27.06.2018
Neuausrichtung
1. Teil: „Otto.de wandelt sich vom Händler zur Plattform“
Otto.de wandelt sich vom Händler zur Plattform
Autor: Ingrid Schutzmann
nitpicker / Shutterstock.com
Der Hamburger Konzern Otto.de investiert rund 100 Millionen Euro in seine neue Shop-Strategie. Die Transformation des Geschäftsmodells soll den Umsatz ankurbeln.
Amazon weitet seit Jahren das Sortiment seines Online-Shops aus. Das ist für Kunden attraktiv: Wer ein Produkt sucht, steuert mittlerweile zuerst Amazon an und sieht nach, ob es dort erhältlich ist. Diese Breite und Tiefe des Angebots hat Amazon deshalb erreicht, weil das US-Unternehmen seine Plattform Dritten als Marktplatz zur Verfügung stellt.
Amazons Deutschland-Umsatz stieg im vergangenen Jahr im Jahresvergleich um knapp 20 Prozent auf rund 13,7 Milliarden Euro (16,95 Milliarden Dollar).
Zalandos Umsatz in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) wuchs im vergangenen Geschäftsjahr um 18,3 Prozent auf rund 2,14 Milliarden Euro. Vor allem der gewachsene Kundenstamm und die höhere Zahl an Bestellungen treiben das Geschäft des Online-Versenders an. Zalandos Co-CEO Rubin Ritter kündigte ambitionierte Pläne an: „Im laufenden Jahr peilen wir zum vierten Mal in Folge ein Umsatzwachstum von 20 bis 25 Prozent an.“ Zalando investiert deshalb auch in Logistikzentren und Fulfillment-Lösungen, um für Marken entsprechende Leistungen erbringen zu können.
Die Konkurrenz wächst
Im Vergleich dazu nimmt sich die Umsatzsteigerung von Otto.de, laut Ranking des EHI Retail Institute zweitgrößter Online-Händler in Deutschland nach Amazon, eher bescheiden aus: Um 8,5 Prozent auf 2,95 Milliarden Euro konnte der Online-Händler Otto.de seinen Umsatz im Geschäftsjahr 2017/2018 steigern. Diese Zahl lag unter dem Wachstum des gesamten Online-Handels in Deutschland. Denn laut Einschätzung des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel e.V. (BEVH) kletterte der Bruttoumsatz mit Waren im E-Commerce 2017 um 10,9 Prozent auf 58,47 Milliarden Euro. Für 2018 erwartet der Bundesverband einen Zuwachs um 9,3 Prozent.
Das macht deutlich, dass Otto eine Strategie braucht, um das Wachstum anzukurbeln, wenn das Unternehmen seinen Rang als zweitgrößter Online-Händler auf lange Sicht behalten will.
2. Teil: „Großer Umbruch“
Großer Umbruch
Bei der Vorstellung der Zahlen für das abgeschlossene Geschäftsjahr 2017/18 hat Otto kürzlich den „größten Umbruch der Firmengeschichte“ angekündigt: Otto.de soll sich vom Händler zur Plattform weiterentwickeln.
6,6 Millionen aktive Kunden, davon 1,8 Millionen Neukunden, wirft Otto als Argument in die Waagschale: Der Shop habe damit das Potenzial zum Marktplatz.
Dass Dritte über Otto verkaufen ist allerdings nicht neu. Otto bietet bereits seit 2007 die Basisfunktionalitäten eines Marktplatzes an und zählt aktuell rund 280 Marktplatzpartner. Insgesamt sind auf Otto.de derzeit über 2,8 Millionen Artikel von mehr als 6700 Marken erhältlich. Dieses Angebot will Otto künftig durch die Zusammenarbeit mit weiteren Marken und Händlern vervielfachen.
„Wir möchten uns mit unserem Sortiment in alle Lebensbereiche vorarbeiten und auch in den Bereichen interessante Angebote machen, in denen wir früher nicht zu Hause waren“, erklärt Marc Opelt.
E-Commerce bei Möbelhändlern
Als Beispiel nennt Opelt etwa die Kosmetikmarke L’Oréal, die ihre Produkte seit Oktober 2017 über Otto verkauft. Einen weiteren Schwerpunkt soll das Möbelsortiment bilden.
Der Bereich Home & Living war laut Unternehmensangaben im abgeschlossenen Geschäftsjahr mit einem Umsatz von über 950 Millionen Euro besonders erfolgreich. „Kein anderes Unternehmen in Deutschland verkauft mehr Möbel als wir“, erklärt Opelt: „Im Rahmen der internationalen Möbelmesse in Köln haben wir viele gute Gespräche mit klassischen Händlern aus dem Möbelhandel geführt – und den Gedanken, mit Otto in den E-Commerce zu gehen, fanden viele sehr gut.“
Aber auch andere Sortimentsbereiche, zum Beispiel der Download von Software oder der Verkauf von Tierbedarf oder von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten seien für Otto.de spannend. Wie auf anderen Marktplätzen wie Amazon.de wird die Ausweitung der Partner auch dazu führen, dass teilweise die gleichen Produkte von unterschiedlichen Anbietern zu unterschiedlichen Preisen auf der Plattform gelistet sein werden.
Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Plattform ist das Portal Brand Connect. Otto entwickelt dieses Selfservice-Tool gemeinsam mit den Marken Adidas und s.Oliver. Brand Connect soll künftig alle Prozesse und Services für die einzelnen Marktplatzpartner bündeln. Dazu zählen unter anderem die Analyse der über den Marktplatz Otto.de getätigten Verkäufe, Daten, die für die Bewirtschaftung des Angebots nötig sind, aber auch diverse Werbemaßnahmen, die Marken buchen können.
Das Know-how dafür bringt der im Mai 2015 gegründete Retail-Vermarkter Otto Group Media mit, wie Otto ein Unternehmen der Otto Group.
3. Teil: „Brand Connect bündelt Services“
Brand Connect bündelt Services
Mit der Eigenentwicklung des Portals Brand Connect sollen sich Marken auf Otto.de mittelfristig eigene Shops bauen können.
Opelt kündigt an, dass das Portal sukzessive weiter ausgebaut und um zusätzliche B2B-Services ergänzt wird. Inzwischen wurde Brand Connect den Marktplatzpartnern vorgestellt. In Kürze werde Brand Connect mit 13 strategischen Partnern offiziell starten. Im Gegensatz zu Amazons offenem Marktplatzmodell wählt Otto die Händler und Hersteller aus, die Zugang zu Otto.de erhalten.
Nur so könne der Online-Händler perspektivisch zu seinen nachhaltigen Unternehmenswerten stehen, betont Bereichsvorstand Marketing Opelt.
Aber auch im Umgang mit seinen Partnern will sich Otto.de von anderen Marktplätzen unterscheiden. Danach gefragt, warum sich Marken oder Händler für Otto.de entscheiden oder zusätzlich zu Ebay, Amazon oder einem anderen Marktplatz auch noch über Otto.de verkaufen sollten, sagt Opelt: „Unsere Partner wissen, dass Otto für einen fairen Umgang mit Mensch und Natur steht und großen Wert auf den serviceorientierten Kontakt zum Kunden legt.“ Die Partner schätzten die faire Zusammenarbeit.
„Dank unseres Know-hows kennen wir die wohl größte Sorge von Marktplatzpartnern: Viele haben Angst, dass der emotionale Teil ihrer Marke auf einer Plattform nicht mehr spürbar ist, wenn ihr Produkt – flapsig ausgedrückt – neben dem Angebot eines Garagenhändlers angezeigt wird. Da wollen wir ansetzen und die Plattform sein, die das richtige Umfeld bietet.“
Zwar nennt Marc Opelt den Branchenriesen Amazon nicht ausdrücklich, der Vergleich mit diesem großen Konkurrenten schwingt im Hintergrund jedoch immer mit.
Die Transformation des Geschäftsmodells bedeutet, dass Otto dafür eine Menge zusätzlicher Fachkräfte braucht. Rund 580 Stellen werden bei Otto im kommenden Geschäftsjahr neu zu besetzen sein, vor allem in den Bereichen Business Intelligence, IT und E-Commerce.
Der Otto-Campus soll ebenfalls modernisiert werden. Das Gesamtinvestitionsvolumen soll laut Unternehmensangaben im Geschäftsjahr 2018/19 rund 100 Millionen Euro betragen.Was die finanziellen Erwartungen an den erneuerten Marktplatz betrifft, so hält sich Otto-Sprecher Opelt bedeckt. Er äußert sich nicht auf die Frage, welchen Anteil das Marktplatzgeschäft in zwei Jahren zum Gesamtumsatz von Otto beisteuern soll.
Zu den Gebühren für den neuen Marktplatz macht Marc Opelt ebenfalls keine genauen Angaben. Und er verrät auch nicht, ob sie niedriger sein werden als beim US-amerikanischen Shop-Giganten Amazon.
Die Höhe der Gebühren und Provisionen hänge von verschiedenen Kriterien ab, zum Beispiel von der Warenmenge, der Art der Waren und der Wahl des Anbindungsmodells. Deshalb könne die Frage nicht pauschal beantwortet werden, meint Opelt. Jeder Marktplatzpartner erhalte ein auf ihn zugeschnittenes Angebot.
Den Wandel des Geschäftsmodells vom Händler zur Plattform bezeichnet Opelt als die „wohl größte Veränderung in der Geschichte von Otto“.
Und weiter: „Wir wollen niemanden kopieren, sondern unseren eigenen Weg gehen und die Alternative sein, die es lange nicht gab.“
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