Cloud
27.02.2017
Systemhaus 4.0
1. Teil: „Die Public Cloud belebt das Infrastrukturgeschäft“

Die Public Cloud belebt das Infrastrukturgeschäft

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Fotolia / bluebay2014
Der Erfolg der Cloud verändert die Anforderungen an die Systemhäuser. Diese müssen ihre bisherige Zurückhaltung gegenüber dem öffentlichen Cloud-Modell ablegen und neue Kooperationen eingehen.
Die Public-Cloud-Nachfrage hierzulande ist deutlich angestiegen. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Der Erfolg der Cloud und die damit einhergehenden veränderten IT-Anforderungen von Unternehmen belasten das Infrastrukturgeschäft von Systemhäusern.
Um hier auch in Zukunft profitabel zu bleiben, müssen die Systemhäuser die Public Cloud als Chance begreifen und diese zur Basis ihres Portfolios ausbauen.
Während die Private Cloud in Unternehmen schon länger zum Einsatz kommt, hatte ihr öffentliches Pendant seinen endgültigen Durchbruch auf dem deutschen Markt erst 2015. Der Cloud-Monitor 2016 des Branchenverbands Bitkom und des Be­ratungshauses KPMG bestätigt: 2015 stieg der Anteil der Pu­blic-Cloud-Nutzer stärker an als in den drei Jahren davor. Auf der anderen Seite stehen erstmals seit 2012 rückläufige Werte für die Private Cloud.
Die Zahlen belegen, dass das weit verbreitete Misstrauen – ausgelöst und verstärkt durch den NSA-Skandal und daraus erwachsener Sicherheitsbedenken – gegenüber der Public Cloud überwunden ist. Das liegt auch an der zunehmenden Sensibilisierung der Unternehmen gegenüber den Risiken bei US-amerikanischen Anbietern wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure oder Google. Im EU-Raum gibt es heute sicherere und kostengünstigere Alternativen.
Für die Public Cloud ergeben sich derzeit attraktive Marktchancen, da hier für die nächsten Jahre mit einem steilen Wachstum zu rechnen ist. Dies eröffnet vor allem IT-Systemhäusern Möglichkeiten, in den Vertrieb von Public-Cloud-Ressourcen einzusteigen und das in den letzten Jahren stark schwächelnde Infrastruktur-Business neu aufzu­stellen.

Veränderte Nachfrage

Systemhäuser haben in der Vergangenheit maßgeblich zur erfolgreichen Digitalisierung von Unternehmen beigetragen. Die grundlegende Basis dafür stellt die IT-Infrastruktur. Doch genau dort hat in den letzten Jahren ein großer Umbruch stattgefunden – weg von physischen Komponenten hin zu vollständig virtualisierten Umgebungen.
  • Welche Trends und Themen beschäftigen Unternehmen derzeit?
    Quelle:
    Crisp Research (n = 155)
Die vom IT-Spezialisten Nexinto und Crisp Research durchgeführte Studie „Disruption im Datacenter“ bestätigt die Bewegung weg vom klassischen Rechenzentrum hin zur Cloud. So plant das Gros der befragten Entscheider, die eigenen RZ-Kapazitäten entweder zu konsolidieren (34 Prozent) oder das künftige Wachstum über externe Cloud- und IT-Service-Anbieter abzudecken (25 Prozent). Und der jüngste IDC-Bericht zur weltweiten Cloud-Nutzung zeigt: Die Ausgaben für traditionelle, Non-Cloud-IT-Infrastruktur waren 2016 erneut rückläufig und schrumpften um 6,1 Prozent. Im Gegenzug verzeichneten die Cloud-Infrastrukturen ein Plus von 14,5 Prozent.
Mit der wachsenden Nachfrage nach virtueller Infrastruktur aus der Cloud haben sich die Anforderungen der Unternehmen an ihre IT und damit auch an die Leistungen der IT-Systemhäuser als Partner verändert: weniger Hardware, mehr Flexibilität, Software und Sicherheit. Für Systemhäuser ergeben sich innerhalb dieser veränderten Marktbedingungen zwei Fragen: Wie bleibt ihr Infrastrukturbereich profitabel? Und wie erhalten die IT-Systemhäuser genügend Freiraum, um sich mit weiteren einträglichen Themen auseinanderzusetzen?
Genau diese Herausforderungen spricht die Public Cloud an. Als Bestandteil des Portfolios bildet sie die Grundlage für neue Kerngebiete. Gleichzeitig sparen Systemhäuser durch den Wegfall von Initialaufbau und den Beschaffungsprozessen von Hardware sowie deren Konfiguration die Ressourcen, die sie an anderer Stelle einsetzen können.
2. Teil: „Zwei Wege zur Public Cloud“

