Digitalisierung
14.11.2018
Gefahrlos skalieren
1. Teil: „Unternehmens-Führung klappt nur mit Agilität“

Unternehmens-Führung klappt nur mit Agilität

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Elnur / shutterstock.com
Agil? Ja, klar! Skalieren, ohne das Unternehmen zu gefährden? Hoffentlich! Erreicht werden kann dies, indem das Risiko sowie der Aufwand für Veränderungen minimiert werden.
Dieser Beitrag wurde erstellt von Wolfram Müller, Director of Customer Success (Sales) bei der Strategie-, Prozess und Projektberatung Vistem.
  • Quelle: Vistem "Status Quo: Multitasking im Projektmanagement" (n = 411 Datensätze)
Agilität ist eine zwingende Folge der Digitalisierung. Nur was heißt das konkret? Ein oder zwei agile Teams für die Entwicklung eines neuen Produkts - das ist heute nichts Besonderes mehr. Eine überschaubare Menge an Experten an etwas Neuem arbeiten zu lassen, ihnen Freiräume und Ressourcen zu geben - auch das ist nichts wirklich Neues. Spätestens seit den Skunk Works von Lockheed Martin in den 1940ern (und wahrscheinlich schon viel früher) hat man erkannt, dass eine kleine Gruppe von Leuten, die ein gemeinsames Ziel vor Augen hat, viel bewegen kann.
Die Herausforderung beginnt dann, wenn man es mit einem größeren Unternehmen zu tun hat, das als Ganzes agiler werden will. Als Ganzes, weil einzelne agile Teams für sich gesehen zwar eine tolle Performance liefern, im Gesamtkonstrukt eines Unternehmens jedoch zwangsläufig vom unagilen Rest ausgebremst werden. Die Lösung scheint so einfach wie offensichtlich: das komplette Unternehmen agil machen.

Aller Anfang ist schwer

Doch diese zunächst so offensichtliche ganzheitliche Lösung gerät bei näherer Betrachtung allzu oft ins Wanken. Denn das bestehende Geschäft, womit das Unternehmen Geld verdient, will natürlich am Laufen gehalten werden. Dann wären noch Konkurrenz und Kunden, die Termine vorgeben und das wirtschaftliche Fortbestehen direkt oder indirekt mitbestimmen.
Damit stehen viele Manager, Geschäftsführer und -inhaber vor einer neuen Herausforderung. Denn alle Beteiligten haben natürlich ein großes Interesse, dass es der Organisation gut geht - Experimente mit neuen Arbeitsweisen sind da schlicht ein Risiko, das ans Eingemachte gehen kann. Die Frage, die sich immer mehr Unternehmen stellen, lautet deshalb: Wie skaliert man Agilität auf die ganze Organisation, ohne die Vorzüge des Bestehenden zu verlieren und damit das Unternehmen zu gefährden?

Agilität als Fähigkeit begreifen

Agilität ist eine Fähigkeit – man ist agil oder auch schnell und beweglich. Es gilt daher, genau diese Eigenschaft als Organisation zu erlangen. Es geht nicht primär um diese oder jene, meist zunehmend komplexen Methoden, sondern schlicht um Fähigkeiten, um Schnelligkeit und Beweglichkeit, nah am Geschehen, das heißt beim Kunden zu sein. Dort ist das wirtschaftliche Leben, dort werden die Entscheidungen gefällt, oft in hoher Frequenz und mit hoher Tragweite. Und damit verändert sich auch die Organisation die ganze Zeit und quasi wie von selbst.
Agilität ist daher stark mit dem Begriff der Selbstorganisation verknüpft. Selbstorganisation heißt dabei nicht „laissez faire“ oder „keiner weiß, was passiert“. Unter Selbstorganisation versteht man vielmehr wissenschaftlich beschriebene Prozesse, die, wenn gut geführt, sicher und schnell ablaufen können.
Beides ist für bestehende Unternehmen sehr wichtig. Die Bausteine für Selbstorganisation sind glücklicherweise schon länger bekannt und bewährt - man muss sie nur geschickt kombinieren, ein Framework bilden. Dabei kommen Elemente aus Lean, agilen Methoden und Critical Chain Project Management zum Einsatz.

