Business-IT
24.08.2017
Lars Herrmann von Red Hat
1. Teil: „OpenShift ist wie ein modernes Betriebssystem“

OpenShift ist wie ein modernes Betriebssystem

Red HatRed HatRed Hat
zimmytws / Shutterstock.com
Orchestrierungs-Plattformen spielen eine zentrale Rolle für die Cloud-Infrastruktur. Lars Herrmann von Red Hat spricht mit com! professional über die Kubernetes-Variante OpenShift.
  • Lars Herrmann, General Manager Integrated Solutions Business Unit bei Red Hat
    Quelle:
    Red Hat
Zu den größten Herausforderungen beim Cloud-Computing zählt das Management der oft komplexen Infrastrukturen. Helfen sollen Orchestrierungs-Plattformen wie das stark von Open-Source-Komponenten geprägte OpenShift von Red Hat. Red Hat ist mit Red Hat Enterprise Linux (RHEL) der Marktführer für Linux-Distributionen.
Über das Besondere von OpenShift sprach com! professional mit Lars Herrmann, General Manager Integrated Solutions Business Unit bei Red Hat. Der in der DDR aufgewachsene, seit mittlerweile 15 Jahren für den Konzern tätige Thüringer verantwortet dessen Strategie für Cloud und Linux-Container.
com! professional: Wo sehen Sie Red Hat im IT-Business?
Lars Herrmann: Wir verstehen uns als Software-Anbieter. Unser breites Portfolio positioniert sich um zwei zentrale Themen – offene Infrastrukturen für hybride Cloud-Umgebungen einerseits, Applikationsentwicklung und Applikationsmanagement andererseits. Zu Letzterem zählen Container und cloudnative Architekturen. Damit adressiert Red Hat einen Markt von derzeit etwa 55 Milliarden Dollar.
com! professional: Wie passt Ihr Platform-as-a-Service-Dienst OpenShift da hinein?
Herrmann: OpenShift ist unsere Variante von Kubernetes, der Container- und Orchestrierungs-Plattform, die von Google entwickelt und später der Open-Source-Community übergeben worden ist. OpenShift hält unsere ganzes Portfolio zusammen. Es verknüpft die verschiedenen Technologien und nimmt unseren Kunden einen Großteil der Arbeit damit ab.
com! professional: Könnte man OpenShift als eine Variante von Dev­Ops bezeichnen?
Herrmann: Die Idee von DevOps ist ja, dass zwei unterschiedliche Teams – Entwickler und System-Administratoren – auf neue Weise zusammenarbeiten, sodass es nicht mehr das klassische Über-den-Zaun-Werfen geben soll, also den ständigen Streit über Zuständigkeiten. Auf OpenShift angewendet bedeutet das: Es ist eine Plattform, die von den Deve­lopern und den Application-Ownern gleichermaßen benutzt wird. OpenShift ist also eine Art Werkzeugkasten, mit dem beide Teams arbeiten können – in einer klassischen Struktur oder in einem DevOps-Prozess.
com! professional: Was hat OpenShift, was andere nicht haben?
Herrmann: Im Grunde ist es vergleichbar mit klassischen Plattformen, zum Beispiel einem Betriebssystem, einem Applikations-Server oder einer Virtualisierungslösung. Was es besonders macht, sind vor allem zwei Eigenschaften: Auf der einen Seite kann man damit in einem Cluster beliebig Kapazität für Compute, Storage und Networking hinzufügen – die Workloads sind praktisch fließend (floating), sie laufen auf irgendeinem Node im Cluster. Zweitens läuft OpenShift auf Linux-Instanzen und ist somit sehr portabel. Das heißt, man kann OpenShift sowohl im Rechenzentrum laufen lassen als auch in Amazon AWS, in Microsoft Azure oder in der Goo­gle-Cloud. Im Rechenzen­trum könnte man wiederum entscheiden, ob man es auf OpenStack, auf virtuellen Maschinen, auf Red Hat Virtualization oder auf Bare-Metal-Hardware macht.
com! professional: Was haben die Unternehmen davon?
Herrmann: Diese Flexibilität ist schon an sich wertvoll, was aber noch wichtiger ist: Man kann OpenShift in mehreren Umgebungen einsetzen – und dann wird es zu einem Mittel der Standardisierung zwischen Rechenzen­trum und Public Cloud. In hybriden Architekturen können Unternehmen damit Public-Cloud-Funktionalitäten anwenden oder ein komplett neues Modell für den Betrieb ihrer Anwendungen und Workloads entwickeln.
com! professional: Also zum Beispiel ohne Probleme von einer Cloud in eine andere Cloud wechseln?
Herrmann: Genau. Kunden können OpenShift im Moment als Enterprise-Produkt, also On-Premise, oder als Managed Solution bei uns kaufen – auch das bringt Flexibilität. Man kann es wie gesagt jetzt schon auf Amazon, Azure oder Goo­gle betreiben – vom Kunden verwaltet oder von uns.
2. Teil: „Partnernetz, Lock-in-Gefahr und der Stellenwert von OpenShift“

