Business-IT
04.05.2018
Lego Serious Play
1. Teil: „So sieht Management by Lego aus“

So sieht Management by Lego aus

LegoLegoLego
MeskPhotography / Shutterstock.com
Mit Lego-Bausteinen geht die Projektarbeit innovative Wege. Die Management-Methode Lego Serious Play schafft neue Perspektiven für eine spielerische Entscheidungsfindung.
  • Verschiedene Lego-Männchen: Sie symbolisieren mit ihren unterschiedlichen Gegenständen die Rollen im Team.
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Von Kindheit an haben wir gelernt, mit den Händen zu „denken“. Wir haben erfahren, dass eine Herdplatte heiß sein kann oder scharfe Gegenstände unsere Haut verletzen können. Diese Erlebnisse sind memoriert beziehungsweise im Gehirn vernetzt. Die Erinnerungen respektive ihre Vernetzung gilt es zu aktivieren. Denn in der heutigen textbasierten Welt geht die Multimodalität immer mehr verloren. Allerdings lernen wir besser, wenn wir einen Sachverhalt selbst erfahren – als wenn wir ihn lediglich von jemandem erzählt bekommen.
Die meisten heutigen Manager haben in jungen Jahren mit Lego-Bausteinen gespielt. Das Bauklötzchensystem genießt unter Pädagogen und Psychologen einen guten Ruf, was die Förderung motorischer wie geistiger Fähigkeiten angeht.
Lego Serious Play ist eine etablierte Management-Methode, die eine spielerische Entscheidungsfindung ermöglicht.
„Lego Serious Play eignet sich primär für komplexe Fragestellungen, bei denen der Zusammenhang zwischen dem Ausprobieren und dem Resultat nicht klar ist“, erläutert Cyrill Rüttimann, Certified Facilitator und Software-Architekt bei der IT-Beratungsfirma ipt. Er hat Erfahrungen gesammelt in drei Anwendungsbereichen: dem Entwickeln von Unternehmensstrategien in einem kompetitiven Umfeld sowie dem Team-Building. Zudem kam Lego Serious Play beim Entwurf von Software-Architekturen zum Einsatz.
Die Aussage eines Unternehmensarchitekten am Ende des Workshops: „Zum ersten Mal habe ich diese komplexe Architektur wirklich verstanden.“ Für Rüttimann denkbar ist auch der Entwurf einer Digitalisierungsstrategie mit Hilfe von Lego Serious Play, beispielsweise bei einer Versicherung. Sie könnte etwa Chancen und Herausforderungen ermitteln, die sich durch einen Policen-Abschluss ausschließlich via Web­site am Sonntagabend ergeben.
Wie Lego Serious Play entstand
Die Methode „Lego Serious Play“ wurde Mitte der 1990er-Jahre von den Professoren Johan Roos und Bart Victor vom Lausanner International Institute for Management Development IMD sowie Lego-CEO Kjeld Kirk Kristiansen entwickelt.
Der Lego-Manager und die Wisssenschaftler suchten nach alternativen strategischen Planungs-Tools und Systemen. Sie entwickelten das Konzept einer adaptiven Strategie, bei der Lego-Bausteine als dreidimensionale Modelle für ge­schäft­liche Probleme und Herausforderungen verwendet wurden.
Heute ist die Methode unter der Creative Commons License öffentlich zugänglich. Der Name und die Ausbildung des Facilitators, also des Moderators, sind geschützt. Lego ist daneben selbstverständlich der einzige Lieferant der speziellen Bausteine-Sets.
2. Teil: „Standardisiertes Spiel“

