmstadt. In Hamburg will die Telekom bis 2020 rund 11.000 Stellplätze mit ihrem Smart-Parking-System ausrüsten. Das Projekt startete vor Kurzem. Der Nutzer kann mit der App nicht nur freie Parkplätze finden, sondern diese auch gleich reservieren und mit dem Smartphone bezahlen.
Einen interessanten Ansatz verfolgt Bosch: das Community-based Parking. Ultraschallsensoren in einem Auto erfassen während der Fahrt, ob am Straßenrand freie Parkräume vorhanden sind. Die Informationen werden in die Cloud übermittelt und dort verarbeitet. Andere Mitglieder der Community erhalten anschließend Daten über freie Stellplätze in ihrer Nähe. Laut Bosch erfordert das System keinen aufwendigen Umbau eines Fahrzeugs. Es lassen sich die Sensoren nutzen, die auch bei den Einparkhilfen Verwendung finden.
5. Teil: „IoT-Shuttle in Walldorf“

IoT-Shuttle in Walldorf

  • IoT-Einsatz in der Industrie: Mobile Assistenzsysteme übermitteln an den Bediener einer Maschine Aufträge oder informieren ihn sofort über auftretende Probleme.
    Quelle:
    in-tech
Wie sich das Internet der Dinge mit einem öffentlichen Transportsystem kombinieren lässt, zeigt das Software-Haus SAP an seinem Standort in Walldorf. Dort dient IoT dazu, den Shuttle-Service auf dem Unternehmens-Campus optimal einzusetzen. Dabei kommen hauseigene IoT-Lösungen von SAP zum Zuge, etwa IoT & DSC Operations, SAP IoT Moving Assets und SAP Logistics Center, außerdem SAP Vehicle Insights.
Den Transportservice nutzen mehr als 50.000 Mitarbeiter und Besucher pro Jahr. Mit Hilfe von IoT konnte das Unternehmen nach eigenen Angaben die Wartezeiten der Nutzer des Shuttle-Dienstes im Durchschnitt um fünf Minuten reduzieren. Dadurch spart SAP an die 2.000 Euro pro Tag und rund 400.000 Euro im Jahr.

Fehlende Standards bremsen

Das National Institute of Standards and Technology (NIST) der USA, das Pendant des Deutschen Instituts für Normung (DIN), sieht allerdings noch zwei große Hindernisse bei der Umsetzung von Smart-City-Konzepten. Zum einen sind nach Ansicht der Fachleute des NIST im Bereich IT und Telekommunikation zu viele herstellerspezifische Ansätze zu finden, die nicht zusammenarbeiten. Das gilt auch für die IoT-Plattformen, die zu den zentralen Elementen von Smart-City-Konzepten zählen.
Zum anderen bemängelt das NIST, dass Standardisierungsgremien und Konsortien inkompatible Smart-City-Frameworks entwickeln. Zu diesen Organisationen zählen die ISO/IEC, die International Telecommunication Union (ITU), das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) und die Internet Engineering Task Force (IETF). Die Folge ist, dass „sich Unsicherheit unter den Beteiligten an Projekten“ im Bereich Smart City breitgemacht hat, so das NIST. Allerdings ist auch der Lösungsvorschlag des Instituts nicht unumstritten: Das Institut hat 2017 eine Initiative mit dem Ziel gestartet, ein übergreifendes Rahmenwerk für IoT-Technologien für Smart Cities zu entwickeln.