Partnernetz, Lock-in-Gefahr und der Stellenwert von OpenShift

com! professional: Wie viele Partner haben Sie bisher?
Herrmann: Es gibt weltweit etwa 100 zertifizierte Cloud-Anbieter, bei denen man Red-Hat-Produkte einsetzen kann. Allerdings ist OpenShift noch nicht überall verfügbar. Daran arbeiten wir aber. Wir stellen uns vor: OpenShift soll immer, wenn ein Kunde zu einem Cloud-Provider geht, das Standardisierungswerkzeug sein. Grundsätzlich ist es mit OpenShift heute schon möglich, schnell zu einem anderen Provider zu wechseln, wenn der bisherige Dienstleister ausfällt.
Wir bieten zum Beispiel eine Lösung, mit der man beständig Daten an andere Orte replizieren kann. Wenn tatsächlich mal an einer Stelle ein Ausfall passiert, dann hat man an einer anderen weiterhin Zugang zu den Daten. Aber der Teufel steckt im Detail: Performance-Verluste und Latenzen sorgen dafür, dass so etwas keine universelle Lösung ist.
com! professional: Wie könnte ein Ausweg aus diesem Dilemma aussehen?
Herrmann: Unsere Vision geht, schon aus Kostengründen, weniger in Richtung Disaster Tolerance als vielmehr hin zu hy­briden Cloud-Strukturen aus On-Premise-Rechenzentren und Multi-Cloud-Anbindungen. Wenn ein Provider zum Beispiel irgendwo schneller oder billiger ist, kann der Kunde locker zwischen Microsoft, Amazon, Google oder anderen wechseln. Allerdings sollte er aufpassen und sich nicht irgendwo fest binden lassen – denn in Cloud-Umgebungen aus einem Lock-in herauszukommen, ist keine Kleinigkeit.
com! professional: Wie groß ist die Lock-in-Gefahr denn?
Herrmann: Unsere Marktforschung zeigt: Der Druck, erste Erfahrungen mit der Cloud machen zu wollen, ist bei vielen Unternehmen sehr hoch, die Lock-in-Thematik wird da erst einmal nicht so wahrgenommen.
com! professional: Ist OpenShift hier ein Ausweg?
Herrmann: Ja, denn es bietet einen sicheren Migrationspfad für Hunderte von Workloads und Anwendungen, die auf Linux oder anderen Plattformen laufen. Es liefert einen Abstraktions-Layer mit allen möglichen Schnittstellen.
com! professional: Welchen Stellenwert hat OpenShift denn für Red Hat?
Herrmann: Ich würde sagen, OpenShift ist das neue Red Hat Enterprise Linux (RHEL). Es stellt die moderne Variante des Betriebssystems dar, mit der Konzepte wie Distributed Computing, Hybrid Cloud und Automatisierung umgesetzt werden.
com! professional:  Die meisten Unternehmen haben allerdings schon eine weit entwickelte IT – etwa mit Virtualisierungslösungen von VMware. Warum sollten die schon wieder einen Schwenk auf eine neue Technologie wie OpenShift vollziehen?
Herrmann: Wegen der veränderten Rolle der IT. In den meisten Ländern, insbesondere in Deutschland, wird die IT zwar noch immer häufig als nur unterstützende Funktion im Unternehmen gesehen, die nicht unbedingt zentral dafür ist, sich vom Wettbewerb abzuheben und Marktanteile zu erobern. Aber auch wenn „digitale Transformation“ inzwischen zu einem Buzz-Wort verkommen ist, man muss sich doch klar machen: Im Kern geht es darum, dass viele Produkte und Dienstleistungen – anders als früher – heute digital erbracht werden – zum Beispiel über mobile Anwendungen, APIs oder Hosted Services. Bei BMW heißt es nicht zufällig: Die Zukunft der Wertschöpfung in der Autoindustrie wird Software sein und nicht mehr Hardware und Services. Wir sehen diese Entwicklung in allen Branchen und in allen Industrien.
Früher ging es um Digitalisierung von Geschäftsprozessen, heute sehen wir neue Phänomene wie Produkte, die durch Software-Attribute definiert sind – zum Beispiel bei Tesla, dessen selbstfahrende, vernetzte Autos ganz stark auf Software basieren. Aufgrund solcher Entwicklungen werden viele Automobilmanager, besonders in Deutschland, ganz nervös, weil sie ihre klassische Geschäftsbasis gefährdet sehen.

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