Zwei Wege zur Public Cloud

Noch fokussieren sich Systemhäuser zu stark auf Private Clouds, die sie bei ihren Kunden aufbauen. Doch um der Nachfrage zu entsprechen, bleibt ihnen für ein zukunftsfähiges Infrastrukturgeschäft nur der Weg über die Public Cloud, die sie als tragenden Baustein in ihr Portfolio einbinden müssen. Dann sind sie in der Lage, sich zum Systemhaus 4.0 zu wandeln und auf der Public Cloud aufsetzend neue, zusätzliche Services zu etablieren.
  • Welche IT- und Rechenzentrums-Strategie verfolgen Sie?
    Quelle:
    Crisp Research (n = 155)
Infrastruktur bleibt also eines der zentralen Handlungsfelder. Aber die Schwerpunkte innerhalb dieses Segments verschieben sich: Es werden stärker Beratungskompetenzen zu Konzeption, Planung und Design von Infrastruktur nachgefragt. Entscheidet sich ein Systemhaus für den Einstieg in den
Public-Cloud-Markt, ist zu überlegen, wie es die Public Cloud in sein Portfolio einbindet.
Die klassische Frage lautet: Make or buy? Bei der ersten Option schafft das Systemhaus die notwendige Infrastruktur für den Aufbau einer eigenen Public Cloud selbst an. Es müsste allerdings für die eigene Public Cloud in sehr großen Dimensionen kalkulieren, damit diese einfach skalierbar und trotzdem preisgünstiger bleibt als beispielsweise bei AWS. Dafür wäre eine enorme Initialinvestition nötig, die sich im hohen zweistelligen Millionenbereich bewegt. Für eine sofortige kostendeckende Auslastung müsste dann bereits mit dem Start des Public-Cloud-Angebots ein großer Kundenstamm vorhanden sein, der die Services nutzt.

Schneller Einstieg mit Provider

Die zweite Option dürfte daher der schnellste, kostengünstigste und risikoärmste Weg sein: die Zusammenarbeit mit einem Public-Cloud-Provider. Der Provider muss die Public-Cloud-Infrastruktur out of the box zu guten Konditionen bereitstellen. Diese bindet das Systemhaus in das eigene Portfolio mit ein – angereichert mit zusätzlichen Mehrwerten, um dort neben dem reinen Reselling eine nachgelagerte Wertschöpfung zu erhalten. Diese Mehrwerte sind zusätzliche Verkaufsargumente für den Bezug der Public Cloud vom Systemhaus.
Damit die Zusammenarbeit zwischen Systemhaus und Public-Cloud-Provider zielführend erfolgt, sind einige Kriterien bei der Provider-Wahl zu berücksichtigen. Da auch mit der Public Cloud die Sicherheit ein wichtiges Thema bleibt, sollten Systemhäuser abwägen, ob sie wirklich mit einem US-amerikanischen Anbieter zusammenarbeiten wollen. Nach wie vor gibt es ihnen gegenüber Bedenken, die nicht einfach zu vernachlässigen sind.
Zwar trat nach dem Aus des Safe-Harbor-Abkommens 2016 der EU-US Privacy Shield in Kraft. Doch gibt es bereits erste Klagen gegen das neue Abkommen für den sicheren Datenaustausch zwischen EU-Mitgliedsstaaten und den USA. Darüber hi­naus bleibt bei AWS, Azure und Google selbst mit deutschen Niederlassungen und Rechenzentrumsstandorten weiterhin ein Risikopotenzial für staatliche Wirtschaftsspionage.
  • Public Cloud ins Systemhaus einbinden: Die Rolle der Systemhäuser ist zwischen Provider und Managed Options angesiedelt.
    Quelle:
    Nexinto
Selbst US-amerikanische Unternehmen suchen mittlerweile in puncto Sicherheit nach Alternativen zu den heimischen Public-Cloud-Providern. Maximale Sicherheit für ihre Kunden bekommen IT-Systemhäuser daher bei deutschen Providern, die ihre Infrastruktur entsprechend den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) betreiben. Dies ist ein wichtiger USP, den das Systemhaus an seine Kunden weitergeben kann.
Für eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit zwischen Provider und Systemhaus ist daher auch eine Partnerschaft auf Augenhöhe grundlegend. Im Ernstfall sollte auch entsprechende Awareness beim Management für die Anliegen des Systemhauses vorhanden sein. Ein weiterer entscheidender Aspekt, der über eine Partnerschaft entscheidet, ist eine profitable Marge. Daher ist genau zu prüfen, welche Gewinnspannen die Preise der Public-Cloud-Provider ermöglichen.
Dementsprechend sollte das Resellen der Public Cloud für das Systemhaus möglichst profitabel sein, der Endpreis für den Kunden aber trotzdem unter dem der großen Player wie AWS, Azure oder Google liegen. Oft gehen cloudinteressierte Unternehmen schon fast reflexartig davon aus, dass diese preislich nahezu unschlagbar sind. Doch es gibt mittlerweile deutsche Public-Cloud-Provider, die diese Anbieter mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis um bis zu 30 oder 40 Prozent unterbieten.
3. Teil: „Dienste auf Public Cloud aufsetzen“