Achillesferse Sicherheit

Trotz der teilweise fast schon euphorischen Bekundungen vieler Anbieter von IoT-Lösungen ist beim Internet der Dinge nicht alles Gold, was glänzt. Ein zentraler Schwachpunkt ist die Sicherheit. „Angriffe, die sich entweder gegen das IoT richten oder die sich kompromittierte IoT-Devices zunutze machen, werden in Zukunft sowohl immer häufiger auftreten als auch immer schwerwiegendere Folgen haben“, betont beispielsweise Chris Petersen, Chief Technology Officer und Mitbegründer des IT-Sicherheitsunternehmens LogRhythm.
Als Beispiel führt Petersen eine massive DDoS-Attacke (Distributed Denial of Service) in der zweiten Jahreshälfte 2016 an. Dabei verschafften sich Hacker Zugang zu Zehntausenden von privaten Geräten wie Babyphones. Das Ziel des Angriffs war die vom Unternehmen Dyn verwaltete DNS-Infrastruktur (Domain Name Service), quasi das Adressbuch des Internets. Große Teile des Internets in Europa und Nordamerika wurden durch die Attacke stundenlang praktisch lahmgelegt.
„Um IoT-Projekte abzusichern, genügt es nicht, klassische IT-Security-Systeme auf die vernetzten Geräte auszuweiten. Gefragt ist ein umfassendes Sicherheitskonzept, das den kompletten IoT-Prozess abdeckt“, so Stefan Ebener, Strategy & Innovation Manager Automotive & Manufacturing bei NetApp. Dazu zählt die Sicherheit der Hardware des vernetzten Geräts und seiner Sensoren, die Absicherung am Gateway während der Übertragung und die Sicherheit der Daten auf dem Speicher – ob in der Cloud oder im firmeneigenen Rechenzentrum.
Unternehmen sollten bei den eingesetzten Produkten auf „Security by Design“ achten – das heißt Sicherheit muss bereits im Gerät und in der Software integriert sein.
Auch die Europäische Union hat die Brisanz des Themas erkannt und fördert Projekte, die IoT-Umgebungen sicherer machen sollen. Dazu gehört Anastacia. „Das Projekt zielt darauf ab, eine integrierte Plattform zu entwickeln, um sichere Services für IoT-basierte Architekturen bereitzustellen und kommende Herausforderungen zu überwinden“, erläutert Rodrigo Diaz, Leiter des Labors für Cyber-Sicherheit in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Atos, einem Anbieter von IoT-Plattformen. „Anastacia umfasst Mechanismen, welche die Sicherheit von IoT-Services in allen Lebenszyklusphasen garantieren: von der Entwicklung, basierend auf dem Security-by-Design-Prinzip, bis hin zur Bewertung von Risiken und Bedrohungen und der Reaktion darauf anhand der Geräteüberwachung“, so Diaz weiter.
Erschwert wird ein effektiver Schutz von IoT-Umgebungen durch die große Menge an Daten, die über unterschiedliche Kanäle transportiert werden. „Die stetig wachsende transferierte Datenmenge ist eindeutig das größte Problem bei IoT, mit dem wir uns in den nächsten Jahren konfrontiert sehen“, bestätigt Christoph Lietz, Senior Sales Director Central Europe bei Gigamon, einem Anbieter von Netzwerk-Monitoring-Systemen. Daher sei eine detaillierte Überwachung des Netzwerkverkehrs in IoT-Infrastrukturen unumgänglich. „IoT darf nicht für Intransparenz und Verschleierung des Traffics stehen“, mahnt Lietz.
Internet of Things versus Industrial IoT
Die unterschiedlichen Anforderungen von IoT-Anwendungen lassen sich nicht mit Lösungen von der Stange erfüllen. Deshalb haben sich zwei Sparten im Bereich Internet der Dinge herausgebildet: neben IoT für den Heim- und Consumer-Bereich das Industrial Internet of Things (IIoT).
Es ist für die speziellen Anforderungen in Bereichen wie Fertigung, Telematik, Energie- und Wasserversorgung sowie Gesundheitswesen konzipiert. IIoT-Umgebungen erfordern eine schnelle, hoch zuverlässige und abgesicherte Kommunikation. Dies ist nachvollziehbar. So ist nicht überlebenswichtig oder geschäftskritisch, wenn der Bewohner in einem Smart Home die Heizung einen Tag lang manuell bedienen muss, weil die intelligente Steuerung ausgefallen ist.
Laufen dagegen Fertigungsprozesse in einer Fabrik aus dem Ruder oder kommt es zu Störungen in einem Kraftwerk, dann kann das massive Folgen haben. IIoT-Plattformen müssen außerdem berücksichtigen, dass Maschinen und Steuerungssysteme im industriellen Umfeld häufig mehr als zehn Jahre im Einsatz sind. Daher spielen Standards eine wichtigere Rolle als bei vernetzten Konsumprodukten, die oft nach zwei bis drei Jahren ersetzt werden.
6. Teil: „IoT-Projekte umsetzen“

