20.02.2017
Microsoft Ventures
1. Teil: „Was Redmond von Start-ups lernen kann“
Was Redmond von Start-ups lernen kann
Autor: Mark Schröder
ricochet64 / Shutterstock.com
Über Microsoft Ventures beteiligt sich der weltgrößte Software-Konzern an Start-ups. com! professional sprach mit Global Head Nagraj Kashyap über attraktive Investitionen.
Microsoft hat seit circa einem Jahr eine eigene Beteiligungsfirma für Investitionen in Start-ups. Den Chef von Microsoft Ventures traf com! professional am Rande der TechDays in Baden zum Interview. Kashyap ist als Corporate Vice President und Global Head von Microsoft Ventures tätig. In einer ähnlichen Rolle verwaltete er zuvor das globale Investment-Portfolio von Qualcomm. Der Technologiekonzern hatte eine Milliarde US-Dollar in über 140 Start-ups investiert. Kashyap besitzt mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen Mobile und Software.
com! professional: Herr Kashyap, Sie sind vor einem Jahr bei Microsoft eingetreten. Welchen Eindruck haben Sie von dem Unternehmen?
Nagraj Kashyap: Es ist bemerkenswert, wie sich die Firmenkultur und die Organisation gewandelt hat und immer noch wandelt. Microsoft ist heute offen für Partnerschaften auf allen Ebenen. Eine Kooperation mit einem Anbieter wie Red Hat wäre noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Heute ist sie Realität.
Die Gründerszene begrüßt die neue Offenheit Microsofts. Für mein erstes Jahr als Leiter von Microsoft Ventures hatte ich mir zum Ziel gesetzt, 10 Investments zu tätigen. Tatsächlich wurden es 19. Die Nachfrage nach der Zusammenarbeit mit dem größten Software-Hersteller der Welt ist riesig. Früher fehlte den Start-ups aber ein Vehikel für die Kooperation. Microsoft Ventures stellt dieses dar.
com! professional: Was kann ein Start-up von Microsoft lernen? Und: Was kann Microsoft von einem Start-up lernen?
Kashyap: Eine Herausforderung für Start-ups ist, dass sie zwar mit einer Idee starten, die Idee aber manchmal nicht das Produkt ist, mit dem sie schließlich in den Markt eintreten. Nehmen wir Facebook, dass sich von einer Rating-Seite zu einem weltweiten Personennetzwerk entwickelt hat. Die einzige Konstante dabei war der Gründer Mark Zuckerberg. Entscheidend ist, dass das Gründerteam die Entwicklung mitträgt und vorantreibt.
Die Firmengründer lernen am Beispiel Microsoft, wie sich auch ein Großkonzern wandeln kann. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht. Aufgrund der Cloud musste Microsoft sich ein vollkommen neues Geschäftsmodell schaffen. Diese Transformation können sich die Jungunternehmer zum Vorbild nehmen. Wenn Microsoft den Wandel schafft, dann schafft ihn ein Start-up ebenfalls.
Auf der anderen Seite kann Microsoft von den Start-ups lernen, welche Bedürfnisse die Kunden haben. Trotz Milliardeninvestitionen in Forschung und Entwicklung sowie tausender kluger Köpfe in der Belegschaft, muss auch Microsoft eingestehen, nicht für jedes Problem auf der Welt eine Lösung parat zu haben. Hier kommen die Gründer ins Spiel. Dabei sind für Microsoft alle Optionen möglich: ein Investment, eine Partnerschaft und eine Akquisition.
2. Teil: „Türöffner für Start-ups“
Türöffner für Start-ups
com! professional: Welche Unterschiede gibt es zwischen Ihrer früheren Rolle bei Qualcomm und der heutigen bei Microsoft?
Kashyap: Ein Hauptunterschied ist: Im Gegensatz zu Qualcomm besitzt Microsoft eine riesige Verkaufsmannschaft für das Firmenkundengeschäft. Die Kollegen bringen quasi täglich Hightech-Produkte bei Anwenderunternehmen an den Mann. Sie sind auch ein guter Türöffner für Start-ups.
