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18.01.2017
Programmierte Verträge
1. Teil: „Smart Contracts als Zukunft der Blockchain“

Smart Contracts als Zukunft der Blockchain

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Hystovskaya_Katsiaryna / Shutterstock.com
Smart Contracts machen zeit- und kostenintensive Kontrollinstanzen überflüssig. Allerdings stellen die Verträge auf Blockchain-Basis Juristen vor neue Herausforderungen.
Nach dem Siegeszug der auf der Blockchain-Technologie basierenden kryptografischen Währung Bitcoin ermöglicht eine technische Weiterentwicklung die Schaffung sogenannter selbstausführender Verträge.
Hierzu werden Leistungen wie die Überweisung eines Betrags in einer Kryptowährung vom Eintreten zuvor programmierter Bedingungen abhängig gemacht. Die Ausführung dieser Smart Contracts erfolgt dabei auf den an einem Peer-to-Peer-Netzwerk beteiligten Rechnern, ohne dass es zentraler, kontrollierender Vermittler bedürfte, etwa Treuhänder oder Banken. Auch eine menschliche Instanz zur Überwachung der Smart Contracts ist nicht notwendig. Dies macht die Blockchain und mit ihr Smart Contracts überall dort attraktiv, wo Vertrauen erforderlich ist.
Die Vorteile solcher Konstruktionen bestehen darin, dass Gegenleistungsrisiken und Transaktionskosten gesenkt werden. Der Grund ist, dass der Eintritt der Bedingungen praktisch kaum manipuliert werden kann und Leistung und Gegenleistung damit garantiert sind. Rechtsdurchsetzungskosten entfallen, da eine Vertragspartei sich bei Vertragsschluss hinsichtlich der Gegenleistung sicher sein kann.
  • Quelle: CNN Money
Zudem können Leistungen kontrolliert werden: So könnte etwa ein Auto den Dienst verweigern, wenn die Leasing-Rate nicht bezahlt wurde. Versicherungen tüfteln an Smart Contracts, die in Abhängigkeit von eingetretenen Unwettern automatisiert Gelder ausschütten.
Durch eine angestrebte höhere Standardisierung sollen überdies durch Inkompatibilitäten hervorgerufene Kosten ver­ringert werden. Entwicklern schwebt etwa vor, Elektroautos an roten Ampeln automatisch zu laden. Einer der vielversprechendsten Vorteile, auf den auch die öffentliche Verwaltung aufmerksam geworden ist, liegt in der Möglichkeit, die Blockchain öffentlich les- oder beschreibbar auszugestalten. Hierdurch könnten Geldströme nachverfolgt, Berechtigungen überprüft oder authentifizierte Geschäfte durchgeführt werden. 
2. Teil: „Rechtliche Hürden von Smart Contracts“

Rechtliche Hürden von Smart Contracts

Natürlich konnte diesen Herausforderungen auch mit herkömmlicher Technik gut und sicher begegnet werden. Durch den Einsatz von Smart Contracts soll dies aber effizienter und vertrauensvoller möglich sein.
Smart Contracts sollten daher nicht dort zum Einsatz kommen, wo sich technische Implementierungen bereits bewährt haben und praktisch störungsfrei laufen. Vielmehr sollte sich der Einsatz auf jene Bereiche konzentrieren, die bislang nur umständlich und mit großen Reibungsverlusten bedient werden konnten. Es sollten also nicht Probleme für Smart Contracts geschaffen, sondern Smart Contracts sollten als Lösung für bestehende Probleme erwogen werden.
Wenn man die rechtliche Seite der programmierten Verträge betrachtet, so stellt sich die Frage, ob künftig der Programmcode den Vertragstext beinhaltet, ob also der Programmcode Rechtswirkungen entfaltet – „Code is Law“. Dieser Ansatz hat jedoch, auch wenn anderes vereinzelt von Smart-Contract-Entwicklern behauptet wird, mit der rechtlichen Wirklichkeit wenig gemein: Das „Code is Law“-Dogma steht im Konflikt mit dem teilweise zwingenden Recht in Deutschland.
Auch ein Smart Contract kann die vom Gesetzgeber gezogene Grenze nicht überschreiten – ebenso wenig wie ein Vertrag auf Papier. Oder anders gewendet: Der „Code“ ist nicht das einzige „Law“. Vielmehr sieht das Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass sich der Inhalt eines Vertrags in jedem Einzelfall nach dem Willen der Vertragsparteien bestimmt. Hierzu sind auch die Begleitumstände des Vertragsschlusses bei der Auslegung des Vertrags heranzuziehen. Hinzu kommt das gerichtlich noch nicht näher untersuchte Problem, ob die Vertragssprache eigentlich auch eine Programmiersprache sein kann, die sich vielleicht sogar nur in kompiliertem Code ausdrückt. Es verwundert daher nicht, dass viele Implementierungen von Smart Contracts nur die reine Leistungsdurchführung betrachten und das Rechtsverhältnis etwa durch Rahmenverträge regeln.
Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass das geltende Recht bereits heute genügend Instrumentarien bereithält, um die rechtlichen He­rausforderungen der neuen Technologien zu meistern. Für die Entwickler bedeutet dies auch, dass sie bei der Programmierung von Smart Contracts das geltende Recht beachten müssen: So erweist sich der Automatismus der tatsächlichen Leistungserbringung durch den Smart Contract etwa dort als Schwäche, wo der Smart Contract vom tatsächlichen Willen mindestens einer Vertragspartei abweicht. Dann kann es im Einzelfall sinnvoll sein, im Algorithmus den Zugang für eine Art Schiedsstelle zu ermöglichen, auch wenn dies manchen Vorzügen der Blockchain zuwiderläuft. Daneben sollten Entwickler im Blick behalten, dass es sinnvoll sein kann, zum Beispiel Gewährleistungsrechte in den Smart Contract einzuprogrammieren, sodass auch die Rechtsfolgen einer Schlechtleistung automatisiert abgebildet werden können.
3. Teil: „Die weitere Entwicklung von programmierten Verträgen“

Die weitere Entwicklung von programmierten Verträgen

Die weitere Entwicklung von Smart Contracts steht also nicht nur vor technischen Herausforderungen, sondern hängt auch von der Lösung der damit im Zusammenhang stehenden rechtlichen Fragen ab. Offen erscheinen etwa Themen im Bereich des Daten- und Verbraucherschutzrechts, des Wettbewerbs- und Kartellrechts sowie Fragen der Haftung für fehlerhaft programmierte Smart Contracts.
Doch damit nicht genug: Geht man davon aus, dass die Programmierung von Smart Contracts unter bestimmten Voraussetzungen eine Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes darstellt, so stellt sich auch die Frage, ob und in welchem Umfang Programmierer derartige Smart Contracts ohne anwaltliche Unterstützung erstellen dürfen. Und schließlich fragt sich, ob Anbieter von Smart Contracts zukünftig regulatorische Vorgaben oder sogar eine „Lex Smart Contract“ beachten müssen. Die weitere Entwicklung bleibt also spannend.
Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Jörn Heckmann und Dr. Markus Kaulartz, Rechtsanwälte bei der auf Wirtschaftsrecht spezialisierten Sozietät CMS.

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