IoT-Projekte umsetzen

Am Anfang jedes IoT-Projekts steht eine Bestandsaufnahme. „Eine IoT-Initiative beginnt nicht mit den Daten, sondern mit Zettel und Bleistift“, erklärt Stefan Ebener von NetApp. „Zunächst sollten Unternehmen genau definieren, welches Ziel sie verfolgen. Daraus ergeben sich dann die Folgefragen: Welche Daten brauche ich dafür, wo kommen sie her und wie kann ich sie erheben?.“
Zudem sind weitere Punkt zu klären, zum Beispiel ob die Daten im eigenen Haus oder in der Cloud analysiert werden. Projektmanager sollten außerdem festlegen, wie lange und wo Informationsbestände gespeichert werden. Dafür können Storage- und Archivierungssysteme im Unternehmens­rechenzentrum oder einem Cloud-Datacenter zum Zuge kommen.
Wichtig ist auch, dass schon in der Planungsphase IT- und Fachabteilungen eng zusammenarbeiten. Denn IT-Verantwortliche kennen sich zwar in technischen Belangen aus, wissen in der Regel aber nicht, wie die Prozesse in der Fachabteilung aussehen und welchen Bedarf die Mitarbeiter dort haben. In dieser Phase kann auch ein externer Berater unterstützen und als Bindeglied zwischen den Abteilungen fungieren. Derzeit bringen sich beispielsweise Systemhäuser im Bereich IoT als Berater in Position, darunter Branchengrößen wie Bechtle, Cancom oder QSC.
Ein weiterer Baustein einer IoT-Strategie ist ein umfassendes Datenmanagement: „Es versetzt die IT-Abteilung in die Lage, die richtigen Daten zum richtigen Zeitpunkt in der geforderten Geschwindigkeit zur Verfügung zu stellen, egal aus welchen Quellen sie stammen und wo sie sich befinden“, so Stefan Ebener. Wichtig ist, dass der gesamte Lebenszyklus der IoT-Daten abgedeckt wird, also von Erfassung über Speicherung, Klassifizierung und Priorisierung bis Archivierung und Löschen.

Trend: IoT mit KI

  • Eines der vielen Einsatzfelder von IoT: Die Überwachung und Analyse von Transporten mit der Bahn.
    Quelle:
    Bosch
Die Entwicklung beim Internet der Dinge wird nach Einschätzung des Beratungshauses PwC durch eine Technologie geprägt werden, die derzeit immer stärker in den Fokus rückt: Künstliche Intelligenz. KI-Algorithmen sollen zum einen dabei helfen, die enormen Datenmengen auszuwerten, die bei IoT anfallen. IDC schätzt, dass Systeme und Dinge, die mit dem Internet verbunden sind, im Jahr 2025 weltweit ein Datenvolumen von rund 44 Zettabyte Daten generieren. Daraus verwertbare Informationen herauszudestillieren und in Handlungsempfehlungen oder Aktionen umzusetzen, ist ohne KI-Systeme kaum zu bewältigen.
Künstliche Intelligenz lässt sich PwC zufolge im Zusammenspiel mit IoT-Anwendungen etwa für Predictive Analytics einsetzen. Der US-Konzern GE nutzt solche Applikationen zum Beispiel, um Daten von Flugzeugtriebwerken zu analysieren. Sensoren erfassen pro Flug bis zu 5000 Parameter und erzeugen 500 GByte an Daten. Mit Predictive Analytics ermittelt GE, wann bei einem Triebwerk Abnutzungserscheinungen oder Schäden auftreten könnten. Dementsprechend lassen sich proaktiv Wartungsarbeiten vornehmen.
Präskriptive Analyseverfahren wiederum geben konkrete Handlungshinweise oder greifen in Abläufe ein. Das ist etwa bei Assistenzsystemen in Fahrzeugen der Fall. Erkennt ein Spurhalte-Assistent aufgrund von Sensordaten, dass ein Fahrer von der Fahrspur abweicht, greift er korrigierend ein. Auch im Schienenverkehr werden ähnliche Systeme getestet. Bei einer Fehlfunktion einer Weiche alarmieren sie die Leitstelle und die Führer der betroffenen Züge.
Die Kombination aus IoT und Künstliche Intelligenz könnte nach den Vorstellungen von Forschern künftig auch im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle spielen. So arbeiten Hersteller medizinischer Systeme an Insulinpumpen, die bei Diabetikern eigenständig die Menge des zugeführten Insulins anpassen, je nachdem wie hoch der Blutzuckerspiegel ist. Die Frage ist natürlich, inwieweit Patienten intelligenten IoT-Medizinsystemen über den Weg trauen, wenn diese Medikamente verabreichen oder zur Ferndiagnose und Fernbetreuung von Kranken und Pflegebedürftigen eingesetzt werden.

