Business-IT
01.06.2018
IT-Reife
1. Teil: „Alle Top-Level-Manager sollten die IT verstehen“

Alle Top-Level-Manager sollten die IT verstehen

Mann mit Tablet und LaptopMann mit Tablet und LaptopMann mit Tablet und Laptop
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Die Digitalisierung erfordert noch mehr IT-Kompetenz in der Chefetage. Gerade im digitalen Wandel sind IT-affine CEOs ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Technik ist nie das Problem! Wie oft haben wir diesen Satz schon gehört. So naiv er ist, so weist er doch auf eine wichtige Erkenntnis hin: IT allein ist (fast) nie die Lösung. Es braucht zusätzlich das Wissen, wie man die Technik erfolgreich nutzt. Und es braucht in Unternehmen dafür die passenden Strukturen, Prozesse, Kulturen, innovativen Geschäftsideen und Betriebsmodelle. Deshalb sollten alle Mitglieder der Geschäftsleitung die IT im Unternehmen verstehen und zu ihrer erfolgreichen Nutzung beitragen. Im digitalen Wandel sind IT-affine CEOs ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Umgekehrt gilt: Am IT-Wissensmangel des CEOs sind schon viele besonders ambitionierte CTOs und CIOs gescheitert. In Unternehmen, in denen die Mitglieder der Geschäftsleitung nichts von IT verstehen, gibt es unüberwindbare Grenzen für die Wertgenerierung durch die IT. Das heißt, je weniger Führungskräfte auf der Business-Seite etwas von IT verstehen, desto weniger Nutzen kann die IT dem Unternehmen bringen.
Drei wichtige Führungsaufgaben von CEOs sind deshalb, ein Verständnis für IT zu erwerben, die IT-Weiterbildung der Führungskräfte zu fördern und – zusammen mit den weiteren Mitgliedern der Geschäftsleitung – eine Strategie für eine organisatorische IT-Reife ihres Unternehmens zu entwickeln und umzusetzen.
Diese Erkenntnisse gelten schon seit etwa zehn Jahren unter Insidern als Common Sense, und sie werden immer wichtiger, denn der Fortschritt in der IT hat zwar in den letzten Jahren einige Aufgaben des IT-Managements vereinfacht, dafür auf der anderen Seite aber die Bedeutung des IT-Wissens für C-Level-Manager erhöht.
Definition: IT-Maturität
Die organisatorische IT-Maturität beschreibt den Reifegrad, den ein Unternehmen in Bezug auf die Nutzung der IT zur Wertgenerierung erreicht hat.
Die höchste Stufe der organisatorischen IT-Maturität wird oft als „Dynamic Venturing“ bezeichnet. Sie ist erreicht, wenn die IT die geschäftliche Agilität optimal unterstützt. Das verlangt, dass einfach konfigurierbare Plug-and-Play-Business-Module vorhanden sind und kurzfristig die eigene IT mit der IT von  Partnerunternehmen so verknüpft werden kann, dass problemlos organisationsübergreifend Geschäftsprozesse ausgeführt werden können. Voraussetzung dafür ist, dass die Geschäftsleitung die technischen Entwicklungen antizipiert und Partner in strategische IT-Entscheide miteinbezieht.
2. Teil: „Vorsicht, Coffin Corner“

