Business-IT
05.06.2020
Collaboration
1. Teil: „Teamarbeit intelligent umsetzen“

Teamarbeit intelligent umsetzen

CollaborationCollaborationCollaboration
Lightspring / shutterstock.com
Collaboration-Lösungen verändern nicht nur die Arbeitsweise, sondern auch die Unternehmenskultur.
Die Corona-Pandemie hat auch etwas Gutes: Sie zwingt die deutsche Wirtschaft zur digitalen Aufholjagd - und befördert so manches Unternehmen per Schleudersitz in die digitale Zukunft. Aus der Not heraus müssen sich viele Betriebe nun intensiv mit der Digitalisierung und einer neuen Art des Arbeitens beschäftigen.
Von jetzt auf gleich schickten zahlreiche Unternehmen ihre Belegschaft ins Homeoffice. Statt Aktenordnern kam die Cloud und statt auf Geschäftsreise geht es jetzt in die Videokonferenz. Die weitgehende Stilllegung der Wirtschaft krempelte das Arbeiten von einem Tag auf den anderen um - remote arbeiten statt im Großraumbüro lautet nun die Devise.
Doch der plötzliche Wechsel ins Homeoffice war in den meisten Firmen eine Hauruck-Aktion, die ohne Planung vonstatten gehen musste. Eilig wurden Tools für die Zusammenarbeit eingerichtet und versucht, die vielen Workflows entsprechend anzupassen. So schnell wie möglich mussten sogenannte Digital Workplaces her. „Nicht zuletzt die Covid-19-Krise hat allen Beteiligten die Notwendigkeit einer standortübergreifenden Zusammenarbeit vor Augen geführt. Unternehmen, die schon 2019 eine effiziente digitale Zusammenarbeit gelebt haben, wurden weitaus weniger von der veränderten Situation überrascht“, berichtet Nico Schulze, Innovation Coach beim IT-Dienstleister Cosmo Consult.
Nach Erfahrung von Holger Dyroff, COO und Managing Director beim Software-Unternehmen ownCloud, sieht man in Unternehmen zwar „viele zarte Pflänzchen, aber oft noch keine strategische Einordnung von Collaboration-Tools“. Auch er stellt aber fest, dass die Corona-Krise „katalytisch“ wirkt, weil sie die Notwendigkeit einer umfassenden Collaboration endgültig offensichtlich macht.
Eine Collaboration-Software ist meist flugs eingerichtet. Doch wie wirkt sich solch eine plötzliche Veränderung auf die Arbeit und die Unternehmenskultur aus? Und was macht so ein Change mit den Mitarbeitern?

Mehr als ein Modewort …

Die Begriffe Collaboration, Social Collaboration oder Social Intranet werden heutzutage ziemlich inflationär verwendet. Bedeuten sie am Ende womöglich nichts anderes als Zusammenarbeit - die es ja schon immer in irgendeiner Form gab? Für Florian von der Hagen, Director Engineering Solutions beim IT-Dienstleister Lufthansa Industry Solutions, steckt definitiv mehr dahinter. Die durch individuelle Spezialisierung und gemeinsame Ziele geprägte Zusammenarbeit habe uns vom Anbeginn der Menschheit bis ins Digitalzeitalter geführt, „heute steht Collaboration als Sammelbegriff im Kern für digitale und sozial vernetzte Zusammenarbeit.“ Das beinhalte im weiteren Sinn transparente Informationsflüsse, unkomplizierte Kommunikation über Hierarchien und Abteilungsgrenzen hinweg und eine prozessual organisierte Zusammenarbeit nach Themen und Projekten. „Collaboration sollte dabei aber immer im Zusammenhang mit Technologie, Mindset, Befähigung der Mitarbeiter und sogar Organisationformen betrachtet werden.“ Ohne diese Aspekte funktioniere Collabora­tion nicht, betont von der Hagen.
Dass Collaboration ein ganzes Stück über die klassische Kooperation hinausgeht, ist auch die Auffassung von Enno Lückel. Laut dem Bereichsleiter Expert Center Professional ECM bei Ceyoniq Technology, einem Anbieter von Tools unter anderen für die Informations- und Dokumentenverwaltung, geht es um die echte Vernetzung von unterschiedlichsten Mitarbeitern, Teams, Abteilungen, „und möglicherweise auch anderen Unternehmen, Partnern und Dienstleistern“.
Philipp Bohn, Portfolio and Innovation Lead beim IT-Dienstleister Atos Deutschland, fasst Collaboration wie folgt zusammen: „Collaboration ist aus meiner Sicht die technologische Seite der ‚Kooperation‘ als Organisationsform oder Prozess in Unternehmen.“
Und Martin Grentzer, CFO beim Software-Unternehmen Aconso, ergänzt: „Collaboration meint mehr als die reine Zusammenarbeit. Sie suggeriert ein Gemeinschaftsgefühl, das abteilungsübergreifend und unabhängig von Unternehmens­standort und Anzahl der Beteiligten funktioniert. Collaboration erhält die Kommunikation und die Teamarbeit aufrecht, nutzt Synergien und schafft damit Verbundenheit zwischen allen Beteiligten.“
2. Teil: „Eigenständiges Handeln“