Dienste auf Public Cloud aufsetzen

Des Weiteren lohnt sich ein Blick auf die zusätzlichen Angebote des Providers. Gibt es Infrastruktur- oder Netzwerk-Services, die das IT-Systemhaus bisher nicht anbietet, aber über den Provider mit abdecken kann? Beispiele wären etwa eine gemanagte Firewall oder eine Docker-Plattform. Hier gilt es genau zu überlegen, welche weiteren Lösungen oder Produkte in Form von Managed Services die Public Cloud ergänzen.
Seinen Kunden gegenüber bietet das Systemhaus neben den reinen Public-Cloud-Infrastruktur-Ressourcen mit diesen zusätzlichen Leistungen und angereichert um eigene Ser­vices einen erheblichen Mehrwert. Und der ist ein wichtiges Argument, warum Unternehmen weiterhin mit ihrem Systemhaus zusammenarbeiten sollten, anstatt die Public Cloud direkt vom Provider zu beziehen.
Insbesondere für Unternehmen, die über ihr Systemhaus bereits eine Private Cloud erhalten haben, ist die Ausweitung zur Multi-Cloud mittels Public-Cloud-Ressourcen interessant. Auf diese Weise erhalten sie jetzt aus einer Hand die dafür notwendigen Infrastruktur-Ressourcen. Das erhöht die Sicherheit der Services und vereinfacht das Management. Um den zusätzlichen Aufwand für Kunden, aber auch für sich selbst, möglichst gering zu halten, ist ein unkomplizierter Zugang zur Public Cloud ein wichtiges Kriterium.
Über eine API muss das Systemhaus die Möglichkeit haben, Code-gesteuert Prozesse auszulösen. Dafür ist insgesamt eine unkomplizierte Bedienoberfläche notwendig, die grundsätzlich ein einfaches Deployment der Infrastruktur-Ressourcen erlaubt. Hier kommt es auf eine hohe Usability an, die auf Seiten des Systemhauses keinen zusätzlichen zeitintensiven Know-how-Transfer oder eine Qualifizierung erfordert.
Ein wichtiger Faktor sind darüber hinaus die Service Level Agreements (SLA) des Cloud-Anbieters. Minimum sollten hier 99,95 Prozent zugesicherter Betrieb sein. Konkret bedeutet das bei einem 24/7-Betrieb über das gesamte Jahr gesehen eine maximale Ausfallzeit von nicht ganz viereinhalb Stunden. Die Verantwortung für den reibungslosen Betrieb der Infrastruktur liegt hingegen vollständig beim Provider. Kommt es zu Zwischenfällen, ist ein Ticketsystem erforderlich, über das das Systemhaus die Incidents des Kunden an den Provider weiterleitet. Hier ist – insbesondere im Hinblick auf die Marge – generell darauf zu achten, den potenziellen Mehraufwand möglichst gering zu halten.

Fazit

Die fortschreitende Digitalisierung der Unternehmen hat die Anforderungen an die IT verändert und IT-Infrastruktur verstärkt in Richtung Virtualisierung getrieben. Auf lange Sicht wird die Public Cloud hier ihren Siegeszug fortsetzen. Dieser bietet Systemhäusern jetzt eine optimale Chance, in den Public-Cloud-Markt einzusteigen. Dafür müssen die Systemhäuser ihre bisherige Zurückhaltung gegenüber dem öffentlichen Cloud-Modell ablegen und dieses zur Basis ihres Portfolios ausbauen.
Der einfachste Weg dafür ist die Zusammenarbeit mit einem Provider, dessen Public-Cloud-Ressourcen sie an ihre Kunden weiterverkaufen. Dabei spielen die Marge sowie der durch zusätzliche Leistungen geschaffene Mehrwert zentralen Rollen für kostenattraktive Infrastruktur-Services. Darüber hinaus erhalten Systemhäuser durch das Resellen der Public Cloud zusätzlichen Spielraum, um sich neue Geschäftsfelder zum Consulting und Betrieb von Infrastrukturen sowie zu Applikationen zu erschließen.

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