Grundlegend beantwortet das Framework Fragen aus drei Bereichen:

Methodik: Wie steuere ich einfach die Arbeitslast, damit der optimale Output erreicht wird und auch Reserven frei werden, um die Veränderung zu leisten? Und auch: Wie erzeuge ich ein Signal, sodass jeder Beteiligte weiß, was jetzt gerade dringlich ist? Sodass jeder selbst entscheiden kann und trotzdem das große gemeinsame Ziel sicher erreicht wird? Wie schaffe ich es, immer gerade das Problem zu lösen, das am wichtigsten ist?
Change: Wie initiiere ich eine Veränderung, die gleichzeitig schnell, sicher und nachhaltig ist?
Buy-in: Wie hole ich die Leute ins Boot? Nicht nur die Mitarbeiter, nicht nur die Top-Manager, sondern in erster Linie  auch das mittlere Management - das Rückgrat des Unter­nehmens.

Buy-in

Die Aufgabenstellung ist also klar: Eine Organisation, die funktioniert, möchte sich verbessern, um fitter zu werden für die Zukunft. Das Erste ist daher eine kurze Standortbestimmung, keine große Analyse - wie beim Arzt reichen zuerst ein paar Symptome und wie stark diese ausgeprägt sind. In einer großen Studie - „Status Quo: Multitasking im Projektmanagement“- hat Vistem herausgefunden, dass es ein elementares Symptom gibt, an dem man erkennen kann, wie es um das Unternehmen steht: das negative Multitasking.
Unternehmen mit hohem negativen Multitasking geben in dieser Studie an, weniger erfolgreich zu sein als ihre Konkurrenz - je stärker, desto schlimmer. Wer agil sein will, muss daher schädliches Multitasking eliminieren. Nur so kann im Fluss gearbeitet werden, nur so kann sich die volle Kreativität eines Unternehmens entfalten. Multitasking lässt sich dabei leicht messen und es ist ebenso leicht abschätzbar, wie viel schneller Projekte laufen könnten oder wie viel mehr Projekte tatsächlich möglich sind. Kurzum: Das Potenzial eines Unternehmens steht und fällt mit der Multitasking-Quote.
Wie groß das Multitasking in einem Unternehmen ist, verrät ein Schnelltest unter https://vistem.eu/schnelltest/?mc=WM180821ComPro.
2. Teil: „Widerstände als Energieschub “

Widerstände als Energieschub

  • Quelle: Vistem "Status Quo: Multitasking im Projektmanagement" (n = 411 Datensätze)
Nicht selten tun sich in Unternehmen - ist der Change-Prozess angestoßen oder werden wenigstens konkrete Überlegungen dazu laut - erste Widerstände innerhalb der Abteilungen auf, zumeist auf der Ebene des mittleren Managements. Klar, noch ein Change, noch mehr Veränderung, auf den ersten Blick noch mehr Arbeit und Risiko. Aber Achtung! Das, was als Widerstand erscheint, sind oft Loyalität und Energie. Das mittlere Management versucht selbst unter widrigen Umständen das System, also den Laden, am Laufen zu halten.
Der vermeintliche Widerstand kommt also vielmehr dem Bedürfnis gleich, das Unternehmen nicht zu gefährden. Doch wie nutzt man diese Energie? Hinter jedem Widerstand steht ein Hindernis und jedes Hindernis, das man überwindet, ist ein Teil der Lösung. Nach den Hindernissen fragen und diese gemeinsam in eine sinnvolle Reihenfolge bringen, ist ein guter Anfang. Wenn man es dann noch schafft, die Maßnahmen mit den Zielen der Beteiligten und dem Unternehmen zu verknüpfen, wird aus Widerstand ein gangbarer Weg und echtes Buy-in.