Eigenständiges Handeln

  • Gemeinsam stark: Collaboration-Tools wie Microsoft Teams gehören in vielen Unternehmen bereits zum Standard.
    Quelle:
    Microsoft
Collaboration macht also eigentlich aus, Aufgaben und Tätigkeiten gemeinsam zu erledigen - sowohl innerhalb eines Unternehmens als auch unternehmensübergreifend im Sinn einer sogenannten Cross-Company-Collaboration. Während zum Beispiel die E-Mail asynchron und seriell ist, ermöglicht Collaboration ein paralleles und synchrones Arbeiten. Das führt Holger Dyroff zufolge zu einer erheblichen Produktivitätssteigerung.
Ein Beispiel, wie Collaboration in der Praxis aussehen kann, erläutert Heinrich Welter, Territory Vice President EMEA Central & General Manager DACH bei Genesys, einem Anbieter von Call-Center-Software. So suchen etwa verschiedene Abteilungen gemeinsam nach Lösungen: „Kann ein Contact-Center-Agent eine hereinkommende Frage nicht selbst beantworten, kann er mit Hilfe von Collaboration-Tools in Echtzeit einen Kollegen aus der Buchhaltung miteinbeziehen.“
Collaboration als eine moderne Form der Zusammenarbeit zu verstehen, wirkt sich auf viele Unternehmensbereiche aus. „Mit dem Begriff ist eine neue Arbeitskultur verbunden, die tief greifende Veränderungen mit sich bringt“, betont Dirk Kiefer, Director Public Innovations beim IT-Dienstleister CGI. „Hierarchien werden infrage gestellt, Wissenssilos aufgelöst und Zuständigkeitsgrenzen überwunden.“ Insgesamt sei die gestalterische Freiheit des individuellen Arbeitsanteils sowie die gegenseitige Befruchtung durch Ideenaustausch viel höher. Deswegen, so Kiefer, seien - gut umgesetzt - „kollaborativ arbeitende Teams häufig schneller, kreativer und resilienter als klassisch arbeitende Gruppen“.
Collaboration zeichnet sich durch die Selbstverantwortung eines jeden Einzelnen sowie eine offene, transparente Arbeitskultur und moderne Organisationsformen aus, die durch die entsprechende Technologie unterstützt werden. Dabei scheinen die passenden Hardware-, Software- und Plattform-Lösungen die wichtigen Aspekte zu sein. Da sich diese Technologien aber kontinuierlich weiterentwickeln, darf man nach Ansicht von Florian von der Hagen von LH Industry Solutions den Mitarbeiter nicht vergessen, er sollte ebenso klar im Fokus stehen. „Er braucht einerseits die Fähigkeit, mit immer schneller stattfindenden Anpassungen umzugehen, und gleichzeitig die Kompetenz, laufend neu zu bewerten, welche Tools für welches Szenario am sinnvollsten eingesetzt werden.“ Je nachdem, wie Unternehmen das Thema selbstverantwortliches Handeln in den letzten Jahren gehandhabt hätten, komme es dann auch fast immer zu einem arbeitskulturellen Wandel. Und diese dynamischere, eigenverantwortlichere Arbeitskultur sei essenziell, damit das Unternehmen auf die disruptiven Ereignisse des Marktes schneller reagieren könne.
Dass der Mitarbeiter im Fokus stehen sollte, gelte unabhängig von der Unternehmensgröße. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, lassen sich die aktuellen Herausforderungen meistern. Es beginnt bei Start-ups, die mit ihren innovativen Ideen und meist kleinen, flexiblen Mannschaften selbst großen Unternehmen zu schaffen machen können, und endet bei Pandemien, die binnen Tagen Geschäftsmodelle zum Kollabieren bringen und eine komplette Neuausrichtung ganzer Unternehmen erfordern. ​
3. Teil: „Die richtigen ersten Schritte“