Vorsicht, Coffin Corner

Je höher die organisatorische IT-Reife ist, die ein Unternehmen für sich anstrebt, desto höher in seiner Hierarchie müssen die IT-Entscheidungen gefällt werden. Bei einer sehr hohen IT-Reife müssen sogar externe Partner mit in die IT-Entscheidungen einbezogen werden. Wenn ein Unternehmen seine organisatorische IT-Reife entwickelt, dann sollte es Schritt für Schritt vorgehen und beispielsweise vor dem Integrieren der Silos zuerst die Silos jeweils für sich optimieren.
Die Unternehmensverantwortlichen sollten sich dabei bewusst sein, dass sich mit jedem Entwicklungsschritt die prioritären Ziele ändern. Ebenso wandeln sich die kritischen Erfolgsfaktoren, die Aufgaben und die relevanten Messwerte. So führt etwa die Erhöhung der organisatorischen IT-Reife zuerst zu Kostensenkungen in der Technik, weil grobe Missstände abgestellt und Standardtechnologien eingeführt werden. Für eine weitere Erhöhung der IT-Reife muss aber die Software-Qualität gesteigert werden, was die IT-Kosten wieder steigen lässt, dafür aber auch die geschäftliche Agilität erhöht.
Wer dagegen nur IT-Alignment praktiziert, sich also nur auf die alltägliche Abstimmung zwischen Fachabteilung und IT konzentriert, der führt das Verhältnis von organisatorischer IT-Reife und Wertgenerierung durch IT in die sogenannte Coffin Corner (deutsch: die Sargecke).
Solche Entscheider reduzieren die technische Agilität und schaffen dadurch große operative Risiken für das Unternehmen. Die digitale Transformation der Wirtschaft hat die Vielfalt der IT-Bedürfnisse weiter erhöht. Viele Unternehmen müssen daher die organisatorische IT-Reife erhöhen, um ihre geschäftliche Flexibilität zu steigern oder auch um ein attraktiverer Arbeitgeber für kreative junge Mitarbeiter zu werden.
In anderen Firmen dagegen muss die Geschäftsleitung kritische Designentscheidungen für die IT-Nutzung treffen, um beispielsweise extreme Betriebsmodelle praktizieren oder Künstliche Intelligenz erfolgreich einsetzen zu können. In wieder anderen Organisationen muss die Geschäftsleitung sogar über Mathematikwissen verfügen, um die Bewirtschaftung ihrer Daten zu organisieren und Big Data produktiv einzusetzen.
Natürlich gibt es auch Unternehmen – sogar solche mit disruptiven Geschäftsmodellen –, in denen IT eine geringe Rolle spielt. Das kann sich aber schnell ändern, und dann blockieren fehlende IT-Kenntnisse an der Spitze den Wandel.
Reifestadien einer Unternehmensorganisation (Teile 1)
3. Teil: „Was wirklich zählt“

Was wirklich zählt

Gegenwärtig ist die Zahl von Führungskräften mit vertieften IT-Kenntnissen noch immer klein. Viele halten IT für ein Nicht-Thema oder blockieren sogar aktiv IT-basierte Innovationen. Das liegt auch daran, dass das IT-Wissen oft nicht intuitiv erfassbar erscheint und auf komplexen Zusammenhängen beruht.
So verstehen zum Beispiel viele nicht, dass Software ganz schlecht altert. Auch viele Ingenieure ohne spezielle Informatikausbildung begreifen nicht immer, wie die IT tickt. Sogar viele jener Führungskräfte, die früher einmal gut programmieren konnten, tun sich schwer mit der strategischen IT-Führung, da sie IT aus der Perspektive des Programmierers betrachten oder gar aus der Perspektive des Amateurs, der Designprinzipien gern ignoriert und Anti-Patterns – also möglichst ungünstige Lösungsansätze – mit Überzeugung verfolgt und praktiziert.
Die Mitglieder der Geschäftsleitung müssen zwar nicht selbst programmieren können, sie benötigen aber einen Teil des Systemverständnisses, das professionelle Programmierer haben. Und sie müssen dieses Systemverständnis in den betriebswirtschaftlichen Kontext übersetzen und die Entwicklung der organisatorischen IT-Reife führen. Das relevante Wissen dafür kommt aus der IT-Praxis, das Know-how dagegen ist Führungswissen aus der Managementpraxis.
Wichtiger als Detailwissen sind aber die richtigen Fragen. Denn es geht „nur“ da­rum, strategische Entscheidungen zu treffen und ihre Umsetzung zu steuern. Dafür sollte man die wichtigsten technischen Prinzipien sehr gut kennen und sie mit anthropologischen, systemischen und ökonomischen Perspektiven verbinden. Man arbeitet mit abstrakten Modellen, die auf einen konkreten Praxiskontext angewandt werden müssen.
Richtige und falsche Schlüsse sind dabei schwer zu unterscheiden. Noch schwieriger ist es, anderen ihre Denkfehler zu erklären. Trotzdem sollten strategische Entscheidungen von der Geschäftsleitung gemeinsam erarbeitet werden.
Gefragt sind dafür gute Fähigkeiten in allen genannten Aspekten, insbesondere die Fähigkeit, das Wissen von Spezialisten aus ganz unterschiedlichen Bereichen aufzunehmen und in Strategieentscheidungen einfließen zu lassen.
In der Praxis ist die häufigste Herausforderung, dem Teufel in Gestalt von Experten zu entsagen, die wohlgefällige Thesen verbreiten wie „Jeder Euro, der in IT investiert wird, muss sich lohnen“. Andere Experten sprechen gern über Werte, Ideale und die Bedeutungslosigkeit technischer Aspekte. Unter Nichtexperten erzeugen sie eine Art „Filter-Bubble“, da sie die angenehme Botschaft verbreiten, dass man nichts dazulernen muss. Das Gegenteil ist wahr.
Reifestadien einer Unternehmensorganisation (Teile 2)

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