Standardisiertes Spiel

Laut dem Facilitator – Trainer im Lego-Jargon – macht es bei Lego Serious Play überhaupt keinen Unterschied, ob eine komplette Firmenstrategie, eine Software-Architektur oder „nur“ ein Team entwickelt werden soll. Denn für jede Fragestellung wird dasselbe Vorgehen angewandt. Es besteht aus den sechs Schritten „Skillsbuilding“, „Identity“, „Landscaping“, „Scenario“, „Emergences“ und „Simple Guiding Principles“.
1. Skillsbuilding: Im ersten Schritt werden die Teilnehmer mit den unterschiedlichen Lego-Bausteinen vertraut gemacht. Dazu sieht Lego Serious Play unterschiedliche Aufgabenstellungen mit einer klar definierten Zeitspanne vor. Hier lernen die Teilnehmer auch schon, dass sie immer unter einem gewissen Zeitdruck arbeiten müssen.
Zum Beispiel: Baue mit einer vorgegebenen Anzahl Lego-Steinen einen möglichst hohen Turm – innerhalb von zwei Minuten. Nach einer Minute wird eine zusätzliche Anforderung gegeben: Der Turm muss erdbebensicher sein. Oder: Baue eine Brücke. Nach einer Minute folgt die Anweisung, dass eine Hand
  • Im Schritt „Identity“: In drei bis fünf Sessions à 5 Minuten baut jeder Teilnehmer individuell ein Ideenmodell.
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unter der Brücke hindurchpassen muss.
2. Identity: Wenn die Teilnehmer den Inhalt und die Funktionen der Bausteine kennengelernt haben, geht es nach Aussage Rüttimanns umgehend zum Kern der Fragestellung. Dafür wird zuerst ein Zielszenario definiert. Dies geschieht an einem Whiteboard – ganz ohne Lego. Im Beispiel: Die Versicherung XYZ generiert in zwei Jahren 60 Prozent des Umsatzes mit digitalisierten Produkten über Online-Kanäle.
Anschließend geht es um das Entwickeln von Ideen, die das Unternehmen selbst umsetzen kann. Nun kommt Lego wieder ins Spiel: In drei bis fünf Sessions à 5 Minuten baut jeder Teilnehmer individuell ein auf das Zielszenario ausgerichtetes Ideenmodell. Nach jeder Session erklären alle Baumeister ihre Modelle.
Oder: Ein Computer analysiert alle Anrufe an die Außenstellen via Machine Learning und erstellt ein automatisches Protokoll. Bei der Ideenentwicklung steht den Teilnehmern außerdem frei, ihre eigenen Modelle ruhen zu lassen und an den Ideen der anderen weiterzuarbeiten, wenn sie darin weitere Anknüpfungspunkte oder mehr Potenzial sehen.
Den Abschluss der Sessions bildet eine gemeinsame „Identity“. Dafür werden die individuellen Ideenmodelle auf einer großen Grundplatte zusammengefasst. Nun entscheidet das Team, welche der Ideen relevant sind und welche nicht. Für diesen Schritt sind ein bis zwei Iterationen vorgesehen, die
  • Im Schritt „Landscape“: Die Teilnehmer modellieren die Rahmenbedingungen einer Organisation.
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jeweils nur 10 bis 20 Minuten dauern dürfen.
3. Landscaping: Nun stehen die Ideenmodelle im Raum. Es folgt das Modellieren der äußeren Einflüsse auf die definierten Zielszenarien. Denn: Kein Unternehmen ist isoliert auf dem Markt. Es ist abhängig von Lieferanten, Partnern und auch immer in ein Ökosystem eingebunden. Im Schritt „Landscaping“ gilt es, möglichst alle Akteure außerhalb der Firma zu identifizieren und zu charakterisieren.
Die Teilnehmer haben jetzt wiederum drei bis fünf Iterationen à 5 Minuten Zeit, um die äußeren Einflussfaktoren darzustellen. Ein Modell kann beispielsweise sein, dass ein amerikanischer Technologiegigant eine Niederlassung plant sowie ein Angebot in Deutschland.
Ein zweites Beispiel: Hacker wollen das Kernsystem kapern und planen eine Erpressung. Der Ablauf ist analog zum vorhergehenden Schritt: Die Lego-Modelle werden auf jeweils einer Grundplatte aufgebaut und nach jeder Iteration im Plenum erklärt und diskutiert.
Den Abschluss des „Landscaping“ bildet das Anordnen der einzelnen Ideen rund um das gemeinsame „Identity“-Modell. Mit dem Abstand zum Kern wird die Gefahr respektive das Ausmaß des Change bewertet. Je näher die Modelle der „Identity“ sind, desto gravierender sind sie. In ein bis zwei Iterationen à 10 bis 20 Minuten entscheidet das Plenum, welche Ideen relevant sind und welche nicht. Auch der korrekte Abstand zur „Identity“ wird im Team diskutiert und festgelegt.
3. Teil: „Scenario, Emergences & Simple Guiding Principles“