Alle in einem Boot

Die einen wollen, dass es funktioniert. Die anderen wissen, wie es geht. Deshalb geben Top-Management und mittleres Management gemeinsam den Startschuss für eine erfolgreiche Transformation. Aber was ist mit den Mitarbeitern? Gehen sie den Weg aus Gehorsam mit oder boykottieren sie den Change? Eine Frage, die sich betroffene Unternehmen meist bereits zu Beginn ihrer Überlegungen stellen.
Eigentlich zu Unrecht. Denn die Mitarbeiter - so die jahrzehntelange Erfahrung bei der praktischen Umsetzung - sind nie das Problem und werden Veränderungen, die für sie Verbesserungen sind, nicht verhindern oder blockieren. Denn Agilität heißt Freiräume schaffen für eigenständiges Arbeiten im Sinne eines größeren Ganzen. Wer kann da schon Nein sagen? Viele Studien bestätigen das: Gerade im Bereich des Knowledge-Workings sind Autonomie und sinnvolles Arbeiten die größten Motivatoren. Die Mitarbeiter sind also (fast) immer dabei, wenn es darum geht, sinnhaft eigenständig etwas leisten zu können. Und damit sitzen alle Beteiligten in einem Boot, um sich gemeinsam auf den Weg zu machen …
3. Teil: „Change: Wie sieht der Weg aus?“

Change: Wie sieht der Weg aus?

  • Quelle: Vistem "Status Quo: Multitasking im Projektmanagement" ( n = 411 Datensätze)
Weltweit hat sich nach eingehender Analyse von erfolgreichen Veränderungsprojekten ein Muster ergeben, das sich in seinen Grundzügen immer wiederholt - der Weg des Change:
Negatives Multitasking: Wenn negatives Multitasking beseitigt wird, wird fokussiertes Arbeiten möglich. Multitasking sinkt, Fehler werden weniger und letztlich steigt der Projektdurchsatz.
Unzureichende Vorbereitung: Durch das Multi­tasking waren die Projekte wahrscheinlich nicht gut vorbereitet. Es ist wichtig, dass die Organisation schnell lernt, wie gut die Vorbereitung sein muss, um flüssig arbeiten zu können. Die Folge: wieder weniger Multitasking, wieder steigt der Projektdurchsatz.
Damit ist der erste Teil für funktionierende Selbstorganisation erledigt - und nur noch so viel Arbeit im System, wie optimal verarbeitet werden kann. Der Kopf ist frei, der erste Erfolg ist sichtbar.
Jetzt gilt es, den zweiten Teil zu schaffen, damit das ganze Unternehmen profitiert:
  • Wo ist mein Engpass und ist dieser sicher nicht überlastet?
  • Welches Projekt ist gerade objektiv am meisten in Schieflage?
  • Das Projekt der größten Schieflage erhält den vollen Fokus.
Es dreht sich, soll das Unternehmen als Ganzes agiler werden, nicht länger um „mein Projekt“, „mein Budget“, „meine Deadline“. Es gilt: Einer für alle - alle für einen. Alle arbeiten da­rauf hin, dass das Portfolio sicher ins Ziel kommt. Es ist ganz einfach - wenn die Menge der Arbeit im System stimmt und sich alle an die gemeinsamen Vorgaben halten, dann kommen alle Projekte schneller ans Ziel und es kommt mehr heraus (für alle).

Methode: die Selbstorganisation

Ach ja, die Methoden - da war doch noch was. Am Schluss sind es nur drei Ansätze, die den Unterschied machen:
  • Ressourcen- und Portfoliomanagement wird ganz einfach, wenn man den Engpass kennt. Der Engpass darf nie überlastet sein. Wenn man die Projekte entlang des Engpasses aufreiht, läuft es (fast) wie von selbst.
  • Projektsteuerung wird ganz einfach, wenn man die Puffer kennt. Jedes Arbeitspaket hat Puffer - immer. Wenn man diesen an das Ende der Projekte packt, braucht man gar nicht mehr so viel davon - die Projekte werden kürzer. Das Arbeitspaket mit dem schlechtesten Fortschritt im Verhältnis zum Pufferverbrauch hat höchste operative Priorität.
  • Stand-ups am Taskboard und Retrospektiven sind gut, gemeinsame Planung und Klärung der Reihenfolge der Unteraufgaben sehr hilfreich.

Fazit

Organisationen können als Ganzes agil werden und gleichzeitig die Vorzüge des Bestehenden nutzen - interessanterweise indem das Risiko sowie der Aufwand für die Veränderung minimiert und so schnell Schritt-für-Schritt-Erfolge für jeden erzeugt werden. Agil? Klar! Aber nur ohne das Unternehmen zu gefährden …

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