Die richtigen ersten Schritte

  • Quelle:
    Bitkome
Viele Unternehmen tun sich schwer mit der Einführung von Collaboration-Lösungen und dem Anpassen ihrer Workflows. Damit die digitale Zusammenarbeit gelingt, müssen Firmen eine Unternehmenskultur schaffen, die ein offenes, vertrauensvolles und vernetztes Arbeiten ermöglicht. „Vorab gilt es zu klären, was nicht nur Unternehmen, sondern auch jeder einzelne Mitarbeiter an seinen Einstellungen, am Verhalten, an den Arbeitsweisen und an der Kultur ändern muss“, so
Daniel Heer, Experte für Digital Workplace Solutions beim IT-Dienstleister Arvato Systems. Eine offene Kommunikation sei hierbei das A und O, wohingegen Silodenken, feste Strukturen und Misstrauen fehl am Platz seien.
Die Voraussetzungen sind laut Enno Lückel in zahlreichen  Unternehmen schon vorhanden, „denn innovative Unternehmen nutzen bereits unterschiedlichste digitale Technologien, um sich zukunftsfähig aufzustellen und mit den agilen Marktanforderungen heute wie morgen Schritt zu halten.“ Dabei entwickelten sie sich schon ganz automatisch immer weiter weg von papiergebundenen Akten und ausgedruckten Dokumenten. Es gelte also nur noch, Prozesse sowie den Informationsfluss intelligent zu strukturieren, damit die Mitarbeiter von smarten Kommunikationsmitteln und einer strukturierten Datenablage profitieren könnten.
Die Voraussetzungen hängen häufig auch damit zusammen, welcher Unternehmensbereich der Treiber des Themas ist. Wenn der Impuls von der IT-Abteilung ausgeht, dann sehen zumindest die technischen Gegebenheiten meistens schon ganz gut aus und es ist häufig auch eine IT-Lösung im Einsatz, die Collaboration ermöglicht.
In diesem Fall gerieten, so Florian von der Hagen, die Organisation und die Mitarbeiter oftmals ins Hintertreffen, weil das Thema nicht nur aus einer technischen Sichtweise heraus eingeführt werden könne, sondern die Unternehmenskommunikation oder die HR-Bereiche miteinbezogen werden müssten - „sonst fällt es erfahrungsgemäß sehr schwer, den Mitarbeitern das übergeordnete Ziel zu vermitteln.“
Gleiches erlebt man aber auch, wenn zum Beispiel Human Resources der Treiber ist. Vielerorts gibt es New-Work-Initiativen, die sich mit neuen Formen der Zusammenarbeit bis hin zur Bürogestaltung auseinandersetzen, das Thema aber nicht auch technisch betrachten. Somit beschränken sich die Prämissen oft nur auf die physische Zusammenarbeit in einem Büro.
Die besten Voraussetzungen findet man nach Einschätzung Florian von der Hagens häufig, wenn Kommunikationsabteilungen sich mit Collaboration beschäftigen: „Eine schnelle und breite Informationsverbreitung liegt seit jeher in deren Interesse und stellt eine perfekte Grundlage dar, auf der Collaboration aufsetzen kann.“ Er weist aber auch da­rauf hin, dass sich das nicht pauschalisieren lasse. Daher mache eine Analyse der Reifegrade in HR, Kommunikation und IT vor der Einführung absolut Sinn, und nur so könne dann „ein Zusammenspiel von Maßnahmen entwickelt und entschieden werden, die zu der individuellen Ausgangslage passen“.
Die Erfahrung von Alexander Ernst, Director Network & Communications beim IT-Dienstleister Cancom, zeigt, dass der Einsatz von Collaboration-Techniken in den Unternehmen sehr unterschiedlich gehandhabt wird. So bestehe durchaus noch Nachholbedarf, bis Collaboration als integraler Bestandteil von Arbeitsabläufen und -prozessen verstanden werde - „und noch mehr, bis es im Unternehmen auch gelebt und umgesetzt wird“. Entgegen vieler Erwartungen sei es nämlich nicht mit der einmaligen Implementierung von Tools und Technologien getan. Es gelte darüber hinaus, Blaupausen für die Anwendung aufzusetzen, den korrekten Einsatz der Tools zu schulen und dies regelmäßig zu wiederholen. Grundsätzlich gilt also: Je besser die Mitarbeiter mit den Anwendungen umgehen können, desto mehr profitieren sie davon.
Dabei dürfen bei der Einführung von Collaboration-Projekten durchaus auch Fehler passieren. Nur selten laufen größere Projekte in Unternehmen ohne kleinere oder größere Rückschläge ab - aus denen man ja auch lernt. Das bestätigt Nico Schulze von Cosmo Consult: „Veränderungsprojekte sind keine Einmal-Events, sondern live erlebte Journeys, inklusive Auf und Ab. Regelmäßige Retrospektiven sowie paralleles Coaching gehören zur nachhaltigen Umsetzung ebenso dazu wie die Ergebnisbesprechung.“
4. Teil: „Change-Management“

Change-Management

  • Digitale Unternehmenskultur: Gut 36 Prozent der Unternehmen im DACH-Raum sehen eine Verbesserung durch Social Collaboration bei der interdisziplinären Zusammenarbeit.
    Quelle:
    Campana Schott - "Deutsche Social Collaboration Studie 2020"
Wie schon ausgeführt, geht beim Thema Collaboration nichts ohne die Unterstützung der Mitarbeiter. Sie müssen sich dem Wandel anpassen - und das auch wollen. „Das ist ein großes Change-Management-Thema“, warnt Daniel Heer von Arvato Systems. „Wenn ich es jahrelang gewohnt war, an meinen Dokumenten allein zu arbeiten und sie auf meinem PC zu speichern, werde ich diese Arbeitsweise nicht von heute auf morgen ablegen können.“ Collaboration zu verinnerlichen, sei ein Prozess, ein stetiges Lernen. Das erfordere nicht nur, eingefahrene Muster zu durchbrechen, sondern auch, Ideen- und Wissen austauschen zu wollen und offen für einen agilen Arbeitsstil und eine tolerante Fehlerkultur zu sein.
Wenn eine Collaboration-Lösung ausgerollt wurde, dann muss der Mitarbeiter zum Beispiel lernen, seine konkreten Bedarfe deutlich zu äußern, damit darauf die Entscheidungen der IT zur Weiterentwicklung der Kooperationsumgebungen fußen können. Das beinhaltet auch, zu verstehen, dass der Zustand, wie er heute ist, nicht einfach hingenommen werden muss, sondern eine Grundlage zur dauerhaften Um- und Mitgestaltung ist.
Der IT-Abteilung wiederum muss klar sein, dass eine einmal eingeführte Technologie nichts Dauerhaftes, sondern vielmehr ein flexibles und dynamisches Ökosystem ist, das stetig Veränderungen erfährt. „Das hat zur Folge, dass die IT in ihrer eigenen Organisation eine Antwort da­rauf finden muss, wie diese kontinuierliche Veränderung gemeistert werden kann - strukturell, fachlich und inhaltlich“, erklärt Florian von der Hagen.
Heinrich Welter von Genesys gibt darüber hinaus zu bedenken, dass die IT-Abteilung auch festlegen muss, wer die Verantwortung für die Lösung trägt und wer sie betreut, also Unterstützung bietet und bei Fragen zur Verfügung steht.
Was viele Unternehmen relativ schnell merken: Collaboration entfacht eine neue Dynamik und Geschwindigkeit - und hat damit positive wirtschaftliche Auswirkungen. So ermöglicht es Collaboration, dass Innovationen schneller aus dem Stadium der reinen Idee zur praktischen Umsetzung gelangen. Kürzere Kommunikationswege helfen allgemein, Prozesse effizienter zu gestalten. Aus der Perspektive der Organisationsentwicklung braucht es für eine erfolgreiche Collaboration auch angepasste Organisationsformen, die weniger starr, weniger klassisch hierarchisch sind, damit digital und sozial vernetzte Zusammenarbeit ohne Hürden gelebt werden kann.
Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Prozesse. Ein neuer Umstand, der zum Alltag wird, ist, dass Mitarbeiter direkt mit den Personen sprechen, in den Austausch gehen und zusammenarbeiten, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgabe brauchen. Dabei ist es egal, ob es sich um den direkten Teamkollegen handelt oder um eine Person aus einem völlig anderen Unternehmensbereich.
Insgesamt sei im Unternehmen mehr team- und organisationsübergreifende Zusammenarbeit und weniger Top-down-Management und -Kommunikation zu erwarten, erklärt Philipp Bohn von Atos. „Wissen und Wissensträger werden dank Collaboration-Tools deutlich sichtbarer.“ Auch müssten Organisationen bereit werden für ein sogenanntes Remote-Management - Teams und ihre Führungskräfte müssen also bei der Umsetzung neuer Strukturen helfen. „Viele Mechanismen dazu werden jetzt in der Krise schon ad hoc gelernt und umgesetzt, wie etwa eine ‚digitale Kaffeeküche' als offener Chat-Raum für alle.“ Dort könnten auch mal arbeitsferne Themen angebracht und diskutiert werden. Nach der Krise komme es darauf an, dass jede Organisation die Vorteile der digitalen Collaboration langfristig für sich nutzbar mache.
„Collaboration braucht Freiheitsgrade und die kann nur das Management gewähren“, ist Dirk Kiefer von CGI überzeugt. Es gehe um einen Mind-Change, einen Kulturwandel im Unternehmen. Das Management müsse hier eine Vorreiterrolle einnehmen und Veränderungsprozesse im Unternehmen vo­rantreiben und vorleben. „Dazu gehört vor allem auch, Strukturen und Ziele klar und transparent festzulegen und zu kommunizieren, nur dann können sich die Mitarbeiter mit Gestaltungsverantwortung in den Prozess einbringen und die schöne Theorie zu gelebter Praxis machen.“
Auch für Dirk Kiefer spielt dabei der Faktor Mensch eine entscheidende Rolle. Einen erfolgreichen Veränderungsprozess müssen seiner Erfahrung nach alle Beteiligten aktiv mitgestalten können. Selbstverständlich benötige auch das Thema Collaboration Zeit und eine Lernphase - gewohnte und viele Jahre beibehaltene Verhaltensmuster ließen sich nicht so schnell über Bord werfen. Aber vor allem müsse allen klar sein, warum diese neue Arbeitsweise erwünscht oder erforderlich sei.
Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, dann lassen sich fast alle Mitarbeiter begeistern. Denn Collaboration mit allen ihren Möglichkeiten erleichtert letztendlich ihr Arbeitsleben erheblich und führt somit zu mehr Produktivität und auch zu einer deutlich höheren Motivation.
5. Teil: „Mitarbeiter mitnehmen“

Mitarbeiter mitnehmen

„Damit Mitarbeiter sich durch traditionelle Verhaltensweisen nicht in ihrer eigenen Entwicklung hindern lassen, sondern vielmehr sogar gefördert werden, braucht es natürlich auch Ansatzpunkte beim Management“, erklärt Florian von der Hagen. Das könne von einer übergreifenden Entwicklung eines neuen, angepassten Manager-Selbstverständnisses bis hin zu angepassten Bewertungsmechanismen für Führungskräfte gehen. Genauso wie Mitarbeiter hochgradig individuell seien, so seien es auch Manager. „Daher ist es auch wichtig, von dem jeweiligen persönlichen Reifegrad aus einen Entwicklungspfad aufzuzeigen. Die Veränderung ist ein Prozess. Lebenslanges Lernen, Selbstreflexion und Anpassungsvermögen erhalten damit einen ganz neuen Stellenwert und eine neue Wichtigkeit“, ergänzt von der Hagen.
Ebenfalls bedeutsam findet er es, sich zu Beginn auf diejenigen Mitarbeiter zu konzentrieren, die eine hohe Eigenmotivation mitbringen und zu Multiplikatoren für andere Mitarbeiter werden können. Das gemeinsame Entdecken und Lernen auf Augenhöhe hält er für zentral, damit auch in einer virtuellen Welt der offene Austausch stattfinden kann. „Das im echten Leben aufgebaute Vertrauen muss auch in die digitale Welt gebracht werden“, so sein Fazit. „Das Wunderbare an Netzwerken aus begeisterten Mitarbeitern ist, dass dort Ideen entstehen, auf die man aus einer Linienfunktion oder Projektbrille heraus nicht unbedingt gekommen wäre.“ Das, was dort entstehe, sei darüber hinaus immer ganz nah an den Dingen des Berufsalltags und leiste damit einen wertvollen Beitrag zur Überzeugung, Gewinnung und Begeisterung der Mitarbeiter. 
Daniel Heer von Arvato Systems ruft Führungskräfte sogar dazu auf, „Digital Leaders mit Vorbildcharakter“ zu werden. Es liege in ihren Händen, die Rahmenbedingungen für eine offene Unternehmenskultur aufzubauen, kurzum: Raum für Agilität, Kreativität und Eigenverantwortung zu schaffen, in dem alle möglichst gut, effektiv und erfolgreich zusammenarbeiten könnten. „Unter diesen Voraussetzungen ist es entscheidend, dass das Management das neue Mindset aktiv unterstützt und nicht bloß auf dem Papier darüber schreibt.“
Um Mitarbeiter für diese neue Art der Zusammenarbeit zu gewinnen, müssen Unternehmen auch die passenden Strukturen schaffen, die es den Angestellten einfach machen, in das Thema Collaboration einzusteigen. Dafür braucht es Lösungen, die den Weg für kollaboratives Arbeiten mit Hilfe definierter Leitplanken in Form von Governance-, Compliance- und Security-Richtlinien ebnen.

Fazit & Ausblick

Eines ist unbestritten: Collaboration wird in Firmen aller Branchen und Größen eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Und das nicht nur wegen der aktuellen Krise, die viele Mitarbeiter quasi zwangsweise ins Homeoffice katapultiert hat.
„Wichtig ist die Aufgeschlossenheit, sich auf neue Zusammenhänge, Integrationen, Tools und Möglichkeiten einzulassen und nicht in alten Schubladen zu denken“, so Alexander Ernst von Cancom. Zudem müsse ein Verständnis vorhanden sein, dass Collaboration kein Projekt sei, das schnell umgesetzt werde und dann abgeschlossen sei. „Vielmehr handelt es sich um einen Prozess, der kontinuierlich an neue Anforderungen angepasst und erweitert wird“, so sein Resümee.
Wie in anderen Bereichen wird sich auch im Umfeld von Collaboration darüber hinaus ein Trend massiv verstärken: die Möglichkeit des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz. Dieser untergliedert sich laut Florian von der Hagen in zwei Bereiche: Zum einen handele es sich um eher technische Verbesserungen, die bei der täglichen Zusammenarbeit unterstützen. Das seien zum Beispiel technische Erweiterungen wie Live-Übersetzungen in Videokonferenzen. Das seiner Ansicht nach weitaus spannendere, aber auch sensiblere Feld sei die Analyse von Kommunikation und Content. Das heiße, dass „KI beispielsweise permanent die anonymisierten Kommunikationsströme aller Beteiligten analysieren und basierend darauf individuelle Vorschläge zur Optimierung der Collaboration im Unternehmen unterbreiten könnte.“ Auf diese Weise entstehe ein umfassendes Wissensmanagement-System, das erheblich zu einem Effizienzgewinn beitrage. Jedoch: „Dafür braucht es in den nächsten Jahren eine breite Diskussion über den Einsatz von KI, die nicht nur die Unternehmen, sondern die unsere Gesellschaft im Ganzen betrifft.“
Einigkeit besteht bei den Experten darüber, dass bei der Einführung und der täglichen Nutzung von Collaboration-Tools die Mitarbeiter entscheidend sind. „Die wichtigste Voraussetzung ist die Bereitschaft und der Wille der Mitar­beiter, sich mit neuen Arbeitsweisen und Technologien auseinandersetzen zu wollen“, so Ulrich Jänicke, CEO von Aconso. Das Gefühl von Verbundenheit und offenem Austausch müsse von der gesamten Belegschaft getragen werden, damit alle von den Veränderungen profitierten. „Das Wichtigste ist, die Mitarbeiter bereits ganz am Anfang des Veränderungsprozesses mit an Bord zu holen.“ Sie müssten die Chance bekommen, diese neue Art der Zusammenarbeit mitgestalten zu können.
Philipp Bohn von Atos geht nicht davon aus, dass Home­office der neue Standard für alle werden wird - Corona hin oder her. Homeoffice sei allerdings akzeptierter Mainstream geworden und stelle nicht mehr eine Art Anomalie einer traditionellen Präsenzkultur dar. „Unternehmen müssen und wollen dies durch die geeigneten Collabora­tion-Tools und eine Kultur einer offenen und flexiblen Zusammenarbeit unterstützen.“
6. Teil: „Im Gespräch mit Thomas Renken von Namics“

Im Gespräch mit Thomas Renken von Namics

  • Thomas Renken: Senior Principal Consultant bei Namics
    Quelle:
    Namics
Der Diplom-Informatiker Thomas Renken ist als Senior Principal Consultant für Intranet Solutions bei der Digitalagentur Namics tätig. Er berät Unternehmen unter anderem zum Aufbau und Betrieb komplexer (Social-)Intranet- und Digital-Workplace-Szenarien. Im Interview erklärt er, wie Collaboration klappt und wie sich damit die Organisation verändert.
com! professional: Herr Renken, ist Collabora­tion eigentlich nur ein neues Modewort für Kooperation oder steckt mehr dahinter?
Thomas Renken: Collaboration ist nicht neu und auch kein Modewort. Ich bin der Meinung, dass man dafür auch nicht synonym den deutschen Begriff „Kooperation“ verwenden kann, denn dieser definiert eher die Zusammenarbeit zwischen Organisationen. Collaboration hingegen meint die nicht physische Zusammenarbeit von Personen unter Einsatz von Hilfsmitteln zur Unterstützung. Damit geht es eben nicht um die normale, zielgerichtete Zusammenarbeit an einem Ort, etwa einem Arbeitsplatz oder Meeting-Raum. Bei der Collaboration gibt es in der Regel Limitationen in Raum oder Zeit, die man versucht technisch aufzuheben.
com! professional:  Warum gewinnt das Thema in den letzten Monaten so an Fahrt - auch unabhängig von der Corona-Krise?
Renken: Das Thema Collaboration ist im Grunde schon sehr alt, aber gerade in den klassischen Industriezweigen bisher noch nicht richtig angekommen. Die Notwendigkeit war einfach nicht vorhanden. Das hat sich nun geändert. Mittlerweile besteht zum Teil großer Nachholbedarf, nicht nur bei den Tools, sondern auch bei den Skills in den Unternehmen.
Damit Collaboration-Plattformen erfolgreich sind, sind drei Voraussetzungen notwendig: die Bereitschaft der Menschen, eine ausgereifte und integrierte Technologie sowie Anwendungsfälle in der Organisation für einen regelmäßigen wie auch spontanen Einsatz. In jeder dieser drei Dimensionen - People, Technology, Organisation - hat sich über die Jahre sehr viel getan. Die Menschen sind es mittlerweile gewohnt, sogar mit den Großeltern über WhatsApp zu kommunizieren oder einen Video-Call statt das Telefon zu nutzen. Die Technologien sind im Privatleben stark verbreitet und sehr einfach zugänglich. In den Organisationen findet eine kontinuierliche Veränderung statt - ohne dass man hier gleich von digitaler Transformation sprechen muss. Tatsache ist, dass sich die Silos über die Abteilungen und Hierarchien hinweg immer weiter auflösen. Dies erfordert neue Ansätze der Zusammenarbeit, die wiederum das Bedürfnis zum Einsatz kollaborativer Lösungen wecken.
com! professional: Und welche Voraussetzungen müssen in Unternehmen gegeben sein, damit Collaboration klappt?
Renken: Der Einsatz von Collaboration-Lösungen bietet sich an, wenn die Kommunikation und Zusammenarbeit über verschiedene Bereiche, Disziplinen oder Länder gewünscht ist und dadurch die Notwendigkeit nach Remote-, also verteilter Zusammenarbeit entsteht.
Unabhängig von der Technologie braucht es eine gewisse Offenheit und Aufgeschlossenheit des Unternehmens und der Mitarbeiter gegenüber Collaboration-Tools sowie einen souveränen Umgang mit den Lösungen. Dazu gehören etwa auch gewisse Regeln in Videokonferenzen. Denn es nützt nichts, das virtuelle Meeting wie ein klassisches aufzuziehen, ohne dabei seine Besonderheiten zu berücksichtigen. Im schlimmsten Fall ist das Meeting dann weniger effizient als die persönliche Zusammenarbeit und bringt außer Kosteneinsparungen durch entfallene Reisetätigkeiten keine Vorteile.
com! professional: Welche Auswirkungen hat Collaboration auf die Organisation?
Renken: Als Teil eines Veränderungsprozesses bricht Collabora­tion in Unternehmen vorhandene Strukturen auf. Collaboration-Plattformen können einen organisatorischen Wandel entscheidend beschleunigen und unterstützen, indem sie neue Kommunikationsformen ermöglichen, das Miteinander der Mitarbeiter vereinfachen und Transparenz und Offenheit bei der Kommunikation durch das Management fördern. Der Fokus der Prozesse liegt somit auf der Steigerung der Dynamik sowie auf den Prozessschritten, die keinen festen Vorgaben folgen und daher Kreativität erfordern.
com! professional: Und wie verändern sich die Prozesse? Was muss man in Sachen Management anpassen?
Renken: Selbst vermeintlich starre Prozesse in den Unternehmen zeichnen sich oft dadurch aus, dass eine Abstimmung der Beteiligten notwendig ist. Hier können Collaboration-Lösungen bei der Kommunikation mit den Kollegen, aber auch den Kunden helfen. Insbesondere Kunden profitieren heutzutage immer mehr von vereinfachten Prozessen, zum Beispiel bei der Eröffnung eines Kontos oder einer Online-Beratung durch die Versicherung. Durch die aktuelle Pandemie werden sich eine ganze Reihe von neuen Möglichkeiten und Prozessen ergeben.
Wichtig ist, dass die Prozesse weiterhin geregelt bleiben und durch den gezielten Einsatz von unterstützenden Tools nachhaltig sind. Das bedeutet: Bisherige Prozesse müssen bewusst um die Collaboration ergänzt und durch eine technische Integration sichergestellt werden.
com! professional: Collaboration setzt aber vor allem voraus, dass die Mitarbeiter mitziehen …
Renken: Schon in der frühen Phase der Analyse und Konzeption sollten die Anwender und das Management möglichst stark eingebunden werden. Bereits hier geht es darum, die Vorteile einer Collaboration-Plattform aufzuzeigen, konkrete Anwendungsfälle zu definieren und diese mit einer durch das Management und die Mitarbeiter getragenen Vision zu etablieren. Denn um die Zusammenarbeit, die Vernetzung der Mitarbeiter und den Wissensaustausch auszubauen, müssen Unternehmen, Management und Mitarbeiter tatsächlich dafür bereit sein. Man spricht hier von der „Social Readiness“ als Bezeichnung für den Reifegrad. Aktuell sind nur sehr wenige Unternehmen so reif, dass sie das volle Potenzial solcher Plattformen ohne Probleme ausschöpfen können.
Diese Maßnahmen in der frühen Phase liefern die Grundlage für das Projekt und die fortlaufende Kommunikation. Die stetige Einbindung wichtiger Stakeholder ist auch im weiteren Verlauf des Projekts ein entscheidender Erfolgsfaktor und sollte etwa mit User Testings, „Sneak Previews“ oder anderen Kommunikationsmaßnahmen kontinuierlich erfolgen.
com! professional: Dennoch scheitern solche Collaboration-Projekte immer wieder.
Renken: Letztlich gibt es kein allgemein gültiges Erfolgsrezept zur Eta­blierung von neuen digitalen Kanälen in der internen Kommunikation und Collaboration. Die Einführung solcher Plattformen sollte immer auf den jeweiligen Kontext im Unternehmen abgestimmt sein.
Oft wird ein Scheitern nicht etwa durch ein technisches Pro­blem hervorgerufen, sondern ist primär organisatorisch und kulturell bedingt. Die eigene Beratungspraxis zeigt, dass Unternehmen dem Thema Change-Management bei der Einführung dieser Plattformen höchste Bedeutung beimessen sollten.

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