Scenario, Emergences & Simple Guiding Principles

4. Scenario: Da nun neue Geschäftsmodelle
  • Im Schritt „Scenario“: In dieser Phase werden die neuen Ideen(-modelle) anhand von Herausforderungen getestet.
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und das Umfeld bekannt sind, können die Modelle quasi in der Realität getestet werden. Dafür ermitteln die Teilnehmer via Brainstorming verschiedene Szenarien. Eins könnte sein: Google geht mit einem lokalen Anbieter zusammen und bietet neu ebenfalls Versicherungen an. Oder: Hacker entwenden Kundendaten und wollen das Unternehmen erpressen. Von diesen Szenarien werden eins bis fünf selektiert.
5. Emergences: Pro Szenario werden die Auswirkungen auf die „Identity“ und die „Landscape“ durchgespielt. Dabei wird das Modell umgebaut und die Auswirkungen kommentiert. Im Fall der Versicherung bewegt ein Teammitglied die Figur des Hackers aus der „Landscape“ in den Kern der
  • Die Welt aus einer anderen Perspektive sehen: Mit Lego Serious Play erhalten die Teilnehmer einen anderen Blick auf das Unternehmen.
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„Identity“. Die Idee eines anderen Teammitglieds war, sämtliche Daten in einem Data Lake zu vernetzen. So wurden das Risiko des Datenklaus und eines damit verbundenen Reputationsschadens aufgezeigt.
6. Simple Guiding Principles: Der sechste und letzte Schritt kommt einer verkürzten Zusammenfassung gleich: Das Ziel ist die Definition einfacher Prinzipien, die einerseits die gefundene Strategie optimal unterstützen und andererseits Gefahren abmildern.
Dafür greifen die Teilnehmer nochmals in die Lego-Kisten und bauen in rund 20 Minuten jeweils ein individuelles Modell, das die Prinzipien repräsentiert. Ihre Modelle stellen sie anschließend im Plenum vor. Optimalerweise lassen sich dann gemeinsame Prinzipien erstellen: Im Fall der Versicherung kann das bedeuten, dass die Sicherheit initial im Projekt berücksichtigt werden muss. Oder dass das Unternehmen lediglich Services rund um die Datenanalyse anbietet, aber die Daten aus Sicherheitsgründen nicht selbst speichert.
Fakten zu Lego Serious Play
  • Gruppengröße: optimal 5 bis 8, maximal 10 Personen
  • Rahmenbedingungen: großer Konferenzraum, alle Teilnehmer an einem Tisch
  • Dauer: bis zu zwei Tage für Strategieentwicklung, halber Tag für Team-Building
  • Moderator: ob interner Mitarbeiter oder externer Experte macht keinen Unterschied
  • Aufwand für Ausbildung: halber Tag Theorie und zwei­einhalb Tage Praxis
  • Kosten Workshop: vierstelliger Betrag, je nach Dauer und Fragestellung
4. Teil: „Modell für die Wirklichkeit“

Modell für die Wirklichkeit

  • Lego-Modell: Dieses Beispiel aus der Praxis zeigt ein vereinfachtes Abbild einer komplexen Software-Architektur.
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Das strukturierte Vorgehen bei Lego Serious Play führt nach Auskunft von Rüttimann dazu, dass im Vergleich zu herkömmlichen Projektmanagement-Methoden in kurzer Zeit extrem viel erreicht wird. Die Zeitvorgaben nötigen die Teilnehmer, schnell Prototypen zu entwickeln, die später kombiniert, umgebaut oder auch zerstört werden können.
In der eher ungewohnten (Spiel-)Welt können sie die verrücktesten Ideen entwickeln und auf das Modell des Kollegen noch eins draufsetzen. „Am Schluss siegt doch die Vernunft über die entfesselten Gedanken, wenn die Ideen dem Realitäts-Check unterzogen werden“, weiß der Experte.
Die Methode fördert außerdem eine sachliche Diskussion: Während der Sessions wird ausschließlich über das Modell gesprochen und nicht über eine tatsächliche Person oder ein Team. Beispielsweise kann ein schwarzer Brunnen, auf dem Lego-Männchen ohne Kopf stehen, eine Abteilung symbolisieren, in der alles verschwindet und niemand die Verantwortung übernimmt. Eine derart niederschmetternde Kritik wird im Lego-Spiel anders aufgenommen, als wenn der Systems Engineer Ivo dem Team-Leader Horst gegenübersteht und auf die Missstände hinweist.

Engagement

  • Strukturiertes Vorgehen: Dieses soll dazu führen, dass in kurzer Zeit viel erreicht wird.
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Die Lego-Methode unterscheidet nicht zwischen Experten und Neulingen. Jeder Teilnehmer muss den anderen sein Lego-Modell respektive seine Idee erklären. Beim Storytelling wird Expertenwissen geteilt. Neulinge können das challengen. Jeder Teilnehmer hat dieselbe Aufmerksamkeit.
So kommen sonst eher ruhige Mitarbeiter zu Wort – und Extrovertierte muss der Moderator zügeln. Rüttimann weiß, dass Lego Serious Play maximale Aufmerksamkeit und ein hohes Engagement von allen Beteiligten erfordert.
Die Regeln von Lego Serious Play sehen vor, dass sich niemand dem Prozess entziehen und eine ruhige Kugel schieben kann. Das erfordert von den Teilnehmern einerseits Engagement, aber auch viel Disziplin. Die Tatsache, dass es sich bei dem Arbeitsgegenstand um ein Spielzeug handelt, vereinfacht aber die Anforderung.
„Durch die Haptik der Lego-Bausteine und das Storytelling werden Emotionen und Kreativität gefördert“, sagt Rüttimann.

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