Denn die Vermarktung ihrer Lösungen ist die größte Herausforderung für Start-ups. Um eine Firma zu gründen, benötigt heute niemand mehr großes Kapital. Rechenleistung, Speicher und die Datenübertragung kostet quasi nichts mehr. Wenn das Produkt einmal entwickelt ist, beginnt aber die Vermarktung. Sie ist noch immer teuer. Hier können die Verkäufer von Microsoft eine wertvolle Unterstützung sein.
com! professional: Ist künstliche Intelligenz (KI) ein Kriterium für Investments von Microsoft Ventures?
Kashyap: Nein, überhaupt nicht. Ehrlich gesagt nutzen die wenigsten von uns unterstützten Start-ups KI. Ein Beispiel ist CrowdFlower, eine von Menschen unterstützte KI. Auf der Plattform helfen Benutzer dabei, zum Beispiel die Bewertungen von Uber-Fahrern zu kategorisieren. Wenn sich ein Fahrgast beschwert, er sei beschimpft worden, ist das etwas anderes als eine Klage über einen Wagenlenker, der seinen Fahrgast entführen wollte. Die User von CrowdFlower stufen ein, wie schlimm das Fehlverhalten des Fahrers nun wirklich war. Anhand der Abstufungen lernt das Bewertungssystem von Uber, den Schweregrad selbst zu bestimmen.
Element AI ist ein anderes Beispiel. Das Start-up aus Montréal kombiniert ebenfalls künstliche und menschliche Intelligenz. Das Angebot wendet sich an Großkonzerne wie zum Beispiel Telekommunikationsfirmen oder Versicherungen: Für sie kann Element AI riesige Datenmengen auswerten. Dabei profitieren beide: Das Start-up kann seine KI mit Firmendaten trainieren, auf die es sonst nie Zugriff bekäme. Die Unternehmen bekommen Expertise, die sie sonst nicht bekämen, und ihr Problem mit der Datenauswertung wird gelöst.
3. Teil: „Wie intelligent ist Software?“
Wie intelligent ist Software?
com! professional: Wie viel der Lösungen mit künstlicher Intelligenz ist Hype, wie viel schon Realität?
Kashyap: Der Begriff künstliche Intelligenz wird aktuell gern benutzt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Anbieter und auch Anwenderfirmen nutzen den Terminus selbst dann noch, wenn sie keine Fragestellung oder keine Notwendigkeit für KI haben. Für das Auswerten eines kleinen Datensatzes mit zum Beispiel Filmbewertungen benötige ich keine KI. Hier genügen auch einfache statistische Methoden wie Mittelwertvergleiche oder Korrelationen, um eine Empfehlung für eine Person geben zu können. Anders bei großen Mengen an Information: Wenn die Daten die Kapazität der menschlichen Informationsverarbeitung weit überschreiten und die Fragestellungen komplex sind, ist KI und Machine Learing notwendig.
Viele Start-ups kommen auf mich und Microsoft Ventures zu mit dem Versprechen, sie seien ein KI-Unternehmen, geboren in der Cloud, vertreiben eine SaaS-Lösung für IoT. Mit diesen Buzzwords überzeugen die Gründer aber nur dann, wenn ihr Produkt wirklich alle vier Versprechen einlöst. Alles andere ist Effekthascherei.
com! professional: Welchen Eindruck haben Sie von den anderen KI-Anbietern auf dem Markt, beispielsweise IBM Watson oder Salesforce Einstein?
Kashyap: Die großen Technologiefirmen investieren schon seit einigen Jahren massive Summen in die KI. Die meisten versuchen, das Grundproblem der Demokratisierung von KI zu lösen, damit die Technologie von mehr als nur den Datenanalytikern verwendet werden kann. Microsoft begrüßt das, denn Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft.
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