Fazit

Die Erwartungen an das Internet der Dinge sind hoch – bei den Anbietern entsprechender Lösungen, teils aber auch bei den potenziellen Nutzern. „In manchen Fällen verspricht man sich auch zu viel“, so Bettina Horster, Vorstand der Vivai AG und Direktorin IoT beim eco-Verband der deutschen Internetwirtschaft. Sie bestätigt die Einschätzung von Stefan Ried von Crisp Research, dass es vielen Anbietern von IoT-Lösungen schwerfällt, tragfähige digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Ein weiterer Problempunkt sei die Tendenz von Internetkonzernen, eigene, geschlossene IoT-Ökosysteme aufzubauen und dabei auf eigene Hardware zu setzen. Hinzu komme die Übernahmewelle bei innovativen Start-up-Unternehmen: Große Anbieter wie GE, IBM, Microsoft oder SAP haben in den vergangenen Monaten etliche Firmen übernommen, beispielsweise Wi-Next, Solair oder Nurego. Andere, etwa Bosch, beteiligen sich an vielversprechenden jungen IoT-Spezialisten wie Actility, einem Anbieter von Kommunikationsnetzen für IoT-Komponenten.
Trotz aller Hürden und Flops steht aber fest: Die Vernetzung von Dingen wird das Leben vieler Menschen in den kommenden Jahren massiv beeinflussen – hoffentlich nur positiv.
7. Teil: „Es fehlt in Deutschland an einer übergreifenden Strategie“

Es fehlt in Deutschland an einer übergreifenden Strategie

  • Thorsten Friemelt ist Produktmanager im Bereich Cloud und Open Source bei Netzlink.
    Quelle:
    Netzlink
Thorsten Friemelt, Produktmanager im Bereich Cloud und Open Source beim IT-Systemhaus Netzlink, erläutert, wie weit Smart-City-Projekte in Deutschland und anderen Ländern gediehen sind.
com! professional: Welche Städte sind heute besonders smart?
Thorsten Friemelt: Eine Analyse von Roland Berger hat ergeben, dass Wien, Chicago und Singapur am weitesten vorn sind. In den Bereichen Gesundheit und Bildung ist Wien besonders stark, während Singapur auch in Sachen Verkehr, Energie und Umwelt sehr aktiv ist. Chicago hingegen ist im Verwaltungs- und Bildungsbereich führend.
com! professional: Wie weit ist das Thema Smart City in Deutschland?
Friemelt: Deutschland ist international gesehen nicht in vorderster Linie vertreten. Das heißt aber nicht, dass in Deutschland nichts in Richtung Smart Cities unternommen wird. Im Gegenteil: Etliche Initiativen und Städte haben bereits Maßnahmen umgesetzt. Häufig fehlt aber eine übergreifende Strategie.
com! professional: Welche Schritte müssen Städte auf dem Weg zur Smart City kurz-, mittel- und langfristig gehen?
Friemelt: Die Städte sollten sich mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen und Ziele abstecken, etwa nach dem Motto „Was soll erreicht werden und welche Bereiche liegen der Stadt besonders am Herzen?“. Hier bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung an, in einigen Städten gibt es offene Foren. Außerdem sollte auf eine zentrale Steuerung der Vorhaben geachtet werden. Für die Umsetzung der digitalen Maßnahmen ist es schließlich hilfreich, auf erfahrene IT-Experten zurückzugreifen.
com! professional: Welche Vorteile bietet die Digitalisierung für Bürger und Stadtverwaltung?
Friemelt: Die Bürger sind mit digitalen Themen, Anwendungen und mobilen Geräten vertraut. Entsprechend wünschen sich viele diese Flexibilität und Transparenz auch von ihrer Stadt. Dabei spielt Open Data eine wichtige Rolle. Erst die Transparenz von öffentlichen Daten ermöglicht moderne Formen der Bürgerbeteiligung.
com! professional: Wie sieht die Praxis aus?
Friemelt: Durch die Vernetzung von Sensoren, etwa an Straßenlaternen oder Parkplätzen, wird eine neuartige Verknüpfung von Daten möglich. Die Synergien aus diesen verschiedenen Datenströmen erzeugen wiederum einen Nutzen – und Ressourcen können viel effizienter eingesetzt werden. Entsprechend lassen sich aus den anfallenden Daten auch Implikationen für die Stadtplanung ableiten, etwa wo Probleme im Verkehr oder He­rausforderungen im Umweltbereich bestehen.
com! professional: Was spricht gegen die Digitalisierung der Städte?
Friemelt: Viele Nutzer vertrauen ihre Daten bereits Unternehmen wie Facebook und Co. an. Gegenüber Städten und Kommunen sind etliche Menschen jedoch misstrauisch. Dabei wäre es hilfreich, würden gerade die Kommunen die Hoheit über Daten besitzen und nicht globale